- Ein Gebrauchtwagenhändler darf in aller Regel darauf vertrauen, dass Ausstattungsmerkmale, die in der Betriebsanleitung eines Fahrzeugs genannt werden, auch tatsächlich vorhanden sind. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn das Fehlen des Ausstattungsmerkmals entweder für einen Fachmann ohne Weiteres – auch ohne besondere Prüfung – ersichtlich oder in der Branche allgemein bekannt ist. Ein Gebrauchtwagenhändler ist aber jedenfalls nicht gehalten zu überprüfen, ob im Display des Fahrzeugs sämtliche Symbole so, wie sie in der Betriebsanleitung dargestellt sind, auch wirklich erscheinen.
- Indem ein Gebrauchtwagenhändler dem Käufer die Betriebsanleitung des gekauften Fahrzeugs übergibt, erklärt er regelmäßig nicht – schon gar nicht im Sinne einer arglistigen Täuschung „ins Blaue hinein“ –, dass sämtliche in der Betriebsanleitung genannten Ausstattungsmerkmale tatsächlich vorhanden seien.
AG Schöneberg, Urteil vom 13.09.2018 – 105 C 46/18
(nachfolgend: LG Berlin, Urteil vom 16.04.2019 – 35 S 20/18)
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von dem beklagten Kfz-Händler am 28.10.2016 einen gebrauchten Pkw Fiat 500X CITY LOOK 1.4 MultiAir LOUNGE zum Preis von 16.990 €. Das Fahrzeug wurde am der Klägerin am 08.11.2016 übergeben.
Bestandteil des Kaufvertrags sind die „Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen“ des Beklagten. Darin heißt es in Abschnitt VI unter anderem:
„1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
…
2. Die Verjährungsverkürzung in Ziffer 1 Satz 1 … [gilt] nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers … beruhen ….“
In der Betriebsanleitung des Fahrzeugs ist auf Seite 57 angegeben, dass der Pkw mit einer Öldruck-Kontrollleuchte ausgestattet sei. Das rot leuchtende Symbol liefere jedoch keinen Hinweis über die im Tank vorhandene Ölmenge. Auf Seite 188 der Betriebsanleitung heißt es, dass der maximale Ölverbrauch bei etwa 400 g je 1.000 km liege.
Die Klägerin behauptet, dass das Fahrzeug weder über eine Öl- noch über eine Öldruck-Kontrollleuchte verfüge; das in der Anleitung abgebildete Symbol, das auf dem Display angezeigt werden solle, sei nicht vorhanden. Weiter behauptet die Klägerin, sie habe mit dem Fahrzeug circa 12.500 km zurückgelegt und dabei etwa 3,5 l Öl verbraucht, sodass der Ölverbrauch weit über dem Normalen liege. Sie wirft dem Beklagten vor, sowohl das Fehlen der Kontrollleuchte als auch den überhöhten Ölverbrauch gekannt zu haben; zumindest hätte der Beklagte als Gebrauchtwagenhändler die entsprechenden Kenntnisse haben müssen. Er habe sie jedoch weder auf das Fehlen der Kontrollleuchte noch auf den überhöhten Ölverbrauch hingewiesen. Vielmehr habe sich der Beklagte durch Übergabe der Betriebsanleitung konkludent „ins Blaue hinein“ zur Beschaffenheit des Pkw geäußert und so arglistig gehandelt.
Infolge der behaupteten Mängel – so macht die Klägerin geltend – sei der Wert ihres Fahrzeugs um 15 %, das heißt um 2.548,50 € gemindert. Mit ihrer Klage hat sie den Beklagten auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen sowie auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Darüber hinaus hat er die behaupteten Mängel in Abrede gestellt und geltend gemacht, ihm sei weder das angebliche Fehlen der Kontrollleuchte noch der angeblich überhöhte Ölverbrauch bekannt gewesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht der Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises aus § 441 IV 1 BGB wegen Minderung gemäß §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 I und III BGB nicht zu.
Dabei kann dahinstehen, ob das Fahrzeug die von der Klägerin behaupteten Mängel aufweist; denn jedenfalls wären etwaige Ansprüche der Klägerin auf Mängelgewährleistung verjährt (§ 214 I BGB). Die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche der Klägerin als Käuferin ist im Kaufvertrag wirksam auf ein Jahr begrenzt worden (§ 476 II BGB). Das Fahrzeug wurde am 08.11.2016 übergeben, sodass die Verjährungsfrist am 08.11.2017 abgelaufen war und durch den Mahnantrag vom 20.12.2017 nicht mehr gemäß § 204 I Nr. 3 BGB, § 167 ZPO gehemmt werden konnte.
Dem Ablauf der Verjährungsfrist steht weder die Bestimmung in Abschnitt VI Nr. 2 der Vertragsbedingungen noch die Vorschrift des § 438 III 1 BGB entgegen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin auf die behaupteten Mängel bezogene Pflichten grob fahrlässig verletzt oder diese Mängel arglistig verschwiegen hat.
1. Der Beklagte hat nicht im Hinblick auf das behauptete Fehlen einer Öldruck-Kontrollleuchte grob fahrlässig gehandelt oder die Klägerin arglistig getäuscht.
a) Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass das Fahrzeug keine Öldruck-Kontrollleuchte aufweist, wie sie behauptet, und dass dies einen Sachmangel des Fahrzeugs darstellt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte dies gewusst hat oder hätte wissen müssen. Wenn in der vom Hersteller erstellten Betriebsanleitung eines Fahrzeugs bestimmte Ausstattungsmerkmale für gerade diese Fahrzeugserie angegeben werden, so darf auch ein Gebrauchtwagenhändler in aller Regel darauf vertrauen, dass diese auch tatsächlich vorhanden sind. Anders könnte es sich allenfalls verhalten, wenn das Fehlen eines solchen Ausstattungsmerkmals entweder für einen Fachmann auch ohne besondere Prüfung – für die mangels konkreter Anhaltspunkte kein Anlass bestand – ohne Weiteres ersichtlich oder in der Branche allgemein bekannt wäre. Beides ist jedoch vorliegend nicht ersichtlich. Soweit man von einem Gebrauchtwagenhändler eine Überprüfung des von ihm zu verkaufenden Fahrzeugs verlangen will, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass diese sich auch auf die Frage beziehen muss, ob im Display des Armaturenbretts sämtliche Symbole so, wie sie in der Betriebsanleitung dargestellt sind, auch wirklich erscheinen. Ebenso ist nichts darüber vorgetragen oder ersichtlich, dass es sich bei dem – behaupteten – Fehlen einer Öldruck-Kontrollleuchte bei dieser Fahrzeugserie um ein (nur) unter Fachleuten allgemein bekanntes Phänomen handelt.
b) Der Beklagte hat entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht dadurch arglistig getäuscht, dass er ihr die Betriebsanleitung des Fahrzeugs aushändigte und damit das Vorhandensein der darin genannten Merkmale „ins Blaue hinein“ behauptete. Wenn man der Aushändigung einer Betriebsanleitung für einen verkauften Gegenstand durch den Verkäufer überhaupt einen Erklärungswert beimessen will, dann könnte dieser allenfalls darin liegen, dass eben der Hersteller die darin genannten Ausstattungsmerkmale für sein Produkt angibt; ohne besondere Anhaltspunkte kann hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verkäufer damit zusätzlich die eigene Erklärung abgeben wolle, er mache sich den Inhalt dieser Betriebsanleitung zu eigen und bestätige ihn gegenüber dem Käufer der Sache. Im Übrigen würde selbst eine solche Erklärung nicht „ins Blaue hinein“ erfolgen, da der Verkäufer – wie ausgeführt – in der Regel davon ausgehen darf, dass die Ausstattungsbeschreibung in der Betriebsanleitung der tatsächlichen Ausstattung des Produkts entspricht.
2. Der Beklagte hat auch im Hinblick auf den Ölverbrauch des Fahrzeugs nicht c:1rglistig getäuscht oder grob fahrlässig gehandelt.
a) Es ist schon zweifelhaft, ob insofern – den von der Klägerin behaupteten Ölverbrauch als zutreffend unterstellt – überhaupt ein Mangel vorliegt. Die Klägerin behauptet einen Ölverbrauch von circa. 3,5 l auf eine Fahrstrecke von circa 12.500 km. Das entspricht rechnerisch einem Verbrauch von circa 0,28 l auf 1.000 km. Dass dies maßgeblich außerhalb der Norm liegt, ist kaum ersichtlich. Soweit sich die Klägerin auf ein Urteil des AG Halle (Saale) vom 08.12.2011 – 93 C 2126/10, juris – stützt, in dem der Sachverständige den Ölverbrauch des dortigen Fahrzeugs als deutlich außerhalb der Norm bezeichnete und das Gericht daraufhin einen Mangel des Fahrzeugs annahm, handelte es sich um einen Fall, bei dem ein Ölverbrauch von 1,43 1 pro 1.000 km festgestellt worden war, also mehr als fünffach höher als der von der Klägerin für ihr Fahrzeug behauptete Ölverbrauch.
b) Jedenfalls aber wäre, auch wenn man insoweit vom Vorliegen eines Mangels ausginge, keine Arglist des Beklagten ersichtlich.
aa) Soweit die Klägerin ihren Vorwurf – wie zuletzt in der mündlichen Verhandlung – darauf stützt, der Beklagte sei verpflichtet gewesen; sie auf den explizit aus der Betriebsanleitung hervorgehenden Ölverbrauch von bis zu 400 g pro 1.000 km Fahrleistung gesondert aufmerksam zu machen, ist ihr Vortrag schon widersprüchlich: Während die Klägerin dem Beklagten hinsichtlich des von ihr behaupteten Fehlens einer Öldruck-Kontrollleuchte vorwirft, sie habe sich aufgrund der Angabe in der ihr vom Beklagten überreichten Betriebsanleitung auf deren Vorhandensein verlassen dürfen und hätte auf die Unrichtigkeit dieser Angabe gesondert hingewiesen werden müssen, macht die Klägerin zu dem Vorwurf des vermeintlich überhöhten Ölverbrauchs der Sache nach umgekehrt geltend, sie habe die Betriebsanleitung nicht zur Kenntnis nehmen müssen, sondern hätte auf deren Inhalt positiv hingewiesen werden müssen.
Aber auch davon abgesehen greift der Vorwurf nicht durch: Es handelt sich dabei ersichtlich um die Angabe des maximalen Ölverbrauchs nach der Einfahrphase, der von den Fahrzeugherstellern in der Regel schon wegen des Gewährleistungsrisikos vorsorglich mit einem deutlichen Sicherheitsabstand nach oben angegeben wird, den tatsächlichen Ölverbrauch nicht unbedingt wiedergibt und der zudem mit 400 g/1.000 km nicht ersichtlich aus dem Rahmen fällt gegenüber den Maximalangaben für andere Fahrzeuge.
Schließlich könnte insoweit ein offenbarungspflichtiger Mangel allenfalls dann vorliegen, wenn ein Ölverbrauch in dieser Höhe tatsächlich aufgetreten wäre; das aber behauptet die Klägerin selber nicht. Vielmehr trägt sie einen von ihr festgestellten Verbrauch von circa 0,28 1 auf 1.000 km vor.
bb) Soweit die Klägerin ihren Vorwurf nicht auf die Angabe des in der Betriebsanleitung angegebenen Maximalwerts, sondern auf den tatsächlichen von ihr behaupteten Verbrauch von 0,28 1 auf 1.000 km stützt, ist – wiederum unterstellt, dies stelle einen Mangel des Fahrzeugs dar – nicht ersichtlich, dass der Beklagte den konkreten Ölverbrauch dieses konkreten Fahrzeugs gekannt hat oder hätte kennen müssen. Eine solche Kenntnis des Beklagten hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.
3. Da der Hauptanspruch der Klägerin nicht begründet ist, ist auch die Klageforderung auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht begründet. Selbst wenn die Hauptforderung im Zeitpunkt der Entstehung dieser Kosten noch nicht verjährt gewesen sein sollte – wozu nichts vorgetragen ist –, wären diese jedenfalls als Nebenleistungen gemäß § 217 BGB mit dem Hauptanspruch verjährt.
4. …
Hinweis: Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung hat die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, der Beklagte habe als markengebundener Kfz-Händler wissen müssen, dass ihr Fahrzeug nicht mit einer Ölkontrollleuchte ausgestattet sei. Sie, die Klägerin, habe in besonderem Maße auf das fachspezifische Wissen des Beklagten vertraut und mit der Übergabe der Betriebsanleitung die Erklärung verbunden, dass der Beklagte für die Vollständigkeit und Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben einstehen werde. Deshalb sei die Übergabe der – von dem Beklagten nicht geprüften – Betriebsanleitung als Erklärung „ins Blaue hinein“ zu werten. Die Argumentation des Amtsgerichts hinsichtlich des Ölverbrauchs werde mit der Berufung nicht angegriffen. Das Rechtsmittel wurde vom LG Berlin mit Urteil vom 16.04.2019 – 35 S 20/18 – zurückgewiesen. Darin heißt es:
„Die Berufung ist … nicht begründet.
Zwar ist die Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr unwirksam, sodass die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren des § 438 I Nr. 3 BGB gilt, weil die Regelung des § 476 II BGB nach der Entscheidung des EuGH vom 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 = juris Rn. 46 – Ferenschild – europarechtswidrig ist. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Minderung nach §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 BGB, weil das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mangelhaft i. S. von § 434 I BGB ist.
Das Fehlen einer Ölkontrollleuchte ist nicht als Mangel anzusehen.
Es liegt insoweit weder eine vereinbarte Beschaffenheit i. S. von § 434 I 1 BGB noch eine öffentliche Äußerung des Herstellers i. S. von § 434 I 3 BGB vor. Angaben des Herstellers in der Bedienungsanleitung über Eigenschaften des Fahrzeugs führen ohne weitere Umstände nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer. Der Käufer kann nicht erwarten, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für die Richtigkeit der Angaben in der Bedienungsanleitung übernehmen will (BGH, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, juris Rn. 33 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 06.09.2017 – 4 U 105/17, juris Rn. 56). Dass über das Vorhandensein der Ölkontrollleuchte gesprochen worden ist, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Die Bedienungsanleitung wird in der Kaufvertragsurkunde nicht thematisiert und kann auch nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen sein, da sie erst nach Vertragsschluss übergeben worden ist. Äußerungen, die nach § 434 I 3 BGB zur Bestimmung der Vertragsmäßigkeit herangezogen werden sollen, müssen öffentlich getan sein, sich also an einen unbestimmten Personenkreis wenden (MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl. [2016], § 434 Rn. 28). Das ist bei einer Bedienungsanleitung nicht der Fall.
Das Fahrzeug eignet sich auch ohne Ölkontrollleuchte zur vertragsmäßig vorausgesetzten Verwendung i. S. von § 434 I Nr. 1 BGB.
Schließlich trägt die Klägerin nunmehr vor, dass alle gleichartigen Modelle von Fiat nicht über eine Ölkontrollleuchte verfügen. Damit liegt eine Beschaffenheit vor, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Ob andere Fahrzeugtypen oder -modelle eine andere Ausstattung aufweisen, ist hier unerheblich.
Hinsichtlich des Ölverbrauchs liegt ebenfalls kein Mangel i. S. von § 434 I BGB vor. Insoweit ist zunächst auf die Ausführungen des Amtsgerichts … unter Ziffer 2 a zu verweisen, die die Klägerin nicht angegriffen hat. Zudem trägt die Kläger auch hierzu vor, dass sämtliche Fahrzeuge dieses Typs einen derartigen Ölverbrauch aufweisen.
Allenfalls wäre hier ein Mangel der Bedienungsanleitung vorstellbar. Dieser ist jedoch unerheblich, nachdem die Klägerin ohne Weiteres in der Lage ist, diesen Mangel selbst zu beseitigen, indem sie die betreffende Passage durchstreicht. …“