Ein Gebrauchtwagen ist mangelhaft, wenn sein Ölverbrauch im Vergleich mit einem Fahrzeug derselben Klasse überdurchschnitt hoch ist (hier: 1,43 l/1.000 km).

AG Halle (Saale), Urteil vom 08.12.2011 – 93 C 2126/10

Sachverhalt: Die Klägerin macht nach einem Gebrauchtwagenkauf Gewährleistungsansprüche geltend.

Die Klägerin kaufte am 02.01.2010 von dem Beklagten, einem gewerblichen Autoverkäufer, einen gebrauchten Pkw Nissan Primera (Erstzulassung: 16.08.2001) mit einem Kilometerstand von 60.500 km zu einem Preis von 4.950 €. Das Fahrzeug wurde der Klägerin gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben.

Mit an den Beklagten gerichteten Anwaltsschreiben vom 29.04.2010 trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Sie behauptet, das Fahrzeug habe – neben weiteren im Einzelnen ausgeführten Mängeln – einen übermäßigen Ölverbrauch von mehr als einem Liter auf 1.000 Kilometer, was weder dem technischen Standard noch den Vorgaben des Herstellers entspreche.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist begründet. Anspruchsgrundlage ist §§ 437 Nr. 2, 440, 346 I BGB.

Das streitgegenständliche Fahrzeug hat einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Das Fahrzeug verbraucht 1,43 Liter Öl auf 1.000 Kilometer. Dies hat der Sachverständige S nachvollziehbar ausgeführt. Er hat im Einzelnen erläutert, wie er den Ölverbrauch gemessen hat. Mit dem festgestellten Ölverbrauch weicht das Fahrzeug ab von der üblichen Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Denn der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass der Ölverbrauch im vorliegenden Fall „richtig rausgeht aus der Norm“, und dass eigentlich ein Auto zwischen zwei im Abstand von 15.000 Kilometern durchgeführten Ölwechseln nicht mehr als einen Liter Öl verbrauchen sollte. Diese Ausführungen des Sachverständigen waren überzeugend, zumal sie auch den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen. Dass diesen Anforderungen das streitgegenständliche Fahrzeug bei Weitem nicht gerecht wird, bedarf keiner näheren Ausführungen.

Der Sachverständige hat auch überzeugend ausgeführt, dass der Ölverbrauch nicht etwa aufgrund von Verschleiß angesichts des Alters des Fahrzeuges und der bisherigen Laufleistung erhöht sei. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass der Motor eigentlich 250.000 Kilometer halten müsste, und dass erst gegen Ende dieser Spanne – das vorliegend aber bei Weitem nicht erreicht ist – der Motor „vielleicht ein bisschen mehr“ Öl verbrauchen könne.

Es ist zwar richtig, dass der Klägerin der Beweis obliegt, dass ein Mangel vorliegt, und dass dieser nicht lediglich auf normaler Abnutzung beruht. Diesen Beweis hat sie aber erbracht.

Angesichts der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen liegt ein Sachmangel vor, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel durch einen Konstruktionsfehler bedingt ist oder ob es sich um einen „Ausreißer“ handelt. Zur üblichen Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB gehört auch, dass die Sache keine Konstruktionsfehler hat. Vergleichsmaßstab sind insoweit nicht andere ebenfalls mit einem Konstruktionsfehler versehene Fahrzeuge des Fabrikats Nissan Primera, sondern durchschnittliche Pkw der entsprechenden Wagenklasse. Der Vergleich ist nicht auf die Serie des betroffenen Fahrzeugtyps zu beschränken, sodass es nicht entscheidend sein kann, ob sich der gekaufte Wagen innerhalb der Fertigungstoleranzen eines bestimmten Typs eines bestimmten Herstellers befindet. Maßgebend ist vielmehr der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge (OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.06.2005 – 3 U 12/04, juris).

Abzustellen ist, um das vorsorglich klarzustellen, nicht auf die Abweichung des tatsächlichen Ölverbrauchs von den Herstellerangaben, sondern darauf, dass nach der Ausführung des Sachverständigen der Verbrauch erheblich oberhalb des normalerweise zu Erwartenden liegt.

Die Aussage des Urteils des AG Mainz vom 02.06.1992 – 7 C 264/92, juris –, dass ein überdurchschnittlich hoher Ölverbrauch eines Gebrauchtwagens keinen Sachmangel darstelle, ist angesichts der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen im vorliegenden Fall jedenfalls nicht verallgemeinerungsfähig. Das von dem Beklagten zitierte Urteil des OLG Naumburg vom 28.07.2007 – 5 U 99/06 – gibt für den vorliegenden Fall schon deshalb nichts her, weil es dort um – angeblich oberhalb der Herstellerangaben liegenden – Treibstoffverbrauch ging. Der Treibstoffverbrauch ist aber in einer ganz anderen Art und Weise als der Ölverbrauch von der individuellen Fahrweise sowie vom Einfahrverhalten, der Pflege des Fahrzeugs und der Ausrüstung mit gewichtserhöhender Sonderausstattung abhängig, so dass es hier viel weniger einen normalen Wert geben kann, bei dem dann vom Vorliegen eines Sachmangels ausgegangen werden kann, wenn der tatsächliche Wert hiervon abweicht.

Die Klägerin muss dem Beklagten auch keine Nutzungsentschädigung bezahlen … Die Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346–348 BGB) gelten im Fall des Verbrauchsgüterkaufs nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst, führen hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache (BGH, Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, juris).

Die Klägerin musste dem Beklagten nicht gemäß § 439 BGB Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, da eine Ersatzlieferung angesichts der Tatsache, dass ein bestimmtes, mit Fahrzeug-Ident-Nr. individualisiertes, Fahrzeug verkauft wurde, nicht möglich ist, und eine Mangelbeseitigung der Natur des Mangels nach ebenfalls nicht möglich ist. Zudem hat es unstreitig auch bei dem Beklagten Mangelbeseitigungsversuche gegeben …

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