1. Arglist i. S. von § 123 Abs. 1 Fall 1 BGB setzt (zumindest bedingten) Vorsatz voraus; Fahrlässigkeit – selbst grobe Fahrlässigkeit – genügt nicht. Eine „böse Absicht“ ist indes für Arglist nicht erforderlich.
  2. Arglistig handelt auch, wer ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ unrichtige Angaben macht, wenn er mit der Unrichtigeit der Angaben rechnet oder zwar gutgläubig ist, seinen guten Glauben aber ohne zuverlässige Beurteilungsgrundlage gebildet hat und dies nicht offenbart.

AG Oldenburg, Urteil vom 01.04.2016 – 3 C 3157/15 (XXX)

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten mit Kaufvertrag vom 18.04.2015 einen gebrauchten, mit einer Gasanlage ausgestatteten Ford Mondeo Turnier zum Preis von 1.350 €.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2015 ließ der Kläger seine Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung anfechten und den Beklagten unter Fristsetzung auffordern, ihm den Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zurückzuzahlen.

Der Kläger hat behauptet, er habe das Fahrzeug nach Abschluss des Kaufvertrages von einem Ford-Vertragshändler überprüfen lassen, weil und nachdem er unter dem Pkw eine Öl-Wasser-Lache bemerkt habe. Der Händler habe festgestellt, dass die Zylinderkopfdichtung defekt sei; außerdem sei festgestellt worden, dass die Gasanlage nicht fachgerecht in das Fahrzeug eingebaut worden sei.

Ursprünglich hat der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 1.350 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Ford Mondeo Turnier, begehrt. Auf Antrag des Beklagten ist am 30.10.2015 ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Der dagegen eingelegte – zulässige – Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die … Klage ist unbegründet.

1. a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.350 € Zug um Zug gegen Herausgabe des Kraftfahrzeugs … gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB.

Der Beklagte hat zwar Eigentum und Besitz an 1.350 € erhalten durch Zahlung des Klägers. Es liegt jedoch ein Rechtsgrund für die Zahlung vor, nämlich der Kaufvertrag vom 18.04.2015. Eine wirksame Anfechtung mit der Folge des § 142 I BGB liegt nicht vor. Es fehlt an einem Anfechtungsgrund. Eine arglistige Täuschung gemäß § 123 I Fall 1 BGB liegt nicht vor.

Täuschung ist die bewusste Vorspiegelung, Entstellung oder das Verschweigen von Tatsachen zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums. Werturteile und marktschreierische Anpreisungen stellen keine Täuschung dar (BGH, Urt. v. 19.09.2006 – XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 24). Vorspiegelung und Entstellung können durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten begangen werden. Eine im Verschweigen von Tatsachen liegende Täuschung durch Unterlassen liegt nur vor, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht. Dies ist der Fall, wenn der andere Teil im Einzelfall nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand hätte erwarten können (BGH, Urt. v. 13.12.1990 – III ZR 333/89, NJW-RR 1991, 439 [440]). Umstände, die für den anderen Teil offensichtlich von erheblicher Bedeutung sind, weil sie den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können, oder auf deren Mitteilung erkennbar Wert gelegt wird, sind ungefragt zu offenbaren (BGH, Urt. v. 02.03.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; Urt. v. 04.03.1998 – VIII ZR 378/96, NJW-RR 1998, 1406).

Arglist bedeutet (zumindest bedingter) Vorsatz im Hinblick auf Täuschungshandlung, Irrtumserregung und Herbeiführung einer Willenserklärung; er muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen. Der Täuschende muss also wissen oder damit rechnen, dass er etwas Unzutreffendes behauptet, hierdurch bei dem Erklärungsempfänger eine falsche Vorstellung entsteht und der Getäuschte aufgrund dessen eine Erklärung abgibt, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde (BGH, Urt. v. 19.05.1999 – XII ZR 210/97, NJW 1999, 2804 [2806]). Grobe Fahrlässigkeit genügt nicht (BAG, Urt. v. 11.07.2012 − 2 AZR 42/11NJW 2012, 3390 Rn. 22). Auf das Vorhandensein eines Täuschungswillens muss in der Regel aus den objektiv feststellbaren Umständen (z. B. Formulierung eines Angebotsschreibens) geschlossen werden (BGH, Urt. v. 22.02.2005 – X ZR 123/03, NJW-RR 2005, 1082 [1083]: Frage des Einzelfalls). Ein Rechtsirrtum kann Vorsatz und damit auch Arglist ausschließen (BGH, Urt. v. 29.06.2010 – XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 43). Eine „böse Absicht“, Schädigungs- oder Bereicherungsvorsatz ist nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 21.06.1974 – V ZR 15/73, NJW 1974, 1505 [1506]). Eine ohne tatsächliche Grundlagen „ins Blaue hinein“ abgegebene Behauptung ist arglistig, wenn der Handelnde mit der möglichen Unrichtigkeit der Angaben rechnet (BGH, Urt. v.  07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 13 ff.; Urt. v. 25.03.1998 – VIII ZR 185/96, NJW 1998, 2360 [2361]) oder zwar gutgläubig ist, seinen guten Glauben jedoch ohne zuverlässige Beurteilungsgrundlage gebildet hat und dies nicht offenbart (BGH, Urt. v. 08.05.1980 – IVa ZR 1/80, NJW 1980, 2460 [2461]).

Vorliegend kommt allein eine Täuschung durch Unterlassen in Betracht.

Bezüglich der Behauptung, dass die Flüssiggasanlage nicht fachgerecht verbaut war, liegt keine arglistige Täuschung vor. Der Kläger konnte nicht darlegen und beweisen, dass der Beklagte mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnete. Im Rahmen der informatorischen Anhörung gab der Kläger an, dass der Beklagte ihm gesagte habe, dass er nur die Mängel kenne, die auch im Kaufvertrag niedergeschrieben wurden. Dies bestätigte der Kläger auch auf erneute Nachfrage des Gerichts. Der Beklagte behauptete also gerade nicht, wie schriftsätzlich durch den Klägervertreter vorgetragen, das Fahrzeug weise nur die Mängel auf, die auch im Kaufvertrag angegeben wurden. Der Beklagte legte vielmehr offen, dass er nur die aufgeführten Mängel kennt. Ob es durch ihn unentdeckte Mängel gibt, ließ er ausdrücklich offen.

Es sind jedoch keine Tatsachen dargelegt und bewiesen, dass der Beklagte es für möglich hielt, dass die Fiüssiggasanlage nicht fachgerecht verbaut sei.

Ein im Rahmen der Probefahrt wahrgenommenes „Ruckeln“ wurde unstreitig seitens des Beklagten nicht in Abrede gestellt. Bei einem ca. 13 Jahre alten Fahrzeug sind kleinere Unregelmäßigkeiten nicht unüblich. Allein aus einem „Ruckeln“ bei einem derart alten Fahrzeug muss ein Laie nicht die Möglichkeit eines schwerwiegenden Defekts in Betracht ziehen. Dies tat der Kläger offensichtlich ebenso wenig, sonst hätte er aufgrund des „Ruckelns“ nach der Probefahrt vom Kaufvertrag Abstand genommen.

Der Kläger hat ferner keine Tatsachen dargelegt und bewiesen, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte damit rechnete, dass eine defekte Zylinderkopfdichtung vorliegt.

Ein Mangel wie eine defekte Zylinderkopfdichtung kann sich durch Austritt von Öl zeigen. Eine arglistige Täuschung käme erst dann in Betracht, wenn bereits vor Kaufvertragsschluss ein Austritt von Öl in der Weise zu beobachten war, dass man auch als Laie darauf schließen muss, dass dies auf einem Defekt des Fahrzeuges beruht. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass bereits vor Abschluss des Kaufvertrages Öl in relevanten Mengen ausgetreten ist.

Weder behauptet der Kläger, dass bereits vor Vertragsschluss sich auf dem Parkplatz Öl befand, noch hat der Zeuge F derartiges beobachten können. Allein aus dem Umstand, dass Öl und Wasser nachzufüllen waren und der Beklagte über einen Kanister mit Öl verfügte, kann nicht auf den Austritt von Öl vor Vertragsschluss geschlossen werden. Es ist nicht unüblich, dass ein Ölkanister und entsprechend Öl in der Wohnung zur Hand sind. Auch ist es nicht unüblich, dass bei einem derart alten Fahrzeug es schon einmal dazu kommt, dass beides aufzufüllen ist. Dass dies so ist, zeigt auch der Umstand, dass sowohl der Kläger selber als auch der Zeuge F den Umstand des Auffüllens nicht zum Anlass zu Rückfragen bei dem Beklagten nahmen.

Die Beweisaufnahme hat ferner nicht ergeben, dass Öl und Wasser in der Größenordnung einer Lache ausgetreten ist. Der Zeuge F sprach im Rahmen der Zeugenvernehmung von einem ca. fünf Zentimeter großen Ölfleck, der sich noch am Tag des Kaufvertragsschlusses zeigte. Der Zeuge R gab an, dass er am selben oder am nächsten Tag einen Ölfleck etwa in der Größe eines 2-Euro-Stücks wahrgenommen habe … Ölaustritt in diesen minimalen Größen lässt nicht sicher darauf schließen, dass bereits vor der Fahrt von O. nach S. ein Defekt vorlag, der sich durch Austritt von Öl erkennbar äußerte.

b) Ein Zinsanspruch besteht nicht, da ein Hauptanspruch nicht besteht …

Hinweis: In dem Rechtsstreit habe ich den Beklagten vertreten.

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