Archiv: 2016
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Die Beurteilung, ob die in der Lieferung eines mangelhaften Wohnmobils liegende Pflichtverletzung des Verkäufers i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung regelmäßig von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtvertfletzung auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von einem Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Umgekehrt ist in der Regel ein Mangel jedenfalls dann nicht mehr geringfügig, also die Pflichtverletzung des Verkäufers nicht mehr unerheblich, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872; Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229). Stattdessen ist auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen, wenn die Mangelursache im – maßgeblichen – Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist, etwa weil auch der Verkäufer sie nicht feststellen konnte (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872).
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Die vom Käufer nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Wohnmobil zu zahlende Nutzungsentschädigung (§§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB) bemisst sich regelmäßig nach der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer („Lebenszeit“) des Fahrzeugs, da zu dessen bestimmungsgemäßen Nutzung – anders als bei einem Pkw – nicht nur das Fahren, sondern auch das Wohnen auf Rädern gehört. Deshalb wäre es nicht sachgerecht, bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung (allein) auf die voraussichtliche Gesamtfahrleistung des Wohnmobils abzustellen.
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Hat der Verkäufer eines Wohnmobils durch Verwendung des ihm zugeflossenen Kaufpreises Zinsen erwirtschaftet, so ist er dem Käufer nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag zur Herausgabe dieser Nutzungen bzw. zum Wertersatz verpflichtet (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB). Im Umfang dieser Herausgabe- bzw. Ersatzpflicht hat der Käufer keinen Anspruch auf Verzugszinsen.
OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2016 – 1 U 133/13
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Eine Bestimmung in einem eBay-Angebot, wonach ein „Spaßbieter“ eine Vertragsstrafe in Höhe von 20 % des Kaufpreises zu zahlen hat, ist nach der Wertung des § 305c II BGB unwirksam, weil der Begriff „Spaßbieter“ mehrdeutig ist.
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Ein Käufer, der grundsätzlich rechtlich anerkannte und nicht offensichtlich unerhebliche Gründe dafür vorbringt, warum er am Kaufvertrag nicht festhalten will, ist kein „Spaßbieter“, ohne dass es darauf ankommt, ob er sich tatsächlich vom Kaufvertrag lösen darf.
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Ein Rücktritt von einem Gebrauchtwagenkaufvertrag ist ausgeschlossen, wenn die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs nur geringfügig höher ist als die vertraglich vereinbarte Laufleistung (hier: 129.121 km statt 128.500 km) und die Abweichung sich deshalb auf den Wert und die Gebrauchstauglichkeit des Wagens jedenfalls nicht nennenswert auswirkt.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.05.2016 – 22 U 205/14
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Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug, das erkennt, ob es einem Abgastest unterzogen wird, und (nur) dann die Abgasaufbereitung optimiert, ist zwar i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Dieser Mangel ist aber i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, sodass er einen Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag nicht rechtfertigen kann.
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Ein VW-Vertragshändler muss sich ein mögliches arglistiges Verhalten einzelner Personen im VW-Konzern nicht zurechnen lassen, weil der Hersteller im Verhältnis zum Käufer nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist. Die Personen im VW-Konzern, die sich möglicherweise arglistig verhalten haben, sind aus Sicht des Vertragshändlers folglich Dritte i. S. des § 123 II BGB.
LG Ravensburg, Urteil vom 12.05.2016 – 6 O 67/16
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Ein etwa arglistiges Verhalten der Volkswagen AG im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal kann einem VW-Vertragshändler nicht zugerechnet werden, weil die Volkswagen AG als Fahrzeugherstellerin nicht Erfüllungsgehilfin des Vertragshändlers ist.
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Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist zwar i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Der dem Fahrzeug anhaftende – behebbare – Mangel ist jedoch geringfügig und rechtfertigt deshalb gemäß § 323 V 2 BGB keinen Rücktritt vom Kaufvertrag.
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Die in der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache liegende Pflichtverletzung des Verkäufers kann auch dann i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich sein und deshalb einen Rücktritt nicht rechtfertigen, wenn der der Kaufsache anhaftende Mangel nicht behebbar ist.
LG Dortmund, Urteil vom 12.05.2016 – 25 O 6/16
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Einem – als aus „1. Hand“ stammend beschriebenen – Gebrauchtwagen fehlt eine vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 I 1 BGB), wenn im Kaufvertrag die Anzahl der Vorbesitzer mit „0“ angegeben ist, während in der Zulassungsbescheinigung Teil II zwei Halter, die Verkäuferin und ihre Tochter, eingetragen sind. Daran ändert nichts, dass die Angabe der Anzahl der Vorbesitzer mit dem Zusatz „soweit bekannt“ eingeschränkt ist; dieser Zusatz macht die Angabe nicht zur bloßen Wissensmitteilung.
AG Weiden, Urteil vom 11.05.2016 – 2 C 70/16
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Ein mit einem Rußpartikelfilter ausgestattetes Dieselfahrzeug ist nicht deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil es für einen reinen Kurzstreckenbetrieb nicht geeignet ist, da die zur Reinigung des Filters erforderliche Abgastemperatur im reinen Kurzstreckenbetrieb regelmäßig nicht erreicht wird und deshalb von Zeit zu Zeit Überlandfahrten unternommen werden müssen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08).
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Ein Kfz-Händler muss den (potenziellen) Käufer eines Fahrzeugs mit Rußpartikelfilter bei den Vertragsverhandlungen zwar dann nicht darüber aufklären, dass und in welcher Weise zur Reinigung des Filters von Zeit zur Zeit Regenerationsfahrten übernommen werden müssen, wenn sich diese Informationen mit hinreichender Deutlichkeit aus der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs ergeben. Enthält die Bedienungsanleitung jedoch keine entsprechenden Hinweise, besteht eine dahin gehende Hinweis- und Beratungspflicht.
LG Düsseldorf, Urteil vom 09.05.2016 – 23 O 195/15
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Ein Gebrauchtwagen weist schon dann einen den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Rechtsmangel auf, wenn das Fahrzeug bei der Übergabe an den Käufer und auch noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung im Schengener Informationssystem (SIS) zur Fahndung ausgeschrieben ist. Der Gefahr, dass dem Käufer das Fahrzeug dauerhaft entzogen wird oder der Gebrauch des Fahrzeugs dauerhaft beeinträchtigt ist, bedarf es zur Bejahung eines Rechtsmangels nicht.
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Die Klausel „wie besichtigt ohne Garantie und Gewährleistung“ in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag bezieht sich insbesondere deshalb, weil sie an eine Besichtigung des Fahrzeugs anknüpft, nur auf Sachmängel und nicht auch auf Rechtsmängel.
OLG München, Urteil vom 02.05.2016 – 21 U 3016/15
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Bei der Prüfung, ob ein Gebrauchtwagen i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft ist, weil er nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, ist gegebenenfalls ein herstellerübergreifender Vergleich anzustellen. Denn „üblich“ i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist nicht die Beschaffenheit, die bei einem bestimmten Fahrzeughersteller üblich oder normal ist. Abzustellen ist vielmehr auf das Qualitätsniveau, das vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller erreicht haben und das inzwischen die Markterwartung prägt. Deshalb ist ein Gebrauchtwagen nicht allein deshalb frei von Sachmängeln, weil ein Defekt, den er aufweist, als Serienfehler der gesamten Baureihe anhaftet.
LG Stade, Urteil vom 27.04.2016 – 5 S 5/16
(nachfolgend: BGH, Beschluss vom 16.05.2017 – VIII ZR 102/16)
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Der in einem Grundstückskaufvertrag vereinbarte umfassende Haftungsausschluss für Sachmängel erfasst auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes.
BGH, Urteil vom 22.04.2016 – V ZR 23/15
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Demjenigen, der von einer Privatperson einen Gebrauchtwagen erwirbt, die nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) eingetragen ist, muss sich der – eine Nachforschungspflicht auslösende – Verdacht aufdrängen, dass der Veräußerer auf unredliche Weise in den Besitz des Fahrzeugs gelangt sein könnte. In einem solchen Fall kann der Erwerber dem Vorwurf der – einen guten Glauben ausschließenden – groben Fahrlässigkeit nur entgegen, wenn er Nachforschungen angestellt hat, die geeignet waren, seinen Verdacht zu beseitigen.
LG Essen, Urteil vom 19.04.2016 – 8 O 213/15
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