Demjenigen, der von einer Privatperson einen Gebrauchtwagen erwirbt, die nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) eingetragen ist, muss sich der – eine Nachforschungspflicht auslösende – Verdacht aufdrängen, dass der Veräußerer auf unredliche Weise in den Besitz des Fahrzeugs gelangt sein könnte. In einem solchen Fall kann der Erwerber dem Vorwurf der – einen guten Glauben ausschließenden – groben Fahrlässigkeit nur entgegen, wenn er Nachforschungen angestellt hat, die geeignet waren, seinen Verdacht zu beseitigen.

LG Essen, Urteil vom 19.04.2016 – 8 O 213/15

Sachverhalt: Der Kläger war Eigentümer eines Mercedes-Benz E 200 CDI. Diesen Pkw hatte er am 11.03.2014 zum Preis von 31.300 € von der Daimler AG, Niederlassung B., erworben. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halter eingetragen; sie hat ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten.

Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 05.05.2015 verkaufte der Kläger den Mercedes-Benz E 200 CDI zum Preis von 26.800 € an eine unter den Namen N auftretende Person. Mit ihr vereinbarte der Kläger, dass sie den Kaufpreis auf das Konto des Klägers überweisen und ein Transportunternehmen mit der Abholung des Fahrzeugs beauftragen werde. Noch am 05.05.2015 erhielt der Kläger eine – gefälschte – Bescheinigung der B-Bank, aus der sich ergab, dass N 26.800 € auf das Konto des Klägers überwiesen habe. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Bestätigung händigte der Kläger den Pkw nebst Schlüsseln und Fahrzeugpapieren dem von „N“ beauftragten Transportunternehmer aus. Dieser lieferte das Fahrzeug nicht bei N, sondern bei einer anderen Person ab. Den Kaufpreis für den Pkw erhielt der Kläger nicht. Er erstattete deshalb Strafanzeige, in deren Folge der Pkw zur Fahndung ausgeschrieben wurde.

Mit Schreiben vom 16.06.2015 focht der Kläger die gegenüber N abgegebene Übereignungserklärung an.

Der Beklagte kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug am 09.05.2015 auf einem Gebrauchtwagenmarkt in E. Ausweislich des schriftlichen Kaufvertrages betrug der Kaufpreis 15.500 €. Diesen Betrag überließ der Beklagte dem Verkäufer V, der einen serbischen Reisepass vorweisen konnte, in bar. Als der Beklagte am 10.06.2015 versuchte, den Pkw auf seinen Namen anzumelden, wurde Fahrzeug von der Polizei sichergestellt.

Der Kläger behauptet, die unter dem Namen N handelnde Person sei nicht N, sondern ein Dritter gewesen, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen rund 100 ähnlich gelagerter Fälle geführt werde. Dieser Dritte sei gegenüber dem Beklagten als V aufgetreten. Der von dem Beklagten gezahlte Kaufpreis in Höhe von 15.500 € entspreche etwa der Hälfte des tatsächlichen Zeitwerts des Fahrzeugs.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe das Eigentum an dem streitgegenständlichen Pkw nicht gutgläubig erworben. Das Fahrzeug habe nämlich seinerzeit einen Zeitwert von rund 28.000 € gehabt, weil es erst etwa zwei Jahre alt sowie unfall- und mangelfrei gewesen sei und eine Laufleistung von nur 23.220 km aufgewiesen habe. Angesichts dessen sei der vom Beklagten gezahlte Kaufpreis objektiv viel zu niedrig gewesen. Der Beklagte sei deshalb hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers nicht in gutem Glauben gewesen. Zumindest sei es als grob fahrlässig zu werten, dass der Beklagte trotz eklatanter Widersprüche keine weiteren Informationen eingeholt habe. In dem zwischen dem Beklagten und V/N geschlossenen Kaufvertrag sei ein Kilometerstand von rund 53.100 festgehalten worden; nur vier Tage vor Abschluss des Kaufvertrages habe er 30.000 km weniger betragen. Diese Diskrepanz – so meint der Kläger – hätte dem Beklagten, der sich nach seinem eigenem Vortrag die komplette Fahrzeughistorie habe vorlegen lassen, auffallen müssen. Dem Beklagten hätte sich die deliktische Herkunft des Pkw aufdrängen müssen.

Der Beklagte ist der auf Feststellung, dass der Kläger Eigentümer des Mercedes-Benz E 200 CDI sei, gerichteten Klage entgegengetreten. Widerklagtend hat er die Feststellung begehrt, dass er selbst Eigentümer des Fahrzeugs sei.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe sein Eigentum an dem Fahrzeug dadurch aufgegeben, dass er den Pkw V/N übereignet habe. Die Übereignungserklärung habe der Kläger nicht wirksam angefochten. Denn da der Kläger nicht wisse, wer ihm gegenüber unter dem Namen N aufgetreten sei, und ihm auch der Aufenthaltsort dieser Person unbekannt sei, hätte eine wirksame Anfechtung allenfalls gemäß § 132 I BGB i. V. mit §§ 185 f. ZPO durch öffentliche Zustellung erfolgen können. Eine öffentliche Zustellung der Anfechtungserklärung sei indes unterblieben. Er – der Beklagte – selbst habe gutgläubig das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug erworben.

Der Beklagte behauptet, er sei mit seinem Sohn auf dem Automarkt in E. gewesen. Dort sei ihm der hier interessierende Pkw, der für 19.900 € zum Kauf angeboten worden sei, aufgefallen. Er habe sich das Fahrzeug angesehen und zwei große Kratzer entdeckt; außerdem habe er nach dem Öffnen der Motorhaube bemerkt, dass die Motorschläuche unter großem Überdruck gestanden hätten und aus dem Kühlmittelbehälter Wasser ausgelaufen sei. Ausweislich des Kilometerzählers habe der Pkw eine Laufleistung von 53.000 km aufgewiesen. Der Verkäufer habe ihm – dem Beklagten – die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) und Teil II (Fahrzeugbrief) vorgelegt. Er – der Beklagte – habe außerdem im Internet recherchiert und festgestellt, dass das Fahrzeug auch dort angeboten worden sei, und zwar von einem privaten Anbieter aus M.

Schließlich habe er sich mit dem Verkäufer, der ihm einen serbischen Reisepass und eine Meldebestätigung vorgelegt habe, auf einen Kaufpreis von 15.500 € geeinigt. Den Reisepass habe seine – des Beklagten – Ehefrau fotografiert. Da der Verkäufer am Folgetag nicht mehr zu erreichen gewesen sei, habe die Ehefrau des Beklagten bei der Zulassungsstelle angerufen, um zu fragen, ob mit dem Fahrzeug alles in Ordnung sei. Die dortige Sachbearbeiterin habe mitgeteilt, dass es nichts zu beanstanden gebe. Er – der Beklagte – habe das Fahrzeug aber zunächst nicht angemeldet, weil er noch ein anderes Fahrzeug habe verkaufen müssen. Dass das erworbene Fahrzeug Anfang Mai eine Laufleistung von nur 23.000 km aufgewiesen habe, habe er nicht gewusst.

Die Klage hatte Erfolg; die Widerklage wurde abgewiesen.

Aus den Gründen: Der Kläger ist der Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs nebst Schlüsseln und Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II.

Der Kläger war ursprünglich unstreitig der Eigentümer, er hat sein Eigentum auch nicht durch Übergabe und Übereignung gemäß §§ 929 f. BGB an N verloren.

Die Übereignung ist gemäß § 123 I BGB wirksam angefochten worden.

Die Anfechtungserklärung des Klägers liegt vor. Zwar hat der Beklagte den Zugang bestritten, da er der Auffassung ist, dass eine Person N nicht existiert. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Anfechtungsschreiben des Klägers nicht zugegangen ist. Hinzu kommt, dass der Erklärungsempfänger sich nicht auf einen Zugangsmangel berufen könnte, weil er angesichts der Umstände den Zugang treuwidrig vereitelt hätte.

Der Empfänger einer Willenserklärung kann sich nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang der Willenserklärung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Erklärende die entsprechenden Fristen gewahrt. Wer aufgrund bestehender oder angewandter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen. Tut er dies nicht, so wird darin vielfach ein Verstoß gegen die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluss eines Vertrags begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Partner liegen (BAG, Urt. v. 22.09.2005 – 2 AZR 366/04, juris Rn. 15 m. w. Nachw. zur Rspr. auch des BGH). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass der Zugang einer Willenserklärung nicht nur verspätet erfolgt, sondern gar nicht, der Zugang also scheitert (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 130 Rn. 17 ff.).

Da N betrügerisch gegenüber dem Kläger gehandelt hat, indem er die Zahlung des Kaufpreises und gegebenenfalls auch seine Personaldaten vorgeträuscht hat, hat er sich in der Person des Verkäufers so behandeln zu lassen, als wäre ihm eine Anfechtungserklärung wirksam zugegangen, wenn er durch Angabe falscher Personalien den Zugang vereitelt hat.

Die Frage des Zugangs kann jedoch dahinstehen, da, wenn der Erwerber in der Zeit zwischen Vornahme des anfechtbaren Rechtsgeschäfts und der Anfechtung über den aufgrund dieses Rechtsgeschäfts übertragenen Gegenstand zugunsten eines Dritten weiterverfügt hat, der Dritte auch dann das Eigentum daran nur kraft guten Glaubens zu erwerben vermag (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456). Für die Frage, ob der Dritte vor der Anfechtung kraft guten Glaubens Eigentümer der vom Veräußerer anfechtbar erworbenen beweglichen Sache geworden ist, kommt es darauf an, ob er im Zeitpunkt seines Erwerbs die Möglichkeit des rückwirkenden Wegfalls der Bereicherung des Veräußerers, also der Vernichtbarkeit dieser Berechtigung durch Anfechtung, kannte oder hätte erkennen müssen (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 f.; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly, 2. Aufl., § 142 Rn. 19). Dies folgt aus der Vorschrift des § 142 II BGB. Danach wird für den Fall, dass es zur Anfechtung kommt, derjenige, der die Anfechtbarkeit kannte oder erkennen musste, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts und damit die Nichtberechtigung des Verfügenden gekannt hätte oder hätte erkennen müssen. Beim Fahrniserwerb schadet ihm aber in diesem Fall der durch Anfechtung herbeigeführten fiktiven Nichtberechtigung ebenso wie bei wirklicher Nichtberechtigung nur grob fahrlässige Unkenntnis (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 f.; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly, a. a. O., § 142 Rn. 20). Der Erwerber einer vom Veräußerer anfechtbar zu Eigentum erlangten beweglichen Sache bleibt daher im Fall der Anfechtung Eigentümer der Sache, wenn er die Anfechtbarkeit des Eigentumsübergangs durch den ursprünglichen Eigentümer nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]).

Der Beklagte hat hier jedoch das Eigentum an dem streitgegenständlichen Pkw nicht gutgläubig nach §§ 932 ff. BGB erworben.

Denn gemäß § 932 I 1 BGB wird durch eine nach § 929 Satz 1 BGB erfolgte Veräußerung der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. Gemäß § 932 II BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Gutgläubigkeit in diesem Sinne ist schon dann zu verneinen, wenn der Dritte beim Erwerb die Umstände kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, aus denen sich die Anfechtbarkeit des Erwerbsvorgangs ergab, der sich zwischen dem Anfechtenden und dem Anfechtungsgegner vollzogen hat (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]). Due Kenntnis oder das Kennenmüssen der Rechtsfolge der Anfechtung ist dagegen nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]).

Insoweit kommt es für den gutgläubigen Erwerb entscheidend darauf an, ob dem Beklagten die Tatsachen, die die Anfechtbarkeit der Eigentumsübertragung vom Kläger auf den Dritten begründeten, infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]).

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er das unbeachtet lässt, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]). Beim Erwerb vom Nichtberechtigten ist dies regelmäßig anzunehmen, wenn der Erwerber trotz Vorliegens von Verdachtsgründen, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers wecken müssen, sachdienliche Nachforschungen nicht unternimmt. Ob eine solche Nachforschungspflicht, die nicht allgemein als Voraussetzung für einen gutgläubigen Eigentumserwerb bejaht werden kann, besteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Für den Gebrauchtwagenhandel besteht eine Nachforschungspflicht hier, wenn die Person, von der der Beklagte das Fahrzeug erwarb, nicht als Halter im Kraftfahrzeugbrief eingetragen war (siehe hierzu auch BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]). Demjenigen, der von einer Privatperson einen Gebrauchtwagen erwirbt, die nicht als Halter im Kraftfahrzeugbrief ausgewiesen ist, muss sich der eine Nachforschungspflicht auslösende Verdacht aufdrängen, dass der Veräußerer auf unredliche Weise in den Besitz des Fahrzeugs gelangt sein könnte.

Hier hat der Beklagte sich nach eigener Einlassung mehrfach das streitgegenständliche Fahrzeug angesehen und sich auch die Zulassungsbescheinigung Teil II zeigen lassen, in die nicht der Veräußerer eingetragen war. Hinzu kommt, dass er vorgetragen hat, dass dasselbe Fahrzeug im Internet auch von einer weiteren Privatperson aus M. angeboten worden sei. Dies spricht bereits gegen den gutgläubigen Erwerb des Eigentums durch den Beklagten. Zudem ist er auch seiner daraus resultierenden Nachforschungspflicht nicht nachgekommen; er hat nicht vorgetragen, vor Erwerb geeignete Nachforschungen getätigt zu haben.

Danach hat der Beklagte das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht gutgläubig nach §§ 932 ff. BGB erworben. Vielmehr ist der Kläger der Eigentümer geblieben.

Demgemäß war auch die Widerklage abzuweisen. …

Hinweis: Seine Berufung gegen dieses Urteil hat der Beklagte zurückgenommen, nachdem der 5. Zivilsenat des OLG Hamm in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass das Rechtsmittel keinen Erfolg haben werde.

Der Kläger – so das Berufungsgericht – habe das Eigentum an dem Pkw nicht verloren. Er habe das Fahrzeug nicht wirksam dem im Kaufvertrag namentlich benannten Käufer übereignet, da dieser die Person, die gegenüber dem Kläger aufgetreten sei, weder bevollmächtigt noch das Vertretergeschäft genehmigt habe. Zudem habe der im Kaufvertrag vereinbarte Eigentumsvorbehalt einen Eigentumsübergang verhindert.

Der Beklagte habe das Eigentum an dem Fahrzeug nicht gutgläubig erworben. Da nicht der Verkäufer, sondern die Ehefrau des Klägers in den Fahrzeugpapieren als Halter eingetragen gewesen sei, habe dem Beklagten eine Nachforschungspflicht oblegen, der er nicht ausreichend nachgekommen sei. Der Beklagte habe letztlich allein einer nicht überprüften Äußerung des Verkäufers geglaubt, wonach der Verkäufer das Fahrzeug von einer Frau erworben habe, die es unbedingt habe verkaufen wollen.

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