1. Wird in einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen unter „Fahrzeugangaben“ der Kilometerstand genannt, ist diese Angabe aus der maßgeblichen Sicht des (potenziellen) Käufers nicht als bloße Wiedergabe des Tachometerstands, sondern als Angabe der Laufleistung zu verstehen. Das gilt aber nicht, wenn es im Kaufvertrag ausdrücklich heißt „Kilometerstand laut Tacho“.
  2. Ein Gebrauchtwagen, der statt einer vereinbarten Laufleistung von 158.000 km tatsächlich eine Laufleistung von über 300.000 km aufweist, hat einen nicht unerheblichen Sachmangel.
  3. Ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung gilt nicht für das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 I 1 BGB). Der Ausschluss erstreckt sich vielmehr nur auf Mängel, die darin bestehen, dass die Kaufsache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, oder dass sie für die gewöhnliche Verwendung ungeeignet ist und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

OLG Schleswig, Beschluss vom 27.04.2012 – 5 W 16/12

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten einen Gebrauchtwagen. Im Kaufvertrag vom 23.03.2011 ist unter „Fahrzeugangaben“ der Kilometerstand mit 158.000 angegeben. Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs beträgt demgegenüber (wahrscheinlich) mehr als 300.000 km.

Die Parteien haben deshalb einen Prozess vor dem LG Lübeck geführt und in diesem Verfahren schließlich einen Vergleich geschlossen. Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten zu ¾ auferlegt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben, weil der Beklagte bei Fortführung des Verfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich unterlegen gewesen wäre (§ 91a ZPO) …

Der Kläger wäre gemäß § 437 Nr. 2 Fall 2 BGB mit hoher Wahrscheinlichkeit berechtigt gewesen, vom Kaufvertrag zurückzutreten, weil das gekaufte Fahrzeug mangelhaft war. Die Abweichung zwischen der vereinbarten Laufleistung von 158.000 km und der (wahrscheinlich) tatsächlichen Laufleistung (über 300.000 km) stellt einen Sachmangel dar (§ 434 I 1 BGB), der nicht unerheblich ist (§ 323 V 2 BGB).

Grundlage des Kaufvertrags vom 23.03.2011 ist die angegebene Laufleistung des Fahrzeugs von 158.000 km. Der Beklagte hat ausdrücklich im Vertrag unter „Fahrzeugangaben“ den Kilometerstand mit 158.000 km angegeben. Eine solche Kilometerangabe ist aus der maßgeblichen Sicht eines Kaufinteressenten nicht als bloße Wiedergabe des Tachometerstands, sondern als Angabe der Laufleistung zu verstehen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, WM 2007, 616 = NJW 2007, 1346). Für den Kaufwilligen kommt es – wie allgemein bekannt ist – nicht auf den Tachometerstand, sondern auf die Laufleistung an. Er kann und darf daher davon ausgehen, dass eine ohne Einschränkung oder deutlichen gegenteiligen Hinweis gemachte Kilometerangabe sich auf die für ihn entscheidende Laufleistung des Fahrzeugs bezieht (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, WM 2007, 616 = NJW 2007, 1346 m. w. Nachw.).

Auf die Frage, ob es sich bei den Angaben zur Laufleistung um eine Beschaffenheitsgarantie (§§ 443 I Fall 1, 444 BGB) handelt, kommt es nicht an. Selbst wenn man hier nur von einer „einfachen“ Beschaffenheitszusage/-vereinbarung ausgeht, gilt der pauschale Ausschluss der Sachmängelhaftung nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 I 1 BGB), sondern nur für solche Mängel, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte bzw. die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, WM 2007, 616 = NJW 2007, 1346; OLG Hamm, Urt. v. 12.05.2009 – 28 U 42/09, NJW-RR 2009, 1718). Deshalb haftet der Beklagte für die Angabe der Laufleistung im Kaufvertrag im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung.

Es besteht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger bei Fortführung des Verfahrens auch der Beweis gelungen wäre, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufs tatsächlich eine wesentlich höhere Laufleistung (über 300.000 km) als im Vertrag angegeben hatte … Soweit der Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug mit Vertrag vom 13.02.2011 vom Vorbesitzer, dem Zeugen Z, erworben hat, ist dort nur der Tachometerstand wiedergegeben, denn in dem Vertrag heißt es ausdrücklich: „Kilometerstand laut Tacho: 157.000“ Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich damit lediglich um die bloße Wiedergabe des Tachometerstands und damit um kein Indiz, dass der oben genannten Behauptung des Klägers entgegensteht.

Demnach ist die sofortige Beschwerde des Beklagten unbegründet …

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