1. Ein gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten, in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugs setzt zumindest voraus, dass sich der Käufer den Kraftfahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu überprüfen.
  2. Bei einem im Ausland angemeldeten Wagen darf der Käufer keinesfalls weniger Vorsicht walten lassen. Im Gegenteil sind im Hinblick auf die möglichen Besonderheiten ausländischer Kfz-Papiere gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Käufer hat sich deshalb zu vergewissern, dass er nach den vorgelegten ausländischen Kfz-Papieren unbelastetes Eigentum an dem Fahrzeug erwerben kann. Hierfür hat er notfalls die Hilfe eines sprachkundigen Fachmanns, der mit den Regeln im Zulassungsstaat vertraut ist, in Anspruch zu nehmen.

OLG Koblenz, Urteil vom 28.10.2010 – 6 U 473/10

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Herausgabe zweier von der Polizei beschlagnahmten Personenkraftwagen.

Die Klägerin erwarb im Jahre 2008 die beiden Pkw Mercedes-Benz C 220 CDI Elegance und überließ sie der in Belgien ansässigen Firma F, mit der sie hierüber zwei Leasingverträge abgeschlossen hatte. Die Zulassung der Fahrzeuge erfolgte in Belgien. Wegen in der Folgezeit aufgelaufener Zahlungsrückstände kündigte die Klägerin die Leasingverträge und erwirkte gegen die Firma F am 14.01.2009 ein auf Herausgabe der Fahrzeuge gerichtetes Urteil. Das Urteil ist rechtskräftig.

In der Zwischenzeit hatte die Firma F die beiden Pkw an die Beklagte verkauft und ihr die Fahrzeuge mit sämtlichen Fahrzeugpapieren und Schlüsseln übergeben. Zu den Papieren gehörte jeweils ein sogenannter Kennzeichennachweis („Kentekenbewijs“), in welchem die Klägerin als Halterin aufgeführt war. Die Fahrzeuge wurden später von der Polizei beschlagnahmt und befinden sich weiterhin in deren Gewahrsam.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe ihr Eigentum an den Fahrzeugen behalten, da die Beklagte beim Erwerb der Fahrzeuge nicht in gutem Glauben gehandelt habe. Das Landgericht hat ihre Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 812 BGB auf Zustimmung zur Freigabe der in ihrem Eigentum stehenden, beschlagnahmten Fahrzeuge.

Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch richtet sich – unabhängig davon, ob er unmittelbar aus dem Eigentum oder aus ungerechtfertigter Bereicherung hergeleitet wird – nach deutschem Recht, da die Fahrzeuge, deren Herausgabe verlangt wird, sich in Deutschland befinden (Art. 43 I EGBGB) und die Bereicherung der Beklagten durch einen Eingriff in die Rechte der Klägerin geschehen ist, der in Deutschland vorgenommen wurde, und zudem die Bereicherung in Deutschland eingetreten ist (Art. 38 II und III EGBGB).

Der … geltend gemachte Anspruch beruht auf ungerechtfertigter Bereicherung. Die Beschlagnahme gleicht der Hinterlegung, bei der anerkannt ist, dass der wirkliche Berechtigte gegen andere Hinterlegungsbeteiligte einen Anspruch aus § 812 BGB auf Einwilligung in die Herausgabe des hinterlegten Gegenstands hat (BGH, NJW 1972, 1054). Ebenso ist die Beklagte um die Rechtsstellung, die sie auf Grund der in ihrem Betrieb vorgenommenen Sicherstellung der beiden Pkw hat, ohne Rechtsgrund auf Kosten der Klägerin bereichert und somit nach § 812 BGB verpflichtet, diese Rechtsstellung durch eine Freigabeerklärung aufzugeben (OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1989, 823; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2006, § 985 Rn. 78). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte mittelbare Besitzerin der beschlagnahmten Fahrzeuge ist und deshalb möglicherweise auch aus § 985 BGB in Anspruch genommen werden kann.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Fahrzeuge. Sie hat diese unstreitig im Jahre 2008 zu Eigentum erworben. Dieses Eigentum hat sie durch die von der Firma F vorgenommene Veräußerung an die Beklagte nicht verloren. Die Voraussetzungen eines Eigentumserwerbs kraft guten Glaubens durch die Beklagte liegen nicht vor (§§ 932, 933 BGB).

Die Frage, ob die Beklagte Eigentum erworben hat, beantwortet sich nach deutschem Recht. Anwendbar auf den möglichen Eigentumsübergang ist nach Art. 43 I EGBGB das Recht des Staates, in dem sich die Sache zur Zeit der Übereignung befand (lex rei sitae; vgl. zur Rechtslage vor Einführung des Art. 43 EGBGB: BGH, NJW 1996, 2233 [2234]). Bezüglich beider Kraftfahrzeuge ist mittlerweile unstreitig, dass die Einigung der Beklagten mit der Firma F über die Eigentumsübertragung in Y. erfolgte und die Fahrzeuge sich zu diesem Zeitpunkt dort befanden, um von der Beklagten begutachtet zu werden. Zwar wurde nur eines der beiden Fahrzeuge sogleich in Y. an die Beklagte übergeben, nicht dagegen der Pkw … mit der Fahrgestellnummer … Dieser Wagen wurde vielmehr, wie aus dem Kaufvertrag vom 15.10.2008 hervorgeht, erst einige Wochen später vom Verkäufer in Belgien abgeholt. Da jedoch die Einigung über den Eigentumsübergang auch dieses Fahrzeugs bereits bei Abschluss des Kaufvertrages erfolgte, kann von einer Übereignung nach § 930 BGB mittels Besitzkonstitut, d. h. unter Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ? im Zweifel einer Leihe ?, ausgegangen werden. In einem solchen Fall kann nach § 933 BGB ein Gutglaubenserwerb zwar erst mit der späteren Übergabe an den Erwerber eintreten, zu der es bzgl. des zweiten Fahrzeugs erst in Belgien kam. Unabhängig davon, ob ein Erwerb kraft guten Glaubens in diesem Fall auch nach belgischem Recht möglich gewesen wäre, wären aber jedenfalls nach der Überführung des Fahrzeugs ins Inland die Vorgänge in Belgien ? der Besitzübergang – gem. Art. 43 III EGBGB wie inländische zu berücksichtigen. Auch insofern ist die Frage eines gutgläubigen Eigentumserwerbs also nach deutschem Recht zu beurteilen.

Da die Beklagte die Eigentumsübertragung nicht mit der Eigentümerin der Fahrzeuge, sondern mit der nicht verfügungsberechtigten Firma F vereinbarte, wäre sie nur dann Eigentümerin geworden, wenn die für die Beklagte handelnde Person bei der Übergabe in gutem Glauben gewesen wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Der Erwerber einer beweglichen Sache ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört (§ 932 II BGB). Der Senat ist der Auffassung, dass die Beklagte es in grob fahrlässiger Weise unterließ, sich Gewissheit über das Eigentum an den ihr angebotenen Wagen zu verschaffen.

Anzuwenden sind auf den vorliegenden Fall die Grundsätze, die in der Rechtsprechung zum Erwerb von Gebrauchtwagen entwickelt worden sind. Danach gehört zu den Mindestvoraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs eines gebrauchten, in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugs, dass sich der Käufer den Kraftfahrzeugbrief – jetzt: die Zulassungsbescheinigung Teil II – vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers überprüfen zu können (BGHUrt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 [3489]). Aber auch beim Erwerb eines im Ausland angemeldeten Wagens muss der Käufer keinesfalls weniger Vorsicht walten lassen, als wenn er ein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug erwerben würde (BGH, NJW 1991, 1415 [1416]). Im Gegenteil sind beim Kauf eines Auslandsfahrzeugs im Inland im Hinblick auf mögliche Besonderheiten ausländischer Kfz-Papiere gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Käufer hat sich daher darüber zu vergewissern, dass er nach dem Inhalt der vorgelegten ausländischen Kfz-Papiere – unbelastetes – Eigentum an dem Kraftwagen erwerben kann. Hierzu hat er notfalls die Hilfe eines sprachkundigen und mit den im Zulassungsstaat geltenden Regeln vertrauten Fachmanns in Anspruch zu nehmen (so BGH, NJW 1991, 1415 [1416]). Das hat die Beklagte versäumt.

Spätestens bei Befragung einer fachkundigen Person hätte die Beklagte Kenntnis davon erlangt, dass für in Belgien zugelassene Kraftfahrzeuge ein der Zulassungsbescheinigung Teil II vergleichbares Papier nicht ausgestellt wird, und der sogenannte „Kentekenbewijs“, welcher von der Firma F für die Kraftfahrzeuge vorgelegt wurde, nur einer deutschen Zulassungsbescheinigung Teil I – früher: Kraftfahrzeugschein – vergleichbar ist, zum Nachweis der Verfügungsberechtigung des Besitzers also nicht geeignet ist. Weiter wäre die Beklagte, wenn sie sich in der gebotenen Weise kundig gemacht hätte, darüber informiert worden, dass in Belgien der Nachweis des Eigentums an einem Gebrauchtwagen üblicherweise durch die Vorlage der Rechnung geführt wird, die dem Verkäufer über seinen Erwerb des Fahrzeugs ausgestellt wurde. Dass dies in Belgien üblich ist, hat die Klägerin durch Vorlage des Urteils der Rechtbank van Koophandel Turnhout (Provinz Antwerpen) vom 14.09.2007 … nachgewiesen. Darin wird unter Angabe anderer Gerichtsentscheidungen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung der belgischen Gerichte ein professioneller Autohändler sich beim Ankauf eines Gebrauchtwagens nicht allein auf die Erklärung des Verkäufers betreffend sein Eigentum verlassen dürfe, sondern sich entweder die Original-Ankaufsrechnung vorlegen lassen müsse oder anderweitige (z. B. telefonische) Ermittlungen über die Herkunft des Fahrzeugs anstellen müsse. An der Richtigkeit dieser Ausführungen des belgischen Gerichts hat der Senat keinen Zweifel.

Wenn also, wie bereits ausgeführt, beim Erwerb gebrauchter, in Belgien zugelassener Kraftfahrzeuge nach deutschem Recht zumindest ebenso strenge Anforderungen an den guten Glauben zu stellen sind wie beim Erwerb in Deutschland zugelassener Fahrzeuge und auch die Möglichkeit besteht, das Eigentum an Fahrzeugen mit belgischer Zulassung in ähnlich zuverlässiger Weise zu belegen wie durch eine Zulassungsbescheinigung Teil II, nämlich durch die Vorlage der Original-Handelsrechnung über den Vorerwerb, so ist beim Erwerb eines solchen Fahrzeugs auch nach deutschem Recht als Mindestvoraussetzung des guten Glaubens, wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen, die Vorlage eines solchen Beleges – statt der Zulassungsbescheinigung Teil II – zu verlangen. Andernfalls würde der gutgläubige Erwerb belgischer Gebrauchtwagen gegenüber demjenigen deutscher Fahrzeuge deutlich erleichtert und der Schutz des Eigentümers in nicht gerechtfertigter Weise verringert. Unstreitig ließ die Beklagte sich aber von der Firma F keine Rechnung über deren Erwerb der beiden Pkw vorlegen.

Die Beklagte vergewisserte sich auch nicht auf andere Weise hinreichend über die Eigentumsverhältnisse an den beiden Wagen. Der Umstand, dass die Verkäuferin im Besitz aller Fahrzeugschlüssel sowie der Versicherungspapiere war, ließ keine sicheren Rückschlüsse auf ihr Eigentum zu. Das Fehlen eines fest am Fahrzeug angebrachten Hinweises auf das Eigentum der Leasinggeberin genügte ebenfalls nicht als Eigentumsbeweis. Selbst wenn es, wie die Beklagte vorträgt, in Belgien üblich sein sollte, dass Leasingfirmen sich durch eine derartige Kennzeichnung der von ihnen verleasten Fahrzeuge absichern, so konnte die Beklagte sich doch nicht darauf verlassen, dass dieser Übung ausnahmslos gefolgt würde. Zudem hätte durch das Fehlen eines solchen Hinweises allenfalls bewiesen werden können, dass es sich nicht um Leasingfahrzeuge handelte, nicht aber, dass die Firma F Eigentümerin war. Es bedarf daher keiner Prüfung, ob der diesbezügliche Vortrag der Beklagten zutrifft. Schließlich durfte die Beklagte sich auch nicht darauf verlassen, dass ihr auf ihre Anfrage bei der deutschen Polizei mitgeteilt wurde, die Fahrzeuge seien nicht als gestohlen gemeldet. Denn die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass sämtliche in Belgien zugelassene und gestohlene oder – wie im vorliegenden Fall – unterschlagenen Pkw bei der deutschen Polizei gemeldet waren.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, es habe an Verdachtsmomenten für ein mögliches Fehlen der Verfügungsbefugnis der Verkäuferin gefehlt. Wie in der Rechtsprechung zu in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen eine solche Verdachtssituation schon dann bejaht wird, wenn eine Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt wird (BGH, NJW 1965, 687 [688]: Kraftfahrzeugbrief), so muss beim Erwerb eines in Belgien zugelassenen Wagens das Gleiche angenommen werden, wenn ein entsprechender Nachweis, nämlich die Original-Handelsrechnung über den Vorerwerb, fehlt. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass nach ständiger Rechtsprechung beim Gebrauchtwagenkauf immer dann Anlass zu weitergehenden Nachforschungen besteht, wenn Veräußerer und in den Papieren – hier im „Kentekenbewijs“ – verzeichneter Verfügungsberechtigter nicht identisch sind (BGH, NJW 1991, 1415 [1417]). Aufgrund der Tatsache, dass die zu den Pkw gehörenden Kennzeichennachweise nicht die Firma F, sondern die Klägerin als Halterin auswiesen und es deshalb nahelag, dass diese zumindest einmal Eigentümerin oder Verfügungsbefugte gewesen war, bestand für die Beklagte vermehrter Anlass für eine Überprüfung der Eigentumsverhältnisse. Hinzu kommt, dass die Beklagte selbst vorträgt, davon ausgegangen zu sein, dass die Verkäuferin die Autos auf Kredit gekauft habe. Darin lag ein weiterer Grund für zusätzliche Nachforschungen; denn mit einem Kredit geht häufig eine Sicherungsübereignung oder Ähnliches einher. Auf die Erklärung seitens der Firma F, der Kredit sei vollständig zurückgeführt, durfte die Beklagte sich nicht verlassen.

Die Beklagte ist nach allem verpflichtet, der Herausgabe der Fahrzeuge an die Klägerin zuzustimmen.

Zu Recht macht die Beklagte allerdings demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund eines Anspruchs auf Ersatz getätigter Verwendungen geltend (§ 273 I BGB).

In diesem Zusammenhang bedarf es wiederum keiner Prüfung, ob die Beklagte noch (mittelbare) Besitzerin der Fahrzeuge ist und sich deshalb auf § 1000 BGB berufen könnte. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 I BGB gegeben. Die Gegenforderung der Beklagten ergibt sich aus § 994 II BGB i. V. mit §§ 670, 683 BGB und beruht auf demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem ihre Verpflichtung beruht.

Der Anspruch der Beklagten beschränkt sich auf den Ersatz der auf die Fahrzeuge gemachten notwendigen Verwendungen (§ 994 BGB) und bestimmt sich, da die Beklagte – wie weiter oben ausgeführt – bei der Besitzerlangung bösgläubig war, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 994 II, 990 I BGB). Notwendig i. S. von § 994 BGB ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache nach objektivem Maßstab zur Zeit der Vornahme erforderlich ist (vgl. BGH, NJW 1996, 921 [922]). Das trifft auf den überwiegenden Teil der von der Beklagten vorgetragenen und von der Klägerin unstreitig gestellten Verwendungen zu …

Dem Klageantrag … war somit Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrags von 3.070 € stattzugeben …

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