Ein Fahrzeug, das dem Käufer mit einer Laufleistung von 10 km übergeben wird und etwa einen Monat vor Übergabe erstmals zugelassen wurde, ist auch dann keine gebrauchte Sache i. S. des § 475 II BGB, wenn es im Kaufvertrag als „Gebrauchtfahrzeug“ bezeichnet wird.

AG Goslar, Urteil vom 11.08.2009 – 8 C 399/08

Sachverhalt: Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Pkw-Kaufvertrag vom 29.11.2006 geltend. Das Fahrzeug wurde am 30.11.2006 mit einem abgelesenen Kilometerstand von 10 km übergeben. Es war am 27.10.2006 erstmals zugelassen worden.

Ende September 2007 stellte der Kläger Mängel der Lackierung an der Heckklappe und kleine Dellen fest. Nach telefonischem Kontakt mit der Beklagten führte der Kläger sein Fahrzeug am 09.10.2007 auf deren Betriebsgelände vor. Der Verkaufsleiter der Beklagten lehnte eine Instandsetzung oder einen Austausch der Heckklappe ab. Der Kläger leitete daraufhin am 13.11.2007 ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in dem ein Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. P eingeholt wurde. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass an dem Heckdeckel des Fahrzeugs Mängel vorhanden sind, deren Beseitigung voraussichtliche Kosten in Höhe von 676,65 € brutto (= 568,81 € netto) erfordert, und dass nach Beseitigung dieser Mängel ein merkantiler Minderwert von 100 € verbleibt.

Mit Anwaltsschreiben vom 18.06.2008 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.07.2008 erfolglos zur Zahlung dieser Beträge auf. Seine Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht aus den §§ 434 I, 437 Nr. 3, §§ 280 I, III, 281 BGB ein Anspruch sowohl auf Zahlung der von dem Sachverständigen ermittelten Mängelbeseitigungskosten als auch des Minderwertes … gegen die Beklagte zu. Das Gutachten hat sowohl die Mängel als auch deren Vorhandensein bei Fahrzeugübergabe bestätigt. Eine Aufforderung zur Nacherfüllung mit Fristsetzung war vorliegend entbehrlich, da der Verkaufsleiter der Beklagten am 09.10.2007 eine Nacherfüllung ausdrücklich abgelehnt hat, was der Kläger nur als endgültige Erfüllungsverweigerung verstehen konnte. Ob die Beklagte danach anderen Sinnes geworden ist, ist unerheblich. …

Die Ansprüche sind auch nicht verjährt. Die im Kaufvertrag enthaltene Gewährleistungsfrist von zwölf Monaten ist wegen Verstoßes gegen § 475 II BGB unwirksam. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um keine gebrauchte Sache, bei der die Gewährleistungsfrist wirksam hätte verkürzt werden können. Die bloße Bezeichnung im Kaufvertrag als Gebrauchtfahrzeug genügt dafür nicht, entscheidend ist vielmehr, dass das Fahrzeug bereits bestimmungsgemäß im Straßenverkehr benutzt worden ist. Dies ist ausweislich der Erstzulassung vom 27.10.2006 und der abgelesenen Kilometer von 10 km jedoch nicht der Fall gewesen.

Die gesetzliche Gewährleistungsfrist gemäß § 438 I Nr. 3 BGB von zwei Jahren, die stattdessen gilt, ist noch nicht verstrichen. Sie begann mit Übergabe des Fahrzeugs am 30.11.2006 und war bei Klageeingang per Fax vom 19.11.2008, auf den die alsbald danach erfolgte Zustellung für die Verjährungsunterbrechung zurückwirkt, noch nicht abgelaufen. …

Hinweis: In diesem Rechtsstreit  habe ich den Kläger vertreten.

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