1. Bei einem Neuwagen der Luxusklasse darf der Käufer einen besonderen Komfort und eine äußerst geringe Fehleranfälligkeit erwarten.
  2. Dafür, ob ein Mangel „unerheblich“ i. S. des § 323 V 2 BGB ist, ist gerade bei einer hochwertigen Kaufsache auch bedeutsam, welchen absolute Aufwand eine Mängelbeseitigung erfordert. Denn würde man allein darauf abstellen, dass die Nachbesserungskosten einen mehr oder weniger starren Anteil des Anschaffungspreises erreichen, würde dies bei Fahrzeugen der Luxusklasse aufgrund des hohen Kaufpreises zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass aufwendige und absolut gesehen kostspielige Nachbesserungen weit häufiger als unerheblich einzustufen wären als bei preiswerteren Fahrzeugen.

LG Coburg, Urteil vom 18.11.2008 – 22 O 513/07

Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufs.

Am 12.06.2007 kaufte die Klägerin bei der Beklagten einen Neuwagen des Typs Jaguar XKR für 98.000 €. Das Fahrzeug wurde ihr am 14.06.2007 übergeben. Am 30.07.2007 brachte die Klägerin den Pkw zur Beklagten und bemängelte Windgeräusche. Die Beklagte untersuchte das Fahrzeug bis zum 02.08.2007, konnte jedoch nichts feststellen. Vom 07.08. bis zum 08.08.2007 befand sich der Jaguar wiederum in der Werkstatt der Beklagten wegen der von der Klägerin monierten Windgeräusche beim Fahren. Die Beklagte bestellte daraufhin einen Seitenführungsgummi für die Seitenscheibe, der am 13.08. und 14.08.2007 gewechselt wurde. Am 22.08.2007 brachte die Klägerin das Fahrzeug neuerlich zur Beklagten und bemängelte erneut Windgeräusche. Die Beklagte nahm wiederum Arbeiten vor; die Klägerin erhielt den Pkw am 03.09.2007 zurück.

Mit Anwaltsschreiben vom 04.09.2007 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises. Zur Begründung berief sie sich auf „das laute, unerträgliche Fahrgeräusch bei zugeklapptem Verdeck“ sowie auf eine Fehlfunktion des Telefons. Hinsichtlich des Telefons hatte die Klägerin beanstandet, dass die Freisprecheinrichtung anwählt, ohne ein Freizeichen ertönen zu lassen. Die Klage hatte weitestgehend Erfolg.

Aus den Gründen: Die zulässige Klage ist bis auf einen kleinen Teil der begehrten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründet. Der Klägerin stehen Ansprüche aus dem Rückabwicklungsverhältnis gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB in Höhe von 98.000 € abzüglich der der Beklagten zustehenden Nutzungsentschädigung zu.

1. Die Klägerin ist wirksam gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, 440 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten. Der streitgegenständliche Pkw ist mangelhaft und eine Nachbesserung fehlgeschlagen.

a) Die Beweisaufnahme und hierbei die schriftliche und mündliche Gutachtenserstattung durch den … Sachverständigen S hat zur Überzeugung des Gerichts eindeutig ergeben, dass bei dem Jaguar zwei Mängel i. S. des § 434 I BGB vorliegen.

Zum einen besteht eine Fehlfunktion der Telefoneinrichtung dergestalt, dass bei Benutzung der telefoneigenen Handytastatur kein Freizeichen ertönt, sondern nach Verbindungsaufbau der angerufene Gesprächspartner direkt in der Verbindung ist. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend dargelegt, dass das nicht an der Software der verwendeten Handys liegen kann, nachdem die Fehlfunktion bei Benutzung eines weithin üblichen und gängigen Handymodells reproduzierbar war. Vielmehr muss es sich um einen Softwaremangel des Fahrzeugs handeln. Mangelbeseitigungsmaßnahmen und -kosten konnte der Sachverständige nicht benennen, weil Maßnahmen unklaren Umfangs an der bordeigenen Software des Fahrzeugs vorzunehmen wären.

Zum anderen hat der Sachverständige festgestellt und überzeugend begründet, dass ein abnormes Fahrgeräusch auftritt, wenn bei Inbetriebnahme des Audiosystems die bordeigene Stabantenne ausgefahren wird. Er hat ausgeführt, dass das Geräusch über die sonstige Umfeldakustik im Innenraum des Fahrzeugs deutlich hervortritt und den Fahrkomfort beeinträchtigt. Das pfeifende, surrende Geräusch zeigt sich von etwa 60 km/h bis zu etwa 130 km/h und damit gerade im am häufigsten genutzten Geschwindigkeitsbereich. Mit Blick darauf, dass es sich um ein komfortables, ambitioniertes Fahrzeug der Luxusklasse handelt, ist die Wertung des Sachverständigen, das Geräusch als maßgeblich störend einzustufen, absolut nachvollziehbar und die Erscheinung gerade nicht als „dem Stand der Serie“ entsprechend einzuordnen. Dies ergibt sich im Übrigen bereits daraus, dass unstreitig jedenfalls seit Anfang 2008 eine Umrüstmöglichkeit werkseitig zur Verfügung gestellt wird, um eine Antenne im Heckspoiler zu integrieren. Weiter unstreitig werden neuere Fahrzeuge dieser Serie gerade nicht mehr mit der aus- und einfahrbaren Antenne ausgestattet. Damit entspricht das Fahrzeug nicht der Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Die Nachrüstkosten belaufen sich auf 3.150 € netto, mithin 3.748,50 € brutto.

b) Jedenfalls hinsichtlich der Fahrgeräusche ist die Nacherfüllung auch fehlgeschlagen i. S. des § 440 BGB. Die Beklagte hat beim ersten Versuch überhaupt nichts feststellen können, beim zweiten Versuch den Seitenführungsgummi ausgetauscht und beim dritten Versuch … eine Gummilippe an der Cabriodichtung eingestellt. Sie hatte mithin dreimal Gelegenheit, das störende Geräusch zu beseitigen, ohne dass ihr das gelungen ist.

Zu einer anderen Wertung führt nicht, dass vor Erklärung des Rücktritts über die Antenne gesprochen wurde. Dass der Klägerin durch die Beklagte eine Verlegung der Antenne vorgeschlagen wurde, hat die Beweisaufnahme nämlich nicht ergeben. Vielmehr hat der Zeuge ausgesagt, es sei in den Gesprächen nicht um die grundsätzlich mögliche Verlegung der Antenne in die Spoilerlippe gegangen. Dass Derartiges nicht in Rede stand, ergibt sich im Übrigen auch aus der absolut glaubhaften Aussage des Zeugen. Er hat bekundet, sich zwar an die einzelnen Gesprächsinhalte nicht mehr dezidiert erinnern zu können. Wenn es aber um eine Verlegung der Antenne gegangen wäre, hätte er sofort nachgefragt, wie das denn funktionieren soll. Eine solche Nachfrage habe jedoch nicht stattgefunden. Diese Aussage ist in sich schlüssig und für das Gericht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend.

Eine der Beklagten günstigere Würdigung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Geschäftsführerin der Klägerin bei dem Gespräch am 03.09.2007 gegenüber dem Zeugen auf Nachfrage angab, das Geräusch sei auch bei eingefahrener Antenne vorhanden. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte bereits mehr als ausreichend Gelegenheit gehabt nachzubessern. Selbst wenn die Geschäftsführerin der Klägerin als technischer Laie im Übrigen eine entsprechende Frage der Mitarbeiter der Beklagten zu einem früheren Zeitpunkt im zitierten Sinn beantwortet hätte, hätte das die Beklagte nicht davon entbunden, auf die Geräuschentwicklung durch die Antenne explizit hinzuweisen und die Nachbesserungsmöglichkeiten darzustellen. Dass vonseiten der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt als dem 03.09.2007 keine Bereitschaft bestand, im Rahmen einer gemeinsamen Probefahrt das störende Geräusch zu identifizieren, ist im Übrigen weder vorgetragen noch von Zeugen bekundet worden. Mithin hatte die Beklagte sogar dreimal die Gelegenheit, den Mangel nachzubessern, ohne dass ihr das gelungen wäre. Nach der auch hier eingreifenden Regelvermutung des § 440 Satz 2 BGB ist die Nacherfüllung auf diesen Mangel bezogen fehlgeschlagen.

c) Die durch den Klägervertreter am 04.09.2007 abgegebene Rücktrittserklärung ist wirksam und führt zu einem Rückabwicklungsverhältnis. Dem steht die Regelung des § 323 V 2 BGB nicht entgegen. Zum einen hat sich die insoweit vortrags- und beweisbelastete Beklagte auf eine Unerheblichkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht berufen. Zum anderen ist eine solche auch nicht erkennbar. Zwar besteht in der Rechtsprechung die Tendenz, für eine Erheblichkeit des Mangels zu verlangen, dass die Nachbesserungskosten einen – unterschiedlich hoch angesetzten – Anteil an dem Anschaffungspreis erreichen. Zugleich aber ist für die Erheblichkeit eines Mangels auch bedeutsam, welcher Aufwand absolut anfallen wird, was gerade bei hochwertigen Kaufsachen eine Rolle spielt (vgl. z. B. OLG Köln, Urt. v. 27.03.2008 – 15 U 175/07 m. zahlreichen Nachw.). Zudem ist bei Neuwagen die Unerheblichkeitsgrenze tendenziell enger zu ziehen als bei einem Gebrauchtwagen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 27.03.2008 – 15 U 175/07). Schließlich muss Berücksichtigung finden, dass es sich bei dem fraglichen Fahrzeug um eines aus dem Luxussegment handelt, in dem Käufer berechtigterweise einen besonderen Komfort und eine äußerst geringe Fehleranfälligkeit erwarten dürfen. Nachdem derartige Fahrzeuge regelmäßig zu besonders hohen Anschaffungskosten erworben werden, würde die Annahme einer mehr oder weniger starren Prozentgrenze dazu führen, dass gerade bei ihnen aufwendige und absolut gesehen kostspielige Nachbesserungen weit häufiger als unerheblich einzustufen wären als bei „billigeren“ Produkten. Dass dies widersinnig wäre, liegt auf der Hand.

Vorliegend ist daher in den Blick zu nehmen, dass die Nachbesserungskosten sich auf über 3.700 € belaufen und damit einen erheblichen Betrag ausmachen. Der Mangel wirkt sich auch bei der täglichen Benutzung als sehr störend aus, weil es der Üblichkeit entspricht, dass während der Fahrt das Audiosystem betrieben wird, und die störende Geräuschentwicklung ausgerechnet im am häufigsten genutzten Geschwindigkeitsbereich auftritt. Dies ist von der Klägerin nicht hinzunehmen.

2. Die Vertragsparteien sind daher zur Rückerstattung der empfangenen Leistungen und gezogenen Nutzungen Zug um Zug verpflichtet. Der Kaufpreis ist unstreitig. Gemäß § 346 II 1 Nr. 1 BGB hat die Klägerin der Beklagten Wertersatz für die zurückgelegte Strecke zu leisten. Wie bereits in der Sitzung vom 04.12.2007 ausgeführt geht das Gericht von einer hypothetischen Gesamtlaufleistung von 250.000 km aus. Dies würde pro gefahrene 1.000 km einen Abzugsbetrag von 0,4 % vom Kaufpreis, vorliegend also 392 €, rechtfertigen. Die Klägerin lässt sich insoweit 500 € abziehen. Dem ist nach dem Grundsatz „ne ultra petita“ zu entsprechen. Dass im Rahmen der verschiedenen Nachbesserungsbemühungen mit dem Pkw durch die Beklagte 1.200 km zurückgelegt wurden, ist unstreitig und daher antragsgemäß zu berücksichtigen.

3. Die Klägerin kann weiter Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verlangen. Zu Unrecht bringt sie dabei allerdings eine 1,5-Gebühr in Ansatz. Nach Nr. 2300 VV RVG kann eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Das ist hier nicht der Fall …

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