1. Ein ge­werb­li­cher Kraft­fahr­zeug­händ­ler muss ei­nen Ge­braucht­wa­gen vor dem Ver­kauf auf Un­fall­schä­den un­ter­su­chen und da­bei auch die Lack­schicht­di­cke mes­sen.
  2. Un­ter­lässt es ein ge­werb­li­cher Kraft­fahr­zeug­händ­ler, ein Fahr­zeug vor dem Ver­kauf auf Un­fall­schä­den zu un­ter­su­chen, so muss er ei­nen (po­ten­ti­el­len) Käu­fer dar­auf hin­wei­sen, dass ei­ne Un­ter­su­chung auf Un­fall­schä­den un­ter­blie­ben ist. Oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis darf ein (po­ten­ti­el­ler) Käu­fer da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug auf Un­fall­schä­den un­ter­sucht wor­den ist; die Un­fall­frei­heit des Fahr­zeugs ist dann als kon­klu­dent zu­ge­si­chert an­zu­se­hen.
  3. Wird ein Kraft­fahr­zeug nach ei­nem Un­fall mit ei­nem Zeit­auf­wand von 1,25 Stun­den und ei­nem Kos­ten­auf­wand von min­des­tens 1.153,12 DM in­stand ge­setzt, hat das Fahr­zeug kei­nen – vom Ver­käu­fer nicht zu of­fen­ba­ren­den – Ba­ga­tell­scha­den, son­dern ei­nen zu of­fen­ba­ren­den er­heb­li­chen Un­fall­scha­den er­lit­ten.

LG Mün­chen I, Ur­teil vom 25.06.2004 – 6 O 12298/02

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der be­klag­ten Kfz-Händ­le­rin mit Ver­trag vom 23.03.2002 ei­nen ge­brauch­ten Pkw zum Preis von 17.900 €. Im Kauf­ver­trag heißt es, dass dem Ver­käu­fer kei­ne Un­fall­schä­den be­kannt sei­en und dass das Fahr­zeug „laut Vor­be­sit­zer un­fall­frei“ sei.

Tat­säch­lich war bei dem Pkw im Ok­to­ber 2001 die vor­de­re rech­te Tür in­stand ge­setzt wor­den; die­se Re­pa­ra­tur ist Ge­gen­stand ei­ner von dem Klä­ger als An­la­ge K 2 vor­ge­leg­ten Rech­nung vom 15.11.2001.

Der Klä­ger er­klär­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 13.06.2002 den Rück­tritt von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te auf, den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw bis zum 22.06.2002 ge­gen Er­stat­tung des Kauf­prei­ses zu­rück­zu­neh­men. Die Be­klag­te lehn­te ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags mit Schrei­ben vom 26.06.2002 ab.

Mit der Kla­ge hat der Klä­ger be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs 17.900 € zu zah­len. Au­ßer­dem hat der Klä­ger die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Pkw in An­nah­me­ver­zug sei. Er hat be­haup­tet, er ha­be im Ver­kaufs­ge­spräch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Ge­braucht­wa­gen nur In­ter­es­se ha­be, wenn die­ses Fahr­zeug tat­säch­lich un­fall­frei sei und ihm Ent­spre­chen­des zu­ge­si­chert wer­de. Der Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter M der Be­klag­ten ha­be ihm dar­auf­hin münd­lich zu­ge­si­chert, dass der Wa­gen un­fall­frei sei und kei­ne Vor­schä­den auf­wei­se. Tat­säch­lich – so hat der Klä­ger be­haup­tet – ha­be das Fahr­zeug schon da­mals ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Un­fall­scha­den an der rech­ten Sei­te auf­ge­wie­sen. Die­sen Scha­den ha­be ein ge­werb­li­cher Kraft­fahr­zeug­händ­ler oh­ne Wei­te­res er­ken­nen kön­nen. Nach Auf­fas­sung des Klä­gers ist der Vor­scha­den so er­heb­lich, dass ihn die Be­klag­te hät­te of­fen­ba­ren müs­sen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat be­strit­ten, dass M dem Klä­ger zu­ge­si­chert ha­be, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw un­fall­frei sei. Das Fahr­zeug – so hat die Be­klag­te be­haup­tet – wei­se in­des kei­nen Un­fall­scha­den auf. Der Ver­merk „Tü­re vor­ne rechts in­stand ge­setzt“ in der Rech­nung vom 15.11.2001 wei­se nicht zwin­gend auf ei­nen Un­fall­scha­den hin. Al­len­falls lie­ge ein Ba­ga­tell­scha­den vor, den sie dem Klä­ger nicht ha­be of­fen­ba­ren müs­sen. 16 Im Üb­ri­gen han­de­le es sich um ei­ne Ba­ga­tell­be­schä­di­gung, auf die die Be­klag­te nicht ha­be hin­wei­sen müs­sen.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger kann ge­mäß §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1 BGB die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags vom 23.03.2002 ver­lan­gen. Er hat mit Schrei­ben vom 13.06.2002 (An­la­ge K 3) wirk­sam den Rück­tritt vom Ver­trag er­klärt.

Ein Rück­tritts­grund liegt vor. Denn das Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen S vom 27.08.2003 und das Er­gän­zungs­gut­ach­ten vom 05.03.2004 be­wei­sen, dass das Fahr­zeug an der rech­ten Fahr­zeug­sei­te ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Un­fall­scha­den auf­wies. An der Ver­ble­chung der vor­de­ren rech­ten Tür sei­en Richt­ar­bei­ten vor­ge­nom­men wor­den, führt der Sach­ver­stän­di­ge aus. Bei ei­nem Zeit­auf­wand von 1,25 Stun­den, wie es sich aus der Rech­nung des Re­pa­ra­teurs R vom 15.11.2001 er­ge­be, kön­ne nicht von ei­nem Ba­ga­tell­scha­den ge­spro­chen wer­den. Die Scha­dens­hö­he sei mit min­des­tens 1.153,12 DM an­zu­set­zen. Bei ei­ner kor­rek­ten In­stand­set­zung des Fahr­zeugs kön­ne so­gar von 1.135,26 € aus­ge­gan­gen wer­den. Da die Un­ter­su­chungs­pflicht des pro­fes­sio­nel­len Kfz-Händ­lers stets ei­ne Lack­schicht­di­cken­mes­sung ein­schlie­ße, sei der Scha­den er­kenn­bar ge­we­sen. Wä­re ei­ne sol­che Mes­sung durch­ge­führt wor­den, wä­re die In­stand­set­zung der rech­ten vor­de­ren Tü­re zur Kennt­nis der Be­klag­ten ge­langt.

Das Ge­richt folgt den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen, der dem Ge­richt aus zahl­rei­chen Ver­fah­ren als sach­kun­dig und kom­pe­tent be­kannt ist. Das Gut­ach­ten ist lo­gisch und nach­voll­zieh­bar be­grün­det und wi­der­spruchs­frei. Die Ein­wen­dun­gen wur­den im Zu­satz­gut­ach­ten schlüs­sig und nach­voll­zieh­bar be­ant­wor­tet. Trotz Ein­räu­mung ei­ner Schrift­satz­frist wur­den wei­te­re Ein­wen­dun­gen oder Er­gän­zungs­fra­gen nicht mehr vor­ge­bracht. … Die Er­ho­lung ei­nes wei­te­ren Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens er­schien nicht ver­an­lasst.

Dass der Un­fall­scha­den be­reits bei Kauf­ver­trags­ab­schluss vor­han­den war, er­gibt sich aus der Re­pa­ra­tur­rech­nung vom 15.11.2001 (An­la­ge K 2). Im Üb­ri­gen fin­det § 476 BGB An­wen­dung, da ein Ver­brauchs­gü­ter­kauf vor­liegt.

Als pro­fes­sio­nel­le Kfz-Händ­le­rin hat­te die Be­klag­te das Fahr­zeug auf Un­fall­schä­den zu un­ter­su­chen. Die Un­ter­su­chungs­pflicht um­fass­te auch ei­ne Mes­sung der Lack­schich­ten­di­cke, wie oben aus­ge­führt. Die Be­klag­te hät­te den Klä­ger dar­auf hin­wei­sen müs­sen, dass sie das Kraft­fahr­zeug nicht auf Un­fall­schä­den un­ter­sucht hat. Da ein ent­spre­chen­der Hin­weis un­ter­blie­ben ist, durf­te der Klä­ger da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug von der Be­klag­ten auf sei­ne Un­fall­frei­heit hin über­prüft wur­de. Da­mit ist die Un­fall­frei­heit als kon­klu­dent zu­ge­si­chert an­zu­se­hen.

Im Üb­ri­gen hat die Zeu­gin E aus­ge­sagt, M – der Ver­käu­fer der Be­klag­ten – ha­be be­stä­tigt, dass das Fahr­zeug un­fall­frei sei und nur Krat­zer an der Stoß­stan­ge vom Ein­par­ken auf­wei­se. Der Zeu­ge M hat dem­ge­gen­über be­kun­det, er kön­ne sich an den Vor­fall nicht mehr ge­nau er­in­nern, weil er cir­ca 300 Au­tos pro Jahr ver­kau­fe. Er sa­ge bei Ge­braucht­wa­gen aber im­mer, dass Un­fall­frei­heit nur laut Vor­be­sit­zer zu­ge­si­chert wer­den kann. Bei­de Zeu­gen ha­ben in­di­rekt ein In­ter­es­se am Ver­fah­rens­aus­gang durch ih­re Be­zie­hun­gen zu den Par­tei­en des Rechts­streits. Die Zeu­gin E ist die Ehe­frau des Klä­gers, M ist An­ge­stell­ter der Be­klag­ten. Wäh­rend sich der Zeu­ge M an den kon­kre­ten Au­to­ver­kauf nicht mehr er­in­nern konn­te, war die Er­in­ne­rung der Zeu­gin E gut. Der An­kauf ei­nes Au­tos ist in ei­ner Fa­mi­lie kein so häu­fi­ger Vor­gang, so­dass nach­voll­zieh­bar ist, dass die Er­in­ne­rung der Zeu­gin E bes­ser ist. An­halts­punk­te da­für, dass die Zeu­gin die Un­wahr­heit sagt, lie­gen nicht vor. Sie er­ge­ben sich ins­be­son­de­re nicht aus ih­rer Stel­lung als Ehe­frau. Auch aus der Aus­sa­ge der Zeu­gin E er­gibt sich die Zu­si­che­rung der Un­fall­frei­heit.

Es liegt ein er­heb­li­cher Un­fall­scha­den vor. Es nicht nach­voll­zieh­bar, wie, wenn nicht durch ei­nen Un­fall, die vor­de­re rech­te Tür in der vom Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Wei­se hät­te be­schä­digt wer­den kön­nen. Bei ei­nem Zeit­auf­wand von 1,25 Stun­den und Re­pa­ra­tur­kos­ten von min­des­tens 1.153,12 DM liegt nach Auf­fas­sung des Ge­richts kein Ba­ga­tell­scha­den vor. Die Be­klag­te hät­te den Klä­ger da­her auf den Un­fall­scha­den hin­wei­sen müs­sen.

Der Klä­ger war da­her zum Ruck­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt und kann Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses von 17.900 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs ver­lan­gen.

Im Üb­ri­gen be­rech­tigt auch der sich aus der Ver­let­zung der Auf­klä­rungs­pflicht er­ge­ben­de Scha­den­er­satz­an­spruch des Klä­gers zur Ruck­ab­wick­lung des Ver­trags im We­ge des gro­ßen Scha­den­er­sat­zes.

Auch der Fest­stel­lungs­an­trag ist zu­läs­sig und be­grün­det.

Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se er­gibt sich aus § 756 I ZPO und den dar­in ge­re­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Zwangs­voll­stre­ckung bei ei­ner Zug-um-Zug-Leis­tung.

An­nah­me­ver­zug liegt seit dem 27.06.2002 vor. Die Be­klag­te hat un­strei­tig mit Schrei­ben vom 26.06.2002 die Rück­ab­wick­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Ver­trags end­gül­tig ab­ge­lehnt. Es war da­her ent­behr­lich, dass der Klä­ger das Fahr­zeug zur Be­klag­ten bringt oder dass er das An­ge­bot, dies Zug um Zug ge­gen Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zu tun, noch­mals wört­lich wie­der­holt. …

PDF er­stel­len