-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist nicht zulassungsfähig und deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Daran ändert nichts, dass das Kraftfahrt-Bundesamt den Betrieb der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr – einstweilen – toleriert.
-
Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens vor allem deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation eines Softwareupdates nicht mangelfrei sein werde. Es drängt sich im Gegenteil der Verdacht auf, dass sich das Softwareupdate negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung und die Schadstoffemissionen auswirken und zu einem erhöhten Verschleiß führen wird.
-
Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist eine Nachbesserung auch deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil sein Vertrauensverhältnis zur – am Kaufvertrag nicht beteiligten – Volkswagen AG nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Nachbesserung die Installation eines von der Volkswagen AG entwickelten Softwareupdates erfordert und die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge jahrelang systematisch getäuscht hat. Ein Käufer hat daher wenig Anlass, darauf zu vertrauen, dass er in Gestalt des Updates nicht wieder eine manipulierende Software erhält.
-
Angesichts der mit einer Nachbesserung möglicherweise einhergehenden Nachteile besteht das naheliegende Risiko, dass der Verkaufswert eines vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeugs trotz Nachbesserung gemindert bleibt (merkantiler Minderwert). Schon dieses Risiko macht dem Käufer eines solchen Fahrzeugs eine Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar (im Anschluss an LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16).
-
Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Fahrzeugs liegt, ist auch dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn eine Beseitigung des Mangels einen Kostenaufwand von lediglich rund 100 € erfordert. Vielmehr ist der dem Fahrzeug anhaftende Mangel schon deshalb erheblich, weil nicht auszuschließen ist, dass eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates negative Auswirkungen auf das Fahrzeug hat und dessen Verkaufswert gemindert bleibt. Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Käufer auf eine Nachbesserung faktisch nicht verzichten kann, weil er andernfalls die Zulassung des Fahrzeugs gefährdet, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit.
-
Indem die Volkswagen AG Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet hat, die nur dann eine Verringerung des Stickoxidausstoßes bewirkt, wenn die Fahrzeuge auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolvieren, hat sie den Käufern dieser – vom VW-Abgasskandal betroffenen – Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 123/16
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Die deshalb in der Lieferung des Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung (§ 433 I 2 BGB) ist jedenfalls dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn Verkäuferin des Fahrzeugs dessen Herstellerin – die Volkswagen AG – selbst ist. Denn dieser fällt eine arglistige Täuschung des Fahrzeugkäufers zur Last, sodass ihr Vertrauen in den Bestand des Kaufvertrages keinen Schutz verdient.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens, der das Fahrzeug von dessen Herstellerin (Volkswagen AG) erworben hat, darf regelmäßig sofort – ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung – vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn weil die Volkswagen AG dem Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages einen Mangel des Fahrzeugs arglistig verschwiegen hat, ist das für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensverhältnis derart nachhaltig gestört, dass dem Käufer eine Nacherfüllung i.S. der §§ 323 II Nr. 3, 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist. Das gilt auch dann, wenn nicht die Volkswagen AG, sondern ein von ihr zu beauftragender Dritter die Nacherfüllung auf Kosten der Volkswagen AG vornehmen soll.
LG Wuppertal, Urteil vom 26.04.2017 – 3 O 156/16
Mehr lesen »
-
Der Besitzer eines aus dem VW-Konzern stammenden Leasingfahrzeugs (hier: eines Porsche Cayenne GTS) legt weder einen Mangel noch auch nur einen konkreten Mangelverdacht hinreichend substanziiert dar, wenn er allein gestützt auf Presseberichte geltend macht, er müsse annehmen, dass auch sein Fahrzeug von für den VW-Abgasskandal typischen Manipulationen betroffen sei.
-
Zwar kann ein Leasingnehmer zur außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrages berechtigt sein, wenn sein Vertragspartner – der Leasinggeber – durch sein Verhalten das für ein Dauerschuldverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört hat. Allein der Umstand, dass der Leasinggeber zum Volkswagen-Konzern gehört und es bei anderen Gesellschaften dieses Konzerns zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist („VW-Abgasskandal“), rechtfertigt aber nicht die Annahme, der Leasingnehmer habe berechtigterweise das Vertrauen in den Leasinggeber als seinen Vertragspartner verloren.
-
Dass die Volkswagen AG und die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in einem Konzern verbunden sind, reicht nicht aus, um der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG das Wissen der Volkswagen AG zuzurechnen.
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2017 – 6 U 146/16
Mehr lesen »
-
Eine Frist zur Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs von nur einer Woche ist nicht angemessen i. S. der § 281 I 1 BGB, § 323 I BGB, sondern erheblich zu kurz.
-
Der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens verweigert eine Nachbesserung des Fahrzeugs nicht i. S. der § 281 II Fall 1 BGB, § 323 II Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig, wenn er erklärt, dass er keine autorisierte VW-Vertragswerkstatt betreibe und deshalb das von der Volkswagen AG entwickelte, für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate nicht installieren könne, die Installation des Updates in einer autorisierten Vertragswerkstatt aber vermitteln werde.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs genügt seiner Darlegungslast nicht, wenn er pauschal behauptet, dass sich eine Nachbesserung des Fahrzeugs durch Installation eines Softwareupdates insbesondere negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung, die Geräuschemissionen und die „Lebenszeit“ des Fahrzeugs auswirken werde. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Nachbesserung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt erfolgt und dieses davon überzeugt ist, dass die Installation des Softwareupdates keine negativen Auswirkungen auf die Fahrzeuge hat.
-
Die EG-Typgenehmigung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge ist nicht gemäß § 19 II 2 Nr. 3, VII StVZO automatisch erloschen. Diese Vorschriften gelten nämlich nur für den Fall, dass (bestimmte) Änderungen an einem bereits in den Verkehr gebrachten Fahrzeug vorgenommen werden. Den – hier vorliegenden – Fall, dass der Fahrzeughersteller Änderungen bereits vor dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs vorgenommen hat, erfassen sie dagegen nicht.
-
Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass er dem Verkäufer gemäß § 281 II Fall 2 BGB, § 323 II Nr. 3 BGB keine Frist zur Nachbesserung setzen müsse, weil eine Nachbesserung nur mithilfe der Volkswagen AG möglich sei und diese ihn – den Käufer – arglistig getäuscht habe. Denn zum einen kann dem Verkäufer ein möglicherweise arglistiges Verhalten der Verantwortlichen der Volkswagen AG nicht zugerechnet werden. Zum anderen trägt der Gedanke, dass eine (mögliche) arglistige Täuschung die für die Nachbesserung erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört habe, im VW-Abgasskandal nicht, weil die Nachbesserung unter Aufsicht einer unabhängigen Behörde (Kraftfahrt-Bundesamt) erfolgt.
LG Braunschweig, Urteil vom 25.04.2017 – 11 O 4/17
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist jedenfalls i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn der Käufer eines Pkw darf erwarten, dass für das Fahrzeug dauerhaft eine Betriebserlaubnis besteht und deren Fortbestand nicht davon abhängt, dass das Fahrzeug (hier: durch die Installation eines Softwareupdates) technisch überarbeitet wird.
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug ist außerdem deshalb mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB i. V. mit § 434 I 3 BGB), weil es die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – zwar während eines Emissionstests auf einem Prüfstand, aber nicht beim regulären Betrieb im Straßenverkehr einhält.
-
Bei der Prüfung, ob der Mangel, an dem ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug leidet, i. S. von § 323 V 2 BGB geringfügig und ein Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag mithin ausgeschlossen ist, kann nicht allein auf den mit einer Mangelbeseitigung – angeblich – verbundenen Kostenaufwand von weniger als 100 € abgestellt werden. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist.
-
Im Rahmen der mit Blick auf § 323 V 2 BGB gebotenen umfassenden Interessenabwägung ist zugunsten des Käufers zu berücksichtigen, dass das für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate von der – hier am Kaufvertrag nicht beteiligten – Volkswagen AG stammt und diese sich in der Vergangenheit arglistig verhalten hat. Ebenso wirkt es zugunsten des Käufers, wenn im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch kein Termin für die Installation des Updates feststand und negative Auswirkungen des Updates auf bestimmte Fahrzeugparameter nicht ausgeschlossen werden konnten.
LG Köln, Urteil vom 18.04.2017 – 4 O 177/16
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 28.05.2018 – 27 U 13/17)
Mehr lesen »
-
Ein Käufer, der unwissentlich ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug erwirbt, erleidet einen Schaden i. S. des § 826 BGB. Lebensnah betrachtet würde nämlich kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Verbraucher ein Fahrzeug erwerben, das mit einer Software ausgetattet ist, die insbesondere den Stickoxidausstoß reduziert, sobald das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert. Denn die Verwendung einer solchen Software verstößt gegen Art. 5 II 1 i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, weil es sich dabei um eine (unzulässige) Abschalteinrichtung im Sinne dieser Vorschriften handelt.
-
Indem die Volkswagen AG Fahrzeuge mit Dieselmotoren in Verkehr gebracht hat, die die einschlägigen Emissionsgrenzwerte softwaregesteuert nur einhalten, wenn sie auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolvieren, kann sie die – pflichtwidrig darüber nicht aufgeklärten – Fahrzeugkäufer i. S. des § 826 BGB sittenwidrig vorsätzlich geschädigt haben. Voraussetzung dafür ist, ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Volkswagen AG (§ 31 BGB) den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Davon kann auszugehen sein, wenn die Volkswagen AG sich trotz einer sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht dazu erklärt, welches ihrer Organe Kenntnis von der den Schadstoffausstoß optimierenden Software hatte und das Inverkehrbringen der mit dieser Software versehenen Motoren veranlasst hat.
-
Der heimliche Einsatz einer Software, die den Schadstoffausstoß eines Fahrzeugs (nur) während eines Emissionstests reduziert, ist sittenwidrig. Verwerflich erscheint insbesondere, dass ein Fahrzeugkauf jedenfalls für einen durchschnittlichen Verbraucher mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist, der bei lebensnaher Betrachtung auf einer wohlüberlegten und abwägenden Entscheidung fußt. Auch verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, dass die Software die Einhaltung gesetzlicher Umweltstandards vortäuscht, damit der Hersteller ein dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug vermarkten kann.
-
Die Volkswagen AG kann den Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (§ 826 BGB) auch dann so zu stellen haben, als hätte er den für ihn wirtschaftlich nachteiligen Kfz-Kaufvertrag nicht geschlossen, wenn sie selbst nicht Partei dieses Vertrages geworden ist.
LG Paderborn, Urteil vom 07.04.2017 – 2 O 118/16
Mehr lesen »
-
Darauf, ob ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen – insbesondere i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB – mangelhaft ist, kommt es für die Wirksamkeit eines vom Käufer erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag nicht an, wenn der Käufer dem Verkäufer vor der Erklärung des Rücktritts keine Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) gesetzt hat und eine Fristsetzung auch nicht gemäß § 323 II BGB oder § 440 BGB entbehrlich war.
-
Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs jedenfalls dann nicht wegen des Fehlverhaltens der Volkswagen AG unzumutbar i.S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB, wenn die Volkswagen AG nicht Partei des Kaufvertrages ist.
-
Ebenso genügt für eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB) die bloße Möglichkeit, dass die Nachbesserung – hier: das Aufspielen eines Softwareupdates – zu einem neuen Mangel etwa in Gestalt eines überhöhten Kraftstoffverbrauchs führt oder ein merkantiler Minderwert verbleibt, nicht.
LG Münster, Urteil vom 05.04.2017 – 010 O 359/16
Mehr lesen »
-
Dass die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge i. S. des § 434 I BGB mangelhaft sind, ergibt sich daraus, dass das Kraftfahrt-Bundesamt der Volkswagen AG auferlegt hat, diese Fahrzeuge technisch zu überarbeiten, um ihre Vorschriftsmäßigkeit wiederherzustellen und einen Verlust der Betriebserlaubnis abzuwenden.
-
Der Mangel, an dem ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug leidet, ist nicht geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, da er nicht kurzfristig in einer beliebigen Kfz-Werkstatt beseitigt werden kann. Vielmehr bedarf es zur Mangelbeseitigung eines mit einem hohen zeitlichen Aufwand entwickelten und vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebenen Softwareupdates. Dass dieses Update schlussendlich in einer Vertragswerkstatt mit einem verhältnismäßig geringen Zeit- und Kostenaufwand installiert werden kann, macht den Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, nicht zu einem geringfügigen Mangel i. S. des § 323 V 2 BGB.
-
Setzt der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs dem Verkäufer gemäß § 323 I BGB eine Frist zur Nachbesserung, so muss er hinsichtlich der Angemessenheit dieser Frist berücksichtigen, dass der VW-Abgasskandal eine Vielzahl von Fahrzeugen in ganz Deutschland betrifft und diese nur sukzessive im Rahmen eines – noch dazu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abzustimmenden – Gesamtkonzepts nachgebessert werden können. Eine angemessene Frist zur Nachbesserung muss deshalb deutlich länger sein als die Nachbesserungsfrist bei einem „normalen“ Fahrzeugmangel. Das ist dem Käufer auch zuzumuten, da er das mangelhafte Fahrzeug bis zur Nachbesserung uneingeschränkt nutzen kann.
-
Die – nicht Partei des Kaufvertrags gewordene – Volkswagen AG kann dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs sowohl wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) als auch gemäß § 823 II BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV Schadensersatz leisten müssen. Insoweit trifft die Volkswagen AG eine sekundäre Darlegungslast, der sie durch den Vortrag genügt, auf welcher Ebene unterhalb der Vorstandsebene die Entscheidung getroffen wurde, eine Manipulationssoftware zu entwickeln und zu verwenden, ob diese Entscheidung Angehörigen einer höheren Hierarchieebene mitgeteilt wurde und wem sie gegebenenfalls mitgeteilt wurde und welche Budgets für die Entwicklung der Software in Anspruch genommen wurden. Ein solcher Vortrag ist der Volkswagen AG zumutbar, zumal gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine derart unternehmenswesentliche Entscheidung wie die, eine Manipulationssoftware zu entwickeln und zu verwenden, nicht unterhalb der Vorstandsebene getroffen und dem Vorstand auch nicht verheimlicht wurde.
-
Davon, dass das sittenwidrige Verhalten und der Verstoß der Volkswagen AG gegen ein Verbotsgesetz (§§ 6 I, 27 I EG-FGV) ursächlich für den Kaufentschluss eines Käufers waren, der ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug erworben hat, ist nach der Lebenserfahrung auszugehen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Käufer im Verkaufsgespräch konkret geäußert hat, dass er ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug erwerben wolle.
LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017 – 3 O 252/16
Mehr lesen »
-
Eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) setzt keine ausdrücklichen Erklärungen der Parteien voraus, sondern kann sich auch aus den Umständen des Vertragsschlusses, etwa aus dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder den bei dieser Gelegenheit abgegebenen Beschreibungen, ergeben. Insbesondere kann die für eine Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung konkludent in der Weise erzielt werden, dass der Käufer dem Verkäufer bestimmte Anforderungen an den Kaufgegenstand zur Kenntnis bringt und der Verkäufer zustimmt. Auch kann es genügen, dass der Verkäufer die Eigenschaften der Kaufsache bei Vertragsschluss in einer bestimmten Weise beschreibt und der Käufer vor diesem Hintergrund seine Kaufentscheidung trifft.
-
Einem als „Euro-5-Fahrzeug“ beworbenen, vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen fehlt eine i. S. des § 434 I 1 BGB vereinbarte Beschaffenheit und das Fahrzeug ist deshalb mangelhaft, wenn es die Euro-5-Emissionsgrenzwerte zwar während eines Emissionstests auf dem Prüfstand, aber nicht im realen Fahrbetrieb einhält.
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen, bei dem eine Software die korrekte Messung der Stickoxidemissionen verhindert, indem sie den Stickoxidausstoß (nur) während eines Emissionstests optimiert, ist (auch) i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, da er nicht die für einen Neuwagen übliche und daher vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweist. Ein durchschnittlicher Neuwagenkäufer darf nämlich davon ausgehen, dass die einschlägigen Emissionsgrenzwerte nicht nur während eines Emissionstests eingehalten werden, weil eine Software die Testsituation erkennt und für eine Verringerung der Schadstoffemissionen sorgt.
-
Der Käufer, der gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB die ersatzweise Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen darf, soll – nur – das erhalten, was er nach dem Kaufvertrag vom Verkäufer beanspruchen kann. Der Verkäufer hat dem Käufer daher im Rahmen der Nacherfüllung anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige Sache zu übergeben und zu übereignen. Ein Anspruch auf Ersatzlieferung ist deshalb gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen, wenn ein Neuwagen so, wie ihn der Käufer bestellt hat, nicht mehr hergestellt wird, sondern ein Modellwechsel stattgefunden hat.
-
Die Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) zielt darauf ab, die gekaufte Sache ohne jede Einschränkung in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, das heißt, sie muss zu einer vollständigen und nachhaltigen Beseitigung des Mangels führen. Daran fehlt es, wenn ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ein Softwareupdate erhält; denn dieses Update ändert nichts daran, dass das Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen (gewesen) ist. Das Fahrzeug bleibt deshalb trotz des Softwareupdates mangelhaft.
LG Kempten, Urteil vom 29.03.2017 – 13 O 808/16
Mehr lesen »
Ein Anspruch des Käufers eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) besteht gemäß § 275 I BGB nicht, wenn er ein Fahrzeug mit einem bestimmten Motor bestellt hat, das so nicht mehr hergestellt wird. Insbesondere muss der Verkäufer dem Käufer in diesem Fall kein Fahrzeug aus der aktuellen Produktion liefern; denn die Fahrzeuge aus der aktuelle Produktion gehören nicht derselben Gattung an wie das dem Käufer ursprünglich gelieferte (mangelhafte) Fahrzeug.
LG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2017 – 13 O 543/16
Mehr lesen »