1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist nicht zulassungsfähig und deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Daran ändert nichts, dass das Kraftfahrt-Bundesamt den Betrieb der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr – einstweilen – toleriert.
  2. Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens vor allem deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation eines Softwareupdates nicht mangelfrei sein werde. Es drängt sich im Gegenteil der Verdacht auf, dass sich das Softwareupdate negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung und die Schadstoffemissionen auswirken und zu einem erhöhten Verschleiß führen wird.
  3. Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist eine Nachbesserung auch deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil sein Vertrauensverhältnis zur – am Kaufvertrag nicht beteiligten – Volkswagen AG nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Nachbesserung die Installation eines von der Volkswagen AG entwickelten Softwareupdates erfordert und die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge jahrelang systematisch getäuscht hat. Ein Käufer hat daher wenig Anlass, darauf zu vertrauen, dass er in Gestalt des Updates nicht wieder eine manipulierende Software erhält.
  4. Angesichts der mit einer Nachbesserung möglicherweise einhergehenden Nachteile besteht das naheliegende Risiko, dass der Verkaufswert eines vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeugs trotz Nachbesserung gemindert bleibt (merkantiler Minderwert). Schon dieses Risiko macht dem Käufer eines solchen Fahrzeugs eine Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar (im Anschluss an LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16).
  5. Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Fahrzeugs liegt, ist auch dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn eine Beseitigung des Mangels einen Kostenaufwand von lediglich rund 100 € erfordert. Vielmehr ist der dem Fahrzeug anhaftende Mangel schon deshalb erheblich, weil nicht auszuschließen ist, dass eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates negative Auswirkungen auf das Fahrzeug hat und dessen Verkaufswert gemindert bleibt. Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Käufer auf eine Nachbesserung faktisch nicht verzichten kann, weil er andernfalls die Zulassung des Fahrzeugs gefährdet, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit.
  6. Indem die Volkswagen AG Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet hat, die nur dann eine Verringerung des Stickoxidausstoßes bewirkt, wenn die Fahrzeuge auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolvieren, hat sie den Käufern dieser – vom VW-Abgasskandal betroffenen – Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 123/16

Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Er kaufte von der Beklagten zu 1 am 30.11.2012 einen gebrauchten Audi Avant 2.0 TDI Ambition zum Preis von 27.500 €. Der Kaufpreis wurde am 06.12.2012 gezahlt. Der Gebrauchtwagen wurde als der Schadstoffklasse „Euro 5“ zugehörig verkauft. Sein Kilometerstand betrug bei der Übergabe an den Kläger 22.112; aktuell beträgt er 169.198.

Die Beklagte zu 1 ist eine unabhängige Kfz-Händlerin, die autorisiert ist, Fahrzeuge der Marke Audi zu vertreiben. Herstellerin des Fahrzeugs ist die AUDI AG. Die Beklagte zu 2 – die Volkswagen AG – ist die Muttergesellschaft des VW-Konzerns; sie hält 99,55 % der Aktien an der AUDI AG. Der Vorstand der Beklagten zu 2 ist berechtigt, dem Vorstand der AUDI AG vollumfänglich Weisungen zu erteilen, die dieser zu befolgen hat. Grundlegende Entscheidungen werden von der Beklagten zu 2 getroffen.

Der Pkw des Klägers ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 (Euro 5) ausgestattet, der von der Beklagten zu 2 hergestellt wurde. Eine Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder ob es im regulären Straßenverkehr betrieben wird. Auf dem Prüfstand ist ein besonderer Betriebsmodus („Modus 1“) aktiv, in dem die Abgasrückführungsrate höher und damit der Stickoxidausstoß niedriger ist als in dem Modus, in dem das Fahrzeug normalerweise betrieben wird („Modus 0“). Die Euro-5-Emissionsgrenzwerte werden zwar im „Modus 0“ – auf dem Prüfstand – eingehalten; im „Modus 0“ werden sie jedoch überschritten, sodass das Fahrzeug des Klägers nicht in der Schadstoffklasse „Euro 5“ hätte eingestuft werden dürfen. Gleichwohl hat das Kraftfahrt-Bundesamt die Typgenehmigung des Fahrzeugs bislang nicht widerrufen.

Es hat jedoch einen Rückruf aller vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge angeordnet und der Beklagten zu 2 aufgegeben, die Fahrzeuge in einen vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen. Die Beklagte zu 2 hat daraufhin technische Maßnahmen entwickelt, mit deren Hilfe dieser Zustand erreicht werden soll. Sie hat dem Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 einen Zeit- und Maßnahmenplan vorgelegt, der für das streitgegenständliche Fahrzeug die Installation eines Softwareupdates und den Einbau eines Strömungsgleichrichters vorsieht. Die Kosten für diese Maßnahmen tragen die Beklagten.

Mit Bescheid vom 05.09.2016 hat das Kraftfahrt-Bundesamt das für das streitgegenständliche Fahrzeug vorgesehene Softwareupdate freigegeben. Der Kläger kann seinen Pkw somit nunmehr technisch überarbeiten lassen.

Er hält sein Fahrzeug für mangelhaft und hat mit anwaltlichem Schreiben vom 25.01.2016 gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, ohne dass er der Beklagten zu 1 zuvor eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 7.275,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.01.2016, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw … Der zurückzuzahlende Kaufpreis in Höhe von 27.500 € reduziert sich in Höhe der gezogenen Nutzungen um 20.224,33 €. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner (I–VI). Zudem hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von vier Prozent aus 27.500 € seit dem 06.12.2012 bis zum 27.01.2016 (VII). Weiter kann der Kläger die Feststellung beanspruchen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des … Pkw im Annahmeverzug befinden (VIII). Der Kläger hat gegenüber beiden Beklagten einen eigenständigen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von je 1.307,51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.10.2016 (IX). Weitere Ansprüche des Klägers bestehen nicht.

I. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 1 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 27.500 € für den Pkw Audi Avant aus §§ 433 I, 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 346 BGB.

1. Der dem Kläger von der Beklagten zu 1 mit Kaufvertrag vom 30.11.2012 verkaufte Audi Avant ist mangelhaft.

Durch die Installation einer Software, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte im normalen Gebrauch des Fahrzeugs verhindert und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegelt, weicht das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit ab (OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16; beide in juris).

Das Fahrzeug entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften, da es die Euro-5-Norm nicht einhält, und eignet sich daher mangels Zulassungsfähigkeit nicht zur vorausgesetzten Verwendung. Dabei hat außer Betracht zu bleiben, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Verwendung des Fahrzeugs im Straßenverkehr bis zur geplanten Nachbesserung trotz Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorschriften toleriert und die Zulassung tatsächlich nicht entzieht. Die tatsächliche und jederzeit veränderliche Umgehensweise des Kraftfahrt-Bundesamtes mit den betroffenen Dieselfahrzeugen ändert an der nicht vorhandenen Zulassungsfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften nichts.

Die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs ergibt sich auch daraus, dass das Kraftfahrt-Bundesamt wie auch die entsprechenden Behörden im benachbarten Ausland prüfen müssen, ob eine Entziehung der Betriebserlaubnis geboten ist, wenn der Hersteller innerhalb einer angemessenen Frist nicht für Abhilfe sorgt (OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris).

2. Der Kläger kann sogleich vom Vertrag zurücktreten, ohne eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, da ihm die Art der Nacherfüllung unzumutbar ist (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).

Es kann dahingestellt bleiben, ob – wenn der Kläger eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hätte, was nicht der Fall ist – diese Frist zu kurz gewesen wäre und eine angemessene Frist von nicht mehr als einem Jahr in Gang gesetzt hätte, die nunmehr abgelaufen wäre, sodass der Verkäufer den Rücktritt des Käufers hätte hinnehmen müssen (so OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris, in einem vergleichbaren Fall, in dem eine Frist zur Nachbesserung gesetzt wurde).

Die Unzumutbarkeit ergibt sich ebenfalls daraus, dass der Kläger unangemessen lange auf eine Nachbesserung warten musste (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16; beide in juris). Das Kraftfahrt-Bundesamt hat erst mit Bescheid vom 03.11.2016 das für das streitgegenständliche Fahrzeug vorgesehene Softwareupdate … freigegeben. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts vom Vertrag am 04.02.2016 war noch gar kein Termin für die Nachbesserung absehbar. Dem Kläger war nicht zuzumuten, einen unbestimmten Zeitraum lang abzuwarten, ob sich zu einem unbestimmten Zeitpunkt eine noch unbestimmte Art der Nachbesserung ergeben kann.

Weiterhin führt die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 zur Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Die Nachbesserung wird allein durch die Beklagte zu 2 angeboten, die für das Fahrzeug ein Softwareupdate entwickelt hat. Die Beklagte zu 2 hat das streitgegenständliche Fahrzeug als der Euro-5-Norm zugehörig angeboten, obwohl das Fahrzeug diese Norm im normalen Fahrbetrieb nicht erfüllt. Der Kläger glaubte somit im Vertrauen auf die Angaben der Beklagten zu 2, ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Fahrzeug zu erwerben, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 haben eine Software konstruiert, [die] erkennt, wann das Fahrzeug im Testlauf läuft, was zur Folge hat, dass der Stickoxidausstoß als geringer gemessen wird als er im tatsächlichen Fahrbetrieb vorhanden ist. Dadurch wurde dem Kläger etwas vorgespiegelt, was für seine Kaufentscheidung wesentlich war, nämlich ein Stickoxidausstoß, der den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Nachdem der Kläger durch die Beklagte zu 2 bereits einmal durch eine manipulierte Software getäuscht wurde, ist es ihm nicht zuzumuten, von der Beklagten zu 2 ein Softwareupdate zu erhalten. Bei dem Kläger verbleibt dann der nicht völlig unberechtigte Verdacht, dass es zu einer wiederholten Manipulation der Software kommen könnte. Der Kläger hat wenig Anlass, der Herstellerin in Bezug auf die Software zu vertrauen, nachdem diese sowohl die Behörden als auch ihre Kunden über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat (LG Köln, Urt. v. 02.03.2017 – 2 O 317/16, juris).

Vor allem aber ist die Nachbesserung unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, das Fahrzeug werde auch trotz der Nachbesserung nicht mangelfrei sein. Von Fachleuten wurde mehrfach geäußert und in zahlreichen Presseartikeln zitiert, dass die Entfernung der Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf die Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung sowie den Verschleiß haben könnte. Es entspricht auch den Gesetzen der Logik, dass die Beklagte zu 2 nicht ein Fahrzeug konzipiert hätte, das den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht, wenn sie mit gleichem Aufwand oder nur geringem Mehraufwand wie dem hiesigen Softwareupdate ein gleich gutes Fahrzeug hätte konzipieren können, das den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Vielmehr musste es für die sonstigen Eigenschaften des Fahrzeugs vorteilhaft gewesen sein, den erhöhten Stickoxidausstoß in Kauf zu nehmen. Wird nunmehr der Stickoxidausstoß reduziert, müssen spiegelbildlich sonstige Eigenschaften des Fahrzeugs negativ betroffen sein. Zumindest drängt sich ein entsprechender Verdacht auf. Dadurch entstehen beim Käufer Unsicherheiten bezüglich der Dauerhaltbarkeit und möglicher Folgeschäden nach durchgeführter Nachbesserung. Diese berechtigte Sorge des Käufers führt zur Unzumutbarkeit der Nachbesserung (so z. B. auch LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; a. A. z. B. LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15; alle in juris).

Schließlich ergibt sich die Unzumutbarkeit der Nachbesserung auch daraus, dass der Wert des Fahrzeugs auch nach der Nachbesserung wesentlich beeinträchtigt sein wird oder dies zumindest aus objektiver Sicht zu erwarten ist. Aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich möglicher negativer Folgen der Nachbesserung erscheint es realistisch, dass sich der Preis für von der Manipulationssoftware betroffene Fahrzeuge zukünftig negativ entwickeln könnte. Bereits das Bestehen eines naheliegenden Risikos eines bleibenden merkantilen Minderwerts ist ausreichend (so auch LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16, juris).

3. Der Rücktritt vom Kaufvertrag ist auch nicht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen (§ 323 V 2 BGB).

Es kann dahinstehen, ob die Mängelbeseitigung mit einem geringen finanziellen Aufwand pro Fahrzeug (ca. 100 €) möglich ist. Denn die Erheblichkeit eines Mangels wird nicht nur durch die Kosten der Beseitigung, sondern durch eine umfassende Interessenabwägung bestimmt. Ein erheblicher Mangel liegt hier bereits deshalb vor, weil nicht auszuschließen ist, dass die Eigenschaften des Fahrzeugs durch das Softwareupdate negativ beeinflusst werden und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs durch den Makel der Softwaremanipulation und die damit verbundene Presseberichterstattung sinken kann (so z. B. auch LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; a. A. LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; alle in juris).

Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Kläger auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten kann, sondern im Rahmen der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet ist, das Softwareupdate aufspielen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeugs zukünftig nicht zu gefährden, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris).

4. Rechtsfolge des wirksamen Rücktritts ist gemäß § 346 I BGB die Rückgewähr der empfangenen Leistungen, also auch die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 27.500 €.

II. Der Kläger hat auch gegenüber der Beklagten zu 2 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 27.500 € für den Pkw … aus §§ 826, 249 ff. BGB.

1. Die Beklagte zu 2 hat gegenüber dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt.

Wer bewusst täuscht, um einen anderen zum Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig, so bei unwahren Angaben über vertragswesentliche Umstände (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. [2017], § 826 Rn. 20). Vorliegend haben die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 eine Software konstruiert, [die] erkennt, wann das Fahrzeug im Testlauf läuft, was zur Folge hat, dass der Stickoxidausstoß als geringer gemessen wird als er im tatsächlichen Fahrbetrieb vorhanden ist. Dadurch wurde dem Kläger etwas vorgespiegelt, was für seine Kaufentscheidung wesentlich war, nämlich ein Stickoxidausstoß, der den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Den Mitarbeitern der Beklagten zu 2 war auch bewusst, dass dieser Umstand von zentraler Bedeutung beim Autokauf ist, denn naturgemäß möchte kein Kunde ein Fahrzeug erwerben, dem der Entzug der Zulassung droht. Dennoch wurde die entsprechende Software bewusst verwendet, um dem Kunden vorzuspiegeln, das Fahrzeug erfülle die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen, was tatsächlich im normalen Fahrbetrieb aufgrund eines zu hohen Stickoxidausstoßes nicht der Fall war. Dies geschah, um einen möglichst hohen Profit zu erzielen, indem man ein Fahrzeug auf dem Markt anbot, das (scheinbar) die Euro-5-Norm einhielt und gleichzeitig über einen geringen Spritverbrauch und andere positive Eigenschaften verfügte. Dieses betrügerische Verhalten gegenüber dem Kunden ist sittenwidrig (so auch LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16; beide in juris).

2. Der Vorstand der Beklagten zu 2 hat entschieden, einen mit dieser Software versehenen Motor auch in Fahrzeuge der Marke Audi – wie dem hiesigen – einbauen zu lassen. Diese Entscheidung war für den Vorstand der AUDI AG aufgrund entsprechender zwischen der Beklagten zu 2 und der AUDI AG bestehender Verträge verbindlich.

3. Die Beklagte zu 2 hat durch ihre verfassungsmäßigen Vertreter gehandelt, für deren unerlaubte Handlung die Beklagte zu 2 haftet (§ 31 BGB). In der Person der Vertreter der Beklagten zu 2 wurde der objektive und subjektive Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht.

Zwar trifft hierfür den Kläger die Beweislast. Allerdings ist es hier der Beklagten zu 2 ausnahmsweise zuzumuten, im Rahmen ihrer Erklärungslast nach § 138 II ZPO dem Kläger eine prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehenden Kläger die wesentlichen Tatsachen kennt („sekundäre Darlegungslast“, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. [2016], Vor § 284 Rn. 34). Der Vorstand der Beklagten zu 2 weiß oder kann sich das Wissen verschaffen, wer die Entscheidung getroffen hat, die Software zu entwickeln und einzusetzen, die einen tatsächlich nicht vorhandenen niedrigen Stickoxidausstoß im normalen Betrieb des Fahrzeugs vorspiegelte. Der Kläger hat hingegen keine Möglichkeit, sich darüber zu informieren.

Um eine Ausforschung zu vermeiden, muss der zu beweisende Vortrag des Klägers greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (Zöller/Greger, a. a. O., vor § 284 Rn. 34). Das ist hier der Fall. Der Kläger behauptet, Verantwortliche der Beklagten zu 2 hätten die hiesige Software entwickeln lassen und eingesetzt. Dies erscheint lebensnah. Wer die Zustimmung zur Konzipierung und zum Einsatz einer Software im Millionen von Neufahrzeugen erteilt, die einen geringeren als den tatsächlichen Stickoxidausstoß vorspiegelt, hat üblicherweise auch eine wichtige Funktion in einem Unternehmen inne, da eine solch wesentliche unternehmerische Entscheidung regelmäßig nicht von untergeordneten Mitarbeitern ohne Einbeziehung von Entscheidungsträgern getroffen wird. Für eine Haftung gemäß § 31 BGB ist es auch nicht zwingend, dass das handelnde Organ rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht hat. Vielmehr ist entscheidend, dass dem „Vertreter“, sei es aufgrund einer ausdrücklichen Bestellung oder aufgrund tatsächlicher Handhabung, bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zugewiesen sind (BGH, Urt. v. 14.03-2013 – III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 12).

Nachdem die Beklagte zu 2 nicht offenbart hat, wer die Entscheidung zum Einsatz der Software getroffen hat, und damit ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, gilt die Behauptung des Klägers, die Verantwortlichen der Beklagten zu 2 hätten entschieden, die hiesige Software zu verwenden, trotz ihrer mangelnden Substanziierung als zugestanden i. S. von § 138 III ZPO (so auch LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16; beide in juris).

4. Hätte der Kläger gewusst, dass das Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb einen höheren Stickoxidausstoß als angegeben hat, deshalb die Euro-5-Norm nicht erfüllt und der Betrieb des Fahrzeugs gegen gesetzliche Vorschriften verstößt und daher eine Nachbesserung mit ungewissen Folgen für den Pkw erforderlich ist, so hätte er das Fahrzeug nicht erworben.

5. Wird der Käufer durch irreführende Angaben zum Erwerb einer Sache veranlasst, die sich grundlegend von der angepriesenen unterscheidet, ist ein Schaden auch dann zu bejahen, wenn der Wert der Sache dem gezahlten Kaufpreis entspricht (BGH, Urt. v. 19.12.1997 – V ZR 112/96, NJW 1998, 898 [899]). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger das Fahrzeug zur allgemeinen Nutzung im Straßenverkehr verwenden kann (so aber LG Braunschweig, Urt. v. 29.12.2016 – 1 O 2084/15, mit dem Ergebnis, dass keine Ansprüche der dortigen Käuferin gegen die Volkswagen AG bestehen). Denn es ist nicht zweifelhaft, dass Schadensersatz auch dann geschuldet ist, wenn der Kaufpreis zwar dem Verkehrswert der Sache entspricht, diese aber infolge des Mangels für die Zwecke des Käufers ungeeignet ist (BGH, Urt. v. 19.12.1997 – V ZR 112/96, NJW 1998, 898 [899]).

Vorliegend wollte der Kläger kein Fahrzeug erwerben, das den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht und bei dem der Entzug der Zulassung droht, wenn der Kläger sich nicht auf eine Nachbesserung einlässt, deren Folgen für das Fahrzeug ungewiss sind. Damit war das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers ungeeignet.

Der geschädigte Kläger ist so zu stellen, als ob er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Der Kaufvertrag ist rückabzuwickeln und dem Kläger der Kaufpreis zurückzuerstatten.

III. Die Beklagten haben gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Wertersatz für gezogene Nutzungen in Höhe von 20.224,33 €, die gegen den Zahlungsanspruch des Klägers aufzurechnen sind (§ 346 I Fall 2, II 1 Nr. 1, 387 ff. BGB). Damit reduziert sich die berechtigte Forderung des Klägers auf 7.275,67 €.

Die Nutzungsentschädigung kann für Pkw nach deren Gesamtlaufleistung für je 1.000 km auf 0,3 % bis 1 % des Anschaffungspreises geschätzt werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. [2017], § 346 Rn. 10 m. w. Nachw.). Nachdem der Kläger vorliegend mit dem Fahrzeug 147.086 km gefahren ist, ergibt sich … unter Zugrundelegung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,5 % des Anschaffungspreises (137,50 €) für je 1.000 gefahrene Kilometer eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 20.224,33 €.

Zwar erfolgt bei wechselseitigen Geldforderungen keine. automatische Saldierung; es bedarf einer Aufrechnung (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 348 Rn. 1). Jedoch liegt hier eine Aufrechnung vor (§ 387 BGB). Die Beklagten haben klar zu erkennen gegeben, dass sie einen Anspruch auf Nutzungsersatz geltend machen wollen und die klägerische Forderung insoweit erlöschen soll, konnten allerdings die Höhe des Nutzungsersatzes bis zu der mündlichen Verhandlung noch nicht beziffern, da sie den aktuellen Kilometerstand des Fahrzeugs bis dahin noch nicht kannten. Es ist davon auszugehen, dass sie auch nach Kenntnis hiervon Aufrechnungswillen hatten und das Erlöschen der klägerischen Forderung mindestens in der Höhe der vom Gericht berechneten Nutzungsentschädigung begehrten; dies war für den Kläger auch klar erkennbar. Eine Aufrechnungserklärung i. S. von § 388 Satz 1 BGB liegt somit vor.

IV. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung besteht Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw … (§§ 348, 320, 322 BGB).

V. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.

VI. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner, da jede Beklagte zur Bewirkung der gesamten Leistung verpflichtet, der Kläger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 Satz 1 BGB).

VII. Der Anspruch des Klägers Zahlung von Zinsen in Höhe von vier Prozent aus 27.500 € seit dem 06.12.2012 bis zum 27.01.2016 ergibt sich aus § 849 BGB. Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB verlangen (BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084). Der Kläger ist durch die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Beklagten zu 2 veranlasst worden, an die Beklagte zu 1 den Kaufpreis … zu bezahlen. Die Zinspflicht endet mit dem konkreten Schadensersatzverlangen am 03.02.2016.

VIII. Die Beklagten befinden sich mit der Rücknahme des … Pkw im Annahmeverzug (§ 293 BGB). Jedenfalls mit Zustellung der Klageschrift hat der Kläger den Beklagten ein wörtliches Angebot auf Rückübereignung des Pkw gemacht (§ 295 BGB). Die Beklagten, die spätestens mit Zugang des Schriftsatzes zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft und dem darin enthaltenen Antrag auf Klageabweisung dieses Angebot abgelehnt haben, befinden sich daher seit Zugang des Angebots in Annahmeverzug (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2011 – I-17 U 53/10, juris).

IX. Der Kläger hat gegenüber beiden Beklagten einen eigenständigen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von je 1.307,51 € nebst Zinsen … aus Vertragsverletzung bzw. unerlaubter Handlung.

Bei der Berechnung geht das Gericht von einer berechtigten 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 27.500 € in Höhe von 1.121,90 € zuzüglich einer Unkostenpauschale in Höhe von 20 € und einer Umsatzsteuer in Höhe von 19 % aus, sodass sich insgesamt vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hinsichtlich jeder Beklagten in Höhe von 1.358,86 € ergeben. Eine Anrechnung hat zu unterbleiben, da … die Geschäftsgebühr … auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird …, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr teilweise auf die Geschäftsgebühr angerechnet wird.

Die Höhe der Gebühr ist durch eine Gesamtabwägung aller nach § 14 I 1 RVG maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Vorliegend ist gerichtsbekannt, dass der Klägervertreter neben dem Kläger zahlreiche andere Eigentümer von Pkw, in denen eine Software mit der gleichen Problematik verbaut wurde, vertritt und die Schriftsätze größtenteils wortgleich sind. Die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Mandat kann im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10, NJW-Spezial 2013, 316 Rn. 62). Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten begründen würden, sodass bereits nach Nr. 2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nicht in Betracht kommt.

Nachdem der Kläger aber nur vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.307,51 € begehrt, sind die vorgerichtlichen Anwaltskosten auch nur in dieser Höhe zuzusprechen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug. …

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