- Bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I BGB) setzt ein mangelbedingter Rücktritt vom Kaufvertrag – anders als in § 323 I BGB vorgesehen – nicht voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Vielmehr kann der Käufer gemäß § 475d I Nr. 1 BGB schon dann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn er den Verkäufer über den Mangel unterrichtet hat und der Verkäufer innerhalb einer damit in Gang gesetzten angemessenen Frist die Nacherfüllung nicht vorgenommen hat.
- Setzt der Käufer dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf unnötigerweise (vgl. § 475d I Nr. 1 BGB) eine Frist zur Nacherfüllung, nachdem er den Verkäufer über den zu beseitigenden Mangel unterrichtet hat, muss er sich daran zwar festhalten lassen. Für die Frage der Angemessenheit der Frist ist aber auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Verkäufer über den zu beseitigenden Mangel i. S. von § 475d I Nr. 1 BGB unterrichtet wurde.
- Für die Nachbesserung eines Kraftfahrzeugs erscheint eine Frist von zwei Wochen grundsätzlich auch dann angemessen, wenn für die Nachbesserung ein Ersatzmotor beschafft und von einem Dritten in das Fahrzeug eingebaut werden muss.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2023 – 23 U 55/23
(vorangehend: LG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2023 – 9 O 167/22)
Mehr lesen »
-
Setzt der Käufer dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) eine Frist zur Nacherfüllung, obwohl es einer Fristsetzung nach § 475d I Nr. 1 BGB nicht bedarf, sondern der Käufer lediglich den Ablauf einer angemessenen Frist abwarten muss, gilt nur die dem Verkäufer aktiv gesetzte Frist. Diese ist auch dann allein maßgeblich, wenn sie dem Verkäufer erst gesetzt wird, nachdem eine angemessene Frist i. S. von § 475d I Nr. 1 BGB bereits zu laufen begonnen hat.
-
Ist eine dem Verkäufer trotz § 475d I Nr. 1 BGB aktiv gesetzte Frist unangemessen kurz, wird durch die Fristsetzung zwar eine angemessene Frist i. S. von § 475d I Nr. 1, § 323 I BGB in Lauf gesetzt. Ein Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag, der erst nach dem Ablauf der aktiv gesetzten Frist, aber noch vor dem Ablauf einer angemessenen Frist erklärt wird, ist jedoch unwirksam.
-
Ob eine Frist zur Nacherfüllung „angemessen“ ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur bejaht werden kann, wenn – realistisch betrachtet – dem Verkäufer innerhalb der Frist eine eine Nacherfüllung überhaupt möglich ist. Bei einer Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) kommt es deshalb auf die Art des zu beseitigenden Mangels, die Komplexität der Kaufsache, etwaige die Nachbesserung erschwerende Umstände sowie auf das Leistungsinteresse des Käufers an. Gemessen daran ist eine Frist von wenigen Tagen, in denen ein Austauschmotor beschafft und in ein Fahrzeug eingebaut werden muss, insbesondere dann unangemessen kurz, wenn der Verkäufer keine eigene Werkstatt unterhält. Angemessen ist in einem solchen Fall eine Frist von mindestens zwei Wochen.
LG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2023 – 9 O 167/22
(nachfolgend: OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2023 – 23 U 55/23)
Mehr lesen »
-
Ein mangelbedingter Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 BGB) setzt nach § 280 I 1 BGB grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Setzt der Käufer keine Frist zur Nacherfüllung, obwohl eine Fristsetzung nicht ausnahmsweise entbehrlich ist, und nimmt er dem Verkäufer durch eine voreilige Selbstvornahme die Möglichkeit zur Nacherfüllung, so verliert er nach der Grundkonzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) seine Mangelrechte.
-
Die Fristsetzung muss im Hinblick auf die Rechtsfolge eine bestimmte, eindeutige Aufforderung zur Nacherfüllung enthalten; ein höfliches Drängen auf Vertragserfüllung oder die Aufforderung an den Verkäufer, sich über seine Leistungsbereitschaft zu erklären, genügt daher nicht. Es reicht aber aus, wenn der Käufer durch das ernsthafte Verlangen einer „sofortigen“ oder „unverzüglichen“ Nacherfüllung oder durch eine ähnliche Formulierung zu erkennen gibt, dass dem Verkäufer nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum für die Nacherfüllung zur Verfügung steht.
-
An die Annahme einer – eine Fristsetzung entbehrlich machende – Erfüllungsverweigerung i. S. des § 281 II Fall 1 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist grundsätzlich, dass der Verkäufer die Nacherfüllung gegenüber dem Käufer unmissverständlich, endgültig und ernsthaft ablehnt, sodass jenseits vernünftiger Zweifel feststeht, dass er unter keinen Umständen mehr zur (freiwilligen) Nacherfüllung bereit ist. Die Weigerung muss als das „letzte Wort“ des Verkäufers erscheinen; wann das der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Bleiben Zweifel, ob sich der Verkäufer umstimmen lassen wird, so gehen diese zulasten des Käufers.
-
Die Annahme einer Erfüllungsverweigerung i. S. des § 281 II Fall 1 BGB ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der zur Nacherfüllung aufgeforderte Verkäufer vom Käufer zwar die Übernahme der damit verbundenen Materialkosten verlangt, aber nicht ausgeschlossen ist, dass dieser Standpunkt noch verhandelbar ist.
LG Lübeck, Urteil vom 22.12.2022 – 15 O 60/22
Mehr lesen »
Ein Kfz-Verkäufer, der ein angeblich mangelhaftes Fahrzeug auf ein Nachbesserungsverlangen des Käufers hin zu seinem Betriebsgelände transportieren lässt, hat gegen den Käufer einen Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten, wenn sich das Nachbesserungsverlangen als unberechtigt erweist.
LG Neubrandenburg, Urteil vom 03.11.2022 – 1 S 20/21
Mehr lesen »
- Der Verkäufer kann jederzeit und auch stillschweigend auf die Rechtsfolgen aus § 377 II, III HGB – beziehungsweise auf den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge – verzichten. Hierfür müssen jedoch eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die der Käufer als (endgültige) Aufgabe des Rechts – hier: des Verspätungseinwands – durch den Verkäufer verstehen darf (im Anschluss an Senat, Urt. v. 19.06.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633, 2634; Urt. v. 25.11.1998 – VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259, 1260; Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20 Rn. 69 f.).
- Solche eindeutigen Anhaltspunkte lassen sich grundsätzlich noch nicht ohne Weiteres einem Schreiben des Fahrzeugverkäufers entnehmen, mit dem der Fahrzeugkäufer über die Bereitstellung eines Softwareupdates durch den Fahrzeughersteller unterrichtet, um die Vereinbarung eines Termins zum Aufspielen des Updates in der Werkstatt des Fahrzeugverkäufers gebeten und auf die Übernahme der Kosten der Maßnahme durch den Hersteller sowie die Möglichkeit einer für den Fahrzeugkäufer kostenlosen Überlassung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer der Maßnahme hingewiesen wird.
BGH, Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 383/20
Mehr lesen »
- Zur Unzulässigkeit einer Feststellungsklage (§ 256 I ZPO) des – aus abgetretenem Recht des Käufers/Leasinggebers vorgehenden – Leasingnehmers gegen den Verkäufer mit dem Ziel der Feststellung, dass sich der Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Leasinggeber aufgrund des vom Leasingnehmer erklärten Rücktritts in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe.
- Gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB kann dem Käufer (bzw. dem aus abgetretenem Recht des Käufers/Leasinggebers vorgehenden Leasingnehmer) eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs eine Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag unzumutbar sein, wenn der Verkäufer erklärt hat, dass eine Softwarelösung zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung erst in mehreren Monaten zur Verfügung stehen werde (Bestätigung von Senat, Beschl. v. 22.02.2022 – VIII ZR 434/21, juris Rn. 15).
- Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 14.07.2022 – C-145/20, ECLI:EU:C:2022:572 = juris Rn. 95 ff. – Porsche Inter Auto und Volkswagen), die auch bei der Auslegung und Anwendung des § 323 V 2 BGB zu berücksichtigen ist, kann eine derartige Abschalteinrichtung nicht als geringfügige Vertragswidrigkeit i. S. von Art. 3 VI der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999 L 171, 12) und damit grundsätzlich nicht als eine unerhebliche Pflichtverletzung nach § 323 V 2 BGB angesehen werden.
- An das Vorliegen eines stillschweigenden Verzichts auf Rechte sind strenge Anforderungen zu stellen. Daher müssen für die Annahme eines stillschweigenden Verzichts des Verkäufers auf die im kaufmännischen Geschäftsverkehr geltende Rügeobliegenheit des Käufers gemäß § 377 II, III HGB beziehungsweise auf die dem Verkäufer günstigen Rechtsfolgen einer nach der vorgenannten Vorschrift bereits eingetretenen Genehmigungswirkung eindeutige Anhaltspunkte vorliegen (Bestätigung von Senat, Urt. v. 19.06.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 unter II 1 c bb; Urt. v. 25.11.1998 – VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259 unter III 2 a).
BGH, Urteil vom 09.11.2022 – VIII ZR 272/20
Mehr lesen »
- Macht der Käufer eines Tesla Model 3 geltend, das Fahrzeug sei gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil es zu „Phantombremsungen“ komme, die ihre Ursache in den Besonderheiten des GPS-unterstützten Abstandsgeschwindigkeitsreglers hätten, dann können als Vergleichsmaßstab nicht Fahrzeuge anderer Hersteller herangezogen werden, die mit Abstandsgeschwindigkeitsreglern ohne GPS-Unterstützung ausgestattet sind. Ob das Fahrzeug „eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann“, kann vielmehr nur mit Blick auf Fahrzeuge beurteilt werden, die ebenfalls mit einem GPS-unterstützten Abstandsgeschwindigkeitsregler ausgestattet sind.
- Ein Kraftfahrzeug, das dem Stand der Technik gleichartiger Fahrzeuge entspricht, ist nicht deswegen nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der tatsächlichen oder durchschnittlichen Käufererwartung zurückbleibt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056 Rn. 11).
- Auch ein mit einem „Autopiloten“ ausgestatteter Pkw darf nicht ohne zwingenden Grund automatisch „stark bremsen“ i. S. von § 4 I 2 StVO. Ein „starkes Bremsen“ in diesem Sinne liegt vor, wenn es durch heftiges Bremsen zu einer hohen Bremsverzögerung kommt, wie es etwa bei einer „Vollbremsung“ der Fall ist.
OLG München, Beschluss vom 04.10.2022 – 8 U 1627/22
Mehr lesen »
Zur Verletzung des Anspruchs der Partei auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 I GG im Zusammenhang mit Vortrag zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung wegen Fehlschlagens der Nachbesserung sowie wegen Unzumutbarkeit (weiterer) Nacherfüllungsversuche (hier: unberücksichtigt gebliebener Vortrag des Käufers zu trotz Reparaturversuchen fortbestehenden Mangelsymptomen und zur Sicherheitsrelevanz der als Sachmangel geltend gemachten Funktionsstörung).
BGH, Beschluss vom 06.09.2022 – VIII ZR 352/21
Mehr lesen »
- Eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung einer (gebrauchten) mangelhaften Kaufsache nach den Grundsätzen eines Abzugs „neu für alt“ scheidet aus, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpft, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfährt oder dass der Käufer durch die längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspart.
- Für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten nach § 437 Nr. 3, §§ 280 I und III, 281 I BGB gilt das Gleiche, und zwar auch dann, wenn die Nachbesserung wegen des arglistigen Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden muss (hier: Kosten für die Erneuerung einer mangelhaften Kellerabdichtung).
BGH, Urteil vom 13.05.2022 – V ZR 231/20
Mehr lesen »
- Der Tatrichter darf bei einem auf Ersatzlieferung gerichteten Nacherfüllungsbegehren nicht offenlassen, ob das bei Vertragsschluss maßgebliche Fahrzeugmodell noch hergestellt wird und damit ein dem Kaufgegenstand vollständig entsprechendes (mangelfreies) Neufahrzeug noch verfügbar ist oder nicht. Denn im erstgenannten Fall ist bei der die beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien in den Blick nehmenden Auslegung ihrer Willenserklärungen davon auszugehen, dass die den Verkäufer treffende Beschaffungspflicht jedenfalls solange nicht ein Nachfolgemodell erfasst, wie ein dem ursprünglich gelieferten Fahrzeug und der Vereinbarung im Kaufvertrag vollständig entsprechendes (mangelfreies) Neufahrzeug von dem Verkäufer noch nachgeliefert werden kann (Fortführung von Senat, Urt. v. 21.07.2021 – VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296; Urt. v. 08.12.2021 – VIII ZR 190/19, WM 2022, 330).
- Für die Rückwirkung der Verjährungshemmung gemäß § 204 I Nr. 4 Halbsatz 2 BGB kommt es auch in der seit dem 26.02.2016 geltenden Fassung (lediglich) auf die Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags an den Antragsgegner durch die Güte- beziehungsweise Streitbeilegungsstelle an, nicht hingegen auf die tatsächlich an diesen erfolgte Bekanntgabe.
BGH, Urteil vom 04.05.2022 – VIII ZR 50/20
Mehr lesen »