Ein Kfz-Verkäufer, der ein angeblich mangelhaftes Fahrzeug auf ein Nachbesserungsverlangen des Käufers hin zu seinem Betriebsgelände transportieren lässt, hat gegen den Käufer einen Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten, wenn sich das Nachbesserungsverlangen als unberechtigt erweist.

LG Neubrandenburg, Urteil vom 03.11.2022 – 1 S 20/21

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten am 11.03.2016 für 4.950 € einen Pkw Opel Corsa 1.3 1.3 CDTI. Gleichzeitig erhielt er eine Garantieversicherung mit Garantieleistungen von maximal 1.250 € für das Fahrzeug.

Am 13.01.2017 blieb der Pkw in der Nähe von O. mit einem Motorschaden liegen. Er wurde auf Aufforderung des Klägers anschließend von dem Beklagten in dessen Werkstatt abgeschleppt, um dort repariert zu werden. Beim Zerlegen des Antriebsaggregats stellte der Beklagte fest, dass die Steuerkette gerissen war. Er bot dem Kläger an, den Opel Corsa für 2.644,32 € zu reparieren. Der Garantieversicherer erklärte seine Einstandspflicht.

Der Kläger verlangte demgegenüber eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) seines Fahrzeugs. Die Parteien konnten sich indes nicht darüber einigen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich der Kläger an den dafür aufzuwendenden Kosten beteiligen werde. Der Opel Corsa wurde schließlich auf Wunsch des Klägers im März 2017 von dem Beklagten abgemeldet und verblieb auf dessen Betriebsgelände.

Mit Schreiben vom 29.08.2017 forderte der Kläger den Beklagten auf, das Fahrzeug bis zum 04.09.2017 zu reparieren und fahrbereit an ihn, den Kläger, herauszugeben. Der Beklagte teilte dem Kläger am 05.09.2017 mit, dass eine Herausgabe des Pkw nur gegen Zahlung von 300 € erfolgen werde, und verwies auf sein Unternehmerpfandrecht. Bis zum 12.09.2017 gab der Beklagte den Pkw nicht heraus. Ansprüche des Klägers aus der Garantieversicherung waren zwischenzeitlich verfallen.

Unter dem 08.12.2017 erhob der Kläger eine auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage. Am 27.02.2020 stellte der Beklagte dem Kläger förmlich einen Betrag von 300 € brutto in Rechnung und erklärte, den Pkw freizugeben. Bei dessen Besichtigung stellte der Kläger mehrere Schäden fest. So war die Frontscheibe gerissen; die hintere rechte Tür wies eine Schramme auf, und der Innenraum war verschmutzt.

Der Kläger behauptet, ursächlich für den Motorschaden sei nicht das Reißen der Steuerkette gewesen; vielmehr sei der Kipphebel gerissen, wodurch anschließend die Steuerkette gerissen sei. Der Mangel sei schon bei Übergabe des Pkw an ihn, den Kläger, vorhanden gewesen. Das Fahrzeug sei gepflegt und ordnungsgemäß gewartet worde. Die Schäden am Fahrzeug seien in der Sphäre des Beklagten entstanden. Dieser – so macht der Kläger geltend – habe kein Recht gehabt, die Herausgabe des Opel Corsa zu verweigern. Insbesondere habe dem Beklagten kein Werkunternehmerpfandrecht zugestanden. Er, der Kläger, habe sich nie geweigert, irgendwelche Zahlungen zu leisten. Er habe lediglich eine Barzahlung ohne Rechnung verweigert.

Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 4.009,50 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen die Rückgewähr des Opel Corsa, zu verurteilen und den Annahmeverzug des Beklagten festzustellen. Diese Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2020 zurückgenommen und stattdessen beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 2.700 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und behauptet, die Steuerkette sei nicht bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger gerissen gewesen. Vielmehr habe ein Bedienfehler oder die Nutzung von altem oder minderwertigem Öl zu dem Riss geführt. Er, der Beklagte, habe den Kläger im Zuge der Abmeldung des Pkw darauf hingewiesen, dass er für die Unversehrtheit des Fahrzeugs nicht garantieren könne und der Wagen nicht über seine Betriebshaftpflichtversicherung versichert sei. Er habe erklärt, dass auf dem Betriebsgelände auch unbefugte Dritte an das Fahrzeug herankämen und er keinerlei Haftung für von Dritten verursachte Schäden an dem Fahrzeug übernehme. Er selbst – so hat der Beklagte geltend gemacht – habe die in Rede stehenden Schäden nicht verursacht.

Der Beklagte hat weiter behauptet, er habe dem Kläger per Post eine Rechnung übersandt und ihm später aus Kulanz angeboten, statt des Rechnungsbetrags nur 300 € zu zahlen. Allerdings – so hat der Beklagte gemeint – werde eine Werklohnforderung auch dann fällig, wenn keine Rechnung erstellt werde. Die Fälligkeit trete mit der Fertigstellung des Werks ein, die hier im Auseinanderbauen des Fahrzeugs und der Fehlersuche bestanden habe. Ein Werkunternehmerpfandrecht zu seinen – des Beklagten – Gunsten sei daher entstanden, sodass ihm im fraglichen Zeitpunkt ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe.

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 1.200 € zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Ersatz der (behaupteten) Schäden, die der Opel Corsa auf dem Betriebsgelände des Beklagten erlitten habe. Insoweit sei eine von dem Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung nicht bewiesen. Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe entgangener Leistungen aus der Garantieversicherung, mithin in Höhe von 1.200 € (§§ 280 I, 241 II, 311 II BGB). Der Beklagte habe den Opel Corsa unberechtigt zurückbehalten; ein Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB) habe ihm nicht zugestanden. Ein Werkunternehmer dürfe sich nur auf sein Pfandrecht berufen, wenn er einen fälligen und durchsetzbaren Vergütungsanspruch habe. Dem Kläger habe indes seinerseits ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, weil er von Beklagten trotz entsprechender Aufforderung keine Rechnung i. S. von § 14 UStG erhalten habe. Dadurch, dass der Beklagte den Opel Corsa unberechtigt zurückbehalten habe, sei dem Kläger ein Schaden in Höhe von 1.200 € entstanden, da er Leistungen aus der Garantieversicherung nicht habe in Anspruch nehmen können.

Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen wollen und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, ein Werkunternehmerpfandrecht entstehe unabhängig von der Ausstellung einer Rechnung. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht Schadensersatz in Höhe von 1.200 € gemäß § 280 I, 241  II, 311 II Nr. 2 BGB wegen der verhinderten Inanspruchnahme der Garantieversicherung nicht zu. Der Beklagte hat die Herausgabe des Fahrzeuges zu Recht verweigert. Ihm stand ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB wegen der nicht erfolgten Bezahlung der Abschleppkosten zu. Der Kläger durfte die Bezahlung dieser Kosten nicht wegen Fehlens einer Rechnung verweigern.

Der Kläger beruft sich darauf, er habe die Garantieversicherung in Höhe von 1.200 € nicht in Anspruch nehmen können, da der Beklagte das Fahrzeug auf seine Aufforderung hin nicht herausgegeben habe. Dieser Vortrag ist bereits nicht nachzuvollziehen. Die Versicherung hatte unstreitig ihren Eintritt erklärt. Die Parteien haben unter Vorlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Garantieversicherung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass solche Ansprüche sechs Monate nach Schadenseintritt verjährten. Das Schadensereignis datiert auf den 13.01.2017, sodass demzufolge die Verjährung am 13.07.2017 eingetreten wäre. Der Kläger hat jedoch nach eigenem Vortrag erst mit Schreiben vom 29.08.2017 vom Beklagten verlangt, das Fahrzeug zu reparieren und herauszugeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung der Ansprüche gegenüber der Garantieversicherung jedoch bereits eingetreten.

Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an. Der Kläger konnte vom Beklagten zwar dem Grunde nach die Herausgabe seines Fahrzeugs gemäß § 985 BGB verlangen, dem Beklagten stand jedoch gemäß § 273 I BGB ein Zurückbehaltungsrecht aus einer offenen Ersatzforderung wegen der unberechtigten Aufforderung des Klägers vom 13.01.2017, das Fahrzeug zur Werkstatt des Beklagten abzuschleppen, zu.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts konnte sich der Beklagte nicht auf ein Werkunternehmerpfandrecht an dem Fahrzeug gemäß § 647 BGB stützen. Voraussetzung eines solchen wäre gewesen, dass die Parteien einen Werkvertrag geschlossen hätten. Hierfür haben sie jedoch nichts vorgetragen. Die Parteien haben am 13.01.2017 und auch nach diesem Datum überhaupt keinen Vertrag geschlossen.

Der Abschluss eines Werkvertrags hätte ein entsprechendes Angebot und dessen Annahme vorausgesetzt. Hier liegt bereits kein Angebot des Klägers auf Abschluss eines Werkvertrags vor. Die Aufforderung des Klägers, den bei O. liegen gebliebenen Wagen zur Werkstatt des Beklagten abzuschleppen, ist gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen. Der Kläger, der davon ausging, dass an seinem Kraftfahrzeug ein Mangel vorliege, den der Beklagte zu beseitigen habe, wollte – einen objektiven Empfängerhorizont zugrunde gelegt – zum Ausdruck bringen, dass der Beklagte eine Nacherfüllung an dem Kaufgegenstand gemäß § 433 I 2 BGB, § 434 I BGB a.F., § 437 Nr. 1, 439 I Fall 1 BGB erbringe.

Macht der Käufer eines Fahrzeugs einen Nacherfüllungsanspruch geltend, ist er gemäß § 439 V BGB gehalten, den Wagen zur Prüfung des Vorliegens eines Mangels und zu dessen Reparatur zum Erfüllungsort der Nacherfüllung, hier der Werkstatt des Beklagten, zu verbringen (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16 Rn. 21 ff.).

Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers muss auch dessen Bereitschaft umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Hierdurch soll es dem Verkäufer ermöglicht werden, die verkaufte Sache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht, ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann. Dementsprechend ist der Verkäufer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16 Rn. 27).

Nach § 439 II BGB hat ein Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Hierbei handelt es sich um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter, welche die von Art. 3 III 1, IV der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie1Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. 199 L 171, 12. erforderliche Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 11). Dies begründet in Fällen, in denen – wie hier – eine Nacherfüllung die Verbringung des Fahrzeugs an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung des Fahrzeugs an diesen Ort anfallen, aber nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer. Der Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots vielmehr grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16 Rn. 29).

Stellt sich heraus, dass tatsächlich ein Mangel vorliegt, hat der Verkäufer dem Käufer gemäß § 439 II BGB die aufgewendeten Transportkosten zu erstatten oder einen Vorschuss abzurechnen. Der Kläger, der von einem Mangel ausging, wollte somit diesen Weg abkürzen und den Beklagten im Vorgriff eines Ersatzanspruchs den Transport unmittelbar auf dessen Kosten vornehmen lassen. Dass der Beklagte dieser Aufforderung nachkam, führte in Ermangelung eines Angebots des Klägers somit nicht zu einem Vertragsschluss.

Bei dem Nacherfüllungsverlangen des Klägers handelte es sich jedoch um ein sogenanntes unberechtigtes Nacherfüllungsverlangen (vgl. M. Thelen, BRJ 2012, 151). Entgegen der zum Ausdruck gebrachten Vorstellung des Klägers war das Fahrzeug, insbesondere sein Motor, nicht mangelhaft. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des angegriffenen Urteils, das wiederum auf den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen beruht. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an; sie geben auch ansonsten keinen Anlass, an dem Vorliegen eines mangelfreien Kaufgegenstands zu zweifeln.

Steht fest, dass der Kaufgegenstand keinen Mangel aufwies, kann der Verkäufer, hier der Beklagte, seine Aufwendungen zur Prüfung des Nacherfüllungsverlangens des Käufers nur unter sehr engen Voraussetzungen, nämlich einer schuldhaft pflichtwidrigen Behauptung eines Mangels durch den Käufer, ersetzt verlangen.

Jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 I BGB stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt. Für den Käufer liegt es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten aufseiten des Verkäufers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen können. Die innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der gegnerischen Vertragspartei erfordert deshalb, dass der Käufer vor Inanspruchnahme des Verkäufers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüft, ob die in Betracht kommenden Ursachen für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seiner eigenen Sphäre liegen. Eine solche Verpflichtung hat nicht zur Folge, dass Käufer ihr Recht, Mangelbeseitigung zu verlangen, so vorsichtig ausüben müssten, dass ihre Mängelrechte dadurch entwertet würden. Der Käufer braucht nicht vorab zu klären und festzustellen, ob die von ihm beanstandete Erscheinung Symptom eines Sachmangels ist. Er muss lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob sie auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht dem Verantwortungsbereich des Verkäufers zuzuordnen ist. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, darf der Käufer Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt. Da es bei der den Käufer treffenden Prüfungspflicht um den Ausschluss von Ursachen in seinem eigenen Einflussbereich geht, kommt es auf besondere, die Kaufsache betreffende Fachkenntnisse nicht an, über die unter Umständen nur der Verkäufer verfügt (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2008 – VIII ZR 246/06 Rn. 12 f.)

Für eine solche schuldhafte Pflichtwidrigkeit des Klägers hat der Beklagte nichts vorgetragen; Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch aus der Akte nicht. Die Aufwendungen, die der Verkäufer zur Prüfung, ob die Kaufsache einen Mangel aufweist, tätigt, bleiben somit beim Verkäufer.

Anders verhält es sich mit den Abschleppkosten. Da der Käufer im Falle eines unberechtigten Nacherfüllungsverlangens die Kosten des Transports der Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung (hier: Abschleppkosten) gemäß § 439 II BGB selbst zu tragen hat, sind dem Verkäufer, hier dem Beklagten, aus dem Verlangen des Klägers Aufwendungen entstanden, die dieser vom Kläger aus § 812 I 1 Fall 1 BGB (ggf. auch aus §§ 675 ff. BGB) ersetzt verlangen kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16 Rn. 29; vgl. auch LG Saarbrücken, Urt. v. 20.09.2013 – 13 S 77/13, juris Rn. 12 ff.). In dem Angebot vom 26.03.2017 und auch in der Rechnung vom 27.02.2020 hat er diese Kosten mit 82,50 € zzgl. 19 % MwSt. beziffert. Wegen dieser Kosten – und auch wegen der allerdings in der Rechnung nicht geltend gemachten Standkosten – stand dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB gegenüber dem Herausgabeverlangen des Klägers zu.

Dem Kläger wiederum stand hinsichtlich dieser Forderung, die in dem Betrag der geforderten 300 € enthalten war, kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB i. V. mit § 14 II UStG zu. Ein solches Zurückbehaltungsrecht setzt voraus, dass der Käufer eine Rechnung nach § 14 UStG überhaupt verlangen kann. Dies ist nicht festzustellen. Gemäß § 14 II 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ist der Unternehmer lediglich gegenüber einem anderen Unternehmer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet; gegenüber einem Verbraucher ist er hierzu lediglich berechtigt. Anderes gilt nur dann, wenn der Unternehmer gemäß § 14 II 1 Nr. 1 UStG eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 IV 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch unzweifelhaft nicht vor. Dass der Kläger Unternehmer ist, hat er in diesem Rechtsstreit nicht vorgetragen.

Unterstellt, der Kläger hätte im Hinblick auf die Abschleppkosten – und die Unterstellkosten – einen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung gemäß § 14 II UStG, würde sich hieraus nichts anderes ergeben. In diesem Fall kann der Leistungsempfänger das von ihm geschuldete Entgelt grundsätzlich nach § 273 I BGB zurückhalten, bis der Leistende ihm die Rechnung stellt (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2014 – VII ZR 247/13 Rn. 13). Eine Rechnung ist gemäß § 14 I 1 UStG jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

Das als Anlage B 5 vorgelegte Dokument ist keine Rechnung, sondern ein Angebot. Die Selbstbezeichnung „Angebot“ hat hier zwar nur Indizwirkung, allerdings kann aus der Gesamterscheinung des Dokuments mit dem Schlusssatz „Wir würden uns sehr über einen Auftrag freuen. An dieses Angebot fühlen wir uns 30 Tage gebunden.“ nicht auf eine Rechnungsstellung geschlossen werden.

Das Zurückbehaltungsrecht des Klägers stünde in diesem Fall dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten wegen seiner Forderung auf Begleichung der Abschleppkosten gegenüber. Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts beseitigt die Fälligkeit der Gegenforderung nicht (MünchKomm-BGB/​Krüger, 6. Aufl., § 273 Rn. 912Ebenso an gleicher Stelle in der aktuellen 9. Auflage des Kommentars.). Damit sich die beiden Zurückbehaltungsrechte nicht gegenseitig blockieren, führt die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts, einer vom Schuldner zu erhebenden Einrede, zur Erfüllung Zug um Zug (§ 274 I BGB; vgl. BGH, Urt. v. 26.09.2013 – VII ZR 2/13 Rn. 33; MünchKomm-BGB/​Krüger, a. a. O., § 273 Rn. 13Ebenso an gleicher Stelle in der aktuellen 9. Auflage des Kommentars.).

Der Kläger hätte – hierauf sei abschließend hingewiesen – jederzeit gemäß § 273 III BGB die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Zahlung unter Vorbehalt abwenden können. Seine Rechtsansicht, dass dem Beklagten Zahlungsansprüche nicht oder nur gegen Rechnung zustehen, hätte er sodann gerichtlich entscheiden lassen können.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I ZPO. …

PDF erstellen