Be­ruft sich der Er­wer­ber ei­nes ge­brauch­ten Fahr­zeugs auf den gut­gläu­bi­gen Er­werb, trägt der­je­ni­ge, der den gu­ten Glau­ben in Ab­re­de stellt, die Be­weis­last da­für, dass der Er­wer­ber sich die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II zur Prü­fung der Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers nicht hat vor­le­gen las­sen. Den Er­wer­ber trifft al­ler­dings re­gel­mä­ßig ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich der Vor­la­ge und Prü­fung der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II.

BGH, Ur­teil vom 23.09.2022 – V ZR 148/21
(vor­an­ge­hend: OLG Stutt­gart, Ur­teil vom 21.07.2021 – 9 U 90/21)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin, ei­ne Ge­sell­schaft ita­lie­ni­schen Rechts, die Fahr­zeu­ge in Ita­li­en ver­treibt, kauf­te im März 2019 un­ter Ein­schal­tung ei­nes Ver­mitt­lers ein Fahr­zeug von ei­nem Au­to­haus, bei dem das Fahr­zeug stand. In dem Kauf­ver­trag heißt es, dass die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nach Er­halt der Ge­lan­gens­be­stä­ti­gung an die Klä­ge­rin über­sandt wer­de. Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs war die Be­klag­te, die es an das Au­to­haus ver­least hat­te und die auch im Be­sitz der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II ist. Nach Zah­lung des Kauf­prei­ses von 30.800 € hol­te der Ver­mitt­ler das Au­to An­fang April 2019 bei dem Au­to­haus ab und ver­brach­te es zu der Klä­ge­rin nach Ita­li­en. Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob dem Ver­mitt­ler ei­ne hoch­wer­ti­ge Fäl­schung der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II vor­ge­legt wur­de, in der das Au­to­haus als Hal­ter ein­ge­tra­gen war. Als die Klä­ge­rin ein wei­te­res Fahr­zeug von dem Au­to­haus kau­fen woll­te, war es ge­schlos­sen. Ge­gen den Ge­schäfts­füh­rer wur­de ein straf­recht­li­ches Er­mitt­lungs­ver­fah­ren we­gen Be­trugs­ver­dachts in über hun­dett Fäl­len ein­ge­lei­tet.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge, mit der die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten die Her­aus­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II er­streb­te, ab­ge­wie­sen. Auf die Wi­der­kla­ge der Be­klag­ten hat es die Klä­ge­rin zur Her­aus­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs an die Be­klag­te ver­ur­teilt. Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­lan­des­ge­richt die Be­klag­te zur be­gehr­ten Her­aus­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II ver­ur­teilt und die Wi­der­kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on, de­ren Zu­rück­wei­sung die Klä­ge­rin be­an­trag­te, woll­te die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung der land­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung er­rei­chen. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [3]    A. Das Be­ru­fungs­ge­richt, des­sen Ent­schei­dung in MDR 2021, 1263 ver­öf­fent­licht ist, meint, die Klä­ge­rin kön­ne von der Be­klag­ten ge­mäß § 985 BGB die Her­aus­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II ver­lan­gen, weil sie Ei­gen­tü­me-rin des Fahr­zeugs ge­wor­den sei und das Ei­gen­tum an den Fahr­zeug­pa­pie­ren dem Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug fol­ge (§ 952 BGB ent­spre­chend). Die Klä­ge­rin, zu de­ren Guns­ten be­reits die Ver­mu­tung des § 1006 I BGB strei­te, ha­be das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug ge­mäß § 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB, § 366 HGB gut­gläu­big er­wor­ben. Sie wä­re al­ler­dings dann nicht in gu­tem Glau­ben ge­we­sen, wenn dem Ver­mitt­ler bei Über­ga­be des Fahr­zeugs die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nicht vor­ge­legt wor­den wä­re. Die Be­weis­last da­für lie­ge je­doch bei der Be­klag­ten, und die­se ha­be kei­nen Be­weis an­ge­bo­ten. Die Klä­ge­rin tref­fe nur ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last. Die­ser ha­be sie ge­nügt, in­dem sie dar­ge­legt ha­be, dass dem Ver­mitt­ler ei­ne hoch­wer­ti­ge Fäl­schung der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II vor­ge­legt und von die­sem ge­prüft wor­den sei. Aus dem von der Klä­ge­rin ge­schil­der­ten Sach­ver­halt er­gä­ben sich auch in der Ge­samt­schau kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de, die den Ver­dacht hät­ten er­re­gen müs­sen, das Au­to­haus sei Nicht­be­rech­tig­te. An dem gu­ten Glau­ben der Klä­ge­rin feh­le es ins­be­son­de­re nicht des­halb, weil die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II dem Ver­mitt­ler nicht aus­ge­hän­digt wor­den sei. Im in­ter­na­tio­na­len Kfz-Han­del sei es üb­lich, die Pa­pie­re bis zum Er­halt der Ge­lan­gens­be­stä­ti­gung (§ 17a USt­DV) zu­rück­zu­be­hal­ten. So se­he es auch der Kauf­ver­trag aus­drück­lich vor. Der An­nah­me ei­nes sol­chen Brauchs sei die Be­klag­te nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten.

[4]    Die auf Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs ge­rich­te­te Wi­der­kla­ge sei nicht be­grün­det. Ein An­spruch der Be­klag­ten aus § 985 BGB be­ste­he nicht, weil sie nicht Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs sei.

[5]    B. Das hält recht­li­cher Nach­prü­fung stand.

[6]    I. Die auch im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Amts we­gen zu prü­fen­de (vgl. Se­nat, Urt. v. 18.07.2008 – V ZR 11/08, NJW 2008, 3502 Rn. 6 m. w. Nachw.) in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit der deut­schen Ge­rich­te ist ge­ge­ben. Für die Kla­ge sind die deut­schen Ge­rich­te nach Art. 4 I, 63 I lit. a der Ver­ord­nung (EU) Nr. 1215/2012 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 12.12.2012 über die ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit und die An­er­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen (nach­fol­gend: Eu­GV­VO) zu­stän­dig, weil sich der sat­zungs­mä­ßi­ge Sitz der Be­klag­ten in Deutsch­land be­fin­det. Für die Wi­der­kla­ge er­gibt sich die Zu­stän­dig­keit aus Art. 8 Nr. 3 Eu­GV­VO.

[7]    II. Kla­ge

[8]    Das Be­ru­fungs­ge­richt hat der Kla­ge zu Recht statt­ge­ge­ben.

[9]    1. Zu­tref­fend und von der Re­vi­si­on nicht be­an­stan­det be­ur­teilt das Be­ru­fungs­ge­richt die Fra­ge, ob die Klä­ge­rin das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug er­wor­ben hat, ge­mäß Art. 43 I EGBGB nach deut­schem Recht als der maß­geb­li­chen lex rei si­tae (§ 929 Satz 1, § 932 I und II BGB). In dem für die Voll­endung des Ei­gen­tums­er­werbs der Klä­ge­rin durch Ei­ni­gung und Über­ga­be maß­geb­li­chen Zeit­punkt be­fand sich das Fahr­zeug in Deutsch­land (vgl. Se­nat, Urt. v. 20.07.2012 – V ZR 135/11, WM 2013, 858 Rn. 14 m. w. Nachw.).

[10]   2. Die Klä­ge­rin kann von der Be­klag­ten ge­mäß § 985 BGB die Her­aus­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II ver­lan­gen, weil sie ge­mäß § 929 Satz 1, § 932 BGB Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs ge­wor­den ist. In (ent­spre­chen­der) An­wen­dung des § 952 BGB folgt das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug­pa­pier dem Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug (vgl. Se­nat, Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 32 m. w. Nachw.).

[11]   a) Ur­sprüng­li­che Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs war zwar die Be­klag­te. Zwi­schen der Klä­ge­rin und dem Au­to­haus hat aber ei­ne Ei­ni­gung und Über­ga­be i. S. von § 929 Satz 1 BGB statt­ge­fun­den. Weil das Fahr­zeug dem Au­to­haus als Ver­äu­ße­rer nicht ge­hör­te, konn­te die Klä­ge­rin das Ei­gen­tum durch die­sen Vor­gang al­ler­dings nur gut­gläu­big er­wer­ben; da­für kommt es auf den gu­ten Glau­ben an das Ei­gen­tum des Au­to­hau­ses an, das nach der Dar­stel­lung der Klä­ge­rin als Ei­gen­tü­me­rin auf­ge­tre­ten ist (§ 932  I BGB). § 366 I HGB ist nicht ein­schlä­gig (vgl. BGH, Urt. v. 23.05.1966 – VI­II ZR 60/64, BeckRS 1966, 31180082). Auch hat die von dem Be­ru­fungs­ge­richt her­an­ge­zo­ge­ne Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1006 BGB kei­ne recht­li­che Be­deu­tung, wenn – wie hier – al­lein zu klä­ren ist, ob die Vor­aus­set­zun­gen des § 932 BGB be­zo­gen auf ei­nen kon­kre­ten Er­werbs­vor­gang vor­lie­gen. Die Ver­tei­lung der Dar­le­gungs- und Be­weis­last rich­tet sich nach der maß­geb­li­chen Re­ge­lung in § 932 I 1 BGB.

[12]   b) Rechts­feh­ler­frei nimmt das Be­ru­fungs­ge­richt an, dass die Be­weis­last für den feh­len­den gu­ten Glau­ben der Klä­ge­rin bei der Be­klag­ten liegt.

[13]   aa) Nach § 932 I 1 BGB wird der Er­wer­ber durch ei­ne nach § 929 BGB er­folg­te Ver­äu­ße­rung auch dann Ei­gen­tü­mer, wenn die Sa­che nicht dem Ver­äu­ße­rer ge­hört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach die­sen Vor­schrif­ten das Ei­gen­tum er­wer­ben wür­de, nicht in gu­tem Glau­ben ist. Wird der Er­wer­ber – wie hier – bei der Ei­ni­gung über den Ei­gen­tums­über­gang ver­tre­ten, scha­det die Bös­gläu­big­keit des Ver­tre­ters (§ 166 I BGB; vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 12 m. w. Nachw.; Beschl. v. 16.09.2015 – V ZR 8/15, MDR 2016, 414 Rn. 20 f.).

[14]   bb) An­ge­sichts der For­mu­lie­rung „es sei denn“ in § 932 I 1 BGB trägt nach all­ge­mei­nen Re­geln der­je­ni­ge die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für den feh­len­den gu­ten Glau­ben des Er­wer­bers, der den Ei­gen­tums­er­werb be­strei­tet (vgl. BGH, Urt. v. 23.04.1951 – IV ZR 158/50, BGHZ 2, 37, 53 [zu § 366 HGB]; Urt. v. 05.10.1981 – VI­II ZR 235/80, NJW 1982, 38 [zu § 1207 BGB]; vgl. auch Se­nat, Urt. v. 19.07.2019 – V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 Rn. 39 [zu § 937 BGB]; Schusch­ke, in: Baum­gär­tel/​Lau­men/​Prüt­ting, Hand­buch der Be­weis­last, 4. Aufl., § 932 Rn. 2; Grü­ne­berg/​Herr­ler, BGB, 81. Aufl., § 932 Rn. 15; ju­risPK-BGB/​Beck­mann, 9. Aufl., § 932 Rn. 55; Stau­din­ger/​C. Hein­ze, BGB, Neu­be­arb. 2020, § 932 Rn. 104). Der Ge­setz­ge­ber hat die feh­len­de Gut­gläu­big­keit im Ver­kehrs­in­ter­es­se be­wusst als Aus­schlie­ßungs­grund aus­ge­stal­tet (vgl. Pro­to­kol­le der Kom­mis­si­on für die zwei­te Le­sung des Ent­wurfs des Bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs, Bd. III, 1899, S. 207 f.; Stau­din­ger/​C. Hein­ze, a. a. O., § 932 Rn. 101). Der­je­ni­ge, der sich auf den gut­gläu­bi­gen Er­werb be­ruft, muss die Er­werbs­vor­aus­set­zun­gen des § 929 BGB be­wei­sen, nicht aber sei­ne Gut­gläu­big­keit.

[15]   cc) Die­se Be­weis­last­ver­tei­lung gilt auch dann, wenn die Bös­gläu­big­keit des Er­wer­bers dar­auf ge­stützt wird, bei dem Er­werb des Fahr­zeugs ha­be die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nicht vor­ge­le­gen.

[16]   (1) Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH be­grün­det der Be­sitz des Fahr­zeugs al­lein nicht den für den Gut­glau­bens­er­werb nach § 932 BGB er­for­der­li­chen Rechts­schein. Viel­mehr ge­hört es re­gel­mä­ßig zu den Min­des­ter­for­der­nis­sen für ei­nen gut­gläu­bi­gen Er­werb ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs, dass sich der Er­wer­ber die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (§ 12 VI FZV; frü­her: Kraft­fahr­zeug­brief, § 25 IV 2 StV­ZO a.F.) vor­le­gen lässt, um die Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers zu prü­fen (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 13 m. w. Nachw.; Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 29). Kommt der Er­wer­ber die­ser Ob­lie­gen­heit nach und wird ihm ei­ne ge­fälsch­te Be­schei­ni­gung vor­ge­legt, tref­fen ihn, so­fern er die Fäl­schung nicht er­ken­nen muss­te und für ihn auch kei­ne an­de­ren Ver­dachts­mo­men­te vor­la­gen, kei­ne wei­te­ren Nach­for­schungs­pflich­ten (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 14). Die­se Grund­sät­ze gel­ten auch für den Er­werb un­ter Kraft­fahr­zeug­händ­lern (vgl. BGH, Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95, NJW 1996, 2226, 2227 m. w. Nachw.; Urt. v. 09.02.2005 – VI­II ZR 82/03, NJW 2005, 1365, 1366).

[17]   (2) Die­se Recht­spre­chung ist ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on nicht so zu ver­ste­hen, dass die Vor­la­ge der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II von dem­je­ni­gen zu be­wei­sen wä­re, der sich auf den gut­gläu­bi­gen Er­werb be­ruft.

[18]   (a) Al­ler­dings wird ver­ein­zelt an­ge­nom­men, die Be­weis­last da­für, dass die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II dem Er­wer­ber vor­ge­legt wur­de, tra­ge der Er­wer­ber. Die­sem sei die Be­weis­füh­rung leicht mög­lich, wäh­rend der den Ei­gen­tums­er­werb be­strei­ten­de ur­sprüng­li­che Ei­gen­tü­mer an dem Er­werbs­vor­gang nicht be­tei­ligt ge­we­sen sei und kei­ne Kennt­nis von dem Ge­sche­hens­ab­lauf ha­be (vgl. MünchKomm-BGB/​Oechs­ler, 8. Aufl., § 932 Rn. 55; KG, Beschl. v. 22.05.2014 – 8 U 114/13, BeckRS 2014, 22393 Rn. 14 oh­ne nä­he­re Be­grün­dung).

[19]   (b) Die­ser An­sicht ist das Be­ru­fungs­ge­richt zu Recht nicht ge­folgt. Be­ruft sich der Er­wer­ber ei­nes ge­brauch­ten Fahr­zeugs auf den gut­gläu­bi­gen Er­werb, trägt der­je­ni­ge, der den gu­ten Glau­ben in Ab­re­de stellt, die Be­weis­last da­für, dass der Er­wer­ber sich die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (frü­her: Fahr­zeug­brief) zur Prü­fung der Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers nicht hat vor­le­gen las­sen (vgl. Eg­gert, in: Rein­king/​Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl., Rn. 4765a; OLG Braun­schweig, Beschl. v. 02.01.2019 – 9 U 32/18, ju­ris Rn. 42 oh­ne nä­he­re Be­grün­dung).

[20]   (aa) Für den Er­werb vom Ei­gen­tü­mer durch Ei­ni­gung und Über­ga­be ge­mäß § 929 Satz 1 BGB kommt es auf die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nicht an. Die Be­schei­ni­gung ver­brieft nicht das Ei­gen­tum (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 14). Sie ist auch kein Tra­di­ti­ons­pa­pier; die Über­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II er­setzt al­so nicht die Über­ga­be des Kraft­fahr­zeugs (zum Fahr­zeug­brief vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1978 – VI­II ZR 46/77, NJW 1978, 1854; Urt. v. 13.09.2006 – VI­II ZR 184/05, NJW 2006, 3488 Rn. 13).

[21]   (bb) Aus dem Um­stand, dass die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II für den Tat­be­stand des § 929 Satz 1 BGB kei­ne Be­deu­tung hat, folgt für den Er­werb vom Nicht­be­rech­tig­ten ge­mäß § 932 I 1 BGB, dass sich die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nur auf den gu­ten Glau­ben des Er­wer­bers aus­wir­ken kann. An­hand der Ein­tra­gun­gen ist die Mög­lich­keit ge­ge­ben, die Über­eig­nungs­be­fug­nis des Fahr­zeug­be­sit­zers nach­zu­prü­fen (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1975 – VI­II ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736). Die­se Prü­fung hat der Er­wer­ber vor­zu­neh­men, um sich nicht dem Vor­wurf gro­ber Fahr­läs­sig­keit aus­zu­set­zen (vgl. oben Rn. 16). Aus dem Feh­len der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II, das heißt aus de­ren Nicht­vor­la­ge be­zie­hungs­wei­se Nicht­prü­fung, er­ge­ben sich so­mit Ver­dachts­mo­men­te, die den gu­ten Glau­ben des Er­wer­bers aus­schlie­ßen (vgl. Eg­gert, in: Rein­king/​Eg­gert, a. a. O., Rn. 4675).

[22]   (cc) Die Be­weis­last für den feh­len­den gu­ten Glau­ben trägt – wie aus­ge­führt (vgl. oben Rn. 14) – nach all­ge­mei­nen Re­geln der­je­ni­ge, der den Ei­gen­tums­er­werb be­strei­tet.

[23]   c) Al­ler­dings trifft den Er­wer­ber, der sich auf den gut­gläu­bi­gen Er­werb be­ruft, re­gel­mä­ßig – und auch hier – ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich der Vor­la­ge und Prü­fung der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (vgl. Be­ckOK-BGB/​Kindl, Stand: 01.08.2022, § 932 Rn. 20; Eg­gert, in: Rein­king/​Eg­gert, a. a. O., Rn. 4765a; Ger­de­mann/​Hel­mes, JA 2019, 856, 858).

[24]   aa) Den Pro­zess­geg­ner trifft in der Re­gel ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last, wenn die pri­mär dar­le­gungs­be­las­te­te Par­tei kei­ne nä­he­re Kennt­nis der maß­geb­li­chen Um­stän­de und auch kei­ne Mög­lich­keit zur wei­te­ren Sach­ver­halts­auf­klä­rung hat, wäh­rend dem Pro­zess­geg­ner nä­he­re An­ga­ben da­zu oh­ne Wei­te­res mög­lich und zu­mut­bar sind (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.07.2019 – V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 Rn. 49; BGH, Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 17 m. w. Nachw.; für ne­ga­ti­ve Tat­sa­chen: Se­nat, Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09, BGHZ 188, 43 Rn. 12; Urt. v. 06.03.2020 – V ZR 2/19, WM 2021, 1760 Rn. 10).

[25]   bb) Die­se Vor­aus­set­zung ist im Ver­hält­nis zwi­schen dem pri­mär Dar­le­gungs­be­las­te­ten, der den gu­ten Glau­ben des Er­wer­bers be­strei­tet, und dem­je­ni­gen, der sich auf den gut­gläu­bi­gen Er­werb von ei­nem Nicht­be­rech­tig­ten be­ruft, re­gel­mä­ßig er­füllt. Bei der be­haup­te­ten un­ter­blie­be­nen Vor­la­ge der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II han­delt es sich um ei­ne ne­ga­ti­ve Tat­sa­che. Der den Ei­gen­tums­er­werb Be­strei­ten­de hat re­gel­mä­ßig kei­ne Kennt­nis­se von dem Ge­sche­hens­ab­lauf, weil er an dem Er­werbs­vor­gang zwi­schen dem Er­wer­ber und dem Nicht­be­rech­tig­ten nicht be­tei­ligt ge­we­sen ist, wäh­rend dem Er­wer­ber nä­he­re An­ga­ben da­zu oh­ne Wei­te­res mög­lich und zu­mut­bar sind. Die­ser muss in zeit­li­cher, räum­li­cher und in­halt­li­cher Wei­se (vgl. Se­nat, Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09, BGHZ 188, 43 Rn. 12) sub­stan­zi­iert zu der Vor­la­ge der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II vor­tra­gen.

[26]   d) Hier­nach ist es Sa­che der Be­klag­ten zu be­wei­sen, dass dem Ver­mitt­ler die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nicht vor­ge­legt wor­den ist. Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, die Klä­ge­rin ha­be die sie tref­fen­de se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich der Vor­la­ge der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II er­füllt und die Be­klag­te ha­be den Be­weis für den bö­sen Glau­ben der Klä­ge­rin nicht ge­führt, ist nicht zu be­an­stan­den.

[28]   aa) Nach der Dar­stel­lung der Klä­ge­rin war das Au­to­haus in Be­sitz ei­ner hoch­wer­ti­gen Fäl­schung der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II, die der Ver­mitt­ler ein­ge­se­hen und an­hand de­rer er die Be­rech­ti­gung des Au­to­hau­ses ge­prüft hat. Da­mit hat die Klä­ge­rin ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last ge­nügt.

[28]   bb) Den ihr ob­lie­gen­den Ge­gen­be­weis hat die Be­klag­te nicht ge­führt. Ei­nen Be­weis für die Nicht­vor­la­ge der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II hat sie nicht an­ge­bo­ten. Sie hat im Ge­gen­teil in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt aus­drück­lich er­klärt, den Ver­mitt­ler nicht als Zeu­gen zu be­nen­nen.

[29]   cc) Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on hat das Be­ru­fungs­ge­richt nicht da­durch ge­gen § 286 ZPO und § 529 I Nr. 1 ZPO ver­sto­ßen, dass es die Be­klag­te als be­weis­fäl­lig an­ge­se­hen hat, oh­ne die Zeu­gen­aus­sa­ge des Ver­mitt­lers zu ver­wer­ten, die die­ser bei sei­ner po­li­zei­li­chen Ver­neh­mung in dem Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen das Au­to­haus ge­tä­tigt hat. Die Ver­wer­tung der Nie­der­schrift ei­ner Zeu­gen­aus­sa­ge aus ei­nem an­de­ren Ver­fah­ren im We­ge des Ur­kun­den­be­wei­ses ist zwar zu­läs­sig (vgl. Se­nat, Beschl. v. 17.11.2005 – V ZR 68/05, ju­ris Rn. 9 m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 17.11.2020 – X ZR 132/18, MDR 2021, 374 Rn. 64 – Kran­arm). Das Ver­neh­mungs­pro­to­koll war für die Be­weis­füh­rung durch die Be­kla­ge aber nicht aus­rei­chend. Das Land­ge­richt hat den Ver­mitt­ler als Zeu­gen ver­nom­men und des­sen Aus­sa­ge, die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II sei ihm vor­ge­legt wor­den, als nach­voll­zieh­bar und glaub­haft an­ge­se­hen. Es sah sich we­gen der wi­der­sprüch­li­chen An­ga­ben des Zeu­gen im Rah­men sei­ner po­li­zei­li­chen Ver­neh­mung je­doch letzt­lich an ei­ner da­hin ge­hen­den Über­zeu­gungs­bil­dung ge­hin­dert und hat – rechts­feh­ler­haft – ei­ne Be­weis­las­tent­schei­dung zum Nach­teil der Klä­ge­rin ge­trof­fen. In die­ser Si­tua­ti­on kann die Be­klag­te den Ge­gen­be­weis, die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II sei nicht vor­ge­legt wor­den, nicht al­lein durch das Pro­to­koll der po­li­zei­li­chen Ver­neh­mung des Ver­mitt­lers füh­ren.

[30]   e) Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, der gu­te Glau­be der Klä­ge­rin sei ins­be­son­de­re nicht des­halb aus­ge­schlos­sen, weil das Au­to­haus dem Ver­mitt­ler die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nicht aus­ge­hän­digt ha­be, ist rechts­feh­ler­frei.

[31]   aa) Nach § 932 II BGB ist der Er­wer­ber nicht in gu­tem Glau­ben, wenn ihm be­kannt oder in­fol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit un­be­kannt ist, dass die Sa­che nicht dem Ver­äu­ße­rer ge­hört. Un­ter der hier in Be­tracht kom­men­den Al­ter­na­ti­ve der gro­ben Fahr­läs­sig­keit wird im All­ge­mei­nen ein Han­deln ver­stan­den, bei dem die er­for­der­li­che Sorg­falt den ge­sam­ten Um­stän­den nach in un­ge­wöhn­lich gro­ßem Ma­ße ver­letzt wor­den ist und bei dem das­je­ni­ge un­be­ach­tet ge­blie­ben ist, was im ge­ge­be­nen Fall je­dem hät­te ein­leuch­ten müs­sen (Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 11 m. w. Nachw.).

[32]   bb) Ist der Ver­äu­ße­rer im Be­sitz des Fahr­zeugs und der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II, kann der Er­wer­ber zwar bös­gläu­big sein, wenn be­son­de­re Um­stän­de sei­nen Ver­dacht er­re­gen muss­ten und er die­se un­be­ach­tet lässt (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 13 m. w. Nachw.; Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 29). Es ist aber nicht per se un­ge­wöhn­lich, dass dem Er­wer­ber die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nicht so­fort aus­ge­hän­digt wird (für die Zu­sa­ge der Zu­sen­dung des Fahr­zeug­briefs nach Kauf­preis­zah­lung vgl. LG Darm­stadt, Urt. v. 30.08.2001 – 8 O 490/00, NJW-RR 2002, 417; Eg­gert, in: Rein­king/​Eg­gert, a. a. O., Rn. 4685). Der Ein­be­halt der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II durch den Ver­äu­ße­rer kann die Gut­gläu­big­keit des Er­wer­bers al­ler­dings dann aus­schlie­ßen, wenn es da­für an ei­nem plau­si­blen Grund fehlt.

[33]   cc) Das Be­ru­fungs­ge­richt hält es für plau­si­bel, dass – wie in dem Kauf­ver­trag ver­ein­bart – das Au­to­haus die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II ein­be­hal­ten hat, um si­cher­zu­stel­len, dass die Klä­ge­rin die Ge­lan­gens­be­stä­ti­gung (§ 17a II Nr. 2 USt­DV) über­sen­det, mit der bei in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­run­gen die Um­satz­steu­er­frei­heit nach­ge­wie­sen wer­den kann (vgl. § 4 Nr. 1 lit. b, § 6a I UStG; vgl. BFHE 219, 410, 414 f.). Die­se tatrich­ter­li­che Wür­di­gung kann durch das Re­vi­si­ons­ge­richt nur dar­auf über­prüft wer­den, ob der maß­geb­li­che Rechts­be­griff der gro­ben Fahr­läs­sig­keit ver­kannt wor­den ist oder ob Ver­stö­ße ge­gen § 286 ZPO, ge­gen Denk­ge­set­ze oder Er­fah­rungs­sät­ze vor­lie­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 15 m. w. Nachw.). Ei­nen sol­chen Rechts­feh­ler ver­mag die Re­vi­si­on nicht auf­zu­zei­gen. So­weit sie gel­tend macht, üb­lich sei die Zah­lung ei­ner Kau­ti­on in Hö­he der Um­satz­steu­er durch den Er­wer­ber, die nach Er­halt der Ge­lan­gens­be­stä­ti­gung zu­rück­ge­währt wer­de, er­gibt sich dar­aus nicht, dass der hier ver­ein­bar­te Ein­be­halt der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II bis zur Über­sen­dung der Be­stä­ti­gung un­ge­wöhn­lich und des­halb ver­däch­tig ge­we­sen wä­re. Ob es im in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Kraft­fahr­zeug­han­del, wie das Be­ru­fungs­ge­richt an­nimmt, so­gar ei­nen auf die zu­letzt ge­nann­te Vor­ge­hens­wei­se be­zo­ge­nen Han­dels­brauch (§ 346 HGB) gibt, ist un­er­heb­lich.

[34]   III. Wi­der­kla­ge

[35]   Rechts­feh­ler­frei hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Wi­der­kla­ge ab­ge­wie­sen. Weil die Klä­ge­rin Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs ge­wor­den ist, steht der Be­klag­ten kein An­spruch auf Her­aus­ga­be ge­mäß § 985 BGB zu.

[36]   C. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 I ZPO.

PDF er­stel­len