Auch unter Kfz-Händlern, die mit gebrauchten, aus beendeten Leasingverträgen stammenden Kraftfahrzeugen handeln, gilt der Grundsatz, dass der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum bzw. die Verfügungsbefugnis des Veräußerers nur geschützt ist, wenn er sich zumindest den Kfz-Brief vorlegen lässt. Verzichtet der Erwerber hierauf in der Annahme, der Brief befinde sich noch bei der Leasingsgesellschaft, trägt das Risiko, dass der Veräußerer nicht einmal verfügungsbefugt ist.

BGH, Urteil vom 13.05.1996 – II ZR 222/95

Sachverhalt: Die klagende Sparkasse hatte der – inzwischen insolventen – Autohaus S-GmbH Kredite gewährt. Zu deren Sicherung wurden zuletzt unter dem 05.02.1993 zwei Raumsicherungsverträge geschlossen, nach denen sämtliche auf dem Betriebsgelände der S-GmbH vorhandenen oder dorthin verbrachten Gebrauchtfahrzeuge an die Klägerin zur Sicherheit übereignet wurden. In Nr. 4.2 dieser Verträge heißt es unter anderem:

„Der Sicherungsgeber händigt der Sparkasse die Kfz-Briefe der als Sicherheit dienenden Fahrzeuge aus. Die Übergabe der als Sicherheit dienenden Fahrzeuge an die Sparkasse wird durch folgende Vereinbarungen ersetzt: Die Sparkasse belässt dem Sicherungsgeber, damit er seinen Betrieb im bisherigen Rahmen ordnungsgemäß weiterführen kann, den unmittelbaren Besitz der als Sicherheit dienenden Fahrzeuge und gestattet ihm, die in ihrem Eigentum stehenden Fahrzeuge im eigenen Namen, jedoch im Interesse der Sparkasse zu verkaufen … Die Sparkasse kann das Besitzrecht widerrufen, wenn sie dies für erforderlich halten darf.“

Die beklagte GmbH handelt mit Gebrauchtwagen und stand seit vielen Jahren mit der S-GmbH in Geschäftsbeziehungen und hat dabei vielfach von ihr gleichzeitig mehrere Gebrauchtwagen erworben. So kaufte die Beklagte auch am 17.03.1993 insgesamt neun gebrauchte Kraftfahrzeuge zum Gesamtpreis von 152.000 DM, der auf ein bei der Klägerin geführtes Geschäftskonto der S-GmbH, nicht jedoch auf ein eigens eingerichtetes „Gebrauchtwagenkonto“ überwiesen wurde. Die Beklagte nahm die Fahrzeuge mit, erhielt aber nur für fünf von ihnen gleichzeitig die Kfz-Briefe.

Zwei dieser Pkw, für die die S-GmbH Kraftfahrzeugbriefe nicht vorlegen konnte, hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit zunächst von der Beklagten mit der Begründung herausverlangt, sie sei Eigentümerin der Fahrzeuge, zu deren Veräußerung die S-GmbH jedenfalls Mitte März 1993 nicht mehr berechtigt gewesen sei. Nachdem die Pkw während des Rechtsstreits einverständlich veräußert wurden, streiten die Parteien mit Klage und Widerklage darum, wem der Verkaufserlös zusteht.

Das Landgericht hat dem Begehren der Klägerin entsprochen; das Oberlandesgericht hat umgekehrt entschieden. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Aus den Gründen: 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Klägerin aufgrund der beiden Raumsicherungsverträge vom 05.02.1993 Eigentümerin der beiden Kraftwagen geworden war. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird in der Revisionsinstanz auch von der Beklagten nicht mehr infrage gestellt. Ob die S-GmbH – wofür jedenfalls der Wortlaut der Raumsicherungsverträge spricht – ermächtigt war, die an die Klägerin sicherungsübereigneten Fahrzeuge im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr weiterzuveräußern, hat es nicht geprüft, sondern zugunsten der Klägerin unterstellt, dass diese Ermächtigung jedenfalls im Zeitpunkt der Veräußerung der Pkw an die Beklagte nicht mehr bestanden, die S-GmbH also als Nichtberechtigte gehandelt hat. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat die Klägerin mit ihrem Begehren aber deswegen keinen Erfolg, weil die Beklagte das Eigentum an.den beiden Pkw gutgläubig erworben hat: Diese habe ohne grobe Fahrlässigkeit auf die Verfügungsbefugnis der S-GmbH vertrauen können; da sie jahrelang ähnliche Geschäfte mit der S-GmbH abgewickelt und deswegen gewusst habe, dass die Kfz-Briefe der von ihr übernommenen Automobile teilweise noch bei den Leasinggesellschaften lagen und erst dort abgefordert werden mussten, habe sie keinen Verdacht schöpfen müssen, dass für die beiden Personenwagen, um deren Verkaufserlös die Parteien streiten, von der S-GmbH die Kfz-Briefe nicht vorgelegt werden konnten.

2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Dabei braucht der Senat zu der Verfahrensrüge nicht Stellung zu nehmen, dass das Berufungsgericht dem Vortrag der Klägerin zur Kenntnis der Beklagten von der desolaten finanziellen Situation der S-GmbH und ihrer gemeinschaftlich betriebe­nen Scheckreiterei nicht nachgegangen sei. Denn das Beru­fungsurteil begegnet schon im Ausgangspunkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die der VIII. Zivilsenat (vgl. z. B. Urt. v. 02.12.1958 – VIII ZR 212/57, WM 1959, 138, 139; Urt. v. 09.10.1963 – VIII ZR 210/62, WM 1963, 1186; Urt. v. 27.01.1965 – VIII ZR 62/63, NJW 1965, 687 f.; Urt. v. 23.05.1966 – VIII ZR 60/64, WM 1966, 678; Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736) mit Zustimmung anderer Senate des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1967 – VI ZR 140/65, WM 1967, 562, 563; Urt. v. 20.02.1967 – III ZR 134/65, NJW 1967,.1022, 1024) und des Schrifttums (vgl. z. B. Staudinger/Wiegand, BGB, 13. Aufl. [1995], § 932 Rn. 90, 140 ff.; Soergel/Mühl, BGB, 12. Aufl., § 932 Rn. 18; MünchKomm-BGB/Quack, 2. Aufl., § 932 Rn. 37, 48, 83 ff.; Erman/Michalski, BGB, 9. Aufl., § 932 Rn. 11; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl., § 25 StVZO Rn. 4; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl., Rn. 1483, 1489–1498 m. w. Nachw.) in einer Reihe von Entscheidungen entwickelt hat, die auch von dem jetzt für Eigentumsansprüche zuständigen erkennenden Senat (Senat, Urt. v. 11.03.1991 – II ZR 88/90, LM § 936 Nr. 1; Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, LM § 932 Nr. 43) übernommen worden ist, begründet beim Kauf gebrauchter Kraftfahrzeuge der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB bzw. § 366 HGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen (BGH, Urt. v. 09.10.1963 – VIII ZR 210/62, WM 1963, 1186; Urt. v. 23.05.1966 – VIII ZR 60/64, WM 1966, 678; Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736; Staudinger/Wiegand, a. a. O., § 932 Rn. 158) gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeugs, dass sich der Käufer den Kfz-Brief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers prüfen zu können (Senat, Urt. v. 11.03.1991 – II ZR 88/90, LM § 936 Nr. 1 m. w. Nachw.). Diese gefestigte Rechtsprechung wird von der Erwägung getragen, dass bei gebrauchten Kraftfahrzeugen jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr, auch wenn er keine genaue Kenntnis von den rechtlichen Voraussetzungen und Folgen einer Sicherungsübereignung hat, wissen muss, dass Kraftfahrzeuge oftmals als Sicherheit für einen bei ihrer Anschaffung gewährten Kredit dienen (Senat, Urt. v. 11.03.1991 – II ZR 88/90, LM § 936 Nr. 1 m. w. Nachw.), und dass deswegen der Umstand, dass der Veräußerer den Kfz-Brief nicht vorlegen kann, Argwohn erwecken und zu weiteren Nachforschungen Anlass geben muss (Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, LM § 932 Nr. 43), jedenfalls aber nicht das schützenswerte Vertrauen rechtfertigt, der Besitzer des Gebrauchtwagen sei Eigentümer oder doch zur Verfügung über die Sache ermächtigt. Dabei hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung auch von der Bedeutung des Kfz-Briefs leiten lassen, wie sie unter anderem in § 25 IV 2 StVZO i. V. mit § 27 III StVZO zum Ausdruck gekommen ist, dass nämlich dieser Brief, auch wenn er kein Traditionspapier ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1978 – VIII ZR 46/77, NJW 1978, 1854 m. w. Nachw.), den Eigentümer oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten schützen soll (BGH, Urt. v. 25.06.1953 – III ZR 353/51, BGHZ 10, 122, 125).

Unter Kfz-Händlern gelten in dieser Hinsicht keine geringeren Anforderungen (BGH, Urt. v. 02.12.1958 – VIII ZR 212/57, WM 1959, 138, 140); auch der Umstand, dass sich in bestimmten Kreisen oder zwischen in ständiger Geschäftsbeziehung stehenden Personen bestimmte leichtsinnige Handlungsweisen eingebürgert haben (BGH, Urt. v. 02.12.1958 – VIII ZR 212/57, WM 1959, 138, 140) und in der Vergangenheit Schwierigkeiten trotz unterbliebener Vorlage der Kfz-Papiere nicht aufgetreten sind, begründet kein rechtlich begründetes Vertrauen, dass der Verkäufer auch bei künftigen, in gleicher Weise abgewickelten Geschäften zumindest verfügungsberechtigt ist, auch wenn er den Kfz-Brief nicht vorlegen kann.

b) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Umstand, dass die von der Beklagten bei der S-GmbH gekauften Gebrauchtfahrzeuge zum Teil oder überwiegend aus nach Ablauf der Überlassungszeit beendeten Leasinggeschäften stammten, keine abweichende Beurteilung. Denn auch hinsichtlich derartiger Fahrzeuge besteht die naheliegende – die Pflicht, Einsicht in die Kfz-Papiere zu nehmen, auslösende – Gefahr, dass der Veräußerer weder Eigentümer der Pkw noch zum Verkauf der Fahrzeuge ermächtigt ist. Das in Deutschland in den letzten Jahren in erheblichem Umfang zugenommene Privat-Autoleasinggeschäft (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1016 f.) ist, worauf die Revision mit Recht hinweist, seiner Funktion nach nur eine andere Form der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Pkw. Auch bei ihr hat derjenige, der den Kaufpreis vorfinanziert hat, nicht anders als jeder andere Kreditgeber – mag es sich um den Händler, die Bank des Autoherstellers oder ein sonstiges Kreditinstitut handeln –, ein berechtigtes Interesse daran, sich davor zu schützen, dass der Kfz-Besitzer über den Wagen verfügt, bevor alle Forderungen aus dem Leasinggeschäft getilgt sind. Eben deswegen lassen sich die Leasinggeber – wie auch im vorliegenden Fall geschehen – die Kfz-Papiere aushändigen und geben sie erst dann frei, wenn sie wegen aller Ansprüche aus dem Leasinggeschäft befriedigt sind oder jedenfalls sicher sein können, dass die Erfüllung ihrer Forderungen nicht gefährdet ist. Der Umstand, dass die Kfz-Briefe der beiden Fahrzeuge, um deren Erlös die Parteien streiten, wie die Beklagte angenommen haben will, noch bei den Leasinggesellschaften lagen, musste deswegen bei ihr besonderen Argwohn erwecken, ob die S-GmbH verfügungsbefugt war. Insofern gilt nichts anderes, als wenn die Beklagte davon ausgegangen wäre, dass die Papiere bei einer Bank oder Sparkasse lagen (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1965 – VIII ZR 62/63, NJW 1965, 687 f.; ferner Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1498). Das Risiko, dass der veräußernde Gebrauchtwagenhändler nicht verfügungsbefugt ist, geht der Erwerber in diesen Fällen sehenden Auges ein (BGH, Urt. v. 02.12.1958 – VIII ZR 212/57, WM 1959, 138, 140).

Im Übrigen beachtet das Berufungsgericht bei seiner gegenteiligen Sicht nicht, dass nach Beendigung der Leasingzeit Kfz-Händler die zurückgegebenen Fahrzeuge regelmäßig wieder in ihren Bestand nehmen und deren Zeitwert vergüten müssen, was angesichts der gerichtsbekannten Verhältnisse auf dem Gebrauchtwagenmarkt in den meisten Fällen – so auch hier – dazu führen wird, dass der dafür zu zahlende Preis finanziert werden muss und der Kreditgeber auf der Einräumung von Sicherheiten besteht. Ohne Einsichtnahme in die Kfz-Briefe musste die Beklagte deswegen gewärtigen, dass die S-GmbH nicht nur nicht Eigentümerin der Pkw, sondern auch zur Verfügung über die Fahrzeuge nicht befugt war, sei es, dass das Verfügungsrecht bei den Leasinggesellschaften, sei es, dass es bei dem Kreditinstitut lag, das die Finanzierung der übernommenen Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hatte.

Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht in einer Hilfserwägung für seine gegenteilige Annahme auf Nr. 4.2 der Raumsicherungsverträge. Bei deren Auslegung, die der Senat selbstständig überprüfen kann, weil es sich um eine in der Bundesrepublik Deutschland allgemein bei der Sicherungsübereignung von Gebrauchtfahrzeugen gebräuchliche Klausel handelt (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 550 Rn. 7 m. w. Nachw.), hat das Oberlandesgericht nicht den gesamten Text in den Blick genommen und ist dadurch zu dem verfehlten Verständnis gelangt, die Klägerin habe die Verfügungsbefugnis der S-GmbH allein an den unmittelbaren Besitz der sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge geknüpft. Dem einleitenden Satz der Klausel ist hingegen zweifelsfrei zu entnehmen, dass die S-GmbH die Kfz-Briefe an die Sicherungseigentümerin abzuliefern hatte, diese also gerade die üblichen Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass der Kfz-Besitzer in einer Weise über den sicherungsübereigneten Pkw verfügen konnte, der einen gutgläubigen Erwerb ermöglichte. Wenn in [den Sicherungsverträgen] darüber hinaus der Klägerin das Recht eingeräumt wurde, das Besitzrecht der S-GmbH zu widerrufen, wenn sie dies für erforderlich halten durfte, so stellt dies eine zusätzliche Sicherung der Eigentümerin dar; denn, auch wenn die S-GmbH als Nichtberechtigte ohne Vorlage der Kfz-Briefe einem Erwerber nicht nach § 932 BGB, § 366 HGB wirksam das Eigentum verschaffen konnte, war die Klägerin doch nicht vor anderen Beeinträchtigungen ihrer Kreditnehmerin geschützt, die als Besitzerin der Fahrzeuge jedenfalls faktisch imstande war, das Sicherungseigentum der Sparkasse zu beeinträchtigen und sie unter Umständen zu langwierigen und kostenintensiven Nachforschungen nach vertragswidrig weggegebenen, womöglich in das Ausland verschobenen Fahrzeugen zu zwingen. Ebenso kann eine Verletzung der Verwahrungs- und Instandhaltungspflicht durch den Sicherungsgeber ein Anlass für den Sicherungseigentümer sein, das vereinbarte Besitzrecht zu widerrufen. Die Auslegung, die das Berufungsgericht der Klausel gegeben hat, wird im Übrigen weder der Interessenlage der Beteiligten gerecht, denen es darum geht, mit den sicherungsübereigneten Fahrzeugen zu handeln und aus den.Erlösen u. a. die Kreditverpflichtungen bedienen zu können, noch lässt sie sich in der Praxis durchführen, weil Kreditinstitute regelmäßig nicht über die Räumlichkeiten verfügen, Gebrauchtwagen aufzustellen, und weil im Regelfall die Inbesitznahme der Kfz-Briefe ausreicht, um das Standardrisiko auszuschalten, dass ein Käufer gutgläubig Eigentum erwirbt.

3. Da danach die angefochtene Entscheidung nicht mit der Begründung gehalten werden kann, die Beklagte habe guten Glaubens das Eigentum an den beiden Kraftfahrzeugen erworben, kommt es auf die – von seinem abweichenden Standpunkt von dem Berufungsgericht mit Recht offengelassene – Frage an, ob die Klägerin, wie sie behauptet hat, entgegen dem Wortlaut der Raumsicherungsverträge der S-GmbH eine Ermächtigung (§ 185 BGB) zur Weiterveräußerung der sicherungsübereigneten Fahrzeuge nie erteilt bzw. dieselbe vor dem 17.03.1993 widerrufen hat. Zur Klärung dieser Frage ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

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