1. Der Käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs kann grund­sätz­lich – wenn kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de vor­lie­gen – i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten, dass das Fahr­zeug kei­nen Un­fall er­lit­ten hat, bei dem es zu mehr als „Ba­ga­tell­schä­den“ ge­kom­men ist. Als „Ba­ga­tell­schä­den“ sind bei Per­so­nen­kraft­wa­gen nur ganz ge­ring­fü­gi­ge, äu­ße­re (Lack-)Schä­den an­er­kannt, nicht da­ge­gen an­de­re (Blech-) Schä­den, auch wenn sie kei­ne wei­ter­ge­hen­den Fol­gen hat­ten und der Re­pa­ra­tur­auf­wand nur ge­ring war. Ob das Fahr­zeug nach dem Un­fall fach­ge­recht re­pa­riert wor­den ist, ist nicht von Be­deu­tung; viel­mehr stellt al­lei­ne die Tat­sa­che, dass es bei ei­nem Un­fall ei­nen er­heb­li­chen Scha­den er­lit­ten hat, ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar (wie BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20; Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 18).
  2. Zur Ab­gren­zung zwi­schen ei­nem „Ba­ga­tell­scha­den“ und ei­nem Sach­man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB bei ei­nem elf Jah­re al­ten Ge­braucht­wa­gen mit ei­ner Lauf­leis­tung von 220.000 km, der be­reits fünf Vor­hal­ter hat­te.

LG Kas­sel, Ur­teil vom 13.03.2019 – 9 O 1070/16
(nach­fol­gend: OLG Frank­furt a. M. – Zi­vil­se­na­te Kas­sel –, Be­schluss vom 29.06.2020 – 15 U 116/19BGH, Be­schluss vom 09.03.2021 – VI­II ZB 1/21)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem be­klag­ten Kraft­fahr­zeug­händ­ler am 02.02.2016 für 9.200 € ei­nen am 07.01.2005 erst­zu­ge­las­se­nen Ge­braucht­wa­gen, des­sen Lauf­leis­tung in der dem Kauf­ver­trag zu­grun­de lie­gen­den ver­bind­li­chen Be­stel­lung des Fahr­zeugs mit 228.000 km an­ge­ge­ben war. In dem Be­stell­for­mu­lar heißt es au­ßer­dem:

„Zahl, Art und Um­fang von Un­fall­schä­den laut Vor­be­sit­zer: Kei­ne gro­ßen Un­fäl­le od. Rah­menschä­den, klei­ne­re be­ho­be­ne Blech od Ba­ga­tell­schä­den nicht aus­ge­schlos­sen.“

Mit Schrei­ben vom 19.02.2016 for­der­te der – an­walt­lich ver­tre­te­ne – Klä­ger den Be­klag­ten auf, bis zum 29.02.2016 nä­her be­zeich­ne­te Män­gel des Fahr­zeugs zu be­sei­ti­gen. Dar­über hin­aus teil­te der Klä­ger dem Be­klag­ten mit, dass der Pkw nach sei­ner Auf­fas­sung bei ei­nem Un­fall ei­nen er­heb­li­chen seit­li­chen Auf­prall­scha­den er­lit­ten ha­be. Auch in­so­weit be­gehr­te der Klä­ger von dem Be­klag­ten Nach­er­fül­lung.

Nach­dem der Klä­ger am 17.02.2016 ein das Fahr­zeug be­tref­fen­des Gut­ach­ten hat­te er­stel­len las­sen, er­klär­te er un­ter dem 07.03.2016 ge­gen­über dem Be­klag­ten die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung und for­der­te den Be­klag­ten auf, ihm bis zum 14.03.2016 – Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs – den Kauf­preis zu­rück­zu­zah­len.

In der Kla­ge­schrift hat der Klä­ger über­dies vor­sorg­lich den Rück­tritt von dem hier in­ter­es­sie­ren­den Kauf­ver­trag er­klärt.

Er hat be­haup­tet, aus den Spalt­ma­ßen im vor­de­ren Teil des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs er­ge­be sich, dass der Pkw vor dem 02.02.2016 ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den er­lit­ten ha­be. Die Mo­tor­hau­be sei nicht fach­ge­recht nachla­ckiert wor­den. Im hin­te­ren Be­reich des rech­ten Schwel­lers sei von un­ten ein un­be­ar­bei­te­ter Spach­tel­auf­trag er­kenn­bar; hier sei in die Struk­tur des Fahr­zeug­ge­fü­ges ein­ge­grif­fen wor­den. Am lin­ken Am lin­ken hin­te­ren Sei­ten­teil sei die Lack­schicht et­wa dop­pelt so dick wie bei ei­nem nur bei der Her­stel­lung la­ckier­ten Fahr­zeug. An ei­ner Stel­le hin­ter der Hin­ter­ach­se be­tra­ge die Lack­schicht­di­cke 669 μm; im Be­reich des Knie­stücks be­tra­ge sie 1.050 μm;. Dies deu­te dar­auf hin, dass hier In­stand­set­zungs­maß­nah­men vor­ge­nom­men und da­bei das Sei­ten­teil teil­wei­se er­setzt wor­den sei.

Dar­über hin­aus – so hat der Klä­ger gel­tend ge­macht – wei­se das dem Be­klag­ten am 19.02.2016 über­sand­te Dia­gno­se­pro­to­koll er­heb­li­che Feh­ler aus, von de­nen sechs die Di­rekt­ein­spritz- und Vor­glüh­an­la­ge be­trä­fen. Zu­dem sei im Steu­er­ge­rät für das An­ti­blo­ckier­sys­tem (ABS) ein Feh­ler ab­ge­legt; ein wei­te­rer Feh­ler be­tref­fe das Air­bag­sys­tem. Im (schad­haf­ten) Steu­er­ge­rät für die Leucht­wei­ten­re­gu­lie­rung sei­en drei Feh­ler ab­ge­legt.

Der Klä­ger hat wei­ter be­haup­tet, bei äu­ße­rer Be­trach­tung des lin­ken Haupt­schein­wer­fers fal­le auf, dass die­ser Feuch­tig­keit „ge­zo­gen“ ha­be. Der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw sei mit Kur­ven­licht aus­ge­stat­tet, so­dass schon der Er­satz des Schein­wer­fers und der zu­ge­hö­ri­gen Stell­mo­to­ren mit ho­hen Kos­ten ver­bun­den sein wer­de. Über­dies sei­en die Glüh­ker­zen der Zy­lin­der 3, 4 und 5 schad­haft.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger den Be­klag­ten auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (9.200 € nebst Zin­sen), Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, in An­spruch ge­nom­men und die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der Be­klag­te mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in Ver­zug sei. Dar­über hin­aus hat der Klä­ger von dem Be­klag­ten – je­weils nebst Zin­sen – die Kos­ten für das vor­pro­zes­su­al ein­ge­hol­te Gut­ach­ten (1.161,06 €), die für ei­ne Not­re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs auf­ge­wen­de­ten Kos­ten (243,69 €) und au­ßer­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ne Rechts­an­walts­kos­ten (887,03 €) er­setzt ver­langt. Bei der Not­re­pa­ra­tur wur­den nach der Be­haup­tung des Klä­gers ein Hy­drau­lik­schlauch er­setzt und das Hy­drau­lik­öl auf­ge­füllt.

Der Be­klag­te hat vor al­lem in Ab­re­de ge­stellt, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw ein Un­fall­wa­gen sei. Ei­nen grö­ße­ren Un­fall- oder gar ei­nen Rah­menscha­den ha­be das Fahr­zeug nicht er­lit­ten. Die fest­ge­stell­te Nachla­ckie­rung las­se al­len­falls dar­auf schlie­ßen, dass klei­ne­re Blech­schä­den be­ho­ben wor­den sei­en. Je­den­falls ha­be er, der Be­klag­te, von ei­nem grö­ße­ren Un­fall­scha­den kei­ne Kennt­nis ge­habt, so­dass er sich den Vor­wurf der Arg­list nicht ge­fal­len las­sen müs­se.

Die Kla­ge hat­te im We­sent­li­chen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ab­züg­lich der von ihm ge­zo­ge­nen Nut­zungs­vor­tei­le. Fer­ner ist der Be­klag­te ver­pflich­tet, an den Klä­ger die Kos­ten für die Ein­ho­lung des vor­ge­richt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens in Hö­he von 1.161,06 € so­wie die Kos­ten der durch­ge­führ­ten Re­pa­ra­tur in Hö­he von 243,69 € nebst Zin­sen zu er­stat­ten. Der Be­klag­te be­fin­det sich dar­über hin­aus mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in An­nah­me­ver­zug.

Der Klä­ger hat An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses auf­grund des wirk­sam von ihm er­klär­ten Rück­tritts ge­mäß §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 2, 323, 326 V BGB.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug war zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs man­gel­haft.

Da­bei er­gibt sich die Be­rech­ti­gung zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag nicht aus et­waig un­fach­män­nisch durch­ge­führ­ten Re­pa­ra­tu­ren der Ka­ros­se­rie­schä­den, son­dern auf­grund der feh­len­den Un­fall­frei­heit des Fahr­zeugs. Es kann da­hin­ste­hen, ob – wie vom Be­klag­ten be­haup­tet – die op­ti­sche Aus­bes­se­rung am un­te­ren Schwel­ler auf Ver­an­las­sung des Klä­gers er­folgt ist, da hier­aus je­den­falls nicht ab­ge­lei­tet wer­den kann, dass dem Klä­ger die Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaft des Fahr­zeugs be­kannt war oder sei­ne Un­kennt­nis auf gro­ber Fahr­läs­sig­keit be­ruht.

Die von dem Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Ka­ros­se­rie­schä­den am lin­ken und rech­ten hin­te­ren Be­reich des Fahr­zeugs und den ent­spre­chen­den Sei­ten­tei­len stel­len ei­nen zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­ti­gen­den Man­gel dar.

Zwar ist die Un­fall­frei­heit nicht zum Be­stand­teil ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB ge­wor­den. Die Par­tei­en ha­ben im Hin­blick auf Un­fall­schä­den des Fahr­zeugs kei­ne Ver­ein­ba­rung da­hin ge­hend ge­trof­fen, dass es sich um ein un­fall­frei­es Fahr­zeug han­de­le. Aus­weis­lich des vor­lie­gen­den Be­stell­scheins wur­de dort nie­der­ge­legt, dass kei­ne grö­ße­ren Un­fäl­le oder Rah­menschä­den vor­lä­gen und klei­ne­re be­ho­be­ne Blech- oder Ba­ga­tell­schä­den nicht aus­ge­schlos­sen wür­den. Ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung im Sin­ne ei­ner Un­fall­frei­heit stellt dies nicht dar. Eben­so we­nig kommt ei­ne ne­ga­ti­ve Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung der­ge­stalt, dass das Fahr­zeug mög­li­cher­wei­se nicht un­fall­frei ist, nicht in Be­tracht; sol­ches wur­de dort nicht an­ge­ge­ben. Es ist le­dig­lich die Re­de von klei­ne­ren Ba­ga­tell­schä­den oder Blech­schä­den.

Da es so­mit hin­sicht­lich von Un­fall­schä­den an ei­ner kla­ren Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nach § 434 I 1 BGB fehlt und die in Re­de ste­hen­de Soll­be­schaf­fen­heit sich auch nicht aus der nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­ten Ver­wen­dung ge­mäß § 434 I 2 Nr. 1 BGB er­gibt, ist das streit­ge­gen­ständ­lich Fahr­zeug nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB dann frei von Sach­män­geln, wenn es sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net sich ein ge­brauch­ter Per­so­nen­kraft­wa­gen grund­sätz­lich dann, wenn er kei­ne tech­ni­schen Män­gel auf­weist, die die Zu­las­sung zum Stra­ßen­ver­kehr hin­dern oder die Ge­brauchs­fä­hig­keit auf­he­ben oder be­ein­träch­ti­gen. Die­se Vor­aus­set­zung ist hier er­füllt.

Das Fahr­zeug weist je­doch nicht ei­ne Be­schaf­fen­heit auf, die bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen üb­lich ist und die der Käu­fer er­war­ten kann. Bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen ist, so­fern kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de ge­ge­ben sind, je­den­falls der nor­ma­le al­ters- und ge­brauchs­be­ding­te Ver­schleiß üb­lich und hin­zu­neh­men. Wel­che Be­schaf­fen­heit da­bei üb­lich ist, hängt im Üb­ri­gen von den Um­stän­den des Ein­zel­falls ab, wie bei­spiels­wei­se dem Al­ter und der Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs, der An­zahl der Vor­be­sit­zer und der Art der Vor­be­nut­zung; für das was der Käu­fer er­war­ten darf, kann fer­ner der Kauf­preis oder der dem Käu­fer er­kenn­ba­ren Pfle­ge­zu­stand des Fahr­zeugs von Be­deu­tung sein.

Bei Be­schä­di­gung des Fahr­zeugs kann es für die Un­ter­schei­dung, ob es sich um ei­nen mög­li­cher­wei­se nicht un­üb­li­chen und da­her hin­zu­neh­men­den Ba­ga­tell­scha­den oder um ei­nen au­ßer­ge­wöhn­li­chen, nicht zu er­war­ten Fahr­zeug­man­gel han­delt, auf die Art des Scha­dens und die Hö­he der Re­pa­ra­tur­kos­ten an­kom­men. Da­bei kann ei­ne Ab­gren­zung zwi­schen ei­nem Ba­ga­tell­scha­den und ei­nem Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB an die stän­di­ge Recht­spre­chung des BGH zur Of­fen­ba­rungs­pflicht von Schä­den und Un­fäl­len beim Ge­braucht­wa­gen­kauf an­ge­lehnt wer­den. Da­nach muss ein Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens ei­nen Scha­den oder Un­fall, der ihm be­kannt ist oder mit des­sen Vor­han­den­sein er rech­net, grund­sätz­lich auch un­ge­fragt dem Käu­fer mit­tei­len, wenn er sich nicht dem Vor­wurf arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens aus­set­zen will, es sei denn, der Scha­den oder Un­fall war so ge­ring­fü­gig, dass er bei ver­nünf­ti­ger Be­trach­tungs­wei­se den Kauf­ent­schluss nicht be­ein­flus­sen kann. Die Gren­ze für nicht mit­tei­lungs­pflich­ti­ge Ba­ga­tell­schä­den ist bei Per­so­nen­kraft­wa­gen sehr eng zu zie­hen. Da­bei sind als Ba­ga­tell­schä­den bei Per­so­nen­kraft­wa­gen nur ganz ge­ring­fü­gi­ge, äu­ße­re (Lack-)Schä­den an­er­kannt, nicht da­ge­gen an­de­re (Blech-)Schä­den, auch wenn sie kei­ne wei­ter­ge­hen­den Fol­gen hat­ten und der Re­pa­ra­tur­auf­wand nur ge­ring war. Ob das Fahr­zeug nach dem Un­fall fach­ge­recht re­pa­riert wor­den ist, ist da­bei grund­sätz­lich nicht von Be­deu­tung. Al­lei­ne die Tat­sa­che, dass das Fahr­zeug bei ei­nem Un­fall ei­nen er­heb­li­chen Scha­den er­lit­ten hat, stellt ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar, was auch al­lein dar­aus er­sicht­lich ist, dass bei ei­nem er­heb­li­chen Un­fall­scha­den selbst bei ei­ner ord­nungs­ge­mä­ßen Re­pa­ra­tur von ei­nem Min­der­wert des Fahr­zeugs aus­zu­ge­hen ist.

Auch beim Kauf ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs kann der Käu­fer, wenn kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de vor­lie­gen, er­war­ten, dass das Fahr­zeug kei­nen Un­fall er­lit­ten hat, bei dem es zu mehr als „Ba­ga­tell­schä­den“ ge­kom­men ist.

Nach die­sen Grund­sät­zen liegt im Streit­fall kein Ba­ga­tell­scha­den, son­dern ein er­heb­li­cher Fahr­zeug­man­gel vor. Nach den in­so­weit plau­si­blen und nach­voll­zieh­ba­ren Fest­stel­lun­gen des ge­richt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen, de­nen sich die er­ken­nen­de Kam­mer in vol­lem Um­fang an­schließt und sich die Aus­füh­run­gen zu ei­gen macht, han­delt es sich bei den Ka­ros­se­rie­schä­den im lin­ken und rech­ten hin­te­ren Be­reich, ins­be­son­de­re im Be­reich des hin­te­ren lin­ken Sei­ten­teils des Fahr­zeugs, nicht nur um Lack­schä­den, son­dern um Blech­schä­den, die mit an Si­cher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit Fol­ge ei­ner er­heb­li­chen Fahr­zeug­be­schä­di­gung und ei­nes Un­fall­ge­sche­hens sind. Den Kos­ten­auf­wand zur fach­ge­rech­ten Be­sei­ti­gung die­ser Blech­schä­den hat der Sach­ver­stän­di­ge im Rah­men der münd­li­chen Er­läu­te­rung auf min­des­tes 3.000 € ta­xiert. Ein sol­cher Scha­den kann je­den­falls bei ei­nem hoch­wer­ti­gen Fahr­zeug wie dem vor­lie­gen­den, auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des er­heb­li­chen Al­ters (11 Jah­re), der Vor­be­sit­zer (5) und der er­heb­li­chen Lauf­leis­tung (220.000 km) nicht als Ba­ga­tell­scha­den an­ge­se­hen wer­den, mit dem ein Käu­fer ver­nünf­ti­ger­wei­se rech­nen muss.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat in sei­nem schrift­li­chen Gut­ach­ten aus­ge­führt, dass am Ein­stieg hin­ten rechts in der Ver­gan­gen­heit ein er­heb­li­cher Un­fall­scha­den vor­ge­le­gen ha­be, der durch Aus­beu­len und Spach­teln so­wie an­schlie­ßen­des Nachla­ckie­ren be­sei­tigt wor­den sei. Da­durch sei aber die ur­sprüng­li­che Form nicht wie­der er­reicht wor­den; dies zei­ge sich ins­be­son­de­re durch das deut­li­che dif­fe­rie­ren­de Spalt­maß zwi­schen dem Schwel­ler und der Tür­kan­te. Auch an der hin­te­ren lin­ken Sei­ten­wand sei­en im vor­de­ren Be­reich um­fang­rei­che In­stand­set­zungs­ar­bei­ten aus­ge­führt wor­den. Da­bei und durch die ex­trem di­cke Spach­tel­auf­tra­gung von bei­nah 1,5 mm sei dort die ur­sprüng­li­che Form nicht wie­der er­reicht wor­den. Ent­spre­chend lie­ge dort die Sei­ten­wand ge­gen­über der Tür­kan­te deut­lich nach in­nen ein­ge­zo­gen vor. Dar­aus, so der Sach­ver­stän­di­ge, er­ge­be sich, dass auch im Be­reich der lin­ken Sei­ten­wand in der Ver­gan­gen­heit ein deut­li­cher Un­fall­scha­den vor­ge­le­gen ha­be, wel­cher nur un­sach­ge­mäß be­sei­tigt wor­den sei.

Un­ge­ach­tet des­sen hat der Sach­ver­stän­di­ge wei­ter aus­ge­führt, dass auch im Be­reich der Vor­der­front of­fen­sicht­lich Kot­flü­gel aus­ge­wech­selt wor­den sei­en und die Mo­tor­hau­be un­sach­ge­mäß nachla­ckiert wor­den sei. An­ders als bei den Heck­schä­den kön­ne die Ur­sa­che hier­für je­doch nicht mehr fest­ge­stellt wer­den; es sei nicht zwangs­läu­fig, dass dies auf ein Un­fall­ge­sche­hen zu­rück­zu­füh­ren sei.

Es kann hier da­hin­ste­hen, ob im Be­reich des Schwel­lers auf der rech­ten Sei­te auf Ver­an­las­sen des Klä­gers ei­ne op­ti­sche Aus­bes­se­rung vor­ge­nom­men wur­de, da je­den­falls un­strei­tig über den er­heb­li­chen Un­fall­scha­den im Be­reich der Sei­ten­tei­le rechts und links nicht ge­spro­chen wur­de. Der Be­klag­te hat ei­ne Kennt­nis die­ser von dem Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Un­fall­schä­den auch gänz­lich in Ab­re­de ge­stellt und mit­ge­teilt, dass ihm ein sol­ches Un­fall­ge­sche­hen nicht be­kannt sei. Mit­hin ist hier­über auch nicht ge­spro­chen wor­den, und die Un­fall­schä­den muss­te der Klä­ger – an­ders als die nachla­ckier­te Mo­tor­hau­be – nicht er­ken­nen.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung die Re­pa­ra­tur­kos­ten für die im hin­te­ren Be­reich des Fahr­zeugs vor­han­de­nen Un­fall­schä­den auf min­des­tens 3.000 € ta­xiert.

Auf­grund die­ser Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaft kam es nicht mehr dar­auf an, dass ge­ge­be­nen­falls die Män­gel in der Nachla­ckie­rung der Mo­tor­hau­be für den Klä­ger bei Er­werb des Fahr­zeugs be­reits er­kenn­bar wa­ren; eben­so we­nig kam es dar­auf an, ob die im Feh­ler­spei­cher fest­ge­stell­ten Feh­ler be­reits zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­ge­le­gen ha­ben.

So­weit der Sach­ver­stän­di­ge, Dipl.-Ing. S nach­voll­zieh­bar und plau­si­bel die Schä­den an der rech­ten Sei­te im hin­te­ren Teil des Ein­stiegs und an der hin­te­ren lin­ken Sei­ten­wand fest­ge­stellt hat, de­cken sich die­se Fest­stel­lun­gen auch mit den Fest­stel­lun­gen des vor­ge­richt­li­chen Gut­ach­ters der G-GmbH, der die Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs be­reits am 17.02.2016, mit­hin 15 Ta­ge nach Ge­fahr­über­gang am 02.02.2016, fest­ge­stellt und in dem Gut­ach­ten do­ku­men­tiert hat. Es be­ste­hen da­her für die Kam­mer kei­ne Zwei­fel, dass un­ter Be­rück­sich­ti­gung des § 476 BGB a.F. (= § 477 BGB n.F.) die fest­ge­stell­ten Un­fall­schä­den be­reits zum Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs vor­ge­le­gen ha­ben.

Da der Ge­braucht­wa­gen bei Ge­fahr­über­gang so­mit nicht un­fall­frei war, konn­te der Klä­ger ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 326 V BGB vom Ver­trag zu­rück­tre­ten.

Ei­ner vor­an­ge­hen­den Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung durch Nach­bes­se­rung der nicht fach­ge­recht aus­ge­führ­ten Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten be­durf­te es da­bei nicht, weil der Man­gel der Ei­gen­schaft als Un­fall­wa­gen nicht be­heb­bar ist (§ 326 V BGB). Durch Nach­bes­se­rung lässt sich der Cha­rak­ter des Fahr­zeugs als Un­fall­wa­gen nicht kor­ri­gie­ren. Ei­ne Er­satz­lie­fe­rung ist bei dem hier vor­lie­gen­den Ge­braucht­wa­gen­kauf nicht mög­lich.

Die in der Lie­fe­rung des man­gel­haf­ten Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung ist schließ­lich nicht un­er­heb­lich, so­dass dem Rück­tritt auch nicht § 323 V 2 BGB ent­ge­gen­steht.

Auf­grund des Rück­tritts kann der Klä­ger von dem Be­klag­ten ge­mäß §§ 346 I, 348 BGB die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 9.200 € Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des Fahr­zeugs ver­lan­gen, wo­bei der Klä­ger sich je­doch die ge­zo­ge­ne Nut­zung an­rech­nen las­sen muss.

Nach den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. S hat der Klä­ger mit dem Fahr­zeug ins­ge­samt 36.146 km seit Über­ga­be am 02.02.2016 aus­weis­lich der Lauf­leis­tung nach der Ki­lo­me­ter­an­zei­ge zu­rück­ge­legt. Un­ter Zu­grun­de­le­gung ei­ner Ge­samt­fahr­leis­tung von 300.000 km er­gibt sich in­so­weit ein ge­zo­ge­ner Nut­zungs­vor­teil in Hö­her von 1.108,48 €, so­dass der Be­klag­te zur Rück­zah­lung in Hö­he von 8.091,52 € ver­pflich­tet ist.

Dar­über hin­aus ist der Be­klag­te ver­pflich­tet, dem Klä­ger die Auf­wen­dun­gen in Hö­he der Kos­ten für das vor­ge­richt­li­che Gut­ach­ten in Hö­he von 1.161,06 € so­wie für die Not­re­pa­ra­tur in Hö­he von 243,69 € zu er­set­zen. So­weit der Be­klag­te die Er­for­der­lich­keit der Re­pa­ra­tur­kos­ten noch im Rah­men der Kla­ge­er­wi­de­rung be­strit­ten hat, hat der Klä­ger in­so­weit auf die Re­pa­ra­tur­rech­nung Be­zug ge­nom­men und im Schrift­satz vom 10.11.2016 wei­te­re Aus­füh­run­gen zu der not­wen­di­gen Re­pa­ra­tur ge­macht, die von dem Be­klag­ten nicht mehr be­strit­ten wur­den.

Auf­grund der vor­ge­richt­li­chen Schrei­ben vom 19.02. und vom 07.03.2016, mit dem der Be­klag­te zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses auf­ge­for­dert wur­de, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs, be­fin­det sich der Be­klag­te auch in An­nah­me­ver­zug.

Die Ent­schei­dung hin­sicht­lich der Zin­sen be­ruht auf §§ 291, 288 I 2 BGB.

So­weit der Klä­ger die Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­ge­büh­ren be­gehrt, war die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Be­reits mit Schrift­satz vom 19.02.2016 hat der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers ge­gen­über dem Be­klag­ten die an­walt­li­che Ver­tre­tung und die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen an­ge­zeigt. Zu die­sem Zeit­punkt be­fand sich der Be­klag­te we­der in Ver­zug, noch war der Klä­ger zu die­sem Zeit­punkt wirk­sam vom Ver­trag zu­rück­ge­tre­ten. Ein ent­spre­chen­der An­spruch auf Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten er­gibt sich auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt der arg­lis­ti­gen Täu­schung. Die Be­weis­auf­nah­me hat zwar er­ge­ben, dass die Ei­gen­schaft als Un­fall­wa­gen zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­ge­le­gen hat, hin­ge­hen konn­te nicht fest­ge­stellt wer­den, dass der Be­klag­te den Klä­ger bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags arg­lis­tig ge­täuscht hat. …

Hin­weis: Das OLG Frank­furt a. M. – Zi­vil­se­na­te Kas­sel – hat die Be­ru­fung des Be­klag­ten nach ei­nem ent­spre­chen­den Hin­weis mit Be­schluss vom 29.06.2020 – 15 U 116/19 – als un­zu­läs­sig ver­wor­fen (§ 522 I ZPO). Die­sen Be­schluss hat der BGH mit Be­schluss vom 09.03.2021 – VI­II ZB 1/21 auf­ge­ho­ben und den Rechts­streit zur er­neu­ten Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

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