1. Erklärt ein Gebrauchtwagenhändler ohne jede Einschränkung, ein von ihm zum Kauf angebotenes Fahrzeug sei „unfallfrei“, so ist damit nicht lediglich gesagt, dass das Fahrzeug in der Besitzzeit des Händlers keinen Unfallschaden erlitten habe. Vielmehr darf ein Käufer davon ausgehen, dass der Händler das Fahrzeug gewissenhaft auf Unfallschäden untersucht hat und deshalb dafür einstehen will, dass es keine unfallbedingten Vorschäden aufweist.
  2. Im Rahmen der Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages hat der Verkäufer dem Käufer grundsätzlich die aus dem Nettokaufpreis tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben oder dafür Wertersatz zu leisten (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB). Gleiches gilt für Nutzungen, die der Verkäufer entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogenen hat, obwohl ihm das möglich gewesen wäre (§ 347 I BGB). Insoweit kann mit Blick auf eine sekundäre Darlegungslast des Verkäufers davon auszugehen sein, dass dieser durch Nutzung des Nettokaufpreises Zinsen in Höhe von vier Prozent p. a. erzielt hat oder hätte erzielen können.

OLG Hamm, Urteil vom 30.05.2017 – 28 U 198/16

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem beklagten Kfz-Händler die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Der Beklagte bot Anfang 2014 einen am 11.06.2007 erstzugelassenen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 169.000 km zum Kauf an. Der Kläger besichtigte das Fahrzeug und fand Gefallen daran. Allerdings sollte der Pkw vor der Übergabe an den Kläger noch aufbereitet werden. Er verblieb deshalb zunächst bei dem Beklagten, der das Fahrzeug am 26.02.2014 an den Kläger auslieferte. Bei dieser Gelegenheit legte der Beklagte dem Kläger einen Kaufvertrags- bzw. Rechnungsvordruck vor, der verschiedene Angaben zu dem Fahrzeug enthielt und in dem ein Kaufpreis von 13.400 € vermerkt war. Dieser wurde von den Parteien wegen eines Kratzers einvernehmlich um 100 € reduziert. Außerdem thematisierten die Parteien mögliche Unfallschäden des Pkw, was dazu führte, dass der Beklagte den Vordruck um den handschriftlichen Zusatz „unfallfrei“ ergänzte.

Kurze Zeit später wurde dem Kläger bei einer Untersuchung des Gebrauchtwagens mitgeteilt, dass dieser Unfallspuren aufweise. Der Kläger ließ deshalb mit Anwaltsschreiben vom 13.03.2014 seinen Rücktritt vom Kaufvertrag erklären. Der Beklagte ging darauf nicht ein.

Mit der Klage hat der Kläger die Rückzahlung von 13.400 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs verlangt. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befinde, und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.416,10 € verlangt. Der Kläger hat gemeint, dass ihm der Beklagte die aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen herausgeben müsse, und unterstellt, dass der Beklagte als Kfz-Händler durch Nutzung des Kaufpreises Zinsen in Höhe von vier Prozent p. a. erzielt habe. Mit der entsprechenden Forderung hat der Kläger die Aufrechnung gegen einen dem Beklagten möglicherweise zustehenden Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung erklärt.

Der Beklagte hat geltend gemacht, dass er dem Kläger das Fahrzeug zum Export verkauft habe; deshalb sei mündlich die Gewährleistung ausgeschlossen worden. Außerdem sei der Wagen in einem altersgerechten Zustand gewesen. Dass es sich um einen Unfallwagen handele, hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Der Zusatz „unfallfrei“ auf dem Vordruck sei so zu verstehen, dass das Fahrzeug in seiner – des Beklagten – Besitzzeit keinen Unfall erlitten habe, und dies sei auch richtig. Hilfsweise hat der Beklagte eine Nutzungsentschädigung verlangt.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 6.847,59 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw zu zahlen. Ferner hat es den Annahmeverzug des Beklagten festgestellt und dem Kläger einen auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € bezogenen Freistellungsanspruch zuerkannt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt gewesen sei, weil das von ihm erworbene Fahrzeug mangelhaft gewesen sei. Das Fahrzeug habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die vereinbarte Beschaffenheit „unfallfrei“ gehabt. Nach § 476 BGB sei davon auszugehen, dass der Pkw bereits bei Übergabe an den Kläger mangelhaft gewesen sei. Der Kläger müsse dem Beklagten eine Nutzungsentschädigung von 7.557,33 € zahlen, die von dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (13.300 €) abzuziehen sei. Dem Kläger stehe andererseits ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen in Höhe von vier Prozent des Nettokaufpreises zu; das ergebe einen Betrag von 1.104,92 €. Die in erster Instanz angefallenen Kosten hat das Landgericht gegeneinander aufgehoben, wobei es allerdings die durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angefallenen Kosten allein dem Beklagten auferlegt hat (§ 96 ZPO).

Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. … 1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zur Rückabwicklung des Kaufvertrages berechtigt ist.

a) Die Rücktrittsberechtigung des Klägers ergibt sich aus der Mangelhaftigkeit des von ihm erworbenen Fahrzeugs.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen haben die Parteien i. S. des § 434 I 1 BGB vereinbart, dass der vom Beklagten verkaufte BMW „unfallfrei“ sein, das heißt keine Unfallvorschäden aufweisen sollte, die über bloße Bagatellschäden hinausgingen, wie sie für ein Gebrauchtfahrzeug üblich sind. Das ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen X und V, die nicht durch die Angaben des Zeugen F entkräftet wurden.

Der Senat ist an dieses vom Landgericht gefundene und überzeugend begründete Beweisergebnis gebunden. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme ist nicht angezeigt, weil mit der Berufung keine Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen rechtfertigen (§ 529 I Nr. 1 ZPO).

Im Gegenteil ist es naheliegend, dass der Beklagte durch den ausdrücklichen handschriftlichen Zusatz „unfallfrei“ nicht lediglich eine Wissensmitteilung in dem Sinne abgeben wollte, dass es in seiner ohnehin nur dem Weiterverkauf dienenden Besitzzeit zu keinen Unfällen gekommen ist. Vielmehr musste diese Erklärung aus verständiger Sicht des Klägers (§§ 133, 157 BGB) so aufgefasst werden, dass der Beklagte als Kfz-Händler eine gewissenhafte Ankaufüberprüfung vorgenommen hatte und deshalb dafür einstehen wollte, dass es keine unfallbedingten Vorschäden an dem Fahrzeug gibt.

Dieser Erwartung wird der streitgegenständliche BMW aber nicht gerecht, denn nach den Ausführungen des Kfz-Sachverständigen Q in seinem Gutachten vom 11.02.2016 hat das Fahrzeug rechts einen Unfallschaden erlitten, der außerdem durch den dicken Auftrag von Spachtelmasse nicht fachgerecht instand gesetzt worden sei.

b) In der Rechtsfolge hat das Landgericht von dem gezahlten Kaufpreis (13.300 €) auf den Einwand des Beklagten hin einen Abzug für die Nutzungsentschädigung vorgenommen, der auf die seinerzeit vom Kläger zurückgelegten 74.437 km bezogen wurde.

Dabei unterliegt es keinen Bedenken, wenn das Landgericht zur Berechnung des linearen Wertschwundes im Rahmen seines Schätzungsermessens (§ 287 ZPO) eine hypothetische Gesamtlaufleistung von 300.000 km angenommen hat. Der BMW verfügte in der damaligen Baureihe über einen großvolumigen Sechs­zy­lin­der­mo­tor mit einer für solche Motoren vergleichsweise geringen Motorleistung, was auf eine hohe Gesamtlaufleistung schließen lässt, die auch von anderen Gerichten mit 300.000 km angenommen wurde (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 3572 ff.).

Aufgrund der weiteren vom Kläger zurückgelegten Fahrtstrecke weist das Fahrzeug nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten mittlerweile eine tatsächliche Laufleistung von 265.000 km auf. Damit ist die Nutzungsentschädigung nunmehr wie folgt zu berechnen:

$${\frac{\text{13.000,00 €}\times\text{(265.000 km − 169.000 km)}}{\text{(300.000 km − 169.000 km)}}} = \text{9.746,56 €.}$$

In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass von dem Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung in Abzug gebracht werden darf maximal bis zur Kappungsgrenze des verbliebenen Zeitwertes des Kraftfahrzeugs (OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.07.2014 – 3 U 39/12, juris Rn. 35 f.). Im Streitfall ist aber nichts dafür ersichtlich, dass der BMW inzwischen nur noch einen Wert unterhalb des Rückzahlungsbetrages in einer Größenordnung von 3.500 € hat.

c) Umgekehrt hat der Kläger gegen den Beklagten prinzipiell gemäß §§ 346 I, 347 I BGB einen Anspruch auf Verzinsung des an ihn gezahlten Kaufpreises in Höhe von vier Prozent (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1148 ff.).

Das Landgericht hat die in der Klageschrift aufgestellte Behauptung, der Beklagte habe mit dem vereinnahmten Kaufpreis Kapitalzinsen erzielt, zu Recht für schlüssig erachtet. In diesem Zusammenhang hätte es im Rahmen der sekundären Darlegungslast einer näheren Darstellung von Beklagtenseite bedurft, weshalb er entsprechende Kapitalerträge im Zuge einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht erzielen konnte. Entsprechende Ausführungen waren dem erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten nicht zu entnehmen. Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung vortragen lässt, er sei mit seinem kleinen Betrieb nicht imstande, Kapitalanlagen zu tätigen, handelt es sich um neues Vorbringen, das prozessual verspätet ist (§ 529 ZPO) und außerdem keine Aussage dazu enthält, weshalb im Gebrauchtwagenhandel bei ordnungsgemäßer Wirtschaft keine Erträge zu erzielen sind.

In rechnerischer Hinsicht ist von dem Kaufpreis von 13.300 € der 19%ige Umsatzsteueranteil aus dem in der Rechnung ausgewiesen Betrag von 13.400 € abzuziehen, den der Beklagte an das Finanzamt abführen musste (2.546 €). Somit bezieht sich der Verzinsungsanspruch des Klägers nur auf einen Betrag von 10.754 €.

Die Zinsdauer begann mit dem Empfang des Geldes am 26.02.2014, endete im Streitfall aber kurz darauf wieder, weil dem Kläger ab dem 28.03.2014 bereits Verzugszinsen zugesprochen wurden und kein Anlass besteht, dem Kläger einen Vorteil durch eine Doppelverzinsung zugutekommen zu lassen.

Damit sind dem Kläger nur ausgerechnete Zinsen von 36,53 € zu ersetzen.

Die Urteilssumme beläuft sich auf (13.300 € − 9.746,56 € + 36,53 €) = 3.589,97 €.

2. Neben der Feststellung des Annahmeverzugs kann der Kläger auch die Freistellung von nicht erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Das Landgericht hat den zu erstattenden Honoraranspruch zutreffend mit 1.029,35 € angesetzt. Dabei war von dem ursprünglichen Gegenstandswert von 13.300 € auszugehen, der sich erst nachträglich durch die fortdauernde Fahrzeugnutzung ermäßigt hat.

III. … Entgegen der Einschätzung des Landgerichts besteht kein Anlass, die durch Einholung des Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten gemäß § 96 ZPO allein dem Beklagten aufzuerlegen. Die Regelung des § 96 ZPO kommt nur dann zur Anwendung, wenn bei rückschauender Betrachtung das kostenverursachende Angriffs- oder Verteidigungsmittel ohne Einfluss auf die Sachentscheidung geblieben ist (BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand: 01.03.2017, § 96 Rn. 4b). Zu solchen Konstellationen kann es beispielsweise kommen, wenn eine Beweiserhebung zu einem Streitgegenstand erfolgt, auf den es später bei der Urteilsfindung aus prozessualen Gründen nicht mehr ankommt. Im Streitfall hatte die Einholung des Sachverständigengutachtens aber sehr wohl Einfluss auf den Urteilsinhalt, denn das Gutachten diente der Überprüfung des von Klägerseite behaupteten Unfallschadens. Damit ist es gerechtfertigt, auch die auf das Sachverständigengutachten entfallenden Kosten nach der Quote des beiderseitigen Unterliegens zu verteilen. …

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