- Ein im Jahr 2002 gebautes Audi-A4-Cabriolet, bei dem sich wegen eines Serienfehlers in Gestalt einer fehlerhaften Verklebung von Heckscheibe und Verdeck die Heckscheibe vom Verdeck löst, weist einen (erheblichen) Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf.
- Ein Defekt (hier: eine sich vom Verdeck lösende Heckscheibe) kann bei einem Gebrauchtwagen auch dann ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB sein, wenn er auch anderen Fahrzeugen derselben Marke und desselben Typs als Serienfehler anhaftet (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.11.2011 – I-1 U 141/07).
LG Düsseldorf, Urteil vom 03.03.2017 – 9 O 8/14
(nachfolgend: OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2017 – I-5 U 55/17)
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten, der in D. ein Autohaus betreibt, mit Kaufvertrag vom 13.08.2012 ein gebrauchtes Audi-A4-Cabriolet (Baujahr 2002) zum Preis von 10.850 €. Das Fahrzeug wies bei Abschluss des Kaufvertrags eine Laufleistung von 93.293 km auf. Es wurde dem Kläger am 15.08.2012 gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben.
In der Folgezeit beanstandete der Kläger diverse Mängel. Mit Schreiben vom 12.07.2013 teilte er dem Beklagten unter anderem Folgendes mit:
„Zwischenzeitlich habe ich noch weitere Mängel feststellen müssen: Die Heckscheibe löst sich vom Verdeck ab. Als Folge hiervon ist das Fahrzeug bei Regen nicht mehr dicht. Auf der Hutablage finden sich Rückstände, die offensichtlich von Wassertropfen herrühren, die an der schadhaften Stelle des Verdecks eingetreten sind. Die Scheibe hat sich auf der Beifahrerseite seitlich schon fast komplett gelöst. Auf der Fahrerseite beginnt sie sich zu lösen.“
Gleichzeitig forderte der Kläger den Beklagten gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 1 BGB auf, diesen Mangel und andere, hier nicht weiter interessierende Mängel bis zum 26.07.2013 zu beseitigen. Das Schreiben übergab der Kläger am 12.07.2013 einem Mitarbeiter des Beklagten, dem er aufgrund eines bereits vorher vereinbarten Werkstatttermins auch sein Fahrzeug überließ.
Nachdem der Beklagte dem Kläger am 22.07.2013 telefonisch hatte mitteilen lassen, dass er das Cabriolet abholen könne, begab sich der Kläger am 23.07.2013 zum Autohaus des Beklagten. Dort stellte sich heraus, dass der Beklagte bezüglich des Verdecks nichts unternommen hatte. Dies begründete ein Mitarbeiter des Beklagten damit, dass Schäden am Verdeck nicht von einer Gebrauchtwagengarantie, die der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags gegen Zahlung von 350 € erworben hatte, umfasst seien.
Der Kläger stellte sein Fahrzeug daraufhin bei einem Audi-Servicepartner vor. Dort wurde ihm erklärt, dass ein Sattler das schadhafte Verdeck zwar kleben könne; man könne aber nicht gewährleisten, dass und gegebenenfalls wie lange die Verklebung halte. Eine dauerhafte Lösung sei nur der Austausch des schadhaften Verdecks gegen ein neues Verdeck, der mit Kosten von 4.370 € brutto verbunden sei.
Vor diesem Hintergrund erklärte der Kläger mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2013 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Diesen wies der Beklagte mit Telefax vom 28.08.2013 zurück.
Der Kläger behauptet, es sei ein bekanntes Problem, dass sich bei bestimmten Audi-A4-Cabriolets die Heckscheibe vom Verdeck löse. Es handele sich um einen Serienfehler, der bei Fahrzeugen, die zwischen 2002 und Mitte 2005 gebaut wurden, auftrete, weil seinerzeit Heckscheibe und Verdeck fehlerhaft verklebt worden seien.
Der Beklagte – so meint der Kläger – sei gemäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB verpflichtet, ihm die durch Verwendung des Nettokaufpreises tatsächlich ersparten Zinsbeträge herauszugeben bzw. ihrem Wert nach zu ersetzen. Insoweit nehme er – der Kläger – an, dass der Beklagte als Kfz-Händler laufend Kredit in Anspruch nehme und durch Verwendung des Nettokaufpreises Schuldzinsen in Höhe von mindestens fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erspart habe. Weiter gehe er davon aus, dass der Beklagte das Cabriolet von einem privaten Verkäufer erworben habe und Bemessungsgrundlage für die von ihm abzuführende Umsatzsteuer deshalb die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis gewesen sei (§ 25a I, III UStG). Er – der Kläger – unterstelle, dass diese Differenz 3.850 € betragen habe, sodass der Beklagte Umsatzsteuer in Höhe von 614,71 € abzuführen gehabt habe und ihm folglich rund 10.235 € zum Wirtschaften zur Verfügung gestanden hätten.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß § 346 I BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 434 I 2 Nr. 2, 323 I BGB Rückabwicklung des Kaufvertrags über das … Fahrzeug verlangen, da bei Gefahrübergang ein Sachmangel vorlag, den der Beklagte trotz Fristsetzung nicht behoben hat und der auch nicht unerheblich ist.
Der Kläger ist berechtigtermaßen mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2013 vom Kaufvertrag mit dem Beklagten zurücktreten. Er hat ihm mit Schreiben vom 12.07.2013 innerhalb der laufenden Gewährleistungsfrist den Mangel des Verdecks angezeigt und ihn zur Beseitigung bis zum 26.07.2013 aufgefordert. Am selben Tag hat er einem Mitarbeiter des Beklagten nicht nur dieses Schreiben übergeben, sondern auch sein Fahrzeug überlassen. Bei Abholung am 23.07.2013 war der angezeigte Mangel nicht beseitigt; der Mitarbeiter des Beklagten hat dies damit begründet, dass Schäden am Verdeck nicht von der vom Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags erworbenen Gebrauchtwagengarantie umfasst seien.
Das Vorliegen eines Sachmangels i. S. des § 434 I BGB bei Gefahrübergang steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Zeuge X bestätigte glaubhaft den Vortrag des Klägers, wonach bei der Baureihe des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs zur Zeit dessen Herstellung bei der Produktion des Verdecks ein Serienfehler in Gestalt einer mangelhaften Verklebung der Heckscheibe mit dem Stoffverdeck auftrat, der nach unterschiedlichen Zeiträumen dazu führte, dass sich die Verklebung löste. Er konnte diesen Mangel im Hinblick auf dessen Ausgestaltung näher dahin beschreiben, dass sich die Heckscheibe vom Verdeck regelmäßig zunächst im unteren Radiusbereich löst und sich die Ablösung von dort aus weiter fortsetzt. Der Zeuge schilderte nachvollziehbar, über diese Kenntnis … zu verfügen; …. Er bekundete ferner, diesen Mangel immer wieder auch bei seiner … Tätigkeit … wahrzunehmen. … Der Zeuge wirkte bei seiner Vernehmung uneingeschränkt glaubwürdig. …
Das Ergebnis der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. F steht dem nicht entgegen. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 04.03.2015 festgestellt, dass aus Sicht des Sachverständigen nach über zehn Jahren nicht von einem Herstellungsfehler, sondern von Verschleiß zu sprechen sei. Er hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass in Internetforen gelegentlich davon berichtet werde, dass sich die Heckscheiben bei dem begutachteten Fahrzeugmodell regelmäßig vom Verdeckstoff lösen würden. Eine verwertbare Aussage sei aus solchen Beiträgen ohne Kenntnis und Auswertung der bekannt gewordenen Fälle indes nicht möglich. Bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens hatte Dipl.-Ing. F angegeben, Ergebnis seiner Recherche sei gewesen, dass es bei diesem Fahrzeugtyp vereinzelt zu derartigen Problemen der Ablösung komme. Wenn es sich um einen Fabrikationsfehler handele, sei seines Erachtens das Auftreten des Fehlers in besonders großer Häufigkeit bzw. reihenweise zu erwarten, was er indes nicht habe feststellen können. Insbesondere sei ein Ablösen nicht erst nach zehn Jahren zu erwarten. Er gab indes an, dass die Hersteller kaum interne Informationen herausgäben. Zudem habe er Knick- und Gebrauchsspuren festgestellt, die für eine häufige Benutzung über die Jahre hinweg sprächen.
Insbesondere der vom Sachverständigen festgestellte Verschleiß steht der Annahme eines Fabrikationsfehlers nicht entgegen. Zum einen hat der Zeuge X, wie ausgeführt, einen Fabrikationsfehler bezogen auf Modell und Baujahr glaubhaft bestätigt; zum anderen entfällt das Vorliegen des Fabrikationsfehlers im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht dadurch, dass derselbe Fehler nach Gefahrübergang verschleißbedingt eintritt. Hinzu kommt, dass der Zeuge X auf Vorlage von Lichtbildern, die die Ausgestaltung des Mangels an dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug zeigen, diese eindeutig als Auswirkungen des Fehlers bestätigt hat, den er zuvor abstrakt beschrieben hatte.
Da dieser Fabrikationsfehler dem Fahrzeug vom Zeitpunkt der Herstellung an anhaftete, lag er ohne Weiteres auch beim Gefahrübergang vom Beklagten auf den Kläger vor. Dieser Fabrikationsfehler stellt einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar, da das Fahrzeug nicht die übliche Beschaffenheit aufwies. Das Vorliegen eines Serienfehlers bei anderen Fahrzeugen desselben Typs begründet nicht dessen Mangelfreiheit (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.11.2011 – I-1 U 141/07). Die übliche Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge lässt den Durchschnittskäufer berechtigtermaßen erwarten, dass zwar nach längerer Zeit durch Verschleiß Schäden am Verdeck auftreten können, nicht aber, dass er infolge der gewählten Verklebung jederzeit damit rechnen muss, dass sich die Heckscheibe vom Stoffverdeck löst. Dieser üblichen Beschaffenheit entsprach das streitgegenständliche Fahrzeug nicht.
Die Voraussetzungen des § 323 V 2 BGB liegen nicht vor. Der festgestellte Mangel ist nicht unerheblich. Unerheblichkeit folgt insbesondere nicht aus der Feststellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. F in seinem Gutachten vom 04.03.2015, wonach für geschätzte Kosten von etwa 250 € der Mangel durch neue Verklebung beseitigt werden könnte. Der Sachverständige selbst hat in seinem Gutachten dazu ausgeführt, dass erst nach einem Jahr beurteilt werden könne, ob es sich dabei um eine dauerhafte Lösung handele. Dass durch eine neue Verklebung keine dauerhafte Mangelbeseitigung zu erwarten ist, steht indes aufgrund der Aussage des Zeugen X fest. Dieser hat aufgrund seiner umfangreichen Kenntnisse über Cabriolet-Verdecke im Allgemeinen und das Verdeck des hier streitgegenständlichen Fahrzeugmodells im Besonderen ausgeführt, dass eine dauerhafte Lösung des Problems durch neue Verklebung bislang nicht habe erreicht werden können.
Rechtsfolge des wirksamen Rücktritts ist gemäß § 346 BGB die Verpflichtung zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen und Herausgabe der gezogenen Nutzungen bzw. Wertersatz. Danach hat der Beklagte dem Kläger den Kaufpreis in Höhe von 10.850 € zurückzuzahlen. Abzuziehen davon ist eine Entschädigung für die zwischenzeitliche Nutzung des Kaufgegenstands entsprechend der vom Kläger in Ansatz gebrachten Formel
$${\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{voraussichtliche Restlaufleistung}}}.$$
Dabei hat der Kläger zutreffend eine hypothetische Gesamtlaufleistung von 250.000 km in Ansatz gebracht (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. [2011], Rn. 3572). Ebenfalls zutreffend hat der Kläger die für die Beseitigung diverser Mängel erforderlichen Fahrten zur Werkstatt des Beklagten bei der Fahrleistung im Nutzungszeitraum im Rahmen der Berechnung des Gebrauchsvorteils außer Ansatz gelassen. Den Annahmen des Klägers für die Berechnung des vom Beklagten herauszugebenden bzw. dem Wert nach zu ersetzenden Vorteils aus der ihm zur Verfügung stehenden Kaufpreissumme ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
Der Kläger hat ferner einen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen gemäß § 437 Nr. 3, § 284 BGB. Auch diesbezüglich ist der Berechnung des Klägers zu folgen. Dabei ist auch die von ihm angesetzte voraussichtliche Nutzungsdauer von acht Jahren in Ansatz zu bringen. Ein zu erreichendes Gesamtalter eines Fahrzeugs von 18 Jahren erscheint durchaus plausibel. Die von dem Beklagten vorgetragene maximale Nutzungsdauer von zwei bis drei Jahren ist bereits im Hinblick auf den Kaufpreis fernliegend. Zutreffend hat der Kläger die Kosten für Allwetterreifen und Inspektion in voller Höhe in Ansatz gebracht. Diese waren erforderlich. Hinsichtlich der Kosten für die Reifen folgt dies aus der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Klägers, diese seien acht bzw. neun Jahre alt gewesen und hätten Standschäden aufgewiesen. Bei dem unstreitig gebliebenen Alter hatten die Reifen das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht. Die Inspektion war im Hinblick auf die im Wesentlichen durchgeführten Arbeiten in Bezug auf die Betriebsflüssigkeiten ebenfalls erforderlich.
Der Kläger hat ferner gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB unter Verzugsgesichtspunkten Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 €, da er diese Aufwendungen im Hinblick auf das Weigerungsverhalten des Beklagten bezüglich der Nachbesserung für zweckmäßig und erforderlich halten durfte.
Der Beklagte befindet sich gemäß § 293 BGB mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug. Der Kläger hat im Hinblick auf die beantragte und erkannte Zug-um-Zug-Leistung ein Interesse an der Feststellung des Annahmeverzugs. Der Kläger hat dem Beklagten Rückgabe und Rückübereignung wörtlich angeboten (§ 295 Satz 1 BGB). Erfüllungsort war am Wohnsitz des Klägers, sodass der Beklagte das Fahrzeug dort hätte abholen müssen.
Der Anspruch des Klägers auf Wertersatz für die aus dem dem Beklagten überlassenen Bruttokaufpreis gezogenen Nutzungen folgt aus § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB. Er ist der Sache nach kein Zinsanspruch, sondern wird lediglich in entsprechender Höhe berechnet. …
Hinweis: Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Das OLG Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 21.12.2017 – I-5 U 55/17 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
I. Dem Kläger steht kein Rücktrittsrecht gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 2 Nr. 2 BGB aus dem mit dem Beklagten am 13.08.20112 geschlossenen Kaufvertrag über den Pkw Audi A4 Cabriolet zu. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist nicht bewiesen, dass der Pkw bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet war.
1. Ein Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB – eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit – liegt nicht vor, weil die Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Vereinbarung getroffen haben, die Grundlage für eine Beschaffenheitsbestimmung sein könnte. Der Kläger erwarb ein zehn Jahre altes Cabriolet mit einer Laufleistung von 93.293 km. Dies hat er auch erhalten.
Eine Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit, wonach das Fahrzeug gemäß § 434 I 2 Nr. 1 BGB nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet ist, ist ebenfalls nicht vorgetragen worden. Bei der vertraglich vorausgesetzten Verwendung geht es nicht um die gewöhnliche Verwendung eines Kraftfahrzeugs als Verkehrs- und Transportmittel, sondern um die nicht abgesprochene, nach dem Vertrag jedoch faktisch vorausgesetzte und für den Verkäufer erkennbare Verwendung (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858, 2859).
2. Ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist die Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Entscheidend ist, ob der Pkw der Käufererwartung entsprach. Hierfür ist maßgebend, ob ein verständiger Durchschnittskäufer davon ausgehen durfte, dass das Verdeck eines zehn Jahre alten Mittelklasse-Cabriolets bei einer Laufleistung von 93.293 km nach einem Jahr und weiteren gefahrenen 7.362 km undicht wird und sich die Heckscheibe von dem Verdeck löst.
Ein Gebrauchtfahrzeugkäufer muss mit normalem (natürlichem) Verschleiß grundsätzlich rechnen, deshalb werden solche Fälle nicht von der Sachmängelhaftung erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858, 2860). Das Stoffverdeck eines Cabrios ist ein Verschleißteil (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 2945). Übermäßigen Verschleiß, übergroße Verschleißanfälligkeit oder vorzeitige Materialermüdung muss der Käufer allerdings nicht hinnehmen (Reinking/Eggert, a. a. O. Rn. 3026).
Der Kläger hat hier aber weder eine vorzeitige Materialermüdung noch einen übermäßigen Verschleiß des Verdecks bewiesen. Er trägt als Käufer die Darlegungs- und Beweislast für den Mangel.
Auf § 476 BGB kann er sich nicht berufen, weil die Undichtigkeit des Verdecks – bedingt durch die sich von dem Stoff lösende Heckscheibe – sich nicht innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang gezeigt hat. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist diese Vorschrift richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Beweislastumkehr zugunsten des Käufers schon dann greift, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 = NJW 2017, 1093 Rn. 36). Der Kläger hat diese Mangelerscheinung aber nicht innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang, sondern erst im Juli 2013 festgestellt.
Sowohl der Sachverständige F als auch der Zeuge X haben bestätigt, dass ein Stoffverdeck eines Cabrios nach zehn bis fünfzehn Jahren verschlissen ist. Der Sachverständige F hat festgestellt, dass sich das Heckfenster in einigen Bereichen an den Klebenähten von dem Verdeck gelöst habe. An der Scheibe hafte der Klebstoff noch vollständig an; vom Verdeckstoff habe er sich gelöst. Aus technischer Sicht handele es sich nicht um einen völlig vermeidbaren Prozess, weil eine solche Verklebung erheblichen Beanspruchungen ausgesetzt sei. Durch das Öffnen und Schließen des Verdecks würden erhebliche Spannungen auf die Verklebung wirken. Zusätzlich komme es zu Spannungen, wenn sich das Verdeck durch Sonneneinstrahlung erwärme und bei Kälte abkühle. überdies sei die Verklebung Witterungseinflüssen und Chemikalieneinwirkung ausgesetzt. Nach über zehn Jahren könne das Ablösen einer Verklebung nicht als Herstellungsmangel bezeichnet werden. Aufgrund von sich bildenden Scheuer- und Knickstellen durch das regelmäßige Öffnen und Schließen eines Verdecks, aber auch durch sich verhärtende Gummidichtungen sowie des Stoffgewebes gleiche die Lebensdauer des Verdecks nicht zwingend der Lebensdauer des Fahrzeugs. Da ein Verdeck je nach Beanspruchung mehr oder weniger stark verschleiße, müsse ab einem Alter von zehn Jahren damit gerechnet werden , dass ein Verdeck ausgetauscht werden müsse. Die Verklebung zwischen Heckfenster und Cabrioverdeck sei auf die Lebensdauer des Verdecks ausgerichtet.
Die Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend. Er hat anschaulich dargestellt, welche Spannungen und Kräfte auf ein Cabrioverdeck bei dem Ein- und Ausfahren einwirken. Die Verbindung von Stoff und Glas durch einen Kleber ist eine fragile Konstruktion, die überdies diversen Witterungseinflüssen und Reinigungsprozessen ausgesetzt ist. Daher ist einsehbar, dass die Lebensdauer eines solchen Stoffverdecks begrenzt ist. Der Zeitraum von mindestens zehn Jahren ist nachvollziehbar.
Überdies hatte der Sachverständige in seiner Anhörung bekundet, das Verdeck habe Knick- und Gebrauchsspuren, die auf ein häufiges Falten des Verdecks hinwiesen. Gerade auf den Knickflächen liege eine besondere Spannung.
Der Zeuge X hat die durchschnittliche Haltbarkeit von Cabrioverdecken ebenfalls auf einen begrenzten Zeitraum, nämlich auf zehn bis fünfzehn Jahre, eingegrenzt. Nach seinen Erfahrungen während seiner Tätigkeit für den Hersteller des Fahrzeugs sei die Erprobung der Fahrzeuge darauf ausgerichtet gewesen, dass die Verdecke mindestens zehn Jahre halten sollten.
Im vorliegenden Fall war das Cabrioverdeck elf Jahre alt, als dem Kläger die Ablösungserscheinungen aufgefallen sind.
3. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Verklebung des Verdecks aufgrund eines Herstellungsfehlers mangelhaft war, weil sich dieser auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch und die übliche Beschaffenheit des Fahrzeugs nicht ausgewirkt hat. Mit dem Herstellungsfehler muss ein bestimmtes Risiko verbunden sein, das bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht besteht.
Der Kläger hat hierzu lediglich behauptet, ein Herstellungsfehler führe dazu, dass sich die Heckscheibe von dem Verdeck löse. Da die Lebensdauer eines Verdecks naturgemäß begrenzt ist, kann sich ein eventueller Herstellungsfehler nur auswirken, wenn der beschriebene Ablösungsprozess vorzeitig einsetzt. Dies ist hier nicht erwiesen, weil die Ablösung erst elf Jahre nach der Herstellung des Fahrzeugs bemerkt wurde. Nach einem solchen Zeitraum ist ein Verdeck nach den Feststellungen des Sachverständigen und den Ausführungen des Zeugen X ohnehin austauschbedürftig.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht erwiesen, dass die fehlerhafte Verklebung jederzeit zu einer Ablösung der Heckscheibe führen kann.
Nach § 529 I Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen nur dann zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die der Rechtsprechung zu § 286 I ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Gleiches gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz (vgl. zu alldem BGH, Urt. v. 21.06.2016 – VI ZR 403/14, VersR 2016, 1194 Rn. 10 f. m. w. Nachw.).
Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts ist fehlerhaft. Denn es ist weder dargelegt worden, noch hat sich in der Beweisaufnahme ergeben, der angebliche Verklebungsfehler berge die Gefahr, dass sich die Scheibe jederzeit von dem Stoffverdeck löse. Es ist vorgetragen worden , dass sich die Verklebung der Scheibe teilweise ablöse. Dieser Ablösungsprozess soll – nach der Darstellung des Klägers – durch den Herstellungsfehler ausgelöst sein. Dieses Vorbringen lässt nicht darauf schließen, dass das Fahrzeug jederzeit verkehrsunsicher werden kann. Vielmehr entwickelt sich dieser Ablösungsprozess schleichend. Der Zeuge X verwies darauf, dass sich unter den klimatischen Bedingungen in Miami der Ablösungsprozess beschleunige. Diese Äußerung unterstreicht, dass ein vermeintlicher Herstellungsfehler sich nicht abrupt äußert, sondern zu einem sich beschleunigenden Ablösungsprozess führen kann. Dieser Herstellungsfehler könnte zu einer vorzeitigen Materialermüdung oder übermäßigen Verschleiß führen. Diese Auswirkungen haben sich hier aber nicht gezeigt. Das Verdeck ist nicht vorzeitig gealtert und plötzlich verkehrsunsicher geworden. Der Kläger benutzt nach wie vor das Fahrzeug und hat nicht dargelegt, dass es keine TÜV-Zulassung mehr hat.
4. Ein Herstellungsfehler ist überdies nicht bewiesen. Auch insoweit sind die Feststellungen des Landgerichts nicht vollständig.
Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen Herstellungsfehler, der sich auf die gewöhnliche Verwendung auswirkt und zu einer Beschaffenheit führt, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist und die der Käufer nicht erwarten muss.
Dem Sachverständigen war von einem Herstellungsfehler, einem Serienmangel, nichts bekannt. Nach zehn Jahren seien nach seiner Erfahrung Ablösungserscheinungen nicht unüblich, sondern als normaler Verschleiß zu bewerten. Da nach den Recherchen des Sachverständigen von Ablösungserscheinungen nur vereinzelt berichtet worden ist, spricht dies gegen einen Fabrikationsfehler. Denn bei einem Herstellungsfehler wäre eine Vielzahl von Fahrzeugen betroffen, sodass eine Rückrufaktion angezeigt gewesen wäre. Auch wäre eine größere Anzahl von Beanstandungen bei Audi-Werkstätten oder Sattlereien zu verzeichnen, was der Sachverständige aber nicht hat feststellen können. Da sich hier der Ablösungsprozess erst nach elf Jahren offenbart hat, vermochte der Sachverständige zutreffend keine Anhaltspunkte für einen Herstellungsfehler zu benennen.
Dagegen ist die Aussage des Zeugen X nicht ergiebig. Er hat einen konkreten Herstellungsfehler, der zu einer vorzeitigen Ablösung der Scheiben führt, nicht beschreiben können. Er deutet einen Fehler bei der Verklebung an, ohne ihn konkret zu bezeichnen. Es ist daher fraglich, ob die Kleberzusammensetzung nicht haltbar war oder der Kleber nicht fachgerecht aufgebracht worden ist. Fahrzeuge, die bis 2009 betroffen worden seien, sollen – so X – aus Kulanz repariert worden sein. Diese Aussage lässt offen, ob sich der angebliche Fehler bei allen Fahrzeugen der Baureihe verwirklicht hat. Da nach dem Bekunden des Zeugen bis 2009 Kulanzreparaturen bei Fahrzeugen des Herstellungszeitraums 2002 bis 2005 durchgeführt worden sein sollen, müsste sich der Herstellungsfehler durch vorzeitiges Auflösen des Klebers gezeigt haben. Dies konnte aber bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht festgestellt werden. …