- Der Käufer eines Gebrauchtwagens kann zwar grundsätzlich nicht erwarten, darüber informiert zu werden, wie, wann und von wem der Verkäufer das Fahrzeug erworben hat. Das gilt aber ausnahmsweise dann nicht, wenn die Umstände des Erwerbs den Verdacht nahelegen, dass es während der Besitzzeit des Voreigentümers zur unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Solche Umstände sind zum Beispiel gegeben, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst kurz zuvor von einem „fliegenden“ Zwischenhändler erworben hat. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung des Käufers verpflichtet, weil der Verdacht naheliegt, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist.
- Verweigert ein Schuldner die Erfüllung eines Zahlungsanspruchs ernsthaft und endgültig, so verweigert er zugleich jeglichen Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die zur Durchsetzung des Anspruchs aufgewendet wurden (im Anschluss an OLG Hamburg, Urt. v. 03.02.2010 – 4 U 17/09, juris Rn. 58).
OLG Brandenburg, Urteil vom 20.04.2023 – 10 U 50/22
Sachverhalt: Der Beklagte bot im Oktober 2018 einen Audi A6 quattro im Internet zum Kauf an. Dieses Fahrzeug war am 01.07.2012 in den Vereinigten Staaten von Amerika erstzugelassen und am 04.10.2013 von New York nach Litauen verschifft worden.
Die Klägerin besichtigte den Audi A6 quattro am 31.10.2018 bei dem Beklagten, der 263 km von ihrem Wohnort entfernt wohnt, im Beisein ihres Ehemanns M und der Ehefrau des Beklagten F. Die Klägerin und ihr Ehemann führten außerdem eine Probefahrt durch, nachdem der Beklagte den Motor des Fahrzeugs gestartet und den Pkw aus der Einfahrt seines Grundstücks herausgefahren hatte. Unstreitig sprachen die Parteien über einen Kratzer, den der Audi A6 quattro an einer Tür aufwies, und andere, kleinere Kratzer. Im Übrigen ist der Inhalt des Gesprächs der Parteien über Schäden des Fahrzeugs streitig. Der Beklagte wies die Klägerin außerdem darauf hin, dass der Pkw für den US-amerikanischen Markt produziert und aus den Vereinigten Staaten von Amerika reimportiert worden sei.
Am 03.11.2018 schlossen die Parteien sodann – wiederum bei dem Beklagten – einen schriftlichen Kaufvertrag über den Pkw. Die Klägerin zahlte den vereinbarten Kaufpreis von 21.500 € und erhielt den Audi A6 quattro, der zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 78.108 aufwies.
Ende November 2020 erlitt die Klägerin mit dem Fahrzeug einen Wildschaden. Seitens der von der Klägerin mit der Behebung des Schadens beauftragten Werkstatt wurde ihr mitgeteilt, dass der Audi A6 quattro in der Vergangenheit bereits einen massiven Unfallschaden erlitten habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2021 erklärte die Klägerin daraufhin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag, und forderte den Beklagten – erfolglos – auf, das Fahrzeug bis zum 23.03.2021 Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen.
Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe den Beklagten unter anderem zu Unfallvorschäden des Pkw befragt. Der Beklagte habe erklärt, dass das Fahrzeug bis auf den – unstreitig erwähnten – Kratzer an der Fahrertür sowie kleinere Kratzer unfallfrei sei, ohne diese Erklärung auf seine Besitzzeit zu beschränken. Weiter behauptet die Klägerin unter Vorlage einer „Fahrzeughistorie“ und eines C-Berichts, das Fahrzeug habe im Jahr 2013 in den Vereinigten Staaten von Amerika einen massiven Unfall erlitten, bei dem die Airbags ausgelöst worden seien. Der Beklagte – so behauptet die Klägerin weiter – habe den Audi A6 quattro von einem Händler erworben, der als wirtschaftlichen Totalschaden verunfallte und in Osteuropa instandgesetzte Fahrzeuge in Deutschland verkaufe, und er habe gewusst, dass der Pkw ein Unfallwagen sei. Schon bei der Übergabe des Pkw hätten zudem die Bremsleuchten beim Starten des Motors und gleichzeitiger Betätigung der Bremse nicht funktioniert. Die Rückleuchten seien aufgeschnitten und mit Silikon zusammengeklebt gewesen, und nur der rechte Außenspiegel habe eingeklappt werden können. Außerdem sei am 10.11.2018 ein Fehler des Sekundärluftsystems (Fehlercode P049100) angezeigt worden. Nachdem dieser Fehler gelöscht worden sei, sei er regelmäßig nach fünf weiteren Fahrzyklen wieder aufgetreten.
Sie – die Klägerin – habe von dem massiven Unfallschaden, den der Audi A6 quattro vor ihrer Besitzzeit erlitten habe, erst dadurch Kenntnis erlangt, dass sie seitens ihrer Werkstatt im November 2020 darauf hingewiesen worden sei. Der Beklagte habe den Unfallschaden indes bewusst verschwiegen. Er habe den Motor des Pkw sowohl vor der Probefahrt, die sie – die Klägerin – unternommen habe, als auch bei der Übergabe des Fahrzeugs selbst gestartet, um zu vermeiden, dass sie Fehlermeldungen bemerke und damit einen Hinweis auf einen Unfallschaden erhalte. Außerdem habe der Beklagte den Fehler „P049100“ vor den Verkaufsverhandlungen und vor der Übergabe des Fahrzeugs aus dessen Fehlerspeicher gelöscht.
Die (behaupteten) Fehlfunktionen – so macht die Klägerin geltend – hätten ihre Ursache sämtlich in einer mangelhaften Instandsetzung des Unfallwagens. Dies sei dem Beklagten auch bekannt gewesen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin über die Rückabwicklung des Kaufvertrags hinaus die Zahlung von 315,60 € verlangt. Dabei handelt es sich um Fahrtkosten, die die Klägerin im Zusammenhang mit der Besichtigung und der Übergabe des Audi A6 quattro aufgewendet haben will. Außerdem hat die Klägerin Aufwendungen in Höhe von insgesamt 817,11 € (u. a. für Kennzeichenschilder und eine Hauptuntersuchung) ersetzt verlangt.
Der Beklagte ist der Klage mit der Behauptung entgegengetreten, er habe den Audi A6 quattro im Jahr 2014 von einer Privatperson für etwa 35.000&nbbsp;€ erworben. Er habe weder beim Kauf des Pkw noch später von einem Unfallschaden erfahren. Vor der Probefahrt, die die Klägerin unternommen habe, habe er den Motor des Fahrzeugs selbst gestartet, weil die Klägerin beziehungsweise ihr Ehemann den Startvorgang am Motor begutachten wollte. Er, der Beklagte, habe keine – ihm unbekannten – Mängel verschleiern wollen. Dass der Pkw generell unfallfrei sei, sei bei den Vertragsverhandlungen nie angesprochen worden und habe er auch nicht behauptet. Er habe lediglich mitgeteilt, dass der Audi A6 quatto in seiner Besitzzeit keinen Unfall erlitten habe.
Die Anfechtung – so meint der Beklagte, der im Übrigen die Einrede der Verjährung erhoben hat – habe die Klägerin nicht innerhalb der Frist des § 124 BGB erklärt.
Hilfsweise hat der Beklagte die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.571,37 € erklärt.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen M und F abgewiesen. Es sei nicht mit dem nach § 286 I 1 ZPO erforderlichem Maß davon überzeugt, dass der Beklagte von dem behaupteten Unfallschaden des Audi A6 quattro gehabt habe. Dieser Unfallschaden sei äußerlich nicht erkennbar; auch der Ehemann der Klägerin, der Kfz-Mechatroniker sei, habe ihn weder bei der Besichtigung des Pkw noch danach erkannt. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe aus den Umständen, unter denen er selbst das Fahrzeug erworben habe, Kenntnis von dem Unfallschaden erlangt, sei willkürlich „ins Blaue hinein“ aufgestellt und damit unbeachtlich. Das Gericht sei auch nicht davon überzeugt, dass der Beklagte – dem insoweit jede Kenntnis gefehlt habe – der Klägerin vorbehaltlos die Unfallfreiheit des Audi A6 quattro zugesichert habe. Der Klägerin sei klar gewesen, dass sie ein Fahrzeug erwerbe, das bereits 2012 in den Vereinigten Staaten von Amerika zugelassen worden sei und damit mindestens einen weiteren Vorbesitzer gehabt habe. Dementsprechend sei der Klägerin auch klar gewesen, dass der Beklagte im Hinblick auf Vorschäden des Pkw auf Informationen „seines“ Verkäufers angewiesen gewesen sei.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie hat insbesondere geltend gemacht, das Landgericht habe zu Unrecht eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten verneint. Ihr Vortrag sei entgegen der Annahme des Landgerichts nicht „ins Blaue hinein“ erfolgt. Vielmehr sei der Vortrag des Beklagten, wie er zu dem Audi A6 quattro gelangt sei, widersprüchlich. Wenn er den Pkw von einem privaten Verkäufer erworben hätte, dann müsste dieser in der Zulassungsbescheinigung eingetragen sein. Dass eine entsprechende Eintragung fehle, das Fahrzeug also vor dem Erwerb durch den Beklagten in Deutschland nicht zugelassen gewesen sei, spreche dafür, dass der Beklagte es nicht von einem privaten Verkäufer erworben habe. Dies hätte er ihr – der Klägerin – offenbaren müssen.
Das Rechtsmittel hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die bis auf einen Teil des Feststellungsantrags zulässige Klage ist überwiegend begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 16.928,63 €. Ein solcher Anspruch ist aufgrund des § 812 I 1 Fall 1 BGB entstanden. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe verpflichtet. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I Fall 1 BGB steht ausweislich § 325 BGB neben dem Rücktritt. Da die Klägerin nur diese beiden Rechte geltend macht, kann die umstrittene Frage, ob Gewährleistungsansprüche und das Anfechtungsrecht aus § 123 I BGB wahlweise nebeneinander stehen, offenbleiben (vgl. hierzu verneinend Eggert, in: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. [2020], Rn. 3859; bejahend Staudinger/Singer/v. Finckenstein, BGB, Neubearb. 2021, § 123 Rn. 103 m. w. Nachw.).
a) Der Beklagte hat von der Klägerin den Kaufpreis von 21.500 € erlangt.
b) Die Übereignung des Kaufpreises erfolgte ohne rechtlichen Grund, weil die Klägerin den zugrunde liegenden Kaufvertrag erfolgreich gemäß § 123 I Fall 1 BGB angefochten hat. Nach dieser Vorschrift kann derjenige, der zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, die Erklärung anfechten.
aa) Eine Täuschung liegt im Streitfall vor. Eine Täuschung kann durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen oder durch ihr Verschweigen begangen werden. Verschweigen von Tatsachen stellt eine Täuschungshandlung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht (BGH, Urt. v. 18.03.2003 – X ZR 19/01, juris Rn. 19).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH besteht bei Vertragsverhandlungen für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann (BGH, Urt. v. 04.04.2001 – VIII ZR 32/00, juris Rn. 18; Urt. v. 13.06.2007 – VIII ZR 236/06, juris Rn. 35; Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, juris Rn. 15). Ein Verkäufer verschweigt einen offenbarungspflichtigen Mangel bereits dann arglistig, wenn er ihn mindestens für möglich hält und gleichzeitig damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Kenntnis den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urt. v. 11.02.2004 – VIII ZR 386/02, NJW 2004, 1032 unter II 1; Urt. v. 30.04.2003 – V ZR 100/02, NJW 2003, 2380 unter II 2 b m. w. Nachw.; st. Rspr.).
Der Beklagte hat die Klägerin vorliegend darüber getäuscht, dass er das Fahrzeug nicht von einem privaten Vorbesitzer erworben hat, sondern von einem „fliegenden Zwischenhändler“, also einem Verkäufer, der das Fahrzeug selbst nicht auf sich zugelassen hatte, es nur kurze Zeit in Besitz hatte und der für den Beklagten nach dem Kauf nicht mehr greifbar war.
Zwar kann der Käufer eines Gebrauchtwagens nicht grundsätzlich die Mitteilung erwarten, wie, wann und von wem das zum Verkauf stehende Fahrzeug beschafft wurde (OLG München, Urt. v. 14.03.2018 – 20 U 2499/17, juris Rn. 34). Von diesem Grundsatz wird aber eine Ausnahme gemacht, wenn die Umstände des Erwerbs den Verdacht nahelegen, dass es während der Besitzzeit des Voreigentümers zur unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Solche Umstände sind zum Beispiel gegeben, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst kurz zuvor von einem „fliegenden Zwischenhändler” erworben hat. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet, weil der Verdacht naheliegt, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist (BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, juris Rn. 16). Vergleichbar wird eine Aufklärungspflicht beim Privatverkauf angenommen, wenn der Verkäufer einen im Autokino nur per Handschlag erworbenen älteren Gebrauchtwagen nach kurzer Zeit wieder verkauft (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.11.2012 – 15 U 222/12, n. v.; zitiert nach Eggert, in: Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3229a).
Bei dem Erwerb von einem privaten Vorbesitzer, der das Fahrzeug selbst zugelassen und gefahren hat, kann der Erwerber davon ausgehen, dass der Verkäufer Kenntnis von Vorschäden hat und diese offenbart. Ein privater Verkäufer muss neben Schadensersatzansprüchen auch strafrechtliche Verfolgung fürchten, wenn er Unfallschäden nicht offenlegt. Anders ist es bei dem Erwerb von einem „fliegenden” Zwischenhändler; es liegt auf der Hand, dass dieser keine eigene Kenntnis von Vorschäden haben kann, gleichfalls sind Nachforschungen in einem solchen Fall erschwert.
Der Beklagte hat den substanziierten Vortrag der Klägerin, dass er das Fahrzeug nicht von einem privaten Vorbesitzer, sondern unter Umständen, die dem Erwerb von einem „fliegenden Zwischenhändler“ gleichkommen, erworben habe, nicht ausreichend substanziiert bestritten. Dass der Verkäufer für den Beklagten nicht greifbar ist, ergibt sich schon aus dem Vortrag des Beklagten selbst. So will der Beklagte keine Kenntnis mehr davon haben, von wem er das Fahrzeug erworben hat. Im Rahmen der persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO hat sich der Beklagte weder an den Ort noch die Gegend, in der er das Fahrzeug erworben haben will, erinnern können, nicht einmal auf eine Himmelsrichtung hat er sich zunächst festlegen wollen. In Anbetracht der Höhe des Kaufpreises und der Erklärung des Beklagten, dass er nicht regelmäßig Fahrzeuge kauft, ist das komplette Fehlen einer Erinnerung schwer nachzuvollziehen. Sein Vortrag ist darüber hinaus widersprüchlich, wenn er zunächst schriftsätzlich vorträgt, er habe den Ankaufvertrag mit allen weiteren Unterlagen zum Fahrzeug der Klägerin übergeben, in der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2021 jedoch erklärt, er habe den Ankaufvertrag aus dem Jahre 2014 nicht an die Klägerin übergeben und wisse auch nicht, wo der Vertrag sei.
Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte als erster Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II vermerkt ist. Denn wenn er das Fahrzeug von einem privaten Vorbesitzer, der selbst Halter des Fahrzeugs war, in Deutschland erworben hätte, müsste dieser Vorbesitzer ebenfalls in der Zulassungsbescheinigung vermerkt sein und sich die Zahl der Vorhalter auf (mindestens) zwei belaufen. Gegen den Erwerb von einem privaten Verkäufer spricht darüber hinaus die Tatsache, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung davon sprach, dass das Fahrzeug bei seiner Besichtigung im Jahre 2014 ein rotes Überführungskennzeichen trug. Zudem hat der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat auf die Frage des Senats nach der Zulassungsbescheinigung Teil II und dem dort ersichtlichen Umstand, dass der Beklagte darin als erster Halter eingetragen ist, erklärt, er sei einfach mit den Papieren aus den USA zur Zulassungsstelle gegangen und habe dann diese Zulassungsbescheinigung bekommen. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug vorher nicht in Deutschland zugelassen war, denn sonst hätte das Fahrzeug bereits eine Konformitätsbescheinigung gehabt und der Beklagte nicht mit den „Papieren aus den USA“ zur Zulassungsstelle gehen müssen. Dass das Fahrzeug außer dem Beklagten und dem Erstnutzer in den USA keine weiteren Halter, insbesondere in Litauen, hatte, ergibt sich daraus, dass der Verkäufer als erster namentlich benannter Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen ist und bei der Zahl der vorherigen Halter die Zahl „1“ steht. Denn aus der Eintragung des Beklagten als einzigem Halter folgt, dass er die erste Person war, die das Fahrzeug in Deutschland zugelassen hat. Aus der Angabe der Zahl „1“ bei den Vorhaltern folgt, dass der Beklagte gegenüber der Zulassungsbehörde angegeben hatte, dass es nur einen Vorhalter im Ausland gab, da die Behörde einen Strich („–“) eintragen muss, wenn die Anzahl der Vorhalter nicht ermittelt werden kann.Dies stellt einen gewichtigen Umstand dafür dar, dass eine Pflicht bestand, auch ungefragt über die Erwerbsumstände beziehungsweise die Herkunft des Fahrzeugs aufzuklären. Ohne einen entsprechenden Hinweis geht ein Käufer nämlich davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug neu oder gebraucht vom vorherigen Halter unmittelbar aus den USA erworben hat, jedenfalls nicht, dass es bereits mindestens zwei Vorbesitzer gab und das Fahrzeug über Litauen importiert wurde.
Die sich so ergebende Aufklärungspflicht hat der Beklagte verletzt. Dass der Beklagte darüber aufgeklärt hat, dass das Fahrzeug aus den USA „reimportiert“ worden ist, erfüllt die Aufklärungspflicht nicht, weil die ausschlaggebende Tatsache fehlt, dass das Fahrzeug nicht von den USA nach Deutschland verbracht wurde, sondern es dazwischen noch einen Aufenthalt in Litauen hatte.
bb) Der Beklagte handelte auch arglistig. Der erforderliche Täuschungswille liegt vor. Sofern eine Täuschungshandlung – bei Bestehen einer Aufklärungspflicht durch Verschweigen – geeignet ist, den entstandenen Irrtum hervorzurufen und hierdurch den Entschluss zur Abgabe der Willenserklärung zu beeinflussen, reicht es hierfür, wenn der Handelnde sich der Eignung bewusst ist oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnet, der Gegner werde bei Kenntnis die Willenserklärung nicht oder nicht mit dem gewünschten Inhalt abgeben, und er gleichwohl die Handlung mit dem Willen vornimmt, den Irrtum hervorzurufen und den Gegner zur Abgabe der Willenserklärung zu veranlassen. Denn dann ist der – bereits bei bedingtem Vorsatz gegebene – Täuschungswille vorhanden, der die Arglist i. S. des § 123 I Fall 1 BGB kennzeichnet (BGH, Urt. v. 22.02.2005 – X ZR 123/03, juris Rn. 11). Der Verkäufer braucht keine betrügerische Absicht zu haben, sondern es reicht schon bedingter Vorsatz – im Sinne eines (bloßen) „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ – mit dem kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGH, Urt. v. 14.10.1993 – III ZR 156/92, BGHZ 123, 363 = juris Rn. 9).
(1) Nach diesen Maßstäben liegt Arglist aufseiten des Beklagten vor.
Den Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe das verunfallte Fahrzeug im Vergleich zu vergleichbaren nicht unfallvorgeschädigten Fahrzeugen besonders günstig und von einem dafür spezialisierten Verkäufer erworben, hat der Beklagte nicht ausreichend bestritten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Vortrag der Klägerin nicht als willkürlich „ins Blaue hinein“ unberücksichtigt gelassen werden. Falls die darlegungspflichtige Partei keinen Einblick in die Geschehensabläufe hat und ihr die Beweisführung deshalb erschwert ist, darf sie auch vermutete Tatsachen vortragen und unter Beweis stellen. Sie ist grundsätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (BGH, Beschl. v. 27.04.2022 – XII ZR 37/21, juris Rn. 10; Beschl. v. 21.04.2022 – I ZR 129/21, juris Rn. 15). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist (BGH, Beschl. v. 11.01.2022 – VIII ZR 33/20, juris Rn. 18). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist jedoch Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt sein können (BGH, Beschl. v. 11.01.2022 – VIII ZR 33/20, juris Rn. 18 m. w. Nachw.). Im Streitfall hatte die Klägerin vorgetragen und durch Vorlage von Auskünften von Recherchediensten samt Fotos des streitgegenständlichen Fahrzeugs substanziiert, dass das gegenständliche Fahrzeug im Juni 2013 den USA einen schweren Unfallschaden erlitten habe und im Oktober 2013 mit einem geschätzten Wert von 10.000 € in aus den USA nach Litauen gebracht worden ist. Diesen Vortrag hat der Beklagte nur pauschal und damit nicht ausreichend bestritten. Angesichts des konkreten Vortrags der Klägerin, der auch die Vorlage eines Berichts mit Fahrzeuggeschichte einer Auskunftei (Anlage K 5) sowie eines weiteren Berichts der Firma C (Anlage K 6) umfasst, einschließlich Fotos des erheblich beschädigten Fahrzeugs, hätte der Beklagte für ein wirksames Bestreiten konkrete Punkte angreifen müssen, zum Beispiel durch Erhebung von Einwendungen gegen den Inhalt und die Richtigkeit der vorgelegten Berichte. Damit liegen ohne Weiteres greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erwerb unter Umständen, die auf einen Unfallschaden hindeuten, erfolgt sein und die Beklagte arglistig gehandelt haben könnte.
Den Vortrag der Klägerin hat der Beklagte nicht ausreichend bestritten, er gilt daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Den Beklagten trifft nämlich eine sog. sekundäre Darlegungslast. Er kann sich daher, um rechtlich wirksam bestreiten zu können, nicht auf das bloße Bestreiten des klägerischen Vortrags zurückziehen, sondern hätte konkret zu den Umständen des Fahrzeugerwerbs vortragen müssen, insbesondere von welcher Person und unter welchen Bedingungen er das Fahrzeug erwarb.
Den Prozessgegner trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (BGH, Urt. v. 23.09.2022 – V ZR 148/21, juris Rn. 24).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Klägerin am Erwerb des Fahrzeugs durch den Beklagten nicht beteiligt war und daher auch keine Kenntnis hierüber haben kann. Sie kann sich eine solche Kenntnis auch nicht verschaffen, insbesondere nicht durch die Einholung einer Auskunft aus dem Zentralen Fahrzeugregister. Denn darin werden gemäß § 33 StVG Daten über die Person gespeichert, welche das Fahrzeug erstmals in Deutschland zulassen lässt, nicht aber die Daten des Veräußerers. Da ausweislich der von der Klägerin im Berufungszug vorgelegten Zulassungsbescheinigung Teil II der Beklagte das Fahrzeug am 30.01.2014 zugelassen hatte und die Bescheinigung für die erstmalige Zulassung des Fahrzeugs ausgegeben wurde, spricht nichts dafür, dass in dem Register Daten über andere Personen als dem Beklagten gespeichert sind.
Dem Beklagten als Prozessgegner sind auch nähere Angaben zu der relevanten Tatsache ohne Weiteres möglich und zumutbar. Dies ist für eine Prozesspartei in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (BGH, Urt. v. 15.08.2019 – III ZR 205/17, juris Rn. 23; Urt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 41/14, juris Rn. 17). Zwar darf sich eine Partei auf Nichtwissen berufen, wenn sie sich an einen lange zurückliegenden (Alltags-)Vorgang – nach der Lebenserfahrung glaubhaft – nicht mehr zu erinnern vermag (vgl. BGH, Urt. v. 19.04.2001 – I ZR 238/98, juris Rn. 28 – DIE PROFIS). Die bloße Behauptung, sich nicht zu erinnern, reicht indessen nicht aus (BGH, Beschl. v. 17.08.2015 – IV ZR 140/15, juris Rn. 13).
Nach diesen Grundsätzen war dem Beklagten näherer Vortrag zu den genauen Umständen des Erwerbs zumutbar. Der Senat hält seine Einlassung, sich nicht mehr an die Details des Ankaufs des Fahrzeugs durch ihn zu erinnern, für nicht hinreichend nachvollziehbar. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Ankauf im Jahr 2014, also vor fast acht Jahren erfolgt ist und damit lange zurückliegt, muss es sich für den Beklagten angesichts des hohen Preises von 35.000 € für das Fahrzeug sowie der Tatsache, dass er das Fahrzeug dann etwa vier Jahre in seinem Besitz hatte und auch nicht vorträgt, regelmäßig mit einer großen Anzahl von Fahrzeugen zu handeln, um einen besonderen und außergewöhnlichen Vorgang gehandelt haben, zu dem konkrete Erinnerungen noch erwartet werden können.
Das ergibt sich auch daraus, dass sich der Beklagte, in der Berufungsverhandlung persönlich angehört, an einzelne Details durchaus erinnern konnte, etwa dass er das Fahrzeug durch eine Internetanzeige bemerkt hatte, dass er zum Verkäufer „heruntergefahren“ sei, dass er sich für den Kauf der Hilfe einer weiteren Person bedient und ein Überführungskennzeichen benutzt hatte, der Verkäufer ein Mann war, der Beklagte keine Probefahrt gemacht hatte, er nicht über die Herkunft des Fahrzeugs gesprochen haben und auch nicht über den vom Verkäufer verlangten Preis weiter verhandelt haben will, das Fahrzeug in einer Siedlung an der Straße vorne bei dem Grundstück gestanden und er keine weiteren Fahrzeuge zum Verkauf gesehen habe.
Diesem Erinnern an vereinzelte Details des Ankaufs steht jedoch gegenüber, dass der Beklagten angegeben hat, sich an ebenso einprägsame oder deutlich einprägsamere Details des Ankaufs nicht zu erinnern. So hat er auch auf mehrfache und unterschiedliche Nachfragen des Senats nicht geschildert, in welcher Gegend er das Fahrzeug erworben hat. Er hat dazu zwar auf Nachfragen angegeben, der Ankauf sei im Süden Deutschlands erfolgt, er sei „runtergefahren“. Ob und welche größere Stadt in der Nähe gewesen und auf welchem Weg er zumindest ungefähr aus M. in den Süden gefahren sei, konnte er dagegen nicht schildern. Da er nach seinen Angaben nicht regelmäßig mit einer größeren Anzahl von Fahrzeugen handelt, erscheint das Fehlen jeglicher Erinnerung jedoch lebensnah nicht nachvollziehbar, zumal auch der Auskunft über den Ort des Ankaufs gebende Kaufvertrag nach Angaben des Beklagten nicht mehr auffindbar ist. Hinzu kommt, dass das Fahrzeug auch nach der Schilderung des Beklagten erstmals von ihm in Deutschland zugelassen worden ist. Da dem Beklagten als Kfz-Schlosser durchaus überdurchschnittliche Kenntnisse über Fahrzeuge unterstellt werden können, erscheint es nur wenig nachvollziehbar, wenn der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung angegeben hat, mit dem Verkäufer nicht über die Herkunft des Fahrzeuges gesprochen zu haben.
Dass sich der Beklagte auf der einen Seite Details des Ankaufs erinnert, auf der anderen Seite aber sich weder an Stadt noch Bundesland des Verkaufs oder weitere Details über den Verkäufer erinnern kann, ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um das Nichterinnern für den Senat nach der Lebenserfahrung nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Daher hat der Beklagte im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend vorgetragen, sodass das entgegenstehende Vorbringen der Klägerin unstreitig ist.
(2) Der Vorsatz des Beklagten erstreckte sich auch darauf, bei der Klägerin einen Irrtum hinsichtlich der Erwerbsumstände zu erregen und insoweit ihren Willen zum Vertragsschluss zu beeinflussen. Dass der Beklagte in den Verkaufsverhandlungen mitgeteilt hat, dass das Fahrzeug aus den USA „reimportert“ worden sei, lässt für den Senat den Rückschluss zu, dass ihm die Relevanz der Herkunft des Fahrzeugs für den Kaufentschluss der Klägerin bewusst war und daher das Verschweigen der Tatsache, dass er das Fahrzeug nicht von einem privaten Vorbesitzer, sondern einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hatte, in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Klägerin den Vertrag bei Offenbarung sonst nicht schließen werden würde.
cc) Die Täuschung war auch für den Vertragsschluss kausal. Die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Willenserklärung ist im Rahmen der Anfechtung nach § 123 I Fall 1 BGB schon dann gegeben, wenn die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre; es genügt also schon, wenn ohne die Täuschungshandlung das Geschäft erst später abgeschlossen worden wäre (BGH, Urt. v. 23.10.2014 – III ZR 82/13, juris Rn. 12; Urt. v. 22.01.1964 – VIII ZR 103/62, juris Rn. 14). Dass die Klägerin den Vertrag nicht, jedenfalls nicht zu dem Preis oder nach Durchführung weiterer Recherchen und damit später abgeschlossen hätte, ergibt sich daraus, dass sie vor dem Vertragsschluss das Fahrzeug besichtigte, Probe fuhr und dem Beklagten verschiedene Fragen zu dem Fahrzeug stellte, auch zu Unfallvorschäden und insoweit sogar zu Kratzern. Das reicht für den Rückschluss aus, dass sie bei der Offenbarung der genauen Umstände des Fahrzeugerwerbs durch den Beklagten den Vertrag nicht zu den tatsächlich erfolgten Bedingungen abgeschlossen hätte, sondern zunächst weiter nachgefragt hätte, zum Beispiel zum Preis, zur Person des Verkäufers oder zum – ihr nicht übergebenen – Kaufvertrag aus dem Jahr 2014.
c) Die Klägerin hat die Anfechtung auch erklärt. Insoweit hat sie unbestritten vorgetragen, mit vorgerichtlichem Schreiben vom 09.03.2021 wegen arglistiger Täuschung die Anfechtung erklärt zu haben; eine Erklärung des Rücktritts sei nur hilfsweise erfolgt.
d) Die Klägerin hat auch die Jahresfrist des § 124 I BGB eingehalten. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung gemäß § 124 II BGB mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Nicht ausreichend ist ein bloßes Kennenmüssen; auch ein bloßer Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.09.2011 – IV ZR 38/09, NJW 2012, 296 Rn. 46 – HEROS II). Darlegungs- und beweisbelastet für die Versäumung der Frist ist der Anfechtungsgegner (BGH, Urt. v. 11.03.1992 – VIII ZR 291/90, juris Rn. 18), also der Beklagte. Dieser hat aber nicht ausreichend dargelegt, dass die Klägerin schon vor dem Wildschaden im November 2020 von dem Import des Fahrzeugs aus den USA nach Litauen und einem Unfallschaden wusste. Insoweit hat er nicht ausreichend dargelegt und es ist für den Senat auch nicht aus anderen Gründen ersichtlich, dass und warum die vom Beklagten – unter hilfsweiser Zueigenmachung des klägerischen Vortrags unterstellten – angeführten Mängel (Fehlfunktion Bremslichter, Außenspiegel, Spureinstellung, Fehlermeldung „P049100 Sekundärluftsystem Bank1 Durchlauf zu gering“) bei der Klägerin dazu geführt hätten, dass sie auf den Import des Fahrzeugs aus den USA nach Litauen oder einen schweren Unfallschaden geschlossen hat.
e) Der Anspruch ist danach in Höhe des von der Klägerin gezahlten Kaufpreises entstanden. Im Rahmen des Anspruchs aus § 812 I 1 Fall 1, § 123 I Fall 1, § 142 I BGB, ist die sogenannte Saldotheorie zugunsten der Klägerin dahin gehend eingeschränkt, dass sie als Bereicherungsgläubigerin – etwaige – Zurückbehaltungsrechte beziehungsweise Gegenansprüche des Beklagten nicht bereits – etwa im Rahmen eines Antrages auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung – zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.1970 – VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144 = juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, juris Rn. 159; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.03.1992 – 15 U 260/91, NJW-RR 1992, 1144, 1145). Gegenansprüche des Beklagten werden daher nur berücksichtigt, soweit dieser solche in den Prozess eingeführt hat.
f) Der Anspruch ist in Höhe von 4.571,37 € aufgrund der in den Prozess eingeführten Hilfsaufrechnung untergegangen (§ 389 BGB). Dem Beklagten steht jedenfalls in dieser Höhe ein Anspruch gegen die Klägerin aus § 812 I 1 Fall 2, §§ 818 I, II, 100 BGB zu.
Die Klägerin ist durch die Nutzung des Fahrzeugs auf Kosten des Beklagten bereichert und muss hierfür Wertersatz leisten. Dieser ist rechnerisch auf der Grundlage einer linearen Abschreibung zu ermitteln. Auszugehen ist von der voraussichtlichen restlichen Laufleistung des Fahrzeugs bei Ankauf. Der Senat schätzt den Nutzungsvorteil gemäß § 287 I ZPO auf der Grundlage, dass das Fahrzeug bei Kauf eine Restlaufleistung von 221.892 km hatte. Bei Kauf betrug die Laufleistung 78.108 km und der Senat geht im Wege der Schätzung von einer Laufleistung von vergleichbaren Oberklassefahrzeugen von 300.000 km aus. Auf der Grundlage des im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils angegeben Kilometerstands von 195.017 km ergibt sich eine Nutzung von 116.909 km (also knapp der Hälfte der erwarteten Laufleistung) und damit auf Grundlage dieser Zahlen eine Nutzungsentschädigung von 11.327,78 €. Da dieser Betrag den im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Betrag erreicht, kann offenbleiben, ob der Vortrag des Beklagten zutrifft, dass das Fahrzeug eine höhere Laufleistung aufweisen müsse als von der Beklagten schriftsätzlich zugestanden.
Der Senat muss auch im Rahmen dieser Entscheidung von dem Kilometerstand von 195.017 km ausgehen. Denn diese Zahl ist im Tatbestand des angefochtenen Urteils als von der Klägerin behauptet ausgewiesen. Der Tatbestand erbringt gemäß § 314 Satz 1 ZPO Beweis dafür, dass in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung diese Zahl von der Klägerin vorgetragen worden ist. Tatbestandliche Feststellungen im angefochtenen Urteil, die nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen worden sind, sind für das Berufungsgericht bindend (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021 – I ZR 137/20, juris Rn. 27 – Kaffeebereiter). Dem Tatbestand kommt zwar keine Beweiskraft nach § 314 Satz 1 ZPO zu, wenn und soweit er Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist, die sich aus dem Urteil selbst ergeben (BGH, Urt. v. 17.04.2014 – II ZR 265/16, NJW-RR 2018, 873 Rn. 18). Solche Widersprüche zum Kilometerstand enthält das Urteil aber nicht. Lassen sich die Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten dagegen nur durch Rückgriff auf – gemäß § 313 II 2 ZPO allgemein in Bezug genommene – vorbereitende Schriftsätze darstellen, bleibt es bei der Beweiswirkung des § 314 Satz 1 ZPO und dem Grundsatz, dass der durch den Tatbestand des Urteils erbrachte Beweis nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann (BGH, Urt. v. 12.05.2015 – VI ZR 102/14, NZG 2015, 1432 Rn. 48). Zwar muss das Berufungsgericht von einem in der Berufungsinstanz erfolgten vom Tatbestand abweichenden Vortrag ausgehen, wenn die Parteien diese Tatsache in der zweiten Instanz übereinstimmend anders darstellen. Denn der Tatbestand erbringt nach § 314 Satz 1 ZPO Beweis nur für das mündliche Parteivorbringen in der jeweiligen Instanz, schließt aber abweichenden Vortrag in einer höheren Instanz – in den Grenzen der §§ 530, 531 ZPO – nicht aus (BGH, Urt. v. 19.06.2021 – III ZR 38/20, juris Rn. 19). Eine solche übereinstimmend andere Darstellung liegt im Streitfall aber nicht vor. Der Beklagte hat zwar auf den Vortrag der Klägerin in der zweitinstanzlichen Verhandlung, sie könne sich den im Tatbestand genannten Kilometerstand nicht erklären, in der mündlichen Verhandlung nicht reagiert. Da er aber schon in der ersten Instanz mit konkreter Begründung die von der Klägerin schriftsätzlich vorgetragene Kilometerangabe bestritten hatte, folgt aus einem solchen Schweigen nicht, dass er nunmehr von seinem erstinstanzlichen Vortrag abweichend den geringeren Kilometerstand gemäß § 138 III ZPO zugestehen wollte.
g) Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Da Kaufvertrag und Übergabe im Jahr 2018 erfolgt sind, wäre die dreijährige Frist des § 195 BGB bei Klageerhebung im Jahr 2021 selbst dann noch nicht abgelaufen, wenn die Verjährung gemäß § 199 I BGB schon mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen begonnen hätte.
2. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 I 1, II Nr. 3; § 288 1 BGB, wobei in dem Schreiben des Beklagten vom 24.03.2021 eine endgültige und ernsthafte Zahlungsverweigerung liegt (§ 286 II Nr. 3 BGB).
3. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist aufgrund des schutzwürdigen Interesses der Klägerin, den für die Vollstreckung nach § 756 I, § 765 Nr. 1 ZPO erforderlichen Nachweis des Annahmeverzugs bereits im Erkenntnisverfahren erbringen zu können (BGH, Urt. v. 31.05.2000 – XII ZR 41/98, juris Rn. 22 ff.), mit Ausnahme des hierfür nicht maßgeblichen Beginns des Annahmeverzugs zulässig.
Der Annahmeverzug ergibt sich aus §§ 293, 295 BGB. Ein wörtliches Angebot liegt in dem Schreiben vom 09.03.2021. Der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin in diesem Schreiben zu viel gefordert habe und ein Annahmeverzug deswegen ausgeschlossen sei, bleibt ohne Erfolg. Zwar führt ein wörtliches Angebot auf Rückgabe des Fahrzeugs nicht zum Annahmeverzug, wenn es an eine unberechtigte Bedingung geknüpft ist, etwa an die Rückzahlung des Kaufpreises in einem Umfang, der die Schadensersatzpflicht des Beklagten erheblich übersteigt (BGH, Urt. v. 20.04.2021 – VI ZR 521/19, juris Rn. 7), wobei sich dies auch daraus ergeben kann, dass eine Nutzungsentschädigung nicht von der Forderung abgezogen wird (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2020 – VI ZR 573/20, juris Rn. 4). Hier liegt aber keine unberechtigte Zuvielforderung der Klägerin vor, weil ein bereicherungsrechtlicher Anspruch geltend gemacht wurde und bei einer arglistigen Täuschung aus den oben genannten Gründen die sogenannte Saldotheorie dahin gehend eingeschränkt ist, dass die Klägerin als Bereicherungsgläubigerin – etwaige – Zurückbehaltungsrechte beziehungsweise Gegenansprüche der Beklagten nicht bereits – etwa durch Abzug von dem Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung – zu berücksichtigen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, juris Rn. 159; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.03.1992 – 15 U 260/91, NJW-RR 1992, 1144, 1145). Ihr stand daher vor der Aufrechnungserklärung im Prozess ein Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises zu.
4. Der weitere Antrag, den Beklagten zur Zahlung von 1.132,71 € – zusammengesetzt aus 315,60 € Fahrtkosten und vergeblichen Aufwendungen in Höhe von 817,11 € für das Fahrzeug – zu verurteilen, ist nur in Höhe von 316,48 € begründet. Die Klägerin hat nur in dieser Höhe einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung für vergebliche Aufwendungen.
a) Der Anspruch ergibt sich aus §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB. Zwischen den Parteien bestand aufgrund der Verhandlungen über den Kauf des Fahrzeugs ein vorvertragliches Schuldverhältnis. Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt darin, dass er bei den ersten Vertragsverhandlungen und der Probefahrt die Herkunft des Fahrzeugs und die Modalitäten seines eigenen Ankaufs nicht offengelegt hat.
Hat – wie hier – der Beklagte aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung die Unwirksamkeit des Vertrags zu vertreten, weil der Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist, so ist der Anfechtende so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ohne die Pflichtverletzung der Vertrag nicht zustande gekommen wäre. Die Klägerin kann dann im Rahmen des zu ersetzenden Vertrauensschadens auch Ersatz ihrer nutzlosen Aufwendungen verlangen. Hierzu zählen alle Aufwendungen, die sie im Hinblick auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags und die fortbestehende Nutzbarkeit des Fahrzeugs gemacht hat (OLG Braunschweig, Urt. v. 06.11.2014 – 8 U 163/13, juris Rn. 73).
aa) Nach diesem Grundsatz kann die Klägerin 265,30 € für die Abholung und Überführung des Fahrzeugs verlangen. Der Senat schätzt im Rahmen des § 287 I ZPO die Höhe der Kosten auf diesen Betrag. Insoweit legt er der Berechnung mindestens die geltend gemachten 0,30 € pro Kilometer zugrunde (vgl. OLG Celle, Urt. v. 19.02.2020 – 14 U 69/19, juris Rn. 43; LG Hamburg, Urt. v. 16.11.2018 – 306 S 49/17, juris Rn. 39 in Anlehnung an § 5 I Nr. 2 JVEG). Soweit der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass die Klägerin tatsächlich von ihrem Wohnsitz aus angereist sei, und geltend macht, er kenne den Wohnsitz auch nicht, hält der Senat den entsprechenden Vortrag unter Berücksichtigung des Beweismaßes des § 287 I ZPO und der Tatsache, dass der Wohnsitz der Klägerin Eingang in die Kaufvertragsurkunde, vorgelegte Rechnungen an die Klägerin und die Zulassungsbescheinigung Teil II gefunden hat, sowie, dass ein alternativer Ort, von dem die Anreise erfolgt sein soll, nicht konkret vorgetragen und die Anreise vom Wohnsitz grundsätzlich naheliegt, nach freier Überzeugung für wahr.
bb) Die Klägerin kann auch weitere Kosten in Höhe von insgesamt 51,18 € ersetzt verlangen. Der Anspruch ist in Höhe von 97,14 € enstanden, nämlich 35 € für Kennzeichen und insgesamt 62,14 € für einen PCD-Sensor (19,19 €) nebst Kabelbaum (42,95 €). Zum Umfang eines entstandenen Schadens bei ungewolltem Fahrzeugerwerb gehören grundsätzlich auch Kosten für Sonderausstattungen und fahrzeugtypspezifisches Zubehör (BGH, Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 291/20, VersR 2022, 324 Rn. 11; Urt. v. 15.12.2022 – VII ZR 177/21, juris Rn. 16). Soweit der Beklagte diese mit der Klageerwiderung bestreitet, wendet er sich ersichtlich gegen die Ersatzpflicht in rechtlicher Hinsicht und bestreitet nicht die tatsächlichen Grundlagen. Diese sind im Übrigen durch mit der Klageschrift vorgelegten Belege ausreichend nachgewiesen. Den so entstandenen Anspruch muss sich die Klägerin aber kürzen lassen. Im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung ein auf das Zubehör entfallender Nutzungsvorteil auf den Erstattungsanspruch der Klägerin anzurechnen, ohne dass es einer entsprechenden Gestaltungserklärung oder Einrede des Beklagten bedarf (BGH, Urt. v. 15.12.2022 – VII ZR 177/21, juris Rn. 17). Der entstandene Schadensersatzanspruch wegen der Zubehörkosten in Höhe von 97,14 € ist daher ausgehend von der erwarteten Restlaufleistung und der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs um 45,96 € auf 51,18 € zu kürzen.
b) Keinen Ersatz kann die Klägerin dagegen für die Zündkerze, den Außenspiegel, die Abdeckung für den Türgriff und die LED-Rückleuchte verlangen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Aufwendungen des Geschädigten, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten gehören, wie Gebühren einer Hauptuntersuchung, Inspektionskosten, Verbrauchsmaterialien, Kosten des Austauschs von Verschleißteilen, Reparaturen oder Kosten einer Ersatzbatterie, nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte das Fahrzeug wie vorgesehen genutzt hat (BGH, Urt. v. 15.12.2022 – VII ZR 177/21, juris Rn. 19). Bei der Zündkerze handelt es sich offensichtlich um ein Verschleißteil. Beim Außenspiegel, Abdeckung für den Türgriff und die LED-Rückleuchte ist zwar nicht offensichtlich, ob es sich um Kosten für Sonderausstattung oder Kosten für den Austausch von Verschleißteilen handelt. Dass nach den Belegen der Klägerin die Außenspiegel im August 2020, die Abdeckung für den Türgriff im Juni 2020, die LED-Rückleuchten erst Mitte November 2020 beschafft wurden, also zwei Jahre nach dem Erwerb, spricht eher für den Austausch von verschlissenen Teilen als für die Anschaffung von Sonderzubehör. Diese Unklarheit geht zulasten der Klägerin, die für den Umfang ihres Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweisbelastet ist, aber trotz Rüge des Beklagten in der Klageerwiderung zu diesen Punkten nicht weiter vorgetragen hat.
Ebenfalls nicht ersetzt werden müssen die Kosten für die erste Fahrt zur Besichtigung. Da die Pflichtverletzung des Beklagten darin zu sehen ist, dass er bei der ersten Besichtigung insbesondere auch aufgrund der Rückfragen der Klägerin zu etwaigen Unfallschäden nicht über die hier relevanten Punkte aufgeklärt hat, kann die erste Fahrt, zu der sich die Klägerin schon vorher entschlossen hatte, nicht auf diese Pflichtverletzung zurückgeführt werden.
5. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt ebenfalls aus §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB. Er besteht der Höhe nach aber nur aus einem Gegenstandswert von bis zu 22.000 €, da nur insoweit berechtigte Forderungen bestanden. Da die Klägerin nichts dazu vorträgt, wann sie ihre Prozessbevollmächtigten beauftragt hat, muss der Senat außerdem unterstellen, dass die Beauftragung noch auf Grundlage des bis Ende 2020 geltenden Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erfolgt, sodass Gebühren nur in Höhe von 1.171,67 € berechtigt sind.
Der Zinsanspruch folgt aus § 286 I 1, II Nr. 3, § 288 I BGB. Insoweit spielt es auch keine Rolle, ob die Klägerin die Rechnung ihres Prozessbevollmächtigten bereits am 24.03.2021 bezahlt hat und deswegen zunächst nur ein Freistellungsanspruch gegen den Beklagten bestand. Verweigert ein Schuldner die Freistellung ernsthaft und endgültig, geht der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch über (BGH, Urt. v. 26.01.2012 – VII ZR 154/10, juris Rn. 25). Das Bestreiten des Bestehens der Hauptforderung ist zugleich als Verweigerung jeglichen Ersatzes von Rechtsanwaltsgebühren zu sehen (OLG Hamburg, Urt. v. 03.02.2010 – 4 U 17/09, juris Rn. 58). …