Ein Gebrauchtwagenhändler handelt arglistig, wenn er dem Käufer eines Fahrzeugs verschweigt, dass er dieses Fahrzeug von einem ihm unbekannten „fliegenden“ Zwischenhändler erworben hat. Denn der kurzfristige Ankauf des Pkw durch den Zwischenhändler und der anschließende, aus den Kraftfahrzeugpapieren nicht ersichtliche Weiterverkauf an den Beklagten sind Umstände, die für die Kaufentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind, zumal in einer solchen Konstellation der auf dem Tachometer abzulesenende Kilometerstand für die tatsächliche Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs keine nennenswerte Bedeutung mehr hat.

OLG Bremen, Urteil vom 08.10.2003 – 1 U 40/03

Sachverhalt: Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 10.08.2001 kaufte der Kläger von dem Beklagten – einem gewerblichen Gebrauchtwagenhändler – einen Pkw BMW 525tds touring zu einem Preis von 21.500 DM. Die Gewährleistung wurde formularmäßig ausgeschlossen. In dem Kaufvertrag heißt es: „abgelesener k.m.-Stand: 123.000“. Unstreitig betrug die tatsächliche Laufleistung des verkauften Pkw jedoch 284.000 km. Der Wagen war im November 1995 erstmals zugelassen worden.

Kurz vor Abschluss des Kaufvertrags der Parteien war der Pkw von dem damaligen Eigentümer E am 16.07.2001 an das Autohaus A mit einem Kilometerstand von 284.000 zu einem Preis von 6.644,74 DM (netto) in Zahlung gegeben worden. Die entsprechende Rechnung des Autohauses A weist den genannten Kilometerstand ausdrücklich aus. Nach der Behauptung des Beklagten hat er den an den Kläger verkauften Pkw jedoch nicht von dem Autohaus A erworben, sondern von einem Herrn X, und zwar am 06.08.2001. In dem von dem Beklagten vorgelegten Kaufvertrag zwischen ihm und Herrn X ist die Adresse des Verkäufers nicht vollständig angegeben; als abgelesener Kilometerstand ist in dem Kaufvertrag „123.000“ notiert.

Die Tatsache des sehr kurzfristig erfolgten Zwischenerwerbs, die aus den Fahrzeugpapieren nicht ersichtlich ist, sowie die näheren Umstände des von dem Beklagten behaupteten Kaufs am 06.08.2001 teilte der Beklagte dem Kläger nicht mit.

Der Kläger verlangt unter Hinweis auf die tatsächliche Laufleistung des von ihm erworbenen Pkw (284.000 km) von dem Beklagten Schadensersatz, den er wie folgt berechnet: Bei der tatsächlichen Laufleistung von 284.000 km betrage der Wert des Pkw allenfalls 6.644,74 DM. Er habe mithin einen um 14.855,26 DM (= 7.595,37 €) zu hohen Kaufpreis gezahlt. Da der Kläger im Ergebnis so zu stellen sei, als habe die Laufleistung des Pkw am 10.08.2001 tatsächlich nur 123.000 km betragen, müsse der Beklagte ihm 7.595,37 € als Schadensersatz zahlen.

Mit Urteil vom 03.06.2003 hat das LG Bremen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Anspruchsgrundlage für die Forderung des Klägers sei nicht ersichtlich. Insbesondere habe der Beklagte dem Kläger keine Zusicherung hinsichtlich der Laufleistung des verkauften Pkw gegeben. Auch ein arglistiges Verhalten des Beklagten liege nicht vor. Die Berufung des Klägers war überwiegend erfolgreich.

Aus den Gründen: Der Beklagte haftet dem Kläger unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags auf Schadensersatz nach § 463 Satz 2 BGB a.F., weil er dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags einen Fehler des Pkw arglistig verschwiegen hat.

Ein Fehler eines gebrauchten Kraftfahrzeugs (§ 459 I BGB a.F.) liegt vor, wenn der Stand des Kilometerzählers mit der wirklichen Fahrleistung nicht übereinstimmt und der Käufer von der Richtigkeit des angezeigten Kilometerstandes im Sinne einer Gesamtfahrleistung ausgehen durfte. Es gehört nämlich zu den Normaleigenschaften eines gebrauchten Kraftfahrzeuges, nicht wesentlich mehr gefahren zu sein, als der Kilometerzähler anzeigt (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 1284 unter Hinweis auf OLG Nürnberg, Urt. v. 25.02.2002 – 5 U 4250/01).

Der Kläger hatte im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt, dass die in dem Kaufvertrag vom 10.08.2001 genannte Laufleistung von 123.000 km nicht der ungefähren tatsächlichen Laufleistung des erstmals im November 1995 zugelassenen Pkw entsprach.

Aufgrund des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses kommt eine Haftung des Beklagten jedoch nur dann in Betracht, wenn dieser den Fehler der Kaufsache arglistig verschwiegen hat.

Bei einer Täuschung durch arglistiges Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer einen Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet oder billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ reduziert sind (BGH, NJW-RR 1997, 270 m. w. Nachw.). Offenbarungspflichtig ist ein gewerbsmäßiger Kraftfahrzeugverkäufer über solche Umstände, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und daher insbesondere auch für die Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sein können, vorausgesetzt, dass der Käufer die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten darf (BGH, NJW 1974, 849 ff.).

Die Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der Beklagte den Kläger mit zumindest bedingtem Vorsatz über Umstände getäuscht hat, die zur Vereitelung des Vertragszweckes geeignet waren und für den Kaufentschluss des Klägers wesentliche Bedeutung hatten.

Unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags hat der Beklagte dem Kläger nämlich verschwiegen, dass er den an den Kläger am 10.08.2001 verkauften Pkw BMW vier Tage zuvor von einem ihm persönlich unbekannten „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hatte, dessen genaue Adresse dem Beklagten nicht einmal bekannt war. Dieser Zwischenhändler hatte das Fahrzeug seinerzeit allenfalls drei Wochen zuvor von dem Autohaus A erworben. Der kurzfristige Ankauf des Pkw durch den Zwischenhändler und der anschließende, aus den Kraftfahrzeugpapieren nicht ersichtliche Weiterverkauf an den Beklagten waren Umstände, die für die Kaufentscheidung des Klägers von wesentlicher Bedeutung waren, zumal bei der vorliegenden Fallkonstellation eine Manipulation an dem Tacho des Pkw in Betracht kam, und deshalb der auf dem Tachometer abgelesene Kilometerstand für die tatsächliche Gesamtfahrleistung des Pkw keine nennenswerte Bedeutung mehr haben konnte. Da der Kläger nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte, dass er darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass die Tachoanzeige aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles für die Gesamtfahrleistung des von ihm erworbenen Fahrzeugs möglicherweise keine Bedeutung hatte, hätte der Beklagte ihn vor Abschluss des Kaufvertrags mit dem Kläger ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass er … den Pkw wenige Tage zuvor von einem Zwischenhändler, dessen genaue Adresse im Kaufvertrag nicht angegeben war, erworben hatte. Dem Kläger wäre dann deutlich geworden, dass der Hinweis in dem Kaufvertrag mit dem Beklagten auf den abgelesenen Kilometerstand für die Gesamtfahrleistung des Pkw möglicherweise keine nennenswerte Aussagekraft hatte. Da der Beklagte die Tatsache und die näheren Umstände des Zwischenerwerbs kannte, handelte er arglistig, indem er den Kläger über die Einzelheiten des Zwischenerwerbs nicht informierte.

Der Beklagte ist dem Kläger mithin – wie eingangs ausgeführt – zum Schadensersatz nach § 463 Satz 2 BGB a.F. verpflichtet. Der Käufer, der die gekaufte Sache behält, kann verlangen, so gestellt zu werden, als ob gehörig erfüllt wäre, also Ersatz des Wertunterschiedes zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache beanspruchen (BGHZ 108, 156).

Dass der gekaufte Pkw bei einer Laufleistung von 284.000 km einen Wert von allenfalls 6.644,74 DM netto gehabt hätte, hat der Beklagte nicht substanziiert bestritten. Für seine Darstellung kann der Kläger die Rechnung des Autohauses A vom 16.07.2001 in Anspruch nehmen. Der Beklagte hat insoweit lediglich pauschal behauptet, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe nicht zu. Angesichts der vorgelegten Rechnung des Autohauses A reicht dieses pauschale Bestreiten nicht aus, zumal der Beklagte als gewerblicher Gebrauchtwagenhändler über ausreichende Fachkenntnisse hinsichtlich der Bewertung von gebrauchten Fahrzeugen verfügt.

Allerdings weist die Rechnung des Autohauses A den Preis des Fahrzeugs in Höhe von 6.644,74 DM ausdrücklich als Nettopreis aus. Bei der Berechnung des Schadens des Klägers ist jedoch von einem Bruttopreis auszugehen, weil der Kläger bei dem Erwerb des Pkw durch einen Händler 16 % Mehrwertsteuer auf den Nettokaufpreis hätte zahlen müssen, also 7.707,90 DM. Da der Kaufpreis des Pkw bei einer Laufleistung von 123.000 km 21.500 DM betragen hätte und bei einer Laufleistung von 284.000 km lediglich 7.707,90 DM betrug, ergibt sich ein Schaden des Klägers in Höhe von 13.792,10 DM (= 7.051,76 €). Diesen Betrag hat der Beklagte dem Kläger als Schadensersatz zu zahlen …

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