1. Dass beide Parteien eines Kaufvertrags (hier: über eine gebrauchte Motoryacht) von einem sehr guten Wartungszustand der Kaufsache ausgehen, begründet jedenfalls dann keine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB, wenn der Verkäufer dem Käufer – hier: durch Übergabe der Rechnungen – offenlegt, welche Wartungsarbeiten in der Vergangenheit im Einzelnen durchgeführt worden sind, und keine Partei beurteilen kann, ob in Gestalt dieser Wartungsarbeiten alles Erforderliche unternommen worden ist und sämtliche Wartungsintervalle eingehalten worden sind. Denn in einem solchen Fall will der Verkäufer ersichtlich nicht dafür einstehen, dass alle jeweils erforderlichen Wartungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt worden sind.
  2. Ein neben einer Beschaffenheitsvereinbarung vereinbarter Gewährleistungsausschluss ist dahin auszulegen, dass er nicht für einen Mangel i. S. von § 434 I 1 BGB, sondern nur für Mängel i. S. von § 434 I 2 BGB gelten soll (im Anschluss an BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 22 m. w. Nachw.). Denn würde sich der Gewährleistungsausschluss auch auf das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit erstrecken, wäre die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer ohne Sinn und Wert.

LG Flensburg, Urteil vom 30.04.2021 – 2 O 19/20

Sachverhalt: Der Beklagte übergab und übereignete dem Kläger auf der Grundlage eines am 02.07.2019 geschlossenen schriftlichen Kaufvertrags eine 2009 gebaute Motoryacht. Diese hatte der Beklagte während seiner Besitzzeit jeweils am Ende der Saison warten lassen. Über diese Wartungen hatte der Beklagte den Kläger bei den Vertragsverhandlungen informiert und ihm angeboten, mit dem Unternehmen, das die Motoryacht regelmäßig gewartet hatte, Kontakt aufzunehmen. Außerdem übergab er dem Kläger die Rechnungen über die durchgeführten Wartungsarbeiten. Beide Parteien gingen von einem sehr guten Wartungszustand der Motoryacht aus; ein „Scheckheft“ für diese existiert nicht.

Bis zur Übergabe der Motoryacht an den Kläger war der Zahnriemen nie ausgetauscht worden.

Mit Schreiben vom 28.10.2019 forderte der – anwaltlich vertretene – Kläger den Beklagten unter Hinweis auf einen Motorschaden zur Nachbesserung der Motoryacht auf. Dafür setzte er dem Beklagten eine Frist bis zum 15.11.2019. Nachdem der – ebenfalls anwaltlich vertretene – Beklagte eine Nacherfüllung abgelehnt hatte, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28.11.2019 den Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag. Anschließend ließ er die Motoryacht reparieren.

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Rückabwicklung des Kaufvertrags (Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 155.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Motoryacht) und den Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten verlangt. Später hat er die Klage mit Blick auf die Reparatur dahin geändert, dass er statt der Rückabwicklung des Kaufvertrags den Ersatz der Reparaturkosten (24.872,44 € nebst Zinsen) geltend gemacht hat. Darüber hinaus hat der Kläger den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (2.743,43 € nebst Zinsen) und die Feststellung verlangt, dass der Beklagte ihm sämtliche weiteren Schäden ersetzen müsse.

Der Kläger hat behauptet, dass die Motoryacht am 27.08.2019 einen Motorschaden erlitten habe, der auf ein Versagen der Spannrolle des Zahnriemens zurückzuführen sei. Dieser hätte spätestens nach acht Jahren ausgetauscht werden müssen. Wäre dies ordnungsgemäß geschehen, dann wäre der Motorschaden nicht eingetreten. Auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss – so hat der Kläger geltend gemacht – könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Denn er habe mit ihm, dem Kläger, eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) des Inhalts getroffen, dass der Wartungszustand der Motoryacht sehr gut, diese gleichsam „scheckheftgepflegt“ sei.

Der Beklagte hat behauptet, ein Austausch des Zahnriemens sei erst nach 1.400 Betriebsstunden notwendig, die bei Weitem nicht erreicht gewesen seien. Der Zustand des Zahnriemens bei der letzten Wartung vor dem Verkauf der Motoryacht den den Kläger habe auch keine Veranlassung für einen Austausch gegeben.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist … zulässig, aber unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Es kann dahinstehen, ob die Umstellung der Klage von der Rückabwicklung auf Schadensersatz als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist. Denn die Klagänderung ist jedenfalls auch sachdienlich i. S. des § 263 ZPO, da eine Geltendmachung des nunmehr begehrten Schadensersatzes in einem gesonderten Prozess nicht prozesswirtschaftlich wäre, zumal der Streit der Parteien über die Mangelhaftigkeit des Bootes und die Reichweite des Gewährleistungsausschlusses unabhängig von den aus der Mangelhaftigkeit abgeleiteten Folgen derselbe bleibt.

Für den Feststellungsantrag besteht ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 I ZPO, da die Schadensentwicklung nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers nicht abgeschlossen ist.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 24.872,44 € gemäß §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB.

Zwischen den Parteien besteht ein Kaufvertrag i. S. des § 433 BGB über die streitgegenständliche Motoryacht.

Es kann dahinstehen, ob diese Motoryacht im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war, weil der Zahnriemen zu diesem Zeitpunkt bereits hätte ausgetauscht werden müssen und die Motoryacht sich daher nicht in einem ordnungsgemäßen Wartungszustand befand. Denn eine Geltendmachung von Rechten durch den Kläger aufgrund dieses Mangels ist durch den zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen.

Der Gewährleistungsausschluss ist nicht gemäß § 444 BGB unbeachtlich, weil unstreitig der Beklagte einen Wartungsmangel weder arglistig verschwiegen noch eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

Der Gewährleistungsausschluss würde auch dann keine Wirkung entfalten, wenn ein Mangel dahin gehend vorläge, dass eine vereinbarte Beschaffenheit tatsächlich nicht vorhanden wäre. Denn im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung ist ein Gewährleistungsausschluss dahin gehend auszulegen, dass dieser sich von vornherein nicht auf die vereinbarte Beschaffenheit erstreckt, da diese anderenfalls wertlos wäre (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 22 m. w. Nachw.).1Gemeint ist, dass sich der Gewährleistungsausschluss nicht auf das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit erstreckt, weil andernfalls die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer ohne Sinn und Wert wäre.

Nach Auffassung der Kammer haben die Parteien einen ordnungsgemäßen Wartungszustand jedoch nicht unabhängig von dem Gewährleistungsausschluss als Beschaffenheit vereinbart.

Für die Frage, was als Beschaffenheit vereinbart wurde, sind die wechselseitigen Erklärungen der Parteien auszulegen. Gemäß § 133 BGB ist dabei der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Gemäß § 157 BGB sind ferner Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Maßgeblich ist die objektive Sichtweise einer Person in der Position des Erklärungsempfängers (objektiver Empfängerhorizont).

Beide Parteien gingen von einem sehr guten Wartungszustand des Bootes aus. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Umstand, dass alle erforderlichen Wartungsarbeiten ausgeführt wurden, zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung zu machen. Hintergrund der Erwartung eines ordnungsgemäßen Wartungszustands der Parteien war, dass der Beklagte die Motoryacht regelmäßig in die Wartung gegeben und selbst keine Probleme gehabt hatte. Der Beklagte legte dem Kläger offen, welche Arbeiten durchgeführt worden waren, indem er die Rechnungen über die ausgeführten Wartungsarbeiten übergab. Dabei konnte der Beklagte ebenso wenig wie der Kläger als fachlicher Laie erkennen, ob mit diesen Arbeiten alle erforderlichen Wartungsintervalle eingehalten wurden. Insbesondere existiert für die Motoryacht kein Scheckheft, aus dem für den Beklagten bestimmte Wartungsintervalle ersichtlich gewesen wären und in dem die Ausführung der turnusmäßig erforderlichen Wartungsarbeiten etwa durch Ankreuzen vermerkt worden wäre. Der Beklagte verwies für weitere Informationen zu dem Motor auf eine Kontaktaufnahme zu dem Unternehmen, das die Wartungsarbeiten ausgeführt hatte. Von einem redlichen Verkäufer ist nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht zu erwarten, dass dieser eine Beschaffenheit anbietet, die er selbst nicht überprüfen kann. Aus den Umständen des Vertragsschlusses war für den Kläger ersichtlich, aufgrund welcher Begebenheiten der Beklagte von einem guten Wartungszustand der Motoryacht ausging. Der Kläger selbst teilte offenbar diese Einschätzung und nahm ebenfalls einen guten Wartungszustand an. Gleichzeitig war ersichtlich, dass es sich lediglich um eine laienhafte Einschätzung handelte. Für den Kläger war erkennbar, dass der Beklagte nicht selbst überprüfen konnte, ob das mit der Wartung beauftragte Unternehmen alle erforderlichen Arbeiten ordnungsgemäß ausgeführt hat. Indem die Rechnungen über die ausgeführten Arbeiten übergeben wurden, hatten beide Parteien denselben Kenntnisstand darüber, was tatsächlich überarbeitet wurde. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist das Verhalten des Beklagten daher lediglich so zu verstehen, dass die aus den übergebenen Rechnungen ersichtlichen Wartungsarbeiten ausgeführt wurden und dass der Beklagte selbst davon ausging, dass damit alles Erforderliche getan sei. Mehr konnte der Beklagte nicht versprechen, weshalb davon auszugehen ist, dass er auch nicht mehr versprechen wollte. Nur dies konnte damit Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung werden, nicht aber die tatsächliche ordnungsgemäße Ausführung aller erforderlichen Wartungsarbeiten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.06.1992 – 22 U 260/91).

2. Aus denselben Gründen, aus denen der geltend gemachte Hauptanspruch nicht besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.743,43 € gemäß §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB und auf die Zahlung von Zinsen gemäß §§ 291, 288 I 2 BGB.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I, 91a I ZPO. Soweit der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat, hat der Beklagte der Erledigungserklärung nicht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen widersprochen. Die Ausführungen in dem nach dem festgesetzten Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen Schriftsatz versteht die Kammer im Übrigen auch nicht als Widerspruch gegen die Erledigungserklärung als solche, sondern als Verwahrung gegen die Kostenlast, die erfolgreich ist. Die Kosten des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits sind gemäß § 91a I ZPO dem Kläger aufzuerlegen, da die ursprünglich begehrte Rückabwicklung aus denselben Gründen erfolglos gewesen wäre, aus denen auch kein Schadensersatzanspruch besteht. …

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