Zur Haf­tung der Daim­ler AG we­gen der sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung ei­nes Fahr­zeug­käu­fers, des­sen Fahr­zeug von ei­nem durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten ver­pflich­ten­den – Rück­ruf be­trof­fen ist, weil dar­in ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in Ge­stalt ei­ner Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung zum Ein­satz kommt.

LG Saar­brü­cken, Ur­teil vom 09.04.2021 – 12 O 320/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die be­klag­te Daim­ler AG als Her­stel­le­rin sei­nes Fahr­zeugs, ei­nes am 21.06.2013 erst­zu­ge­las­se­nen Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI 4MA­TIC, mit der Be­haup­tung auf Scha­dens­er­satz in An­spruch, dass in dem Pkw ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zum Ein­satz kom­me.

Das in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug, das sei­ner­zeit ei­ne Lauf­leis­tung von 49.063 km hat­te, er­warb der Klä­ger von der Be­klag­ten auf der Grund­la­ge ei­ner Be­stel­lung vom 27.11.2014 zum Preis von 35.000 €; es wur­de ihm am 03.12.2014 über­ge­ben.

Zur Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses schloss der Klä­ger mit der B-Bank AG am 27.11.2014 ei­nen von der Be­klag­ten ver­mit­tel­ten Dar­le­hens­ver­trag. Da­nach soll­te der Klä­ger – un­ter Be­rück­sich­ti­gung ei­ner An­zah­lung von 12.000 € – ab Ja­nu­ar 2015 36 Ra­ten in Hö­he von je­weils 214,46 € und ei­ne im De­zem­ber 2017 fäl­li­ge Schluss­ra­te von 17.850 € zah­len. Der Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI 4MA­TIC wur­de der B-Bank AG zur Si­che­rung der Dar­le­hens­schuld über­eig­net.

Ge­mäß ei­ner eben­falls am 27.11.2014 zu­stan­de ge­kom­me­nen „Zu­satz­ver­ein­ba­rung über die Rück­kauf­be­din­gun­gen ei­nes Pkw im Rah­men der Plus3-Fi­nan­zie­rung – Ver­brau­cher“ ver­pflich­te­te sich die Be­klag­te, das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug auf Wunsch des Klä­gers bei Fäl­lig­keit der letz­ten Dar­le­hens­ra­te zu­rück­zu­kau­fen. Der Rück­kauf­preis wur­de ba­sie­rend auf ei­ner Lauf­leis­tung von 109.063 km auf 17.850 € fest­ge­legt.

Hin­sicht­lich der im De­zem­ber 2017 fäl­li­gen Schluss­ra­te in Hö­he von 17.850 € schloss der Klä­ger am 15.11.2017 ei­nen wei­te­ren Dar­le­hens­ver­trag mit der B-Bank AG, die wei­ter­hin Si­che­rungs­ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs blieb. Er­neut kam ei­ne „Zu­satz­ver­ein­ba­rung über die Rück­kauf­be­din­gun­gen ei­nes Pkw im Rah­men der Plus3-Fi­nan­zie­rung – Ver­brau­cher“ zu­stan­de. Da­nach ver­pflich­te­te sich die G-GmbH, den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw auf Wunsch des Klä­gers bei Fäl­lig­keit der letz­ten Dar­le­hens­ra­te für 6.783 € bei ei­ner Lauf­leis­tung von 185.250 km (48 Mo­na­te) zu­rück­zu­kau­fen.

Das Dar­le­hen zahl­te der Klä­ger im Ju­ni 2020 voll­stän­dig an die B-Bank AG zu­rück.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor des Typs OM 651 aus­ge­stat­tet. Zur Re­du­zie­rung der Stick­oxid(NOX)-Emis­sio­nen wird ein Teil der Ab­ga­se wie­der der Ver­bren­nung im Mo­tor zu­ge­führt. Da­ne­ben kom­men in dem Pkw ei­ne so­ge­nann­te Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung und ein so­ge­nann­tes Ther­mo­fens­ter zum Ein­satz. We­gen der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung ist das Fahr­zeug von ei­nem durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­ruf be­trof­fen. Den ent­spre­chen­den Be­scheid des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 21.06.2019 hat die Be­klag­te an­ge­foch­ten. Für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw bie­tet sie ein vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­neh­mig­tes Soft­ware­up­date an, das Be­stand­teil des ver­pflich­ten­den Rück­rufs ist.

Mit sei­ner auf de­lik­ti­sche Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ge­stütz­ten Kla­ge hat der Klä­ger die Be­klag­te ur­sprüng­lich auf Rück­zah­lung der um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­min­der­ten An­zah­lung so­wie der von ihm ge­leis­te­ten Dar­le­hens­ra­ten und hin­sicht­lich der noch aus­ste­hen­den Dar­le­hens­ra­ten auf Frei­stel­lung in An­spruch ge­nom­men. Zu­letzt hat er mit Blick dar­auf, dass das Dar­le­hen seit Ju­ni 2020 voll­stän­dig zu­rück­ge­zahlt ist, be­an­tragt, die Be­klag­te zur Zah­lung von 35.000 € nebst Zin­sen und ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 17.736,63 €, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI 4MA­TIC zu ver­ur­tei­len. Im Üb­ri­gen hat er den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt er­klärt.

Der Klä­ger be­haup­tet, er hät­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw nicht er­wor­ben, wenn er Kennt­nis von den dar­in zum Ein­satz kom­men­den un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ge­habt hät­te. Die­se be­wirk­ten, dass die Schad­stoff­emis­sio­nen des Fahr­zeugs op­ti­miert wür­den, so­bald sich die­ses auf ei­nem tech­ni­schen Prüf­stand be­fin­de.

Die Be­klag­te, die der Er­le­digt­er­klä­rung wi­der­spro­chen hat, hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben und be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat ur­sprüng­lich die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Klä­ger sei mit Blick auf die Si­che­rungs­über­eig­nung des Pkw an die B-Bank AG nicht be­rech­tigt, Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ge­gen sie gel­tend zu ma­chen. Im Üb­ri­gen – so hat die Be­klag­te gel­tend ge­macht – ent­spre­che das Ab­gas­ver­hal­ten des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs den Vor­ga­ben der Eu­ro-5-Norm; ins­be­son­de­re ent­spre­che das Fahr­zeug dem ge­neh­mig­ten Typ. Die Ab­gas­rei­ni­gung sei ab­hän­gig vom kon­kre­ten Be­triebs­zu­stand des Pkw und sei­ner Ab­gas­rei­ni­gungs­sys­te­me; sie er­fol­ge auf der Grund­la­ge ei­ner dy­na­mi­schen Be­rech­nung, in die ei­ne Viel­zahl von Pa­ra­me­tern und Sen­sor­da­ten ein­ge­he. Die tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­ge Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rung sei an­er­kann­ter­ma­ßen er­for­der­lich, um Schä­den am Mo­tor und am Ab­gas­sys­tem, ins­be­son­de­re ei­ne „Ver­sot­tung“ des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems, zu ver­mei­den. Die Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung sei nicht nur auf dem Prüf­stand, son­dern auch beim nor­ma­len Be­trieb des Pkw im Stra­ßen­ver­kehr ak­tiv. Sie die­ne da­zu, ei­ne güns­ti­ge Ba­lan­ce zwi­schen NOX-Emis­sio­nen und Die­sel­par­ti­keln beim Kalt­start des Mo­tors her­zu­stel­len. Da­durch wer­de der Mo­tor lang­fris­tig vor Be­schä­di­gun­gen ge­schützt. Dass Kraft­fahrt-Bun­des­amt sei hin­sicht­lich der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung zu Un­recht von ei­ner Prüf­stands­er­ken­nung aus­ge­gan­gen. Un­ge­ach­tet des­sen kön­ne dar­aus, dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ei­nen auch das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug er­fas­sen­den Rück­ruf an­ge­ord­net ha­be, nicht ge­schlos­sen wer­den, dass der Pkw man­gel­haft sei. Ins­be­son­de­re lie­ge kein Man­gel dar­in, dass sich au­ßer­halb des ge­setz­li­chen Prüf­zy­klus auf­grund ver­än­der­ter Rah­men­be­din­gun­gen das Emis­si­ons­ver­hal­ten des Fahr­zeugs än­de­re.

Das Land­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch Ein­ho­lung ei­ner amt­li­chen Aus­kunft des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Klä­ger 17.263,37 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI 4MA­TIC, zu zah­len. Im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te ein Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB ana­log auf Er­stat­tung des für den Er­werb des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs be­zahl­ten Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­nes Vor­teils­aus­gleichs für des­sen Nut­zung zu.

1. Der Klä­ger ist be­rech­tigt, An­sprü­che aus § 826 i. V. mit § 31 BGB ana­log ge­gen die Be­klag­te gel­tend zu ma­chen.

So­weit die Be­klag­te ur­sprüng­lich vor­ge­bracht hat, die An­sprü­che des Klä­gers sei­en we­gen der ur­sprüng­li­chen Dar­le­hens­fi­nan­zie­rung an die B-Bank AG ab­ge­tre­ten, und dem Klä­ger feh­le als Nich­tei­gen­tü­mer die Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on, ist dies un­er­heb­lich. Un­ab­hän­gig von den Be­stim­mun­gen der Ab­tre­tungs­klau­seln in den Dar­le­hens­be­din­gun­gen der B-Bank AG, an de­ren Wirk­sam­keit die Kam­mer er­heb­li­che Zwei­fel hat, wur­den sämt­li­che An­sprü­che so­wie das Ei­gen­tum an den Klä­ger mit voll­stän­di­ger Rück­zah­lung des Dar­le­hens an die B-Bank AG über­tra­gen. Da­von ist die Kam­mer nach der Vor­la­ge des Schrei­bens der B-Bank AG an den Klä­ger vom 22.06.2020 über­zeugt, wor­in die B-Bank AG die Ab­lö­sung des Dar­le­hens und die Über­tra­gung des Ei­gen­tums auf den Klä­ger be­stä­tigt.

Dass im Üb­ri­gen auch ein Nich­tei­gen­tü­mer zur Gel­tend­ma­chung von An­sprü­chen aus § 826 i. V. mit § 31 BGB ana­log be­rech­tigt ist, ist da­nach nicht mehr ent­schei­dend (vgl. OLG Stutt­gart, Urt. v. 16.06.2020 – 16a U 228/19, ju­ris Rn. 74; OLG Mün­chen, Urt. v. 10.08.2020 – 21 U 2719/19, ju­ris Rn. 24; OLG Naum­burg, Urt. v. 12.12.2019 – 12 U 91/19, ju­ris Rn. 30).

2. Die Be­klag­te haf­tet dem Klä­ger aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB ana­log.

a) Die Be­klag­te hat den Klä­ger da­durch ge­täuscht, dass sie ei­nen Mo­tor mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ent­wi­ckelt und so­dann die Fahr­zeu­ge mit ei­ner er­schli­che­nen Typ­ge­neh­mi­gung zwecks Wei­ter­ver­äu­ße­rung an End­kun­den in den Ver­kehr ge­bracht hat. Der Käu­fer ei­nes Kraft­fahr­zeugs kann näm­lich nicht nur da­von aus­ge­hen, dass im Zeit­punkt des Er­werbs die not­wen­di­ge EG-Typ­ge­neh­mi­gung for­mal vor­liegt, son­dern auch da­von, dass kei­ne nach­träg­li­che Rück­nah­me oder Än­de­rung droht, weil die ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen be­reits bei Er­tei­lung nicht vor­ge­le­gen ha­ben (vgl. für Kla­gen ge­gen die Volks­wa­gen AG: BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; OLG Saar­brü­cken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, ju­ris). Auf die von der Be­klag­ten vor­ge­brach­te Tat­be­stands­wir­kung der Typ­ge­neh­mi­gung kommt es – selbst wenn man ei­ne sol­che an­neh­men woll­te – in­so­weit nicht ent­schei­dend an. Denn auch bei ei­ner for­mal vor­lie­gen­den Typ­ge­neh­mi­gung reicht die Tat­be­stands­wir­kung des Ver­wal­tungs­akts nur so weit, dass ei­ne sol­che vor­liegt. Dies sagt aber ins­be­son­de­re in Fäl­len, in de­nen zur Täu­schung der Zu­las­sungs­be­hör­den ei­ne Soft­ware ver­baut ist, die auf die Er­ken­nung des Prüf­stands aus­ge­rich­tet ist, nichts dar­über aus, ob we­gen der dann er­schli­che­nen Typ­ge­neh­mi­gung ei­ne Rück­nah­me oder Än­de­rung der­sel­ben droht (vgl. OLG Cel­le, Urt. v. 13.11.2019 – 7 U 367/18, ju­ris Rn. 38 ff.).

b) Die im Fahr­zeug des Klä­gers ein­ge­setz­te Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung stellt – wie auch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt fest­ge­stellt hat – ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. des Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge dar. Nach der Recht­spre­chung des EuGH liegt ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. des Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 je­den­falls dann vor, wenn die Ein­rich­tung je­den Pa­ra­me­ter im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­lauf der in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Zu­las­sungs­ver­fah­ren er­kennt, um die Leis­tung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems bei die­sen Ver­fah­ren zu ver­bes­sern und so die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zu er­rei­chen, selbst wenn ei­ne sol­che Ver­bes­se­rung punk­tu­ell auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs be­ob­ach­tet wer­den kann (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 = BeckRS 2020, 35477 Rn. 102 – CLCV). Um ei­ne sol­che Ein­rich­tung han­delt es sich bei der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung (vgl. hier­zu auch OLG Schles­wig, Urt. v. 28.08.2020 – 1 U 137/19, ju­ris Rn. 41, 46).

c) Hin­sicht­lich der im Fahr­zeug des Klä­gers in­stal­lier­ten Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung ist die Kam­mer auf der Grund­la­ge der Aus­füh­run­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes in sei­nen amt­li­chen Aus­künf­ten über­zeugt (§ 286 ZPO), dass es sich zwar nicht um ei­ne Prüf­stands­er­ken­nung, aber doch um ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung han­delt, de­ren Pa­ra­me­ter so eng kon­fi­gu­riert sind, dass sie vor­nehm­lich un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen zum Ein­satz kommt.

aa) Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt hat auf den Hin­weis- und Be­weis­be­schluss der Kam­mer vom 19.06.2020 mit den Fra­gen

„1. Han­delt es sich bei der im Rück­ruf­be­scheid vom 21.06.2019 für die von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten Fahr­zeu­ge des Typs GLK M220 mit dem Die­sel­mo­tor OM 651 (Eu­ro 5) fest­ge­stell­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in Form der Kühl­mit­tel-Soll­wert- Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung um ei­ne sol­che, die auf die Er­ken­nung des Prüf­zy­klus aus­ge­rich­tet ist oder de­ren Pa­ra­me­ter so eng kon­fi­gu­riert sind, dass sie vor­nehm­lich un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen ein­ge­hal­ten wer­den?

2. Falls Fra­ge 1 be­jaht wird: Es wird um wei­te­re Aus­kunft dar­über ge­be­ten, mit wel­chen Pa­ra­me­tern die Prüf­zy­kluser­ken­nung er­folgt.“

am 25.09.2020 zu­nächst fol­gen­de Aus­kunft er­teilt:

„Ich kann Ih­nen mit­tei­len, dass die von Ih­nen in der ers­ten Fra­ge ge­tä­tig­te Aus­sa­ge zu­tref­fend ist. Um Ih­nen die Pa­ra­me­ter, mit wel­chen die Prüf­zy­kluser­ken­nung er­folgt, mit­tei­len zu kön­nen, be­darf es vor­ab ei­ner An­hö­rung der Daim­ler AG. Die­ser wur­de be­reits an­ge­schrie­ben und um Stel­lung­nah­me ge­be­ten.“

Die­se Aus­kunft er­gänz­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 01.02.2021 un­ter dem glei­chen Ak­ten­zei­chen wie folgt:

„Zu­dem bit­ten Sie um Be­ant­wor­tung fol­gen­der Fra­ge, soll­te die ers­te Fra­ge be­jaht wer­den: ‚2. Falls Fra­ge 1 be­jaht wird: Es wird um wei­te­re Aus­kunft dar­über ge­be­ten, mit wel­chen Pa­ra­me­tern die Prüf­zy­kluser­ken­nung er­folgt.‘

Zur Be­ant­wor­tung die­ser Fra­ge möch­te ich zu­nächst zur bes­se­ren Ver­an­schau­li­chung wie folgt all­ge­mein aus­füh­ren: Bei ei­ni­gen Fahr­zeug­va­ri­an­ten des Typs Mer­ce­des-Benz GLK wur­de die Schad­stoff- und Ab­gas­stra­te­gie ‚Ge­re­gel­tes Kühl­mit­tel­ther­mo­stat‘ im Mo­tor­warm­lauf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt mit Be­scheid vom 21.06.2019 als un­zu­läs­sig ein­ge­stuft. Da die Daim­ler AG ge­gen die­sen Be­scheid Wi­der­spruch ein­ge­legt hat, wur­de die Un­zu­läs­sig­keit die­ser Ab­schalt­ein­rich­tung noch nicht be­stands­kräf­tig fest­ge­stellt.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug weist nach den dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt vor­lie­gen­den In­for­ma­tio­nen die Schad­stoff- und Ab­gas­stra­te­gie ‚Ge­re­gel­tes Kühl­mit­tel­ther­mo­stat‘ im Mo­tor­warm­lauf auf und nutzt die­se auch ak­tiv. Die … ap­pli­zier­ten Schalt­kri­te­ri­en sind so ge­wählt, dass we­sent­li­che Rand­be­din­gun­gen des ge­setz­li­chen Prüf­ver­fah­rens ab­ge­deckt sind und die Soll­wert­ab­sen­kung mit Si­cher­heit bei der ge­setz­li­chen Prü­fung Typ 1 im NEFZ ak­tiv ist. Au­ßer­halb die­ser Schalt­kri­te­ri­en wird die Re­ge­lung ab­ge­schal­tet. Wird die Funk­ti­on ‚Ge­re­gel­tes Kühl­mit­tel­ther­mo­stat‘ gänz­lich ab­ge­schal­tet, wird die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te re­du­ziert und die Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen ver­rin­gert. Die Ab­schal­tung führt zu hö­he­ren NOX-Emis­sio­nen und ist so­mit als Ab­schalt­ein­rich­tung ge­mäß Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ein­zu­stu­fen. Es han­delt sich aus Sicht des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes nicht um ei­ne Prüf­stands­er­ken­nung, aber die Schalt­pa­ra­me­ter der Funk­ti­on sind aus Sicht des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes an die Rand­be­din­gun­gen der Typ-1-Prü­fung an­ge­lehnt.

Da die Daim­ler AG ge­gen die­sen Be­scheid Wi­der­spruch ein­ge­legt hat, wur­de die Un­zu­läs­sig­keit die­ser Ab­schalt­ein­rich­tung noch nicht be­stands­kräf­tig fest­ge­stellt.

Die Be­nen­nung der Pa­ra­me­ter kann nicht er­fol­gen, da die­se Be­triebs- und Ge­schäfts­ge­heim­nis­se dar­stel­len kön­nen.“

bb) In der Ge­samt­schau der bei­den Aus­künf­te ist die Kam­mer da­von über­zeugt, dass die im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ver­wen­de­te Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung na­he­zu nur un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen zum Ein­satz kommt. Dar­an än­dert auch die Aus­kunft des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 01.02.2021, dass die Schalt­pa­ra­me­ter der Funk­ti­on an die Prüf­stands­be­din­gun­gen „an­ge­lehnt“ sei­en, nichts. Denn un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Aus­kunft vom 25.09.2020 geht die Kam­mer da­von aus, dass die Pa­ra­me­ter der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung so eng kon­fi­gu­riert sind, dass sie vor­nehm­lich un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen ein­ge­hal­ten wer­den. Vor die­sem Hin­ter­grund kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die Funk­ti­on im rea­len Stra­ßen­ver­kehr über­haupt ei­ne ech­te schad­stoff­min­dern­de Wir­kung ha­ben soll­te. Viel­mehr ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sich der ei­gent­li­che Sinn der Funk­ti­on dar­in er­schöpft, auf dem Prüf­stand nied­ri­ge NOX-Wer­te zu er­zie­len und da­bei vor­zu­täu­schen, die­se Wer­te wür­den auch im rea­len Stra­ßen­ver­kehr er­reicht. Die ge­sam­te Kon­struk­ti­on war da­her dar­auf aus­ge­legt, über die Ma­ni­pu­la­ti­on zu täu­schen.

Auch liegt nach Über­zeu­gung der Kam­mer – an­ders als die Be­klag­te un­ter Be­zug­nah­me auf ei­ne Aus­kunft des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes in ei­nem an­de­ren Ver­fah­ren meint – in der ers­ten Aus­kunft vom 25.09.2020 kein „Ver­se­hen“ des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes. Dies er­gibt sich un­miss­ver­ständ­lich aus der er­gän­zen­den Aus­kunft zu den Schalt­kri­te­ri­en der Re­ge­lung in der zwei­ten Aus­kunft vom 01.02.2021.

Um­stän­de, die die­se Über­zeu­gung der Kam­mer er­schüt­tern könn­ten, hat die Be­klag­te nicht auf­ge­zeigt.

Die Be­klag­te hat zwar im Schrift­satz vom 18.11.2020 (noch­mals) nä­he­re An­ga­ben zur Wir­kungs­wei­se der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung ge­macht und ist der Aus­kunft des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 25.09.2020 ent­ge­gen­ge­tre­ten. Kon­kre­ten Vor­trag da­zu, un­ter wel­chen Be­din­gun­gen die Re­ge­lung ein­ge­setzt wird, hat die Be­klag­te in­des nicht ge­hal­ten. Auch im Schrift­satz vom 18.11.2020 (S. 10 ff.) hat die Be­klag­te le­dig­lich abs­trakt aus­ge­führt, von wel­chen Pa­ra­me­tern (Luft­tem­pe­ra­tur, Um­ge­bungs­druck, Mo­toröl­tem­pe­ra­tur, Dreh­zahl­be­rei­che) der Ein­satz der Kühl­mit­tel-Soll­wert­tem­pe­ra­tur-Re­ge­lung ab­hän­ge, oh­ne da­bei kon­kre­te Wer­te zu nen­nen, an­hand de­rer die Kam­mer die Auf­fas­sung der Be­klag­ten nach­voll­zie­hen könn­te, dass die Re­ge­lung – an­ders als das Kraft­fahrt-Bun­des­amt fest­ge­stellt hat – nicht auf Prüf­stands­be­din­gun­gen im Rah­men des Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ), die sich in An­hang 4a der UN­E­CE-Re­ge­lung Nr. 83 in Ver­bin­dung mit An­hang III der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 vom 18.07.2008 fin­den, aus­ge­rich­tet ist. Viel­mehr hat die Be­klag­te so­gar selbst ein­ge­räumt, dass der Ein­satz der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung wäh­rend der ge­setz­li­chen Prü­fung Typ 1 „ei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit“ sei (Schrift­satz vom 18.11.2020, S. 10).

Auch die Aus­füh­run­gen im Schrift­satz vom 18.2.2021 ver­mö­gen die Über­zeu­gung der Kam­mer nicht zu er­schüt­tern. Denn dort wird er­neut nur die Be­haup­tung vor­ge­bracht, die Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung kom­me in glei­cher Wei­se im Prüf­stand wie im Re­al­be­trieb zum Ein­satz, oh­ne dass die Be­klag­te da­bei nä­her auf die kon­kre­ten Schalt­pa­ra­me­ter ein­ge­gan­gen wä­re.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten auf Be­triebs- und Ge­schäfts­ge­heim­nis­se hin­sicht­lich der kon­kre­ten Schalt­kri­te­ri­en trägt in­so­weit nicht (eben­so OLG Köln, Urt. v. 05.11.2020 – 7 U 35/20, ju­ris Rn. 73 ff.; LG Wup­per­tal, Urt. v. 29.01.2020 – 17 O 49/19, ju­ris Rn. 33).

Zwar ist das In­ter­es­se der Be­klag­ten, ih­re Be­triebs- und Ge­schäfts­ge­heim­nis­se im Pro­zess nicht of­fen­le­gen zu müs­sen, durch Art. 12 I GG ver­fas­sungs­recht­lich ge­schützt. Da­bei ist es im Pro­zess al­ler­dings Sa­che der Be­klag­ten, nach­voll­zieh­bar und sub­stan­zi­iert dar­zu­le­gen, bei wel­chen In­for­ma­tio­nen es sich um Be­triebs- und Ge­schäfts­ge­heim­nis­se han­deln soll. Zur Sub­stan­zi­ie­rung muss ei­ne Par­tei in­so­weit an­ge­ben, bei Of­fen­le­gung wel­cher kon­kre­ten Ge­heim­nis­se sie wel­che kon­kre­ten Nach­tei­le zu be­fürch­ten hät­te. Es wird näm­lich nicht ver­mu­tet, dass Ge­schäfts­da­ten per se dem Ge­heim­nis­schutz un­ter­lie­gen (vgl. da­zu BGH, Urt. v. 20.07.2010 – EnZR 24/09, NVwZ-RR 2011, 58 Rn. 35; Urt. v. 08.07.2009 – XI­II ZR 314/07, NJW 2009, 2894 Rn. 30 ff.; Urt. v. 19.11.2008 – VI­II ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 46 f.; Beschl. v. 11.12.2018 – En­VR 1/18, WM 2019, 1130). Hier­von aus­ge­hend ist we­der aus­rei­chend dar­ge­legt noch sonst er­sicht­lich, dass die Be­klag­te zur Wir­kungs­wei­se der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung nur un­ter Ver­let­zung von Be­triebs- oder Ge­schäfts­ge­heim­nis­sen hät­te sub­stan­zi­iert vor­tra­gen kön­nen. Denn es wä­re der Be­klag­ten aus Sicht der Kam­mer auch oh­ne Preis­ga­be von tech­ni­schen De­tails oh­ne Wei­te­res mög­lich, die Be­din­gun­gen zu be­schrei­ben, un­ter de­nen die Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung zur An­wen­dung kommt, um sub­stan­zi­iert dem Vor­wurf ent­ge­gen­zu­tre­ten, die­se Ab­schalt­ein­rich­tung kom­me re­gel­mä­ßig nur un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen zum Ein­satz. Dies gilt ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund der um­fas­sen­den Äu­ße­run­gen der Be­klag­ten zu tech­ni­schen De­tails der Re­ge­lung im Schrift­satz vom 18.11.2020.

In­wie­fern die blo­ße Kennt­nis der Pa­ra­me­ter, un­ter de­nen die Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung ein­ge­setzt wird, ei­nem Wett­be­wer­ber der Be­klag­ten nüt­zen könn­te, ist für die Kam­mer im Üb­ri­gen nicht zu er­se­hen (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 05.11.2020 – 7 U 35/20, ju­ris Rn. 73 ff.). An­halts­punk­te da­für wer­den auch von der Be­klag­ten nicht auf­ge­zeigt.

cc) Im Üb­ri­gen spricht für das Vor­lie­gen ei­ner auf den Prüf­stand aus­ge­rich­te­ten Ab­schalt­ein­rich­tung auch der Um­stand, dass sich die bei­den im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ein­ge­setz­ten Ab­schalt­ein­rich­tun­gen hin­sicht­lich ih­rer Ziel­rich­tung wi­der­spre­chen. Denn das ein­ge­setz­te Ther­mo­fens­ter soll, wie die Be­klag­te selbst noch­mals im Schrift­satz vom 04.06.2020 kon­kret dar­ge­legt hat und der Kam­mer be­reits aus zahl­rei­chen Par­al­lel­ver­fah­ren be­kannt ist, der Ver­sot­tung an ab­gas­rück­füh­ren­den Tei­len ent­ge­gen­wir­ken. Der ge­gen­tei­li­ge Ef­fekt wird aber durch ei­ne nied­ri­ge­re Ver­bren­nungs­tem­pe­ra­tur und ei­ne dar­aus re­sul­tie­ren­de nied­ri­ge­re Ab­gas­tem­pe­ra­tur beim Ein­satz der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung er­zielt. So­weit ein ein­ge­setz­tes Ther­mo­fens­ter zur Ver­hin­de­rung der Be­schä­di­gung des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems durch Ver­sot­tung je­den­falls nicht als ein­deu­tig un­zu­läs­sig er­ach­tet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20, ju­ris Rn. 25 ff.; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 13 ff.; je­weils m. w. Nachw.), er­gibt sich für den Ein­satz der Kühl­mit­tel-Soll­wert­tem­pe­ra­tur-Re­ge­lung auch nach den Dar­le­gun­gen der Be­klag­ten in den Schrift­sät­zen vom 18.11.2020 und vom 18.02.2021 kein an­de­rer Grund als der­je­ni­ge der Vor­täu­schung der Ein­hal­tung von Ab­gas­wer­ten vor al­lem un­ter den Be­din­gun­gen des Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus.

dd) Der Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens be­durf­te es nicht. Denn die die tech­ni­sche Wir­kungs­wei­se der Ab­schalt­ein­rich­tung steht auch we­gen der feh­len­den Er­schüt­te­rung des vom Klä­ger ge­führ­ten Be­wei­ses durch die Be­klag­te in ih­ren Grund­zü­gen fest. De­ren recht­li­che Be­ur­tei­lung ob­liegt der Kam­mer im Rah­men der Rechts­an­wen­dung.

d) Ei­ne Recht­fer­ti­gung für den Ein­satz der Re­ge­lung liegt nicht vor. So­weit Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 in be­stimm­ten Fäl­len die Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ge­stat­tet, sind die „er­for­der­li­chen (en­gen) Vor­aus­set­zun­gen“ (BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VI­II ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 13) vor­lie­gend nicht er­füllt.

aa) We­der han­delt es sich um ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die not­wen­dig ist, um den Mo­tor vor ei­ner Be­schä­di­gung oder ei­nem Un­fall zu schüt­zen und den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs zu ge­währ­leis­ten (Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007), noch um ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die nicht län­ger ar­bei­tet, als dies zum An­las­sen des Mo­tors er­for­der­lich ist (Art. 5 II 2 lit. b der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007). So­weit die Be­klag­te dem ent­ge­gen­hält, der Ein­satz der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung die­ne dem Mo­tor­schutz, ver­mag dem die Kam­mer nicht zu fol­gen. Denn es er­scheint nicht nach­voll­zieh­bar, dass der Mo­tor­schutz, den die Be­klag­te er­neut im Schrift­satz vom 18.11.2020 als Recht­fer­ti­gung für den Ein­satz der Re­ge­lung an­führt, na­he­zu nur un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen ge­währ­leis­tet wer­den soll, wäh­rend im Re­al­be­trieb ein sol­cher Schutz vom Zu­fall der Er­fül­lung der Be­din­gun­gen ab­hän­gig sein soll (eben­so OLG Naum­burg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, ju­ris Rn. 32).

bb) Funk­ti­ons­be­dingt kann die Re­ge­lung auch nicht als Ab­schalt­ein­rich­tung, die nicht län­ger ar­bei­tet, als dies zum An­las­sen des Mo­tors er­for­der­lich ist (Art. 5 II 2 lit. b der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007) ge­recht­fer­tigt wer­den, da nach dem Vor­trag der Be­klag­ten in den Schrift­sät­zen vom 15.04.2020, vom 18.11.2020 und vom 18.02.2021 die Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung wäh­rend der ge­sam­ten Warm­lauf­pha­se des Mo­tors und nicht nur wäh­rend des An­las­sens ak­tiv ist.

cc) Es ist auch nicht er­kenn­bar, dass „die Be­din­gun­gen in den Ver­fah­ren zur Prü­fung der Ver­duns­tungs­emis­sio­nen und der durch­schnitt­li­chen Aus­puff­emis­sio­nen im We­sent­li­chen ent­hal­ten“ sind (Art. 5 II 2 lit. c der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007). Wie ein Ver­gleich mit ei­ner frü­he­ren Fas­sung des Ver­ord­nungs­ent­wurfs zeigt, ist die­se – aus­ge­hend vom Wort­laut zu­nächst schwer ver­ständ­li­che – Aus­nah­me nur dann ein­schlä­gig, wenn die Be­din­gun­gen, „un­ter de­nen die Ein­rich­tung ar­bei­tet“, im Emis­si­ons­prüf­ver­fah­ren im We­sent­li­chen „be­rück­sich­tigt“ sind (vgl. da­zu den Kom­mis­si­ons­ent­wurf vom 21.12.2005, KOM[2005]683 endg., S. 18). Die in Art. 5 II 2 lit. c der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­ne Pri­vi­le­gie­rung ist da­her nur dann ein­schlä­gig, wenn die Ab­schalt­ein­rich­tung des­halb greift, weil dies durch die Prüf­ver­fah­ren zur Emis­si­ons­mes­sung im We­sent­li­chen vor­ge­ge­ben wird (s. auch Deut­scher Bun­des­tag – Wis­sen­schaft­li­che Diens­te, Ab­schalt­ein­rich­tun­gen in Per­so­nen­kraft­wa­gen. Zur Reich­wei­te des Ver­bots nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18). Dass durch die ge­än­der­te For­mu­lie­rung in der ver­ab­schie­de­ten Fas­sung der Vr­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ein an­de­rer Aus­sa­ge­ge­halt be­ab­sich­tigt war, ist nicht er­sicht­lich (in die­sem Sin­ne deut­li­cher nun­mehr auch Art. 19 Satz 2 lit. c [Ver­bot von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen] der am 01.01.2016 in Kraft ge­tre­te­nen Ver­ord­nung (EU) Nr. 168/2013 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 15.01.2013 über die Ge­neh­mi­gung und Markt­über­wa­chung von zwei- oder drei­räd­ri­gen und vier­räd­ri­gen Fahr­zeu­gen, ABl. 2013 L 60, 52). An­halts­punk­te, dass die im Fahr­zeug des Klä­gers vor­han­de­ne Ab­schalt­ein­rich­tung durch die Prüf­ver­fah­ren zur Emis­si­ons­mes­sung vor­ge­ge­ben war, sind in­des we­der dar­ge­legt noch er­sicht­lich.

e) Der bei dem Klä­ger durch die Täu­schung ent­stan­de­ne Scha­den liegt im Ab­schluss des Kauf­ver­trags, oh­ne dass es in­so­weit auf den tat­säch­li­chen Markt­wert des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs im Zeit­punkt des Er­werbs an­kommt. Nach der Recht­spre­chung des BGH ist al­lein maß­ge­bend, dass der Ge­schä­dig­te durch ein haf­tungs­be­grün­den­des Ver­hal­ten zum Ab­schluss ei­nes Ver­trags ge­bracht wor­den ist, den er sonst nicht ge­schlos­sen hät­te, und dass die Leis­tung für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­bar ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 18 m. w. Nachw.). Das ist hier der Fall. Denn der Klä­ger hät­te nach der Le­bens­er­fah­rung den streit­ge­gen­ständ­li­chen Ver­trag nicht ab­ge­schlos­sen, weil we­gen der Ver­wen­dung ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung die Ent­zie­hung der EG-Typ­ge­neh­mi­gung bzw. die An­ord­nung von Ne­ben­be­stim­mun­gen so­wie bei de­ren Nicht­er­fül­lung die Still­le­gung des Fahr­zeugs droh­te, wo­durch der Haupt­zweck des Fahr­zeugs, die­ses im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr zu nut­zen, be­reits vor der tat­säch­li­chen Still­le­gung un­mit­tel­bar ge­fähr­det war (vgl. OLG Köln, Urt. v. 06.09.2019 – 19 U 51/19, ju­ris Rn. 44, in ei­nem Par­al­lel­ver­fah­ren ge­gen die hie­si­ge Be­klag­te un­ter Ver­weis auf OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018 – 27 U 10/18, ju­ris Rn. 11 ff. [Ver­fah­ren ge­gen die Volks­wa­gen AG]).

f) Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten ver­stieß auch ge­gen die gu­ten Sit­ten. Bei Vor­lie­gen ei­ner Soft­ware, die – wie hier – letzt­lich auf die Er­ken­nung des Prüf­zy­klus aus­ge­rich­tet ist, ist das ge­ge­be­nen­falls ein­ge­setz­te Mit­tel – Täu­schung ei­ner öf­fent­li­chen Stel­le so­wie ei­ner Viel­zahl po­ten­zi­el­ler Kun­den – als be­son­ders ver­werf­lich an­zu­se­hen. Von er­heb­li­cher Be­deu­tung ist in­so­weit, dass der ein­zig denk­ba­re Zweck ei­ner sol­chen Täu­schung und des Ein­sat­zes der Soft­ware ei­ne Kos­ten­sen­kung und da­mit ein­her­ge­hend ei­ne Ge­winn­ma­xi­mie­rung und ein Wett­be­werbs­vor­teil ge­gen­über Kon­kur­ren­ten wä­re. Denn es er­scheint le­bens­fremd, dass die Be­klag­te die recht­li­chen Ri­si­ken mit Blick auf die Zu­las­sung der Fahr­zeu­ge so­wie auf ei­ne mög­li­che straf­recht­li­che Ver­fol­gung ein­geht, oh­ne dass sie sich hier­von ei­nen wirt­schaft­li­chen Nut­zen ver­spricht. Die Ver­werf­lich­keit des Ver­hal­tens der Be­klag­ten im kon­kre­ten Fall folgt aus dem Um­stand, dass sie die Mo­tor­steue­rungs­soft­ware der Fahr­zeu­ge ge­zielt so pro­gram­miert hat, dass der Ein­druck ent­steht, dass das Fahr­zeug ge­rin­ge­re Stick­stoff­oxid­emis­sio­nen auf­wei­se, als es im re­gu­lä­ren Fahr­be­trieb tat­säch­lich der Fall ist. Da­bei hat die Be­klag­te in Kauf ge­nom­men, dass von vor­ne­her­ein zu­min­dest die Ge­fahr ei­ner er­for­der­li­chen Rück­ruf­ak­ti­on des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ge­gen­über den Käu­fern bei Auf­de­ckung der Be­ein­flus­sung der Test­ergeb­nis­se be­stand (eben­so OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, ju­ris; OLG Köln, Urt. v. 05.11.2020 – 7 U 35/20, ju­ris; in Fäl­len ge­gen die hie­si­ge Be­klag­te). Da­bei ist das Ver­hal­ten auch dann als sit­ten­wid­rig ein­zu­stu­fen, wenn ge­ra­de kei­ne Prüf­stands­er­ken­nung, son­dern – wie hier – ei­ne vor­nehm­lich auf den Prüf­stand aus­ge­rich­te­te Ab­schalt­ein­rich­tung vor­liegt.

Die Be­klag­te kann sich da­bei un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den auch nicht dar­auf be­ru­fen, dass sie, wie das Kam­mer­ge­richt und das OLG Naum­burg in ver­gleich­ba­ren Fäl­len an­ge­nom­men ha­ben, beim Ein­bau der Kühl­mit­tel-Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung ei­ne ver­tret­ba­re Aus­le­gung ge­trof­fen ha­be (vgl. KG, Urt. v. 22.12.2020 – 21 U 1032/20, An­la­ge zum Schrift­satz vom 22.03.2021; OLG Naum­burg, Urt. v. 02.12.2020 – 5 U 92/20, An­la­ge zum Schrift­satz vom 17.03.2021; je­weils zu ei­nem Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI 4MA­TIC [Eu­ro 5]). Denn an­ders als in den Ver­fah­ren beim Kam­mer­ge­richt und beim OLG Naum­burg ist die Kam­mer hier auf­grund der amt­li­chen Aus­künf­te des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes nach der Be­weis­auf­nah­me da­von über­zeugt, dass der An­wen­dungs­be­reich der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ein­ge­setz­ten Kühl­mit­tel- Soll­wert-Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung von der Be­klag­ten so eng ge­wählt wur­de, dass von vorn­her­ein von ei­ner Aus­rich­tung der Ab­schalt­ein­rich­tung auf die Be­din­gun­gen des Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus aus­zu­ge­hen ist, so­dass auch kei­ne ver­tret­ba­re Aus­le­gung be­züg­lich der Zu­läs­sig­keit in Be­tracht kommt (vgl. auch OLG Naum­burg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, ju­ris Rn. 38).

Dar­über hin­aus ver­mag die Kam­mer im vor­lie­gen­den Fall in der Fra­ge der Sit­ten­wid­rig­keit kei­nen Un­ter­schied zu den von der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung be­reits ent­schie­de­nen Fäl­len der Auf­wärmstra­te­gie in Mo­to­ren der AU­ID AG zu er­ken­nen, die zwar eben­falls theo­re­tisch un­ter Re­al­be­din­gun­gen zum Ein­satz kam, aber den­noch fak­tisch auf­grund der ge­wähl­ten Pa­ra­me­ter na­he­zu nur un­ter Prüf­stands­be­din­gun­gen ak­tiv war, und oh­ne die die Stick­oxid­grenz­wer­te – wie hier – auf dem Prüf­stand nicht ein­ge­hal­ten wer­den konn­ten (vgl. da­zu OLG Saar­brü­cken, Beschl. v. 31.08.2020 – 2 U 66/20, BeckRS 2020, 44017; OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 24.02.2021 – 4 U 257/19, ju­ris; OLG Ol­den­burg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, ju­ris; Urt. v. 14.01.2021 – 1 U 160/20, ju­ris; OLG Ko­blenz, Urt. v. 05.6.2020 – 8 U 1803/19, ju­ris). Dass sich das Kam­mer­ge­richt und das OLG Naum­burg zu die­ser Recht­spre­chung oh­ne nä­he­re Aus­ein­an­der­set­zung grund­sätz­lich in Wi­der­spruch set­zen woll­ten, ist in­so­weit nicht an­zu­neh­men.

g) Bei der Be­klag­ten lie­gen auch die sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Haf­tung aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB ana­log vor.

Die Be­klag­te han­del­te mit Schä­di­gungs­vor­satz und kann­te die die Sit­ten­wid­rig­keit be­grün­den­den Um­stän­de (vgl. zu die­sen Vor­aus­set­zun­gen grund­le­gend BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 60 ff.). Die Kam­mer geht in­so­weit da­von aus, dass der Ein­bau der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in die Mo­tor­steue­rungs­soft­ware mit Wis­sen und Wol­len ei­nes oder meh­re­rer Mit­glie­der des Vor­stands der Be­klag­ten er­folgt und so­mit der Be­klag­ten ge­mäß § 31 BGB ana­log zu­zu­rech­nen ist. Eben­falls ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die­ser oder sons­ti­ge ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ne Ver­tre­ter des Vor­stands auch in der Vor­stel­lung han­del­ten, dass die so aus­ge­stat­te­ten Mo­to­ren in Fahr­zeu­ge der Be­klag­ten ein­ge­baut wür­den und für die­se un­ter Täu­schung der zu­stän­di­gen Be­hör­de die EG-Typ­ge­neh­mi­gung be­an­tragt wür­de, ob­wohl die ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen hier­für nicht vor­la­gen, und die Fahr­zeu­ge so­dann in den Ver­kehr ge­bracht wer­den wür­den (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 60 ff.; OLG Naum­burg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, ju­ris Rn. 36 ff.).

aa) Die Haf­tung aus § 31 BGB ana­log er­streckt sich auf al­le Per­so­nen ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son, de­nen durch die all­ge­mei­ne Be­triebs­re­ge­lung und Hand­ha­bung be­deut­sa­me, we­sens­mä­ßi­ge Funk­tio­nen der ju­ris­ti­schen Per­son zur selbst­stän­di­gen, ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Er­fül­lung zu­ge­wie­sen sind, so­dass sie die ju­ris­ti­sche Per­son im Rechts­ver­kehr re­prä­sen­tie­ren (vgl. nur BGH, Urt. v. 05.03.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856). Da­bei ist die Haf­tung nach § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB ana­log be­grün­det, wenn zu­min­dest ei­ne die­ser Per­so­nen den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 35; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13 m. w. Nachw.).

bb) Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne ent­spre­chen­de Haf­tung sind hier von­sei­ten des Klä­gers aus­rei­chend dar­ge­legt wor­den. Der Klä­ger hat vor­ge­tra­gen, dass die Ent­schei­dung über den Ein­bau un­zu­läs­si­ger Ab­schalt­ein­rich­tun­gen durch Or­ga­ne der Be­klag­ten in dem Be­wusst­sein er­folg­te, über die Zu­las­sungs­fä­hig­keit der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge zu täu­schen. Die­ser Vor­trag gilt nach § 138 III ZPO als zu­ge­stan­den, da die Be­klag­te den Vor­trag nur un­zu­rei­chend be­strit­ten hat. Da die Be­klag­te, wie in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung zu Recht für Fäl­le wie hier an­ge­nom­men wird (vgl. et­wa OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 24.2.2021 – 4 U 257/19, ju­ris Rn. 38 f.; Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, ju­ris Rn. 24; OLG Naum­burg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, ju­ris Rn. 27 f.), ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last trifft, konn­te sie sich nicht dar­auf be­schrän­ken, den Vor­trag der Klä­ger­sei­te ein­fach zu be­strei­ten. Die­ser Vor­trag ist für den Klä­ger nicht nach­prüf­bar und nicht ein­las­sungs­fä­hig, zu­mal es ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen der Be­klag­ten nicht dar­auf an­kommt, dass die Kennt­nis in der Per­son ei­nes Vor­stands im ak­ti­en­recht­li­chen Sin­ne vor­liegt. Der Sinn der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last be­steht dar­in, der be­weis­be­las­te­ten Par­tei wei­te­ren Vor­trag zu er­mög­li­chen. Wenn die Be­klag­te aber nicht dar­legt, wel­che in­ter­ne Ver­ant­wort­lich­keit hin­sicht­lich des Ein­baus der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung be­steht, kann die Klä­ger­sei­te kei­nen wei­te­ren Vor­trag im Hin­blick auf die Kennt­nis­se der ent­schei­den­den Per­so­nen so­wie die Zu­re­chen­bar­keit brin­gen. Es er­scheint in­so­weit fern­lie­gend, dass der Vor­stand der Be­klag­ten oder an­de­re maß­geb­li­che Per­so­nen, de­ren Wis­sen und Ver­hal­ten sie sich zu­rech­nen las­sen muss, mit Blick auf die Trag­wei­te des Er­werbs und des Ein­baus der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware in den ent­spre­chen­den Ent­schei­dungs­pro­zess nicht ein­ge­bun­den ge­we­sen sein soll­ten (vgl. OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, ju­ris Rn. 24).

h) Die Be­klag­te hat im Rah­men des Scha­dens­er­satz­an­spruchs des § 826 BGB sämt­li­che dem Klä­ger aus der sit­ten­wid­ri­gen Schä­di­gung ent­stan­de­nen Schä­den zu er­set­zen (§§ 249 ff. BGB). Nach den in der Recht­spre­chung an­er­kann­ten Grund­sät­zen steht dem Klä­ger in­so­weit im Rah­men der Na­tu­ral­re­sti­tu­ti­on ein An­spruch auf „Rück­gän­gig­ma­chung“ der Fol­gen des ge­schlos­se­nen Ver­trags zu, das heißt, er kann das Er­lang­te dem Schä­di­ger zur Ver­fü­gung stel­len und sei­ne Auf­wen­dun­gen er­setzt ver­lan­gen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 28; je­weils m. w. Nachw.). Dem Klä­ger steht da­nach ein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs zu.

aa) Al­ler­dings muss sich der Klä­ger den durch die Nut­zung des Fahr­zeugs seit Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges er­lang­ten Vor­teil an­rech­nen las­sen. Denn dem Ge­schä­dig­ten dür­fen ne­ben ei­nem Er­satz­an­spruch nicht die Vor­tei­le ver­blei­ben, die ihm durch das schä­di­gen­de Er­eig­nis zu­ge­flos­sen sind. Der An­spruch des Klä­gers ist da­her von vorn­her­ein nur mit der Ein­schrän­kung be­grün­det, dass gleich­zei­tig die Vor­tei­le, die ihm aus dem auf­grund des Ver­hal­tens der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag er­wach­sen sind, her­aus­ge­ge­ben wer­den (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 39).

bb) Für die Schät­zung des für den Vor­teils­aus­gleich maß­ge­ben­den Ge­brauchs­vor­teils ist die so­ge­nann­te li­nea­re Be­rech­nungs­me­tho­de als ge­eig­ne­te Schätz­grund­la­ge nach § 287 ZPO an­er­kannt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 80; Urt. v. 31.03.2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108 = NJW 2006, 1582 Rn. 12 ff.; Beschl. v. 09.12.2014 – VI­II ZR 196/14, SP 2015, 277 Rn. 3). Da­nach er­rech­net sich der Wert des für je­den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter in An­satz zu brin­gen­den Nut­zungs­wert­er­sat­zes für ein Ge­braucht­fahr­zeug in der Wei­se, dass der Brut­to­kauf­preis ins Ver­hält­nis zu der zu er­war­ten­den Ge­samt­lauf­leis­tung ab­züg­lich der Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs bei Kauf ge­setzt wird. In Be­zug auf die im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung ist da­bei wie­der­um ei­ne Schät­zung nach § 287 ZPO vor­zu­neh­men, bei der un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Um­stän­de ei­ne Ge­samt­fahr­leis­tung von 250.000 km an­zu­neh­men ist (vgl. OLG Saar­brü­cken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, ju­ris Rn. 60 ff.; eben­so OLG Ko­blenz, Urt. v. 16.09.2019 – 12 U 61/19, WM 2019, 1929 = ju­ris Rn. 78; OLG Cel­le, Urt. v. 20.11.2019 – 7 U 244/18, ju­ris Rn. 37; OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2019 – I-13 U 149/18, NJW-RR 2019, 1428 Rn. 78; OLG Karls­ru­he, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 37/19, ju­ris Rn. 108).

cc) Der an­zu­rech­nen­de Ge­brauchs­vor­teil be­trägt da­nach

{\frac{\text{35.000 € [Brut­to­kauf­preis]}\times\text{101.827 km [un­strei­tig ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter]}}{\text{250.000 km}-\text{49.063 km}}}=\text{17.736,63 €},

so­dass sich ein Scha­dens­er­satz­an­spruch in Hö­he von (35.000 € − 17.736,63 € =) 17.263,37 € er­gibt.

ee) Der Gel­tend­ma­chung des Scha­dens steht auch nicht ent­ge­gen, dass dem Klä­ger mit Ab­schluss des ers­ten Dar­le­hens­ver­trags im Jahr 2014 von der Nie­der­las­sung der Be­klag­ten ein Rück­ga­be­recht zum 27.11.2017 ein­ge­räumt wur­de, das der Klä­ger nicht aus­ge­übt hat.

Da­bei kann hier da­hin­ste­hen, ob und un­ter wel­chen Um­stän­den ein Ge­schä­dig­ter, der auf­grund ei­nes ver­brief­ten Rück­ga­be­rechts die Mög­lich­keit hat, das Fahr­zeug zu ei­nem in Un­kennt­nis der dort ein­ge­bau­ten Um­schalt­lo­gik ver­ein­bar­ten und da­mit aus jet­zi­ger Sicht güns­ti­gen Preis zu ver­äu­ßern, ge­hal­ten sein kann, von die­ser Mög­lich­keit im Rah­men sei­ner Scha­dens­min­de­rungs­pflicht ge­mäß § 254 I, II 1 BGB Ge­brauch zu ma­chen (vgl. OLG Mün­chen, Urt. v. 17.12.2019 – 18 U 3363/19, BeckRS 2019, 33717 Rn. 78 f.; LG Mag­de­burg, Urt. v. 24.10.2019 – 10 O 1191/19, BeckRS 2019, 26960 Rn. 29). Zwar kann nach die­ser Vor­schrift ein Mit­ver­schul­den, das zur Ent­ste­hung des Scha­dens bei­ge­tra­gen hat, auch dar­in be­ste­hen, dass der Schuld­ner es un­ter­las­sen hat, den Scha­den ab­zu­wen­den oder zu min­dern. Dies ist dann der Fall, wenn der Ge­schä­dig­te die­je­ni­gen Maß­nah­men un­ter­lässt, die ein or­dent­li­cher und ver­stän­di­ger Mensch zur Scha­dens­ab­wen­dung oder -min­de­rung er­grei­fen wür­de (BGH, Urt. v. 17.03.2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 17 m. w. Nachw.).

Da­von kann un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den aber nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Da­bei kann dem Klä­ger das nicht aus­ge­üb­te Rück­ga­be­recht im Jahr 2017 schon des­halb nicht zum Vor­wurf ge­macht wer­den, weil dem Klä­ger im No­vem­ber 2017 die Tat­sa­che, dass in sei­nem Fahr­zeug ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ver­baut ist, noch nicht be­kannt war. Je­den­falls lie­gen vor dem Hin­ter­grund, dass der Rück­ruf des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug erst im Jahr 2019 er­folg­te, kei­ne ge­gen­tei­li­gen An­halts­punk­te für ei­ne Kennt­nis des Klä­gers vor.

Auf das wei­te­re ver­ein­bar­te Rück­ga­be­recht zum No­vem­ber 2021 kommt es im Üb­ri­gen we­gen der vor­zei­ti­gen Rück­zah­lung des Dar­le­hens durch den Klä­ger und des da­mit ver­bun­de­nen Weg­falls des Rück­ga­be­rechts nicht mehr an.

3. Der Zins­aus­spruch folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB.

4. So­weit der Klä­ger den Rechts­streit im Hin­blick auf die voll­stän­di­ge Rück­zah­lung des Dar­le­hens für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug teil­wei­se für er­le­digt er­klärt hat, ist die Er­le­di­gungs­er­klä­rung, nach­dem die Be­klag­te der klä­ge­ri­schen Er­le­di­gungs­er­klä­rung wi­der­spro­chen hat, da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass der Klä­ger in­so­weit die Fest­stel­lung der Er­le­di­gung des Rechts­streits be­an­tragt.

Die­ser nach §§ 256 I, 264 Nr. 2 ZPO zu­läs­si­ge Fest­stel­lungs­an­trag (st. Rspr.; vgl. zu­letzt BGH, Urt. v. 24.07.2018 – VI ZR 330/17, VersR 2019, 243 Rn. 57 m. w. Nachw.; für Fäl­le wie hier vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19, ju­ris Rn. 134) ist al­ler­dings un­be­grün­det.

Der Klä­ger hat nicht zur Über­zeu­gung der Kam­mer nach­ge­wie­sen, dass sich die Kla­ge in Hö­he der Dif­fe­renz der Nut­zungs­ent­schä­di­gung zum Zeit­punkt der voll­stän­di­gen Rück­zah­lung des Dar­le­hens im Ju­ni 2020 und dem nun­mehr be­an­trag­ten Be­trag er­le­digt hat. Glei­ches gilt, so­weit der Klä­ger hin­sicht­lich der ur­sprüng­lich be­an­trag­ten Frei­stel­lung von wei­te­ren Dar­le­hens­ver­bind­lich­kei­ten die Er­le­di­gung des Rechts­streits er­klärt hat. Zwar stand dem Klä­ger – wie ge­zeigt – im Ju­ni 2020 ein Scha­dens­er­satz­an­spruch dem Grun­de nach zu. Der Klä­ger hät­te aber an­ge­sichts des Wi­der­spruchs der Be­klag­ten ge­gen die Er­le­di­gungs­er­klä­rung nach­wei­sen müs­sen, dass ihm die­ser An­spruch auch in der mit der Kla­ge gel­tend ge­mach­ten Hö­he zu­stand. Die­ser Nach­weis ist so­wohl für den Zah­lungs­an­trag als auch für den Frei­stel­lungs­an­trag schon des­halb nicht er­bracht, weil nicht be­weis­si­cher nach­voll­zo­gen wer­den kann, wel­che Lauf­leis­tung das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug im Zeit­punkt der voll­stän­di­gen Rück­zah­lung des Dar­le­hens hat­te und da­mit of­fen­bleibt, ob die vom Klä­ger zu die­sem Zeit­punkt ver­an­schlag­te Nut­zungs­ent­schä­di­gung – die der­je­ni­gen in der Kla­ge­schrift vom 30.09.2019 ent­spricht – zu­tref­fend er­mit­telt war. Man­gels ei­nes ent­spre­chen­den Vor­trags und we­gen der grund­sätz­lich be­ste­hen­den Mög­lich­keit von Son­der­zah­lun­gen durch den Klä­ger lässt sich dar­über hin­aus auch nicht be­weis­si­cher nach­voll­zie­hen, in wel­cher Hö­he dem Klä­ger zu die­sem Zeit­punkt noch ein Frei­stel­lungs­an­spruch ge­gen die Be­klag­te zu­stand.

II. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 I 1 ZPO. …

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