- Die in bestimmten Audi-Fahrzeugen – hier: einem Audi SQ5 – zum Einsatz kommende „schnelle Aufwärmfunktion“, die auf einen Betrieb des jeweiligen Fahrzeugs auf einem technischen Prüfstand zugeschnitten und beim Betrieb im realen Straßenverkehr nur in seltenen Ausnahmefällen aktiv ist, ist eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Denn es kann nicht angenommen werden, dass die „schnelle Aufwärmfunktion“ im realen Straßenverkehr eine schadstoffmindernde Wirkung haben soll. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich ihr eigentlicher Sinn darin erschöpft, während eines Emissionstests auf einem Prüfstand für einen niedrigen Stickoxid(NOX)-Ausstoß zu sorgen und vorzutäuschen, die entsprechenden (niedrigen) Werte würden auch im realen Straßenverkehr erzielt.
- Die „schnelle Aufwärmfunktion“ kann als unzulässige Abschalteinrichtung, über deren Vorhandensein das Kraftfahrt-Bundesamt als zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde (§ 2 I EG-FGV)getäuscht wurde, einen Anspruch des Fahrzeugkäufers auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) begründen.
- Prozesszinsen (§ 291 BGB) sind dem Käufer in einem solchen Fall nicht per se aus dem letztlich zuerkannten Betrag zuzusprechen. Vielmehr kann zu berücksichtigen sein, dass der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher war als der ihm letztlich zuerkannte Betrag und sich durch die weitere Nutzung des Fahrzeugs, die sich der Käufer als Vorteil anrechnen lassen muss, sukzessive vermindert hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, juris Rn. 38). Dem Zinsanspruch ist dann der Mittelwert aus dem zuerkannten Betrag und dem Betrag, den der Kläger am Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit beanspruchen konnte, zugrunde zu legen.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 24.02.2021 – 4 U 257/19
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz, nachdem er von einem Kraftfahrzeughändler für 63.816,44 € einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen – einen Audi SQ5 – erworben hat. Dieses Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/20071#### mit der Schadstoffklasse Euro 6-plus erteilt.
Das Kraftfahrt-Bundesamt teilte am 23.01.2018 öffentlich mit, dass „[b]ei der Überprüfung der Audi 3.0 l Euro 6, Modelle A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5, Q7, durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) […] unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen“ worden seien.
„Die schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Aufwärmfunktion springt bei diesen Fahrzeugen nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an. Im realen Verkehr unterbleibt diese NOX-Schadstoffminderung. Die Strategien unterscheiden sich leicht von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp.
Das KBA hat deshalb in den vergangenen Wochen verpflichtende Rückrufe dieser Fahrzeuge angeordnet, um die Vorschriftsmäßigkeit der produzierten Fahrzeuge wiederherzustellen. Davon sind in Deutschland rund 77.600 und weltweit insgesamt rund 127.000 zugelassene Fahrzeuge betroffen.“
Vor Erhebung der vorliegenden Klage – im Februar 2019 – ließ der Kläger ein auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes entwickeltes und von diesem freigegebenes Softwareupdate bei seinem Fahrzeug installieren.
Mit Schreiben vom 21.02.2019 forderte der anwaltlich vertretene Kläger die Beklagte – erfolglos – auf, ihm bis zum 07.03.2019 Schadensersatz in Höhe des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Audi SQ5, zu leisten und ihm außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltkosten zu erstatten.
Der Kläger behauptet, dass in seinem Fahrzeug eine Software zum Einsatz komme, die den Stickoxid(NOX)-Ausstoß optimiere, sobald der Pkw – was die Software erkenne – auf einem Prüfstand betrieben werde. Beim Betrieb des Fahrzeugs im realen Straßenverkehr würden die NOX-Emissionen hingegen nicht optimiert, sodass der einschlägige Emissionsgrenzwert um ein Vielfaches überschritten werde. Insbesondere der Schadstoffausstoß bei einem Kaltstart werde nur auf dem Prüfstand gemindert. Der Kläger wirft der Beklagten vor, die Typgenehmigung arglistig erschlichen zu haben. In diese Entscheidung sei der Vorstand der Beklagten angesichts ihrer Tragweite und wegen vorheriger Warnungen eingebunden gewesen. Entsprechendes gelte für den Leiter des Teams, das den streitgegenständlichen Motor entwickelt habe. Dieser Leiter sei ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten i. S. von § 31 BGB.
Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass – wie der Kläger behauptet – die NOX-Emissionen des streitgegenständlichen Fahrzeugs „nur“ mittels einer höheren Abgasrückführungsrate auf dem Prüfstand gemindert werden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Vortrag des Klägers in weiten Teilen auf den – vorliegend nicht streitgegenständlichen – VW-Motor EA189 beziehe und sich im Übrigen in Spekulationen erschöpfe, mithin in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte „ins Blaue hinein“ erfolge. Das von dem Kläger angebotene Sachverständigengutachten sei daher nicht einzuholen.
Mit der Berufung hat der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er hat gerügt, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die – konzernwert auch in Fahrzeugmodellen von Volkswagen und Porsche implementierte – Software erkenne, dass das jeweilige Fahrzeug einem Emissionstest unterzogen werde. Dies ergebe sich, was das Landgericht völlig übersehen habe, aus der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes. Erstmals in der Berufungsbegründung hat der Kläger vorgetragen, sein Fahrzeug verfüge über ein „übergroßes Thermofenster“.
Die Beklagte hat das erstinstanzliche Urteil verteidigt. Im Berufungsrechtszug hat sie erstmals – unter einem unzutreffendem Verweis auf das landgerichtliche Urteil – behauptet, dass der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt und die Umsatzsteuer daher für ihn lediglich ein durchlaufender Posten sei. Außerdem hat die Beklagte betont, die „schnelle Aufwärmfunktion“ habe – anders als die „Umschaltlogik“ bei EA189-Motoren – mit dem Regelbetrieb des Fahrzeugs nichts zu tun. Sie trage vielmehr dafür Sorge, dass die Stickoxidemissionen auch in den ersten Minuten nach einem Kaltstart effizient reduziert würden. Das Softwareupdate weite diese Funktion lediglich auf den realen Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr aus.
Der 4. Zivilsenat des OLF Frankfurt a. M. hat unter dem 01.07.2020 einen Beweisbeschluss erlassen und darin der Beklagten auch aufgegeben, den das streitgegenständliche Fahrzeugmodell betreffenden Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes aufgegeben. Die Beklagte hat gegen diesen Beweisbeschluss Bedenken erhoben. Daraufhin wurde dieser Beschluss am 05.10.2020 insbesondere dahin abgeändert, dass über die klägerische Behauptung, bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug würde – über die vom Kraftfahrt-Bundesamt angesprochene schnelle Aufwärmfunktion hinaus – der NOX-Ausstoß (nur) auf dem Prüfstand optimiert, mangels hinreichender Anhaltspunkte doch kein Beweis zu erheben sei. Zudem wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie als beweisfällig angesehen werden könne, wenn sie den verlangten Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes nicht vorlege.
Der Kläger hat anschließend einen Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vorgelegt, der sich auf ein Fahrzeugmodell der Beklagten mit einem 3,0-Liter-Dieselmotor – den Audi Q7 – bezieht und der – nach dem unstreitig gebliebenen klägerischen Vortrag – dem Bescheid, der das streitgegenständliche Fahrzeugmodell betrifft, weitgehend entspricht. In diesem Bescheid heißt es es – unstreitig – insbesondere:
„Strategien A und B
Die von Audi verwendeten Strategien A und B werden nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt. Der Nutzung einer Aufheizstrategie (Strategie A) bei der Prüfung Typ 1 geht die Nutzung einer Strategie ‚Alternatives Aufheizen‘ (Strategie B) während der Vorkonditionierung des Fahrzeugs zum Zwecke der Prüfung Typ 1 voraus. Beim Einsatz beider Strategien wird die Überschreitung des NOX-Grenzwertes von 80 mg/km bei der Prüfung Typ 1 sicher vermieden.
Bei der Strategie A wird zum Starten der Aufheizstrategie eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verknüpft sind. Das heißt, alle Bedingungen müssen gleichzeitig vorliegen, dann wird die Aufheizstrategie genutzt. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie.“
Die Beklagte hat den für das Sachverständigengutachten angeforderten Vorschuss nicht eingezahlt, sondern mitgeteilt, sie habe die von ihr zu beweisenden Behauptungen nicht aufgestellt; jedenfalls aber ziehe sie das Beweisangebot jetzt zurück. Daraufhin hat das Berufungsgericht von der Einholung des Gutachtens abgesehen und darauf hingewiesen, dass die Berufung dem Grunde nach gute Erfolgsaussichten habe. Denn nach dem nun unstreitigen Sachverhalt sei davon auszugehen, dass die „schnelle Aufwärmfunktion“ bei dem streitgegenständlichen Pkw infolge einer Prüfstanderkennung nahezu nur auf dem Prüfstand aktiv gewesen sei. Auf diesen Hinweis hat die Beklagte nichts mehr vorgetragen.
Die Berufung hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. … 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des für das Kraftfahrzeug aufgewendeten Kaufpreises nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen vor, unter denen die Beklagte nach der vom BGH getroffenen Grundsatzentscheidung (Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316) wegen der Entwicklung eines Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber dem Fahrzeugkäufer aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung haftet.
a) Nach der vorgenannten Rechtsprechung des BGH zum Dieselskandal, die der Senat für zutreffend erachtet und der Beurteilung der vorliegenden Fallkonstellation zugrunde legt, stellt sich das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden, sodass das Kraftfahrt-Bundesamt infolge einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung systematisch getäuscht wurde, als objektiv sittenwidrig dar (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 16).
b) Diese Voraussetzungen liegen hier nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Nachdem die Beklagte ihr Beweisangebot hinsichtlich der Frage des Einsatzes der Aufwärmfunktion im realen Straßenverkehr zurückgezogen hat, bleibt als Vortrag, mit welchem sie der dezidierten klägerischen Behauptung einer Prüfstanderkennung entgegengetreten ist, allenfalls noch ein pauschales Bestreiten. Damit hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt, sodass der klägerische Vortrag gemäß § 138 III ZPO als zugestanden gilt.
Der Kläger hat seinen Vortrag insbesondere durch die Anlagen K 1 und BK 8, deren Inhalt unstreitig blieb, mit Belegen unterfüttert. Nach der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 23.01.2018 steht fest, dass die Beklagte die Motoren von weltweit rund 127.000 selbst hergestellten Fahrzeugen so konstruierte, dass die Aufwärmfunktion nahezu nur im Prüfzyklus ansprang. Deshalb wurden diese Fahrzeuge verpflichtend zurückgerufen.
Aus dem Bescheid für einen Audi Q7 ergibt sich die nähere Funktionsweise bei diesem Fahrzeugmodell. Danach wirkte die Aufheizstrategie wegen der engen Bedatung der Schaltbedingungen nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und bei den dort definierten Prüfbedingungen, während schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen zur Abschaltung der Aufheizstrategie führten. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag des Klägers entsprach dieser Bescheid dem Bescheid für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell weitgehend. Die Beklagte hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass sie für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell Audi SQ5 – ebenfalls ein 3,0-Liter-Dieselmotor desselben Herstellers – eine grundlegend andere Strategie gewählt hätte als für den Audi Q7. Hiergegen spricht vielmehr, dass sich nach Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes die Strategien von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp nur „leicht“ unterschieden. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat die Beklagte auch den das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden Rückrufbescheid nicht vorgelegt und damit diese naheliegende Möglichkeit ungenutzt gelassen, die vom Kläger dargelegte Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware substanziiert zu bestreiten (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 56 m. w. Nachw.).
Danach steht fest, dass Parameter für die Motoraufwärmfunktion vorgegeben waren, die auf den Prüfstand zugeschnitten waren und gewährleisteten, dass die Funktion dort wirkte. Demgegenüber wirkte die Funktion im realen Straßenbetrieb nur dann, wenn zufällig der seltene Ausnahmefall eintrat, dass die engen Parameter dort ebenfalls erfüllt waren. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Funktion im realen Straßenverkehr überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der eigentliche Sinn der Funktion darin erschöpfte, auf dem Prüfstand niedrige NOX-Werte zu erzielen und dabei vorzutäuschen, diese Werte würden auch im realen Straßenverkehr erreicht. Die gesamte Konstruktion war daher darauf ausgelegt, über die Manipulation zu täuschen.
Dies bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt und mehreren Oberlandesgerichten, die vergleichbare Fälle zu entscheiden hatten (OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 54; OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 – 8 U 1803/19, juris Rn. 34; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 58 m. w. Nachw.), als unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, welche neben einer erhöhten Belastung der Umwelt mit Stickoxiden auch – wie die verpflichtenden Rückrufe und die Anforderung eines Updates durch das Kraftfahrt-Bundesamt zeigen – mit der Gefahr einherging, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge hätte erfolgen können (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 16, 19 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 – 8 U 1803/19, juris Rn. 34; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 89; OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 63).
Soweit die Beklagte argumentiert, die Aufwärmfunktion habe anders als die „Umschaltlogik“ bei EA189-Motoren mit dem Regelbetrieb des Fahrzeugs nichts zu tun (sondern reduziere die Stickoxidemissionen in den ersten Minuten nach dem Kaltstart), und das Softwareupdate schaffe nun keine neue Funktion, sondern weite diese Funktion auf den Straßenbetrieb aus, ist diese Differenzierung zwischen Ausweitung einer bestehenden und Schaffung einer neuen Funktion irrelevant. Entscheidend ist, dass durch die enge, auf den Betrieb im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und die dort definierten Prüfbedingungen zugeschnittene Bedatung der Aufwärmfunktion im realen Straßenverkehr im Regelfall zusätzliche Emissionen ausgestoßen werden (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 – 8 U 1803/19, juris Rn. 37). Es mag sein, dass die erhöhten Emissionen „nur“ beim Kaltstart ausgestoßen werden anstatt ständig beim Betrieb des Fahrzeugs. Das macht die Abschalteinrichtung in Ermangelung ersichtlicher legitimer Zwecke aber nicht zulässig (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 98; OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 58).
Das von der Beklagten verfolgte, an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wird im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge dann verwerflich, wenn es – wie hier – auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde – des Kraftfahrt-Bundesamtes (§ 2 I EG-FGV) – erreicht werden soll und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 22). Hinzu kommt das geschaffene System der planmäßigen Verschleierung des Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden sowie – nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge – gegenüber den Verbrauchern (OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 – 8 U 1803/19, juris Rn. 49; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 97). Dementsprechend war das Handeln der Beklagten hier nach einer zusammenfassenden Würdigung der vorliegenden Umstände objektiv sittenwidrig (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 22 ff.).
Die Sittenwidrigkeit war – anders als in Fällen betreffend den Motor EA189 (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 38 m. w. Nachw.) – zum Zeitpunkt des nach September 2015 erfolgten Vertragsschlusses auch noch nicht wieder entfallen, denn die Beklagte hatte ihre strategische unternehmerische Entscheidung, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse das Kraftfahrt-Bundesamt und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, zu diesem Zeitpunkt betreffend den streitgegenständlichen Motor nicht durch die Strategie ersetzt, an die Öffentlichkeit zu treten (OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 62; OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 – 8 U 1803/19, juris Rn. 53).
c) Die grundlegende strategische Entscheidung der Beklagten zur Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ist nach dem als unstreitig zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers mit Wissen des vormaligen Vorstands der Beklagten oder zumindest einzelner Vorstandsmitglieder oder jedenfalls Repräsentanten i. S. von § 31 BGB getroffen worden und der Beklagten damit gemäß § 31 BGB zuzurechnen.
Der Kläger durfte aufgrund gegebener tatsächlicher Anhaltspunkte in prozessual zulässiger Weise vortragen, dass der Vorstand der Beklagten sowie der als verfassungsmäßig berufener Vertreter des Vorstands gemäß § 31 BGB anzusehende Leiter des Entwicklungsteams des streitgegenständlichen Motors über den Einbau der gesetzwidrigen Motorsteuerungssoftware Bescheid gewusst hätten (S. 22 ff. der Klageschrift; S. 24 der Replik). Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass es sich bei der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit den Motoren der Serie – 127.000 selbst hergestellte Fahrzeuge sowie eine unbekannte Zahl an mit ihren Motoren ausgestatteten Fahrzeugen anderer Hersteller wie Volkswagen und Porsche – betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 39; vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020 – 8 U 1803/19, juris Rn. 63; OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 64; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 76).
Die Beklagte trifft danach unter Berücksichtigung der vom BGH in der zitierten Entscheidung näher dargestellten Maßstäbe (s. dazu im Einzelnen BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 35–39) eine sekundäre Darlegungslast dafür, dass ihr vormaliger Vorstand von der Entwicklung und Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung keine Kenntnis hatte. Es oblag der Beklagten daher zumindest, zu ihrer damaligen Organisationsstruktur und Arbeitsorganisation, den damaligen internen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, den Berichtspflichten und den von ihr veranlassten Ermittlungen vorzutragen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 40). Sie hat aber erstinstanzlich überhaupt keinen derartigen Vortrag gehalten und zweitinstanzlich auch nur pauschal behauptet, der Vorstand habe „nach dem derzeitigen Ermittlungsstand“ – welcher nicht ansatzweise dargestellt worden ist – von der Entwicklung und Verwendung der Software keine Kenntnis gehabt (S. 11 f. des Schriftsatzes vom 17.07.2020). Unabhängig von der Frage der Zulassungsfähigkeit dieses Vorbringens im Hinblick auf § 531 II 1 ZPO ist die Beklagte somit ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Mithin gilt der Vortrag der Klägerseite zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten nach § 138 III ZPO als zugestanden (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 37).
d) Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden i. S. des § 249 I BGB entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeug liegt. Nach den vom BGH in seinem Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 – im Einzelnen überzeugend dargestellten rechtlichen Maßstäben kann sich ein Vermögensschaden in Fällen, in denen jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht wird, den er sonst nicht geschlossen hätte, auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung daraus ergeben, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass die Verkehrsanschauung den Vertragsschluss den Umständen nach als unvernünftig und nachteilig ansieht (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 46). In diesem Sinne hat die Beklagte den Kläger in Übereinstimmung mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag, durch ihr einer arglistigen Täuschung gleichstehendes sittenwidriges Verhalten zum Abschluss des Kaufvertrags über das mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeug veranlasst und den Kläger damit geschädigt, weil er eine für seine Zwecke nicht voll brauchbare Gegenleistung erhalten hat, die den Vertragsschluss nach der Verkehrsanschauung als unvernünftig und nachteilig erscheinen lässt.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger den Kaufvertrag über das von ihm im Folgenden nicht weiterveräußerte, sondern selbst genutzte Fahrzeug nicht abgeschlossen hätte, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung und der daraus resultierenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung Kenntnis gehabt hätte. Maßgebend ist dabei der Erfahrungssatz, dass ein Käufer, der ein Kraftfahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei Kenntnis der Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 51). Anstelle einer Darstellung weiterer Einzelheiten wird auf die die Feststellung eines Vermögensschadens betreffende Würdigung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 44–59) Bezug genommen, aus der sich insbesondere auch ergibt, dass der durch den ungewollten Vertragsschluss entstandene Schadensersatzanspruch, der sich darauf richtet, dass der Kläger so gestellt wird, als ob er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 55), nicht dadurch berührt wird, dass der Kläger ein durch den Hersteller zur Beseitigung des Mangels des Fahrzeugs entwickeltes Softwareupdate hat durchführen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 58).
Die von der Beklagten gegenbeweislich erstmals in der Berufungsinstanz (S. 10 des Schriftsatzes vom 17.07.2020) angebotene Parteivernehmung des Klägers ist gemäß § 531 II 1 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig, nachdem die Beklagte dessen durch die Klägerseite angebotener Parteivernehmung erstinstanzlich noch ausdrücklich widersprochen hat. Die Beklagte trägt unabhängig davon aber auch nicht vor, weshalb der Kläger entgegen der zugrunde zu legenden Annahme, dass vernünftige Kunden von dem Erwerb eines manipulierten Fahrzeugs regelmäßig Abstand nehmen, hier ausnahmsweise unvernünftig hätte handeln und dennoch erwerben sollen. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, den klägerischen Vortrag zur Kausalität zu bestreiten, ohne auch nur ansatzweise zu erläutern, woraus sich Anhaltspunkte für die Motivation zum Erwerb eines mit einer Stilllegung bedrohten Fahrzeugs hätte ergeben sollen.
Es ist nach den vom BGH in seinem Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 60–63 – dargestellten Maßstäben auch ein auf den ungewollten und unvernünftigen Vertragsabschluss bezogener Schädigungsvorsatz der aufseiten der Beklagten i. S. des § 31 BGB haftungsbegründend handelnden Personen feststellbar. Der Senat hat vor dem Hintergrund, dass der Vorstand der Beklagten oder zumindest einzelne seiner Mitglieder Kenntnis von der mit der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen strategischen Entscheidung hatten und diese auch jahrelang umgesetzt wurde, keine Zweifel daran, dass die betreffenden Vorstandsmitglieder die mit dem ungewollten Vertragsabschluss eines Käufers verbundene Schädigung vorausgesehen und zur Erreichung der mit der strategischen Entscheidung angestrebten Zwecke billigend in Kauf genommen haben.
e) Nach alledem kommt es auf die Zulassungsfähigkeit und Substanziiertheit der erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellten Behauptung des Klägers, das Fahrzeug verfüge über ein „übergroßes Thermofenster“, nicht an.
2. Betreffend die Schadenshöhe ist Grundlage der Schadensberechnung der gezahlte Bruttokaufpreis.
Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung vorgetragen hat, der Kläger sei vorsteuerabzugsberechtigt, sodass die Umsatzsteuer lediglich einen von ihm nicht zu tragenden durchlaufenden Posten darstelle, erfolgte dies ohne jeglichen sonst ersichtlichen Bezug auf den erstinstanzlichen Vortrag beider Seiten einschließlich der eingereichten Anlagen. Möglicherweise handelte es sich um einen versehentlich verwendeten Textbaustein, wofür auch der unzutreffende Verweis auf die Seite 2 des landgerichtlichen Urteils spricht. Ob dieser der klägerischen Schilderung des Fahrzeugkaufs nicht entsprechende Vortrag im Hinblick auf § 531 II 1 ZPO berücksichtigungsfähig ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist der Vortrag betreffend einen derartigen von der Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Vorteilsausgleich erläuterungsbedürftig und daher in seiner Pauschalität nicht hinreichend substanziiert. Die Beklagte hat den Vortrag in keiner Weise erläutert, sondern an ihm im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.01.2021 nicht mehr festgehalten. Sie hat dort vielmehr unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung eine Zuvielforderung von 15.038,23 € errechnet und ist dabei ersichtlich vom Bruttokaufpreis ausgegangen. Auch dieser Umstand spricht im Übrigen für die obige Vermutung, der Vortrag in der Berufungserwiderung sei nur versehentlich gehalten worden.
3. Der Kläger muss sich nach der überzeugenden Würdigung des BGH im Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 64–77, auf die der Senat Bezug nimmt, im Wege des schadensrechtlichen Vorteilsausgleichs die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeugs anrechnen lassen.
Der Senat bemisst die Höhe der Nutzungsvorteile des Klägers in Ausübung seines Ermessens gemäß § 287 ZPO in Übereinstimmung mit der vom BGH im Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 80–83 – gebilligten Berechnungsweise, indem er ausgehend von einer geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km den vom Kläger gezahlten Bruttokaufpreis von 63.816,44 € durch die bei dem Neufahrzeug zum Erwerbszeitpunkt zu erwartende Laufleistung von 300.000 km teilt und mit den bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gefahrenen Kilometern multipliziert.
Hier wurde der Kilometerstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht vorgetragen. Allerdings betrug er unstreitig zwei Tage zuvor 60.682, sodass mangels abweichender Anhaltspunkte im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer gleichmäßigen – der sonstigen durchschnittlichen Fahrleistung zwischen den mündlichen Verhandlungen in beiden Instanzen am 05.09.2019 sowie am 20.01.2021 entsprechenden – Zunahme der Fahrleistung von 42 km zur mündlichen Verhandlung und mithin von einem Kilometerstand von 60.724 auszugehen ist.
Es errechnet sich daraus ein auszugleichender Vorteil des Klägers in Höhe von 12.917,30 €. Es verbleibt daher von dem Kaufpreis ein Betrag in Höhe von 50.899,14 €.
4. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich ab dem Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit aus den §§ 291, 288 I 2 BGB.
Verzugszinsen vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit kann der Kläger hingegen nicht verlangen, denn er hat die Beklagte vorgerichtlich nicht wirksam in Verzug gesetzt. In dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21.02.2019 (Anlage K 4) verlangte er Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis zwar abzüglich einer Nutzungsentschädigung, berechnete diese jedoch auf der Basis einer Gesamtfahrleistung von 500.000 km erheblich zu gering. Dies stellte eine deutliche Zuvielforderung (von rund sieben Prozent der gerechtfertigten Forderung) dar, sodass die Beklagte durch das Schreiben nicht in Verzug geriet (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 86).
Die Prozesszinsen waren bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht aus dem letztlich in der Hauptsache zuerkannten Betrag, sondern aus einem erhöhten Betrag zuzusprechen. Denn es war zu berücksichtigen, dass der Kaufpreiserstattungsanspruch erst infolge der seit Rechtshängigkeit gefahrenen Kilometer auf den zuerkannten Betrag herabgesunken ist (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, juris Rn. 38).
Einen Tag nach Rechtshängigkeit, welche am 10.04.2019 eintrat, betrug der Kilometerstand nach der gemäß § 287 ZPO erfolgten Schätzung des Senats, die von einer gleichmäßigen, der sonstigen durchschnittlichen Fahrleistung zwischen dem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 21.02.2019 sowie der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz am 05.09.2019 entsprechenden Zunahme der Fahrleistung ausgeht, 44.009. Dies zugrunde gelegt, waren für diesen Tag Zinsen aus 54.454,78 € zuzusprechen (Nutzungsersatz damals: \(\frac{\text{63.816,44 €}\times\text{44.009 km}}{\text{300.000 km}}\) = 9.361,66 €). Für den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren hingegen Zinsen aus dem zuerkannten Betrag zuzusprechen. Der Mittelwert, aus dem Zinsen zuzusprechen sind, beträgt demnach 52.676,96 €. Dieser Mittelwert ist auch der Mittelwert aus den für den zweiten und den vorletzten Tag des Berechnungszeitraums zugrunde zu legenden Beträgen. Entsprechendes gilt für den dritten und den vorvorletzten Tag etc. bis schließlich für die zeitliche Mitte zwischen Rechtshängigkeit und mündlicher Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. die Gaußsche Summenformel). Nach diesem Prinzip liegt das dem Kläger zustehende rechnerische Mittel für diesen gesamten Zeitraum bei einer Verzinsung dieses Mittelwerts.
5. Deliktszinsen kann der Kläger nach der überzeugenden Würdigung des BGH (Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, juris Rn. 19 m. w. Nachw.), der sich der Senat anschließt, nicht verlangen. Danach steht der Anwendung des § 849 BGB schon der Umstand entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt. Zwar hat der Kläger durch den ungewollten Vertragsschluss einen Schaden erlitten, weil dem Fahrzeug eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung drohte und im Zeitpunkt des Erwerbs nicht absehbar war, ob überhaupt, wenn ja zu welchem Zeitpunkt und wie – vor allem ohne Nachteil für den Käufer – der Mangel behoben werden kann. Gleichwohl war das Fahrzeug im Streitfall aber tatsächlich nutzbar, weil sich die bestehende Gefahr nicht realisierte. Die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte damit den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes.
6. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist nicht begründet. Wie bereits oben ausgeführt, hatte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21.02.2019 (Anlage K 4.) erheblich zu viel gefordert. Hinzu kamen im gerichtlichen Verfahren noch die zu viel verlangten Deliktszinsen, sodass durchgehend ein deutlich zu hoher Schadensersatzanspruch geltend gemacht wurde (Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = juris Rn. 85).
7. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nur in dem Umfang verlangen, in welchem das außergerichtliche Tätigwerden berechtigt war.
Die Höhe des Anspruchs beläuft sich für den Zeitpunkt des vorgerichtlichen Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten des Klägers durch das als Anlage zur Klageschrift vorgelegte Anwaltsschreiben vom 21.02.2019 auf eine 1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG – unter Berücksichtigung der klägerischen Beschränkung auf die nicht anzurechnende Gebühr, mithin 0,65 – nebst Post- und Telekommunikationspauschale und 19 % Umsatzsteuer. Ein höherer erstattungsfähiger Gebührensatz kommt gemäß § 14 I RVG unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht in Betracht und ist auch im Hinblick auf sonstige für die Gebührenbemessung relevante Umstände durch den Kläger nicht schlüssig dargelegt worden. Die Gebührenbemessung ist ferner auch unter dem Aspekt des dem Rechtsanwalt bei der Bemessung von Rahmengebühren gemäß § 14 I RVG zustehenden Ermessensspielraums nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2013 – VI ZR 195/12, juris Rn. 7 f.).
Die Gebühr ist unter Berücksichtigung des sich aus dem Schreiben ergebenden und nach den vorstehenden Ausführungen gerechtfertigten Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit aus der Gebührenstufe bis 65.000 € zu berechnen. Zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens am 21.02.2019 waren erst 42.000 km gefahren worden und war dementsprechend weniger Nutzungsersatz abzuziehen. Der Senat ermittelt so einen damaligen Gegenstandswert, der zwischen 50.000 und 65.000 € liegt.
8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO. Bei der Kostenentscheidung war auch das Unterliegen des Klägers mit den von ihm geltend gemachten Zinsen, insbesondere den Deliktszinsen, zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht streitwertrelevant sind (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 92 Rn. 3). Die divergierenden Kostenentscheidungen für die beiden Rechtszüge resultieren daraus, dass der klägerische Anspruch in der ersten Instanz – insbesondere zum Zeitpunkt der Klageeinreichung und vor der bei der Kostenverteilung zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht – wegen der weniger gefahrenen Kilometer noch etwas höher war.
Die Revision war mangels des Vorliegens der Voraussetzungen von § 543 II 1 ZPO nicht zuzulassen, nachdem der BGH die hier maßgeblichen Fragen nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils in seinen Entscheidungen zum Motor EA189 bereits geklärt hat (insbesondere durch Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316). Die Wertungen des BGH sind angesichts der hier eingebauten Prüfstandmanipulation ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 39/20, juris Rn. 76). Der Kläger hatte mit der Berufungsbegründung die Zulassung der Revision angeregt, dies aber wohl bloß im Hinblick auf die zwischenzeitlich ebenfalls geklärte Frage der Deliktszinsen (vgl. S. 27 der Berufungsbegründung). …