1. Das Ver­hal­ten der für ei­nen Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler han­deln­den Per­so­nen ist nicht be­reits des­halb als sit­ten­wid­rig zu qua­li­fi­zie­ren, weil sie ei­nen Fahr­zeug­typ auf­grund ei­ner grund­le­gen­den un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung mit ei­ner tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems (Ther­mo­fens­ter) aus­ge­stat­tet und in den Ver­kehr ge­bracht ha­ben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Ent­wick­lung und dem Ein­satz die­ser Steue­rung ei­ne Kos­ten­sen­kung und die Er­zie­lung von Ge­winn er­strebt wird. Der ob­jek­ti­ve Tat­be­stand der Sit­ten­wid­rig­keit ist nur ge­ge­ben, wenn wei­te­re Um­stän­de hin­zu­tre­ten, die das Ver­hal­ten der han­deln­den Per­so­nen als be­son­ders ver­werf­lich er­schei­nen las­sen.
  2. Die An­nah­me ob­jek­ti­ver Sit­ten­wid­rig­keit setzt je­den­falls vor­aus, dass die han­deln­den Per­so­nen bei der Ent­wick­lung und/​oder Ver­wen­dung der tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems in dem Be­wusst­sein han­del­ten, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den, und den dar­in lie­gen­den Ge­set­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf nah­men.

BGH, Be­schluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die be­klag­ten Fahr­zeug­her­stel­le­rin auf Scha­dens­er­satz we­gen Ver­wen­dung ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung in An­spruch.

Er er­warb von der Be­klag­ten am 19.01.2012 ein Neu­wa­gen (Mer­ce­des-Benz C 220 CDI) zum Preis von 32.106,20 €. Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he OM 651 aus­ge­stat­tet und un­ter­liegt kei­nem Rück­ruf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt. Für den Fahr­zeug­typ wur­de ei­ne Typ­ge­neh­mi­gung nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge (ABl. 2007 L 171, 1) mit der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 5 er­teilt.

Die Ab­gas­rei­ni­gung er­folgt im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug über die Ab­gas­rück­füh­rung. Da­bei wird ein Teil der Ab­ga­se wie­der der Ver­bren­nung im Mo­tor zu­ge­führt, was zu ei­ner Ver­rin­ge­rung der Stick­oxid(NOX)-Emis­sio­nen führt. Die Ab­gas­rück­füh­rung wird bei küh­le­ren Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren re­du­ziert („Ther­mo­fens­ter“), wo­bei zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist, bei wel­chen Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren dies der Fall ist. Ei­ne Ab­gas­nach­be­hand­lung in Form der selec­tive ca­ta­ly­tic re­duc­tion (SCR) fin­det nicht statt.

Der Klä­ger be­haup­tet, die Mo­tor­steue­rung re­du­zie­re bei ein­stel­li­gen po­si­ti­ven Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren die Ab­gas­rück­füh­rung und schal­te sie schließ­lich ganz ab. Dies füh­re zu ei­nem er­heb­li­chen An­stieg der Stick­oxid­emis­sio­nen. Die Be­klag­te ha­be die­se Funk­ti­on, die als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu qua­li­fi­zie­ren sei, dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­zielt vor­ent­hal­ten und ver­schlei­ert. Mit der Kla­ge hat er zu­letzt Scha­dens­er­satz in Hö­he des um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­min­der­ten Kauf­prei­ses (22.208,71 €) nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten so­wie die Er­stat­tung vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten ver­langt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen. Auf die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de des Klä­gers wur­de das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che an die­ses Ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [6]    II. Nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts steht dem Klä­ger ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­gen die Be­klag­te we­gen der Nut­zung ei­nes Ther­mo­fens­ters nicht zu. Ver­trag­li­che An­sprü­che sei­en ver­jährt. Ein An­spruch aus § 826 BGB schei­de man­gels vor­sätz­li­chen Ver­hal­tens der für die Be­klag­te han­deln­den Per­so­nen aus. Ein – auch nur be­ding­ter – Vor­satz in Be­zug auf die Sit­ten­wid­rig­keit, die der Klä­ger aus der Rechts­wid­rig­keit des „Tem­pe­ra­tur­fens­ters“ her­lei­te, kön­ne nicht an­ge­nom­men wer­den. Al­lein aus dem blo­ßen Vor­han­den­sein ei­ner ob­jek­tiv un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug er­ge­be sich we­der der er­for­der­li­che Schä­di­gungs­vor­satz der Be­klag­ten noch die Sit­ten­wid­rig­keit ih­res Ver­hal­tens. Bei ei­ner Mo­tor­steue­rungs­soft­ware wie dem vor­lie­gend in Re­de ste­hen­den Ther­mo­fens­ter, die vom Grund­satz her im nor­ma­len Fahr­be­trieb in glei­cher Wei­se ar­bei­te wie auf dem Prüf­stand und bei der Ge­sichts­punk­te des Mo­tor- re­spek­ti­ve Bau­teil­schut­zes als Recht­fer­ti­gung ernst­haft er­wo­gen wer­den könn­ten, kön­ne oh­ne kon­kre­te An­halts­punk­te nicht un­ter­stellt wer­den, dass die Han­deln­den bzw. Ver­ant­wort­li­chen bei der Be­klag­ten in dem Be­wusst­sein agiert hät­ten, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den. Vor­sätz­li­ches Han­deln kön­ne viel­mehr nur dann an­ge­nom­men wer­den, wenn über die blo­ße Kennt­nis von dem Ein­bau ei­ner Ein­rich­tung mit der in Re­de ste­hen­den Funk­ti­ons­wei­se in den streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor hin­aus zu­gleich auch An­halts­punk­te da­für er­kenn­bar wä­ren, dass dies von­sei­ten der Be­klag­ten in dem Be­wusst­sein ge­sche­hen sei, hier­mit mög­li­cher­wei­se ge­gen die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zu ver­sto­ßen, und die­ser Ge­set­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf ge­nom­men wor­den sei. Denn die Ge­set­zes­la­ge sei hin­sicht­lich der Zu­läs­sig­keit von Ther­mo­fens­tern nicht ein­deu­tig. Oh­ne kon­kre­te An­halts­punk­te für ein Be­wusst­sein und ei­ne bil­li­gen­de In­kauf­nah­me des – un­ter­stell­ten – Ge­set­zes­ver­sto­ßes kön­ne das Ver­hal­ten der Be­klag­ten fer­ner nicht als be­son­ders ver­werf­lich an­ge­se­hen wer­den. Der­ar­ti­ge An­halts­punk­te ha­be der Klä­ger aber nicht auf­ge­zeigt.

[7]    Der neue Vor­trag des Klä­gers in der münd­li­chen Ver­hand­lung, wo­nach die An­ga­ben der Be­klag­ten im Zu­las­sungs­an­trag un­zu­tref­fend oder je­den­falls un­voll­stän­dig ge­we­sen sei­en, weil nur die La­de­tem­pe­ra­tur als Pa­ra­me­ter an­ge­führt wor­den sei, der die Ab­gas­rück­füh­rung be­ein­flus­se, kön­ne ge­mäß § 531 II ZPO, je­den­falls aber ge­mäß § 530 ZPO nicht be­rück­sich­tigt wer­den. Grün­de, den neu­en und strei­ti­gen Vor­trag zu­zu­las­sen, sei­en we­der er­sicht­lich noch vor­ge­tra­gen.

[8]    Ein An­spruch aus § 826 BGB schei­te­re aber auch dar­an, dass der Klä­ger nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert dar­ge­legt ha­be, dass die Ab­schalt­funk­ti­on im Zu­sam­men­hang mit Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren rechts­wid­rig sei. Der Vor­trag des Klä­gers be­zie­he sich auf un­ter­schied­li­che Fahr­zeug­ty­pen der Be­klag­ten; der streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug­typ sei nicht da­bei. Die Be­haup­tung ei­ner tem­pe­ra­tur­ad­ap­tier­ten Ab­gas­rück­füh­rung im Mo­tor OM 651 sei für sich al­lein ge­nom­men nicht ge­eig­net, den Tat­be­stand der vor­lie­gend al­lein in Be­tracht kom­men­den de­lik­ti­schen An­spruchs­grund­la­gen zu be­ja­hen.

[9]    Ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten er­ge­be sich auch we­der aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB noch aus § 823 II BGB i. V. mit Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 oder mit § 6 I, § 27 EG-FGV. Die zu­letzt ge­nann­ten Be­stim­mun­gen sei­en kei­ne Schutz­ge­set­ze; sie be­zweck­ten nicht den Schutz der Kraft­fahr­zeu­ger­wer­ber.

[10]   III. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de hat Er­folg und führt ge­mäß § 544 IX ZPO zur Auf­he­bung des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils und zur Zu­rück­ver­wei­sung des Rechts­streits an das Be­ru­fungs­ge­richt. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat den An­spruch des Klä­gers auf recht­li­ches Ge­hör aus Art. 103 I GG in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt, weil es des­sen Vor­trag im nach­ge­las­se­nen Schrift­satz vom 16.09.2019 zu den An­ga­ben der Be­klag­ten im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren bei der Ent­schei­dung nicht be­rück­sich­tigt hat.

[11]   1. Art. 103 I GG ver­mit­telt al­len an ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren Be­tei­lig­ten ei­nen An­spruch dar­auf, sich zu dem in Re­de ste­hen­den Sach­ver­halt und zur Rechts­la­ge zu äu­ßern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.05.1965 – 2 BvR 242/63, BVerfGE 19, 32, 36; Beschl. v. 11.10.1978 – 2 BvR 214/76, BVerfGE 49, 325, 328; Beschl. v. 09.07.1980 – 2 BvR 701/80, BVerfGE 55, 1, 5 f.; Beschl. v. 24.03.1982 – 2 BvH 1/82, 2 BvH 2/82 und 2 BvR 233/82, BVerfGE 60, 175, 210; Beschl. v. 17.05.1983 – 2 BvR 731/80, BVerfGE 64, 135, 143 f.). Dem ent­spricht die Pflicht des Ge­richts, tat­säch­li­che und recht­li­che Aus­füh­run­gen der Be­tei­lig­ten zur Kennt­nis zu neh­men und in Er­wä­gung zu zie­hen (Se­nat, Beschl. v. 29.05.2018 – VI ZR 370/17, VersR 2018, 1001 Rn. 8; BVerfG, Beschl. v. 09.02.1982 – 1 BvR 1379/80, BVerfGE 60, 1, 5; Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 145 f.; BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 01.08.2017 – 2 BvR 3068/14, NJW 2017, 3218 Rn. 47). Dar­aus folgt zwar nicht, dass das Ge­richt ver­pflich­tet wä­re, je­des Vor­brin­gen der Be­tei­lig­ten in den Ent­schei­dungs­grün­den aus­drück­lich zu be­schei­den (vgl. Se­nat, Beschl. v. 26.09.2017 – VI ZR 529/16, VersR 2018, 38 Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 25.05.1993 – 1 BvR 345/83, BVerfGE 88, 366, 375 f. m. w. Nachw.). Die we­sent­li­chen der Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung die­nen­den Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen müs­sen in den Grün­den aber ver­ar­bei­tet wer­den (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.02.1978 – 1 BvR 426/77, BVerfGE 47, 182, 189). Dies gilt auch be­züg­lich des in ei­nem frist­ge­recht ein­ge­reich­ten, nach­ge­las­se­nen Schrift­satz ent­hal­te­nen Vor­trags; die­sen hat das Be­ru­fungs­ge­richt bei sei­ner Ent­schei­dung zu be­rück­sich­ti­gen und ge­ge­be­nen­falls – un­ter Um­stän­den auch zur Wah­rung recht­li­chen Ge­hörs des Geg­ners – die münd­li­che Ver­hand­lung wie­der zu er­öff­nen (vgl. § 283 Satz 2 ZPO; BVerfG, Beschl. v. 14.06.1960 – 2 BvR 96/60, BVerfGE 11, 218, 220; BGH, Beschl. v. 10.12.2019 – VI­II ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 13; Münch­Komm-ZPO/​Prüt­ting, 6. Aufl., § 283 Rn. 26; Be­ckOK-ZPO/​Ba­cher, Stand: 01.09.2020, § 283 Rn. 18 f.).

[12]   2. Die­se Grund­sät­ze hat das Be­ru­fungs­ge­richt nicht hin­rei­chend be­ach­tet.

[13]   a) Zu­tref­fend hat das Be­ru­fungs­ge­richt al­ler­dings an­ge­nom­men, dass die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung (§ 826 BGB) nicht be­reits des­halb ge­ge­ben sind, weil die Be­klag­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ auf­grund ei­ner grund­le­gen­den un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung mit ei­ner tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems (Ther­mo­fens­ter) aus­ge­stat­tet und in den Ver­kehr ge­bracht hat. Die­ses Ver­hal­ten ist für sich ge­nom­men nicht als sit­ten­wid­rig zu qua­li­fi­zie­ren. Dies gilt auch dann, wenn die Be­klag­te mit der Ent­wick­lung und dem Ein­satz die­ser Steue­rung ei­ne Kos­ten­sen­kung und die Er­zie­lung von Ge­winn er­strebt hat.

[14]   aa) Sit­ten­wid­rig ist ein Ver­hal­ten, das nach sei­nem Ge­samt­cha­rak­ter, der durch um­fas­sen­de Wür­di­gung von In­halt, Be­weg­grund und Zweck zu er­mit­teln ist, ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt. Da­für ge­nügt es im All­ge­mei­nen nicht, dass der Han­deln­de ei­ne Pflicht ver­letzt und ei­nen Ver­mö­gens­scha­den her­vor­ruft. Viel­mehr muss ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit sei­nes Ver­hal­tens hin­zu­tre­ten, die sich aus dem ver­folg­ten Ziel, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge ge­tre­te­nen Ge­sin­nung oder den ein­ge­tre­te­nen Fol­gen er­ge­ben kann (st. Rspr., s. nur Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; Urt. v. 07.05.2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 m. w. Nachw.). Schon zur Fest­stel­lung der ob­jek­ti­ven Sit­ten­wid­rig­keit kann es da­her auf Kennt­nis­se, Ab­sich­ten und Be­weg­grün­de des Han­deln­den an­kom­men, die die Be­wer­tung sei­nes Ver­hal­tens als ver­werf­lich recht­fer­ti­gen. Die Ver­werf­lich­keit kann sich auch aus ei­ner be­wuss­ten Täu­schung er­ge­ben (Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 m. w. Nachw.). Ins­be­son­de­re bei mit­tel­ba­ren Schä­di­gun­gen kommt es fer­ner dar­auf an, dass den Schä­di­ger das Un­wert­ur­teil, sit­ten­wid­rig ge­han­delt zu ha­ben, ge­ra­de auch in Be­zug auf die Schä­den des­je­ni­gen trifft, der An­sprü­che aus § 826 BGB gel­tend macht (Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; Urt. v. 07.05.2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 m. w. Nachw.).

[15]   Ob das Ver­hal­ten des An­spruchs­geg­ners sit­ten­wid­rig i. S. des § 826 BGB ist, ist da­bei ei­ne Rechts­fra­ge, die der un­ein­ge­schränk­ten Kon­trol­le des Re­vi­si­ons­ge­richts un­ter­liegt (Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15; Urt. v. 07.05.2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 15 m. w. Nachw.).

[16]   bb) Nach die­sen Grund­sät­zen reicht der Um­stand, dass die Ab­gas­rück­füh­rung im Fahr­zeug des Klä­gers nach sei­nem man­gels ab­wei­chen­der Fest­stel­lun­gen re­vi­si­ons­recht­lich zu­grun­de zu le­gen­den Sach­vor­trag durch ei­ne tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­ge Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems bei ein­stel­li­gen Po­si­tiv­tem­pe­ra­tu­ren re­du­ziert und letzt­lich ganz ab­ge­schal­tet wird, für sich ge­nom­men nicht aus, um dem Ver­hal­ten der für die Be­klag­te han­deln­den Per­so­nen ein sit­ten­wid­ri­ges Ge­prä­ge zu ge­ben. Da­bei kann zu­guns­ten des Klä­gers in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht un­ter­stellt wer­den, dass ei­ne der­ar­ti­ge tem­pe­ra­tur­be­ein­fluss­te Steue­rung der Ab­gas­rück­füh­rung als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu qua­li­fi­zie­ren ist (vgl. zu Art. 5 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 auch EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 – CLCV). Wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, wä­re der dar­in lie­gen­de Ge­set­zes­ver­stoß auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung ei­ner da­mit ein­her­ge­hen­den Ge­winn­erzie­lungs­ab­sicht der Be­klag­ten für sich ge­nom­men nicht ge­eig­net, den Ein­satz die­ser Steue­rungs­soft­ware durch die für die Be­klag­te han­deln­den Per­so­nen als be­son­ders ver­werf­lich er­schei­nen zu las­sen. Hier­für be­dürf­te es viel­mehr wei­te­rer Um­stän­de.

[17]   (1) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ist der Ein­satz ei­ner tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems nicht mit der Fall­kon­stel­la­ti­on zu ver­glei­chen, die dem Se­nats­ur­teil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 – zu­grun­de liegt und in der der Se­nat das Ver­hal­ten des be­klag­ten Au­to­mo­bil­her­stel­lers ge­gen­über dem kla­gen­den Fahr­zeug­käu­fer als sit­ten­wid­rig qua­li­fi­ziert hat. Dort hat­te der Au­to­mo­bil­her­stel­ler die grund­le­gen­de stra­te­gi­sche Fra­ge, mit wel­chen Maß­nah­men er auf die Ein­füh­rung der – im Ver­hält­nis zu dem zu­vor gel­ten­den Recht stren­ge­ren – Stick­oxid­grenz­wer­te der Eu­ro-5-Norm re­agie­ren wür­de, im ei­ge­nen Kos­ten- und Ge­winn­in­ter­es­se da­hin ge­hend ent­schie­den, von der Ein­hal­tung die­ser Grenz­wer­te im rea­len Fahr­be­trieb voll­stän­dig ab­zu­se­hen und dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt statt­des­sen zwecks Er­lan­gung der Typ­ge­neh­mi­gung mit­tels ei­ner ei­gens zu die­sem Zweck ent­wi­ckel­ten Mo­tor­steue­rungs­soft­ware wahr­heits­wid­rig vor­zu­spie­geln, dass die von ihm her­ge­stell­ten Die­sel­fahr­zeu­ge die neu fest­ge­leg­ten Grenz­wer­te ein­hal­ten. Die Soft­ware war be­wusst und ge­wollt so pro­gram­miert, dass die ge­setz­li­chen Ab­gas­grenz­wer­te nur auf dem Prüf­stand be­ach­tet, im nor­ma­len Fahr­be­trieb hin­ge­gen über­schrit­ten wur­den (Um­schalt­lo­gik), und ziel­te da­mit un­mit­tel­bar auf die arg­lis­ti­ge Täu­schung der Typ­ge­neh­mi­gungs­be­hör­de ab (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16–27). Die mit ei­ner der­ar­ti­gen – evi­dent un­zu­läs­si­gen – Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­nen Fahr­zeu­ge hat­te der Her­stel­ler so­dann un­ter be­wuss­ter Aus­nut­zung der Arg­lo­sig­keit der Er­wer­ber, die die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben und die ord­nungs­ge­mä­ße Durch­füh­rung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­setz­ten, in den Ver­kehr ge­bracht (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 17, 23, 25). Ein sol­ches Ver­hal­ten steht ei­ner un­mit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung der Fahr zeu­ger­wer­ber in der Be­wer­tung gleich (Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Leit­satz 1 und Rn. 23, 25).

[18]   Bei dem Ein­satz ei­ner tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems wie im vor­lie­gen­den Fall fehlt es an ei­nem der­ar­ti­gen arg­lis­ti­gen Vor­ge­hen des be­klag­ten Au­to­mo­bil­her­stel­lers, das die Qua­li­fi­ka­ti­on sei­nes Ver­hal­tens als ob­jek­tiv sit­ten­wid­rig recht­fer­ti­gen wür­de. Nach den nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts un­ter­schei­det die im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ein­ge­setz­te tem­pe­ra­tur­be­ein­fluss­te Steue­rung der Ab­gas­rück-füh­rung nicht da­nach, ob sich das Fahr­zeug auf dem Prüf­stand oder im nor­ma­len Fahr­be­trieb be­fin­det. Sie weist kei­ne Funk­ti­on auf, die bei er­kann­tem Prüf­stands­be­trieb ei­ne ver­stärk­te Ab­gas­rück­füh­rung ak­ti­viert und den Stick­oxid­aus­stoß ge­gen­über dem nor­ma­len Fahr­be­trieb re­du­ziert, son­dern ar­bei­tet in bei­den Fahr­si­tua­tio­nen im Grund­satz in glei­cher Wei­se. Un­ter den für den Prüf­zy­klus maß­ge­ben­den Be­din­gun­gen (Um­ge­bungs­tem­pe­ra­tur, Luft­feuch­tig­keit, Ge­schwin­dig­keit, Wi­der­stand, etc.; vgl. Art. 5 III lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 i. V. mit Art. 3 Nr. 1 und Nr. 6, An­hang III der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 der Kom­mis­si­on vom 18.07.2008 zur Durch­füh­rung und Än­de­rung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 [ABl. 2008 L 199, 1] i. V. mit Abs. 5.3.1 und An­hang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Re­ge­lung Nr. 83 [ABl. 2006 L 375, S. 246]) ent­spricht die Ra­te der Ab­gas­rück­füh­rung im nor­ma­len Fahr­be­trieb der­je­ni­gen auf dem Prüf­stand.

[19]   (2) Bei die­ser Sach­la­ge wä­re der Vor­wurf der Sit­ten­wid­rig­keit ge­gen­über der Be­klag­ten nur ge­recht­fer­tigt, wenn zu dem – hier un­ter­stell­ten – Ver­stoß ge­gen die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 wei­te­re Um­stän­de hin­zu­trä­ten, die das Ver­hal­ten der für sie han­deln­den Per­so­nen als be­son­ders ver­werf­lich er­schei­nen lie­ßen. Wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, setzt die An­nah­me von Sit­ten­wid­rig­keit je­den­falls vor­aus, dass die­se Per­so­nen bei der Ent­wick­lung und/​oder Ver­wen­dung der tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems in dem Be­wusst­sein han­del­ten, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den, und den dar­in lie­gen­den Ge­set­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf nah­men. Fehlt es hier­an, ist be­reits der ob­jek­ti­ve Tat­be­stand der Sit­ten­wid­rig­keit nicht er­füllt. Da­bei trägt die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die­se Vor­aus­set­zung nach all­ge­mei­nen Grund­sät­zen der Klä­ger als An­spruch­stel­ler (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 35).

[20]   b) Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wen­det sich aber mit Er­folg ge­gen die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, der Klä­ger ha­be für ein der­ar­ti­ges Vor­stel­lungs­bild spre­chen­de An­halts­punk­te nicht auf­ge­zeigt. Die dies­be­züg­li­che Be­wer­tung be­ruht auf ei­ner Ver­let­zung des An­spruchs des Klä­gers auf recht­li­ches Ge­hör.

[21]   aa) Oh­ne Er­folg rügt die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de al­ler­dings, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be in die­sem Zu­sam­men­hang den Vor­trag des Klä­gers über­gan­gen, sein Fahr­zeug sei Ge­gen­stand ei­ner frei­wil­li­gen Kun­den­dienst­maß­nah­me der Be­klag­ten, mit der le­dig­lich be­zweckt wer­de, ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in Weg­fall zu brin­gen und ei­nen ver­pflich­ten­den Rück­ruf zu ver­mei­den. Die­ser Vor­trag ist nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Der Klä­ger hat­te in dem von der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de in Be­zug ge­nom­me­nen Schrift­satz vom 02.07.2018 vor­ge­tra­gen, die Be­klag­te kün­di­ge „mitt­ler­wei­le“ frei­wil­li­ge Ser­vice­maß­nah­men an, um ei­nem amt­li­chen Rück­ruf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt zu ent­ge­hen. Nach der In­ten­si­vie­rung der Er­mitt­lun­gen der Staats­an­walt­schaft Stutt­gart und des Kraft­fahrt-Bun­des­amts „wei­te“ sie ih­re Nach­bes­se­rung „nun“ mas­siv aus. Hier­aus las­sen sich kei­ne Rück­schlüs­se auf das Vor­stel­lungs­bild der Be­klag­ten zum maß­geb­li­chen Zeit­punkt der Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung – spä­tes­tens dem Ein­tritt des be­haup­te­ten Scha­dens in Form des Ver­trags­schlus­ses – am 19.01.2012 zie­hen (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 30).

[22]   bb) Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de rügt aber mit Er­folg, dass das Be­ru­fungs­ge­richt bei sei­ner Ent­schei­dung den Sach­vor­trag des Klä­gers nicht be­rück­sich­tigt hat, wo­nach die Be­klag­te im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren un­zu­tref­fen­de An­ga­ben über die Ar­beits­wei­se des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems ge­macht ha­be. Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob das Be­ru­fungs­ge­richt die in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 23.08.2013 auf­ge­stell­te Be­haup­tung des Klä­gers, die Be­klag­te ha­be im Zu­las­sungs­an­trag nur die La­de­luft­tem­pe­ra­tur als Pa­ra­me­ter an­ge­ge­ben, der die Ab­gas­rück­füh­rung be­ein­flus­se, zu Recht nicht zu­ge­las­sen hat (§ 531 II ZPO).

[23]   Wie die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zu Recht be­an­stan­det, hat das Be­ru­fungs­ge­richt je­den­falls das Vor­brin­gen des Klä­gers in sei­nem nach­ge­las­se­nen Schrift­satz vom 06.09.2019 ge­hör­s­wid­rig über­gan­gen, mit dem der Klä­ger un­ter aus­drück­li­cher Be­zug­nah­me auf ei­nen von der Be­klag­ten mit Schrift­satz vom 05.08.2019 in ei­nem Par­al­lel­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten und ein nach sei­ner Be­haup­tung ver­gleich­ba­res Fahr­zeug be­tref­fen­den Typ­ge­neh­mi­gungs­bo­gen gel­tend ge­macht hat­te, die Be­klag­te ha­be im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren in Be­zug auf die Ab­gas­rück­füh­rung le­dig­lich an­ge­ge­ben, die­se sei „kenn­feld­ge­steu­ert“; aus die­ser An­ga­be ge­he nicht her­vor, ob über­haupt ein an­de­res Ver­hal­ten des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems bei an­de­ren Tem­pe­ra­tu­ren, und wenn ja, wel­chen, statt­fin­de. Die­ses Vor­brin­gen war von dem dem Klä­ger in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 23.08.2019 ge­mäß § 283 Satz 1 ZPO ge­währ­ten Schrift­satz­recht um­fasst. Es steht im Zu­sam­men­hang mit dem Vor­trag der Be­klag­ten in ih­rem Schrift­satz vom 05.08.2019, wo­nach sie im Rah­men des Typ­ge­neh­mi­gungs­pro­zes­ses die Pa­ra­me­ter aus­wei­se, die für die Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems re­le­vant sei­en, und stellt sich als Er­wi­de­rung dar­auf dar (vgl. BGH, Beschl. v. 27.02.2018 – VI­II ZR 90/17, NJW 2018, 1686 Rn. 22 ff.; Be­ckOK-ZPO/​Ba­cher, a. a. O., § 283 Rn. 18 f.).

[24]   Auf die­ses Vor­brin­gen ist das Be­ru­fungs­ge­richt nicht ein­ge­gan­gen. Aus­füh­run­gen hier­zu in den Ent­schei­dungs­grün­den wa­ren aber ge­bo­ten, da es sich aus der in­so­weit maß­geb­li­chen Sicht des Be­ru­fungs­ge­richts um ei­nen für die Strei­tent­schei­dung er­heb­li­chen Ge­sichts­punkt han­delt. Hät­te die Be­klag­te im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ver­schlei­ert, dass die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ durch die Au­ßen­tem­pe­ra­tur mit­be­stimmt wird, könn­ten sich hier­aus ge­ge­be­nen­falls An­halts­punk­te für ein Be­wusst­sein der für die Be­klag­te han­deln­den Per­so­nen er­ge­ben, ei­ne – hier un­ter­stellt – un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den.

[25]   3. Die Ge­hörs­ver­let­zung ist ent­schei­dungs­er­heb­lich. Es kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass das Be­ru­fungs­ge­richt bei der ge­bo­te­nen Be­rück­sich­ti­gung des über­gan­ge­nen Vor­brin­gens zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis ge­langt wä­re. In je­dem Fall wird das Be­ru­fungs­ge­richt zu­nächst der Be­klag­ten Ge­le­gen­heit zur Er­wi­de­rung auf die­ses Vor­brin­gen ge­ben müs­sen.

[26]   4. Das Ur­teil wird auch nicht durch die Hilfs­er­wä­gung des Be­ru­fungs­ge­richts ge­tra­gen, der Klä­ger ha­be die Rechts­wid­rig­keit der tem­pe­ra­tur­ad­ap­tier­ten Ab­schalt­funk­ti­on nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert dar­ge­tan. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de rügt mit Er­folg, dass die­se Be­ur­tei­lung nur dar­auf zu­rück­zu­füh­ren sein kann, dass das Be­ru­fungs­ge­richt ent­spre­chen­den Vor­trag des Klä­gers nicht be­rück­sich­tigt hat. Sie weist zu Recht dar­auf hin, dass der Klä­ger die Funk­ti­ons­wei­se der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware nä­her dar­ge­legt und in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht kon­kret be­grün­det hat, war­um hier­in ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab-schalt­ein­rich­tung zu se­hen sei. An­ders als das Be­ru­fungs­ge­richt meint, be­zog sich sein Vor­trag auch nicht le­dig­lich auf an­de­re Fahr­zeug­ty­pen der Be­klag­ten. Er hat viel­mehr kon­kret be­haup­tet, in sei­nem Fahr­zeug sei ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­vor­rich­tung in Ge­stalt ei­nes Ther­mo­fens­ters ver­baut, das die Ab­gas­rück­füh­rung be­reits bei ein­stel­li­gen po­si­ti­ven Tem­pe­ra­tu­ren re­du­zie­re, wo­durch die Stick­oxid­emis­sio­nen im nor­ma­len Fahr­be­trieb er­heb­lich an­stie­gen.

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