1. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann gegen die Fahrzeugherstellerin eine unter anderem auf  826 BGB gestützte Klage grundsätzlich wahlweise bei dem Gericht erheben, in dessen Bezirk die Herstellerin ihren Sitz hat, oder bei bei dem Gericht, in dessen Bezirk der das Fahrzeug verkaufende Kfz-Händler ansässig ist, oder bei dem Gericht, in dessen Bezirk der Käufer seinen Wohnsitz hat.
  2. Ein Verweisungsbeschluss ist objektiv willkürlich und deshalb nicht bindend, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Richter sich bewusst des Verfahrens entledigen wollte. Solche Anhaltspunkte können gegeben sein, wenn der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs bei dem Gericht, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat, eine unter anderem auf § 826 BGB gestützte Klage gegen die Fahrzeugherstellerin erhebt und das Gericht seine durch § 32 ZPO begründete örtliche Zuständigkeit verneint, ohne sich inhaltlich mit einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen zu befassen.

OLG München, Beschluss vom 11.03.2020 – 34 AR 235/19

Sachverhalt: Der Kläger, der im Bezirk des LG München II wohnt, hat bei diesem Gericht Klage gegen die im Bezirk des LG Braunschweig ansässige Volkswagen AG erhoben. Mit dieser Klage verlangt der Kläger von der Volkswagen AG Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, den er für ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug gezahlt hat, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung dieses Fahrzeugs. Den Pkw hatte der Kläger im Dezember 2011 von einem im Bezirk des LG München I ansässigen Kfz-Händler erworben, und zwar aufgrund einer – der Klageschrift als Anlage beigefügten – verbindlichen Bestellung vom 27.12.2011. Dort ist bei „Zahlungsbedingungen“ die Möglichkeit „Barzahlung“ angekreuzt.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe ihn dadurch, dass sie das streitgegenständliche Fahrzeug in den Verkehr gebracht und dabei verschwiegen habe, dass in dem Pkw eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert sei, i. S. von § 826 BGB sittenwidrig vorsätzlich geschädigt. Er hätte den Pkw nicht erworben, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Die Beklagte habe auch mit Schädigungsabsicht gehandelt. Bei einer Aktiengesellschaft komme es darauf an, ob der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB vorsätzlich gehandelt habe. Insoweit sei die Lehre vom Organisationsmangel anwendbar, wonach die juristische Person verpflichtet sei, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabegebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig sei, der die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen habe. Entspreche die Organisation dem nicht, sei die juristische Person so zu behandeln, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter. Der Gesetzgeber verpflichte den Vorstand, dafür Sorge zu tragen, dass er in wichtige Entscheidungen – hier: die Entscheidung, die Öffentlichkeit über die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten zu täuschen – eingebunden ist. Trage der Vorstand dafür nicht Sorge, so sei er so zu behandeln, als sei er eingebunden gewesen.

Darüber hinaus – so macht der Kläger geltend – hafte ihm die Beklagte aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit § 263 StGB bzw. §§ 6 I, 27 I EG-FGV auf Schadensersatz.

Das LG München II hat mit Verfügung vom 28.01.2019 ein schriftliches Vorverfahren veranlasst und darauf hingewiesen, dass gegen seine örtliche Zuständigkeit Bedenken bestünden. Gleiches hat das Gericht den Parteien nochmals mit Verfügung vom 16.04.2019 mitgeteilt.

Der Kläger beantrage mit Schriftsatz vom 22.05.2019 die Verweisung des Rechtsstreits an das LG München I, wobei er darauf hinwies, dass er weiterhin von der Zuständigkeit des LG München II. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 14.06.2019 mit einer Verweisung an das LG München I einverstanden.

Mit Beschluss vom 02.07.2019 hat sich das LG München II für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG München I verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht zuständig, da der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32) ZPO nicht gegeben sei. Der Tatort einer unerlaubten Handlung i. S. von § 32 ZPO liege überall, wo auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden sei. Ein Betrug werde folglich (auch) dort begangen, wo die Täuschungshandlung einen Irrtum erregt und/oder die – schädigende – Vermögensverfügung ausgelöst habe. Nach der Darstellung in der Klageschrift sei dies vorliegend in München geschehen. Aus der verbindlichen Bestellung gehe hervor, dass der Kfz-Kaufvertrag in München geschlossen worden und die Zahlung des Kaufpreises in München erfolgt sei; auch sei das gekaufte Fahrzeug dem Kläger in München übergeben worden. Damit hätten sich eine etwaige Täuschung, ein etwaiger Irrtum, eine etwaige Vermögensverfügung und ein etwaiger Vermögensschaden i. S. des § 263 I StGB in München ereignet. In der Unterzeichnung des Kaufvertrags habe eine Vermögensverfügung gelegen, denn eine Vermögensverfügung sei jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne führe. Dazu gehöre auch die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung. Dem Kläger sei der – nach seinem Vorbringen nicht der kaufvertraglichen Vereinbarung entsprechende – Pkw auch in München übereignet worden, sodass dort der behauptete Vermögensschaden eingetreten sei. Abzustellen sei hinsichtlich des Vermögensschadens auf den Kaufgegenstand, nicht auf das sonstige Vermögen des Klägers, das nicht betroffen sei.

Das Landgericht München I hat nach Anhörung der Parteien die Übernahme des Rechtsstreits mit Beschluss vom 03.09.2019 abgelehnt und das Verfahren an das LG München II zurückverwiesen. Dessen Verweisungsbeschluss entfalte keine Bindungswirkung, da die Verweisung objektiv willkürlich erscheine, weil das LG München II eine eindeutig seine Zuständigkeit begründende Vorschrift übergangen habe. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe mit Beschluss vom 23.01.2019, dem ein Verfahren des Landgerichts München II zugrunde gelegen habe, entschieden, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) der Begehungsort – also sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort – der deliktischen Handlung sei. Es sei allgemeine Meinung, dass bei Ansprüchen aus Delikt, bei denen der Eintritt eines Schadens als Erfolg der Handlung ein Teil des Haftungstatbestands sei, auch der Erfolgsort, das heißt der Wohnsitz des Geschädigten, als Begehungsort i. S. des § 32 ZPO anzusehen sei. Weiter habe das Bayerische Oberste Landesgericht entschieden, dass für eine gegen den Fahrzeughersteller gerichtete Individualklage aus Anlass des sogenannten Abgasskandals nach § 32 ZPO das Gericht, in dessen Bezirk der Hersteller seinen Sitz habe, das Gericht, in dessen Bezirk der Kfz-Händler ansässig sei, und das Gericht, in dessen Bezirk der Käufer wohne, zuständig seien. Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23.01.2019 sei dem LG München II vor Erlass des Verweisungsbeschlusses in diesem Verfahren bekannt gewesen. Mithin habe das LG München II seine Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das LG München I verwiesen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass der Kläger in seinem Bezirk wohne und es deshalb gemäß § 32 ZPO zuständig sei.

Mit Entscheidung vom 02.10.2019 hat das LG München II beschlossen, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG München vorzulegen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe sich mit § 32 ZPO befasst, sodass der Verweisungsbeschluss nicht objektiv willkürlich gewesen sei. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe in der vom LG München I angeführten Entscheidung dahinstehen lassen, ob der Verweisungsbeschluss rechtsfehlerhaft gewesen sei, und weiter ausgeführt, das LG München II habe seine Zuständigkeit mit vertretbarer Begründung verneint. Eine möglicherweise unzutreffende rechtliche Subsumtion bei der Prüfung der einzig in Betracht kommenden Zuständigkeitsnorm sei kein derart schwerwiegender Rechtsfehler, dass der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden könne.

Mit Verfügung vom 02.12.2019 hat das LG München II die Akten dem OLG München vorgelegt. Dieses hat als örtlich zuständiges Gericht das LG München II bestimmt.

Aus den Gründen: II. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO durch das OLG München, zu dessen Bezirk beide Landgerichte gehören, liegen vor. Das LG München II und das LG München I haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt, das LG München I durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 02.07.2019 (§ 281 II 2 ZPO), das LG München II durch Zurückverweisungsbeschluss vom 03.09.2019. Eine solche Zuständigkeitsleugnung genügt den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ des § 36 I Nr. 6 ZPO zu stellen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 19.02.2013 – X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 5; OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2015 – 32 SA 37/15, NJW 2016, 172 Rn. 9; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., § 36 Rn. 23 m. w. Nachw.).

1. Gemäß § 281 II 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten unanfechtbar. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338, 340; Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 281 Rn. 16). Die Bindungswirkung entfällt nicht schon dann, wenn der ergangene Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist, sondern nur dann, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (BGH, Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635; Beschl. v. 19.02.2013 – X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 7; Zöller/Greger, a. a. O., § 281 Rn. 17 m. w. Nachw.). Dies ist der Fall, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich erachtet werden muss. Jedoch lässt bloßer Rechtsirrtum die Bindungswirkung nicht entfallen (BGH, Beschl. v. 08.04.1992 – XII ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902, 903; Beschl. v. 17.05.2011 – X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 9; Zöller/Greger, a. a. O., § 281 Rn. 17). Nur bei groben Rechtsirrtümern (z. B. BGH, Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635 f.) fehlt es an der Bindung.

2. Das LG München I ist nicht aufgrund des Verweisungsbeschlusses des LG München II vom 02.07.2019 als zuständig zu bestimmen, da dieser Beschluss keine Bindungswirkung entfaltet.

aa) Zur Begründung des besonderen Gerichtsstands nach § 32 ZPO ist erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung bzw. unerlaubten Handlung ergibt (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 32 Rn. 21 m. w. Nachw.). Ob die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich bestehen, hat der Senat nicht zu prüfen.

Der Ort, an dem i. S. des § 32 ZPO eine unerlaubte Handlung begangen ist (Begehungsort), ist sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort), sowie, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestandsmerkmal der Rechtsverletzung gehört, der Ort des Schadenseintritts (BGH, Urt. v. 28.02.1996 – XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105, 110 f. = NJW 1996, 1411, 1412 f.; BayObLG, Beschl. v. 27.03.2003 – 1Z AR 28/03, MDR 2003, 893; Beschl. v. 22.01.2004 – 1Z AR 4/04, NJOZ 2004, 2528, 2529; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2017 – 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 20; BeckOK-ZPO/Touissant, Stand: 15.09.2018, § 32 Rn. 12.1, 13; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 32 Rn. 19).

Bei der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB ist die Zufügung eines Schadens – einschließlich aller Arten von Vermögensschäden (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. § 826 Rn. 3 m. w. Nachw.) – Tatbestandsmerkmal. Hier dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt einen Vermögensschaden gemäß § 826 BGB dar (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275 Rn. 19; Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28; BayObLG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 AR 23/19, BeckRS 2019, 15058 Rn. 23). In diesen Fällen ist der Ort, an dem in das Vermögen als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wird, regelmäßig der Wohnsitz des Geschädigten, da sich der Eingriff unmittelbar gegen das Vermögen als Ganzes richtet (BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 18; BayObLG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 AR 23/19, BeckRS 2019, 15058 Rn. 24).

Bei mehreren Begehungsorten hat der Kläger grundsätzlich die Möglichkeit der Wahl zwischen den einzelnen Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO (Zöller/Schultzky, a. a. O., § 32 Rn. 21), die durch Klageerhebung ausgeübt wird. Die einmal getroffene Wahl ist für den Prozess endgültig und unwiderruflich (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, a. a. O., § 35 Rn. 2).

bb) Der Kläger hat die erforderlichen Tatsachen für einen Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung bzw. aus unerlaubter Handlung schlüssig behauptet. In den gegen Hersteller gerichteten Verfahren über Individualklagen aus Anlass des sogenannten Dieselskandals wird eine Zuständigkeit grundsätzlich wahlweise bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers oder am Wohnsitz des Käufers bejaht (BayObLG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 AR 23/19, BeckRS 2019, 15058 Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 26.10.2018 – 32 SA 32/18, NJW-RR 2019, 186 Rn. 12 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2017 – 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 18 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.05.2018 – 9 AR 3/18, BeckRS 2018, 10638 Rn. 7 ff.; Vossler, NJW 2018, 2201, 2202 [Anm. zu BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200]; Longrée, MDR 2018, 1348, 1350 f.), in letzterem Fall dann, wenn sich der Eingriff unmittelbar gegen das Vermögen als Ganzes richtet. Nach dem Vorbringen des Klägers ist die Annahme des Erfolgsorts der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB an seinem Wohnsitz schlüssig dargetan. Denn durch die Eingehung einer Verbindlichkeit, die er in Kenntnis des Vorliegens der Manipulation nicht eingegangen wäre und die deshalb „ungewollt“ war, hat er sich mit seinem gesamten Vermögen insgesamt dem Anspruch des Vertragspartners auf Kaufpreiszahlung ausgesetzt. Bereits dadurch ist der Vermögensschaden i. S. des § 826 BGB am Wohnsitz des Klägers eingetreten. Die Begleichung des Kaufpreises hat diesen Schaden nur perpetuiert.

cc) Dies hat das LG München II rechtsfehlerhaft nicht beachtet, was zu einer Bewertung der Entscheidung als willkürlich führt.

Da eine Verweisung die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichts voraussetzt, kann die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfallen, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht gleichwohl über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist. Zwar genügt bloße inhaltliche Unrichtigkeit oder sonstige Fehlerhaftigkeit grundsätzlich nicht, um Willkür zu bejahen (BGH, Beschl. v. 09.07.2002 – X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498). Es bedarf zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen. Objektive Willkür kann aber durchaus anzunehmen sein, sofern weitere Anhaltspunkte vorliegen, die erkennen lassen, dass der Richter sich bewusst des Verfahrens entledigen wollte, was vorliegend nicht auszuschließen ist.

Denn das LG München II hätte Anlass zu einer vertieften Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit gehabt, insbesondere im Hinblick auf die ihm bekannte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.01.2019 (Beschl. v. 22.01.2019 – 1 AR 23/18, BeckRS 2019, 5991), die ebenfalls ein Verfahren der auch hier zuständigen 2. Zivilkammer des LG München II betraf. In dieser Entscheidung bejaht das Bayerische Oberste Landesgericht eindeutig eine Zuständigkeit bei gegen den Hersteller gerichteten Individualklagen auch am Wohnsitz des Käufers. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in dem betreffenden Beschluss explizit darauf hingewiesen, dass das LG München II ohne vertiefte Prüfung davon ausgegangen sei, dass der Gerichtsstand des Delikts nicht am Wohnsitzgericht des Verletzten gegeben sei, weil lediglich auf den Ort der Vermögensschädigung durch Übereignung eines minderwertigen Fahrzeugs, nicht aber auf das Vermögen und dessen – nicht weiter ermittelte – Belegenheit insgesamt abzustellen sei. Den Gründen der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist zu entnehmen, dass das LG München II in der damaligen Entscheidung die Verweisung mit den gleichen Argumenten wie im vorliegenden Verfahren begründet und demzufolge bei dem erneuten Verweisungsbeschluss vom 02.07.2019 die Entscheidung des Bayerischen Oberste Landesgerichts völlig unberücksichtigt gelassen hat. Denn eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts, insbesondere zu der ausdrücklich angesprochenen fehlenden Ermittlung der Belegenheit des Vermögens, lässt der Verweisungsbeschluss vom 02.07.2019 vermissen. Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht die damalige Verweisung noch nicht als willkürlich angesehen, wie auch das LG München II in seiner Vorlageverfügung vom 02.12.2019 bemerkt hat. Derartige Bewertungen können sich aber durchaus ändern (F. O. Fischer, MDR 2020, 75, 76), insbesondere wenn man berücksichtigt, dass, wie auch der Senat bereits in der Entscheidung vom 13.08.2019 – 34 AR 111/19, NJW-RR 2019, 1396 – angemerkt hat, mittlerweile in einer Vielzahl veröffentlichter obergerichtlicher Entscheidungen sowie in der Literatur die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 32 ZPO bei Klagen gegen den Hersteller in vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Verfahren ausführlich erörtert wird. Dabei ist einhellige Meinung, dass grundsätzlich wahlweise die Zuständigkeit an jedem Begehungsort (Handlungs-, Erfolgs- oder Schadensort) begründet sein kann (BayObLG, Beschl. v. 22.01.2019 – 1 AR 23/18, BeckRS 2019, 5991 Rn. 18; Senat, Beschl. v. 13.08.2019 – 34 AR 111/19, NJW-RR 2019, 1396 Rn. 13; OLG Hamm, Beschl. v. 26.10.2018 – 32 SA 32/18, NJW-RR 2019, 186 Rn. 12 ff.; Beschl. v. 14.12.2018 – 32 SA 53/18, BeckRS 2018, 38057 Rn. 19 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2017 – 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 18 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.05.2018 – 9 AR 3/18, BeckRS 2018, 10638 Rn. 7 ff.; Vossler, NJW 2018, 2201, 2202 [Anm. zu BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200]; Longrée, MDR 2018, 1348, 1350 f.). Eine Verweisung, die dies negiert, ist daher als objektiv willkürlich anzusehen.

Demzufolge ist das LG München II als örtlich zuständig zu bestimmen.

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