- Der Vortrag einer Partei, dass ein Gestaltungsrecht (hier: Widerruf gemäß §§ 312b, 312g, 355 f. BGB) erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübt worden sei, ist in der Berufungsinstanz grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II ZPO zu berücksichtigen. Hierauf ist ohne Einfluss, ob die Erklärung des Gestaltungsrechts als solche von der Gegenseite bestritten wird oder (was der Regel entsprechen dürfte) zwischen den Parteien unstreitig ist.
- Wenn eine Partei zulässigerweise erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung von einem Gestaltungsrecht Gebrauch macht, begründet es keine Nachlässigkeit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO, dass sie zu den (weiteren) tatbestandlichen Voraussetzungen des betreffenden Gestaltungsrechts erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt.
- Ein Wohnmobil ist wie jedes andere Kraftfahrzeug unter anderem dann nicht mehr fabrikneu, wenn zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags mehr als zwölf Monate liegen.
BGH, Urteil vom 17.10.2018 – VIII ZR 212/17
Sachverhalt: Der Beklagte kaufte von der klagenden Händlerin am 16.01.2015 ein zuvor als „integriertes Neufahrzeug“ im Internet zum Kauf angebotenes Wohnmobil (Concorde Carver 841 L) zum Preis von insgesamt 177.900 €. Den Kaufpreis, auf den der Beklagte 1.000 € anzahlte, hatte der Beklagte in Höhe von 71.500 € in bar und in Höhe des Restbetrags durch die Inzahlunggabe seines Wohnmobils Hymer Starline zu entrichten.
Am Folgetag, also noch vor Übergabe der genannten Fahrzeuge, erlitt das Wohnmobil Hymer Starline des Beklagten einen Unfall (Heckschaden). Die Klägerin verweigerte daraufhin die Inzahlungnahme dieses Fahrzeugs.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 176.900 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Wohnmobils Concorde Carver 841 L, verurteilt und seinen Annahmeverzug festgestellt.
Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils erklärte der Beklagte erstmals mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 29.09.2015 den Widerruf des streitgegenständlichen Kaufvertrags, da er diesen als Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume der Klägerin geschlossen habe, und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil – wie er erst jetzt erfahren habe – das Wohnmobil Concorde Carver 841 L bereits am 07.10.2013 an einen Vertragshändler ausgeliefert worden und damit entgegen den getroffenen Vereinbarungen kein Neufahrzeug mehr gewesen sei.
Auf die Berufung des Beklagten, der außerdem widerklagend die Rückzahlung der Anzahlung (1.000 €) begehrt hat, hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Revision der Klägerin, die damit die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Abweisung der Widerklage erreichen wollte, hatte in dem Sinne Erfolg, dass das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde.
Aus den Gründen: [4] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
[5] Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung des (Rest-)Kaufpreises für das Wohnmobil Concorde aus § 433 II BGB, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, nicht (mehr) zu, da der Beklagte sich wirksam von dem über das Wohnmobil geschlossenen Kaufvertrag gelöst habe. Aufgrund dessen komme es – anders als noch in erster Instanz – nicht mehr darauf an, ob der Beklagte nach dem mit dem Altfahrzeug erlittenen Verkehrsunfall noch berechtigt gewesen sei, einen Teil des vereinbarten Kaufpreises durch die Inzahlunggabe dieses Fahrzeugs zu erbringen (§ 364 BGB).
[6] Allerdings sei es dem Beklagten verwehrt, die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises bereits unter Berufung auf den erstmals mit Schriftsatz vom 29.09.2015 erklärten Widerruf (§§ 312b I, 312g I, 355 ff. BGB) zu verweigern, da sein hierzu gehaltener Vortrag gemäß § 529 I Nr. 2, § 531 II ZPO nicht zuzulassen sei. Zwar sei die Tatsache, dass der Beklagte nach Einlegung der Berufung gegen das angefochtene Urteil rechtzeitig den Widerruf seiner zum Kaufvertrag führenden Willenserklärung(en) ausgesprochen habe, für sich genommen unstreitig und habe deshalb auch im Berufungsrechtszug Berücksichtigung zu finden. Die Umstände, die der Beklagte zur Begründung des Widerrufsrechts herangezogen habe – insbesondere betreffend sein Handeln als Verbraucher, den Ort und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie die fehlende Widerrufsbelehrung – seien hingegen überwiegend von der Klägerin bestritten worden, sodass er sich auf diese nur dann hätte berufen können, wenn er Anhaltspunkte vorgetragen hätte, die ihre Zulassung nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung in § 531 II 1 Nr. 3 ZPO hätten rechtfertigen können. Daran fehle es jedoch, denn dem Beklagten sei es aufgrund vollständiger Tatsachenkenntnis ohne Weiteres möglich gewesen, bereits in erster Instanz den auf die §§ 312b, 312g, 355 BGB gestützten Widerruf zu erklären. Dass dies unterblieben sei, beruhe auf einer Verletzung der dem Beklagten obliegenden Prozessförderungspflicht.
[7] Nicht präkludiert gemäß § 529 I Nr. 2, § 531 II BGB sei der Beklagte hingegen mit seinem Sachvortrag zur Begründung des vertraglichen Rücktrittsrechts, da er durch Vorlage von Schreiben belegt habe, dass er erstmals im September 2015 und damit erst nach der Entscheidung des Landgerichts in Erfahrung gebracht habe, dass das Wohnmobil Concorde kein Neufahrzeug sei. Der Rücktritt sei auch wirksam. Denn nach den insoweit mangels Übergabe des Fahrzeugs einschlägigen Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts in § 326 V, §§ 275, 323 BGB weise das Wohnmobil Concorde einen erheblichen und nicht zu behebenden Mangel auf, da es entgegen der (stillschweigenden) Vereinbarung der Parteien im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Januar 2015 kein Neufahrzeug (mehr) gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BGH sei ein Kraftfahrzeug nur dann (fabrik-)neu, wenn unter anderem zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate lägen. Hier aber sei das Wohnmobil bereits am 07.10.2013 an einen Händler ausgeliefert worden; gekauft habe der Beklagte es erst rund 15 Monate später. Ob das Wohnmobil außerdem auch deshalb nicht mehr als Neufahrzeug anzusehen sei, weil – was streitig ist – im Jahr 2014 ein Modellwechsel erfolgt sei oder weil die Klägerin mit dem Fahrzeug zuvor bereits eine nicht unerhebliche Fahrtstrecke absolviert habe, bedürfe insofern keiner Entscheidung.
[8] Auf die Erfüllung des Kaufvertrags habe die Klägerin keinen Anspruch mehr. Infolge des wirksamen Rücktritts des Beklagten habe dieser die ihm angebotene Abnahme des Wohnmobils Concorde verweigern dürfen. Die Klägerin sei im Übrigen verpflichtet, im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrags die von dem Beklagten geleistete Anzahlung in Höhe von 1.000 € zurückzuerstatten.
[9] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises (§ 433 II BGB) nicht verneint und der von dem Beklagten widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung (§ 346 I BGB) nicht bejaht werden, auch wenn es sich – wie das Berufungsgericht in der Sache zutreffend angenommen hat – bei dem von der Klägerin angebotenen Wohnmobil nicht um das nach dem Kaufvertrag geschuldete Neufahrzeug handelte.
[10] 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Pflicht des Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises nicht bereits dadurch entfallen, dass dieser durch seine Erklärung im Schreiben vom 29.09.2015 wirksam vom streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückgetreten ist (§§ 323, 346 ff. BGB). Denn weder hatte der Beklagte der Klägerin zuvor eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt (§ 323 I BGB), noch war eine solche vorliegend jedenfalls auf Grundlage der bisherigen Feststellungen gemäß § 326 V BGB entbehrlich.
[11] a) Noch ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger ein nach dem Kaufvertrag geschuldetes „Neufahrzeug“ (bislang) nicht angeboten hat. Denn wie das Berufungsgericht von der Revision unangegriffen festgestellt hat, war das streitgegenständliche Wohnmobil bei Kaufvertragsabschluss am 16.01.2015 bereits über 15 Monate alt und damit nach der einschlägigen Senatsrechtsprechung, die auch auf den Kauf von Wohnmobilen Anwendung findet, entgegen der von den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht mehr „neu“.
[12] aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats enthält der Verkauf eines Neuwagens durch einen Kraftfahrzeughändler auch eine mit dem Vertragsschluss konkludent getroffene Vereinbarung der Parteien dahin, dass das verkaufte Fahrzeug die Beschaffenheit „fabrikneu“ aufweist (vgl. nur Senat, Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 243/02, NJW 2003, 2824 [unter II 1]; Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 [unter II 3; jeweils zu § 459 II BGB a.F.]; Urt. v. 15.09.2010 – VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 14; Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 10; Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 44 f.; jeweils m. w. Nachw.). Ein unbenutztes Kraftfahrzeug erfüllt diese Eigenschaft jedoch regelmäßig nur dann, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (Senat, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 44 m. w. Nachw.).
[13] Maßgeblich für die vom Senat vorgenommene Beschränkung der Standzeit eines Neuwagens auf zwölf Monate vor dessen Verkauf ist dabei die Erwägung, dass eine lange Standdauer für einen Neuwagenkäufer einen wertmindernden Faktor darstellt. Jedes Fahrzeug unterliegt einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt. Grundsätzlich verschlechtert sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxidation und anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermag dies nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern (Senat, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 [unter II 3]; Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 Rn. 11 [zum Jahreswagen]; Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 44; jeweils m. w. Nachw.).
[14] bb) Die von der Revision angegriffene Beurteilung des Berufungsgerichts, diese Rechtsprechung des Senats sei hier – namentlich in Bezug auf die maximale Standzeit von zwölf Monaten – nicht nur auf Pkw, sondern gleichermaßen auf Wohnmobile anwendbar, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
[15] (1) Zwar mag bei Wohnmobilen, insbesondere bei – wie hier – solchen der Luxusklasse, angesichts der Art ihrer Verwendung mit längeren Standzeiten als bei Pkw bis zum Verkauf zu rechnen sein. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Zu Recht hat es jedoch darauf abgestellt, dass auch der Käufer eines solchen Neufahrzeugs berechtigterweise erwarten darf, dass dieses zwischen Herstellung und Kauf nicht mehr als ein Jahr lang unbenutzt gestanden hat und deshalb nicht wesentlich älter ist, als die Bezeichnung „fabrikneu“ erwarten lässt (vgl. Senat, Urt. v. 15.09.2010 – VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 20). Da auch Wohnmobile Kraftfahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung sind, die üblicherweise im Straßenverkehr genutzt werden und für diese Nutzung auch vorgesehen sind, gibt es für einen Käufer eines als Neufahrzeug gekennzeichneten Wohnmobils keinen Grund, eine längere Standzeit zu erwarten. Auch ein Wohnmobil unterliegt, genauso wie jedes andere Kraftfahrzeug, einem Alterungsprozess und einer Verschlechterung des Zustands des Fahrzeugs durch infolge des Zeitablaufs eintretende Materialermüdung, Oxidation und andere physikalische Veränderungen.
[16] (2) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei seiner rechtlichen Beurteilung die offenkundigen Tatsachen (§ 291 ZPO) nicht berücksichtigt, dass es dem Käufer eines Wohnmobils (anders als dem Käufer eines Pkw) im Regelfall weniger auf die Fahreigenschaften als vielmehr auf den gebotenen Wohnkomfort ankomme, und dass Wohnmobile eine erheblich höhere Laufleistung als Pkw hätten, womit zwangsläufig eine längere Nutzungsdauer und „Lebenserwartung“ verbunden sei. Denn zum einen liegt es auf der Hand, dass ein Wohnmobil nicht nur zur Wohnnutzung, sondern vornehmlich zum Reisen konzipiert und gebaut ist. Zum anderen änderten diese Behauptungen nichts daran, dass ein als Neufahrzeug verkauftes Wohnmobil, das zwischen Herstellung und Kauf mehr als ein Jahr unbenutzt gestanden hat, berechtigterweise vom Käufer nicht mehr als „neu“ angesehen wird.
[17] (3) Anders als die Revision meint, steht einer Gleichbehandlung von Wohnmobilen und Personenkraftwagen hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien, was ein Käufer bei der vereinbarten Beschaffenheit eines Kraftfahrzeugs als „Neufahrzeug“ erwarten darf, schließlich auch nicht das Senatsurteil vom 15.09.2010 (VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710) entgegen. Hierin hatte der Senat entschieden, dass allein eine geringe Laufleistung nicht ausschließt, dass ein als „Vorführwagen“ verkauftes Fahrzeug (Wohnmobil) zuvor schon längere Zeit als solches genutzt worden ist, da die Nutzung als Vorführwagen nicht nur darin besteht, mit dem Fahrzeug kurze Probefahrten durchzuführen, sondern auch darin, das Fahrzeug von Interessenten lediglich besichtigen zu lassen, ohne dass es zu Probefahrten kommt. Dabei hatte der Senat die Annahme des Berufungsgerichts als rechtsfehlerfrei angesehen, dass dieser Besichtigungsaspekt gerade bei Wohnmobilen gegenüber dem Probefahren – anders als bei einem Pkw – besonders im Vordergrund stehe (Senat, Urt. v. 15.09.2010 – VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 26). Hinsichtlich der vorliegend maßgeblichen Beurteilung eines Wohnmobils als „neu“ ist daraus hingegen nichts abzuleiten.
[18] b) Dennoch lässt sich aufgrund der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob der Beklagte mit seiner Erklärung (§ 349 BGB) im Schreiben vom 29.09.2015 wirksam vom streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückgetreten ist. Denn dies setzt nach § 323 I BGB grundsätzlich voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner zunächst erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, was vorliegend indes weder behauptet noch festgestellt ist.
[19] aa) Das Berufungsgericht hat eine solche Fristsetzung als gemäß § 326 V, § 275 BGB entbehrlich erachtet, weil das Wohnmobil Concorde mit dem „nicht behebbaren“ Mangel der fehlenden Neuwageneigenschaft behaftet sei. Dabei ist es offenbar von der Annahme ausgegangen, die kaufvertragliche Pflicht der Klägerin zur Übergabe und Eigentumsverschaffung (§ 433 I 1 BGB) hätte sich auf das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei dieser vorhandene Exemplar, bei dem sich eine fehlende Neuwageneigenschaft tatsächlich nicht mehr beseitigen ließe, beschränkt.
[20] Dies beruht allerdings auf einem grundlegenden rechtlichen Fehlverständnis. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass es sich beim Kauf eines Neufahrzeugs regelmäßig ohne anderslautende Vereinbarung der Vertragsparteien um eine Gattungsschuld (§ 243 I BGB) handelt. Dementsprechend ist der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform davon ausgegangen, dass der Schuldner unter derartigen Umständen vertraglich eine Beschaffungspflicht übernimmt (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 132, 230). Dies war auch vorliegend der Fall. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag war die Klägerin verpflichtet, dem Beklagten ein zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fabrikneues Wohnmobil Concorde Carver 841 L zu verschaffen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Leistungspflicht der Klägerin nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien auf das zu dieser Zeit bei ihr vorhandene und von dem Beklagten besichtigte Exemplar beschränken sollte, sind nicht erkennbar. Etwas anderes ergibt sich namentlich auch nicht daraus, dass die Vertragsparteien vorliegend bestimmte Um- und Einbauten (Anhängerkupplung, Austausch der Gasanlage) vereinbarten. Schließlich wurde die Gattungsschuld nicht dadurch zur Stückschuld (§ 243 II BGB), dass die Klägerin dem Beklagten dieses (nicht vertragsgemäße) Fahrzeug als Leistung angeboten hat (vgl. Senat, Urt. v. 09.06.1999 – VIII ZR 149/98, BGHZ 142, 36, 38 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 243 Rn. 6).
[21] bb) Ob der Klägerin die Lieferung des vertraglich geschuldeten Neufahrzeugs aus anderen Gründen unmöglich (§ 275 BGB) und eine Fristsetzung des Beklagten deshalb entbehrlich war (§ 326 V BGB), lässt sich ohne weitere Feststellungen indes nicht beurteilen.
[22] 2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
[23] Zwar war der Beklagte, wie die Revisionserwiderung mit Recht rügt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit seinem Vorbringen zum Widerruf gemäß §§ 312b, 312g, 355 f. BGB nicht deshalb nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil er den Widerruf nicht schon in erster Instanz erklärt hatte. Aufgrund der bisherigen Feststellungen lässt sich aber nicht beurteilen, ob dem Beklagten das behauptete Widerrufsrecht auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zustand.
[24] a) Die vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob § 531 II 1 Nr. 3 ZPO einer Partei abverlangt, ein ihr materiell-rechtlich zustehendes Gestaltungsrecht bis zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung auszuüben, wenn sie nicht Gefahr laufen will, mit dem diesem Gestaltungsrecht zugrunde liegenden Tatsachenvorbringen prozessrechtlich ausgeschlossen zu werden, ist höchstrichterlich nicht abschließend entschieden; der BGH hat sich bislang mit ihr nur im Wege eines obiter dictum befasst oder sie ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2011 – IX ZR 82/10, WM 2011, 993 Rn. 18; Beschl. v. 30.06.2010 – IV ZR 229/07, VersR 2011, 414 Rn. 10; Beschl. v. 17.05.2011 – X ZR 77/10, NJW-RR 2012, 110 Rn. 14). Der Senat entscheidet die Frage nunmehr dahin, dass sie grundsätzlich zu verneinen ist.
[25] aa) Der Vortrag einer Partei, dass ein Gestaltungsrecht erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübt worden ist – vorliegend durch die Erklärung des Widerrufs gemäß § 355 I 2 BGB – ist grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II ZPO zu berücksichtigen. Denn die prozessrechtliche Präklusionsvorschrift in § 531 II ZPO soll die Parteien lediglich dazu anhalten, zu einem bereits vorliegenden und rechtlich relevanten Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 102). Sie verfolgt hingegen nicht den Zweck, auf eine (beschleunigte) Veränderung der materiellen Rechtslage hinzuwirken.
[26] Aus diesem Grund hat der BGH bereits entschieden, dass eine nach der letzten mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug erstellte Schlussrechnung im Berufungsrechtszug ebenfalls nicht auf Grundlage der §§ 529 I, 531 II ZPO unberücksichtigt bleiben kann (BGH, Urt. v. 09.10.2003 – VII ZR 335/02, NJW-RR 2004, 167 [unter II 2 b; zu § 527 I ZPO a.F.]; Urt. v. 06.10.2005 – VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 [unter 2 b aa]). Dieselben Erwägungen gelten aber auch für die einer Partei nach materiellem Recht zustehenden Gestaltungsrechte (wie das vorliegend vom Beklagten behauptete Widerrufsrecht). Deren wesentlicher Zweck ist es, dem Berechtigten die Entscheidung zu überlassen, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt er von diesen innerhalb der insoweit vom Gesetz vorgesehenen Frist und der ihm insoweit verliehenen Gestaltungsbefugnisse Gebrauch machen möchte.
[27] Jedem Gestaltungsrecht ist es immanent, dass es – gegebenenfalls in vom materiellen Recht gesetzten zeitlichen Grenzen der Ausübung – allein vom Willen des Berechtigten abhängt, mithin in dessen Belieben steht, wann die von der Ausübung des Rechts ausgelöste Rechtsfolge eintreten soll. Weil dem so ist, kann es eine Rechtfertigung für eine prozessrechtliche Beschränkung einer materiell-rechtlich wirksamen Gestaltungsbefugnis im Wege des § 531 II ZPO nicht geben. Denn die Normen des Prozessrechts sollen dazu dienen, das materielle Recht zu verwirklichen und nicht dessen Durchsetzung vermeidbar zu behindern (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.1997 – II ZR 312/96, NJW-RR 1998, 1005 [unter II 1]; Urt. v. 02.07.2004 – V ZR 290/03, NJW-RR 2005, 371 [unter II 1 a]; Urt. v. 02.12.2015 – IV ZR 28/15, NJW 2016, 708 Rn. 10; Urt. v. 21.03.2018 – VIII ZR 68/17, WuM 2018, 373 Rn. 32 [zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt]).
[28] Dementsprechend ist auch ein erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübtes Gestaltungsrecht auf entsprechenden Parteivortrag bei der Entscheidung des Berufungsgerichts grundsätzlich zu berücksichtigen. Ausgehend von den dargelegten Erwägungen gilt dies unabhängig davon, ob die Erklärung des Gestaltungsrechts als solche von der Gegenseite bestritten wird oder – was der Regel entsprechen dürfte und auch vorliegend der Fall war – zwischen den Parteien unstreitig ist, und damit gemäß § 529 I ZPO vom Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 141; Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 15; Beschl. v. 23.06.2008 – GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10; Beschl. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 Rn. 11; jeweils m. w. Nachw.).
[29] bb) Auch die Rechtsprechung des BGH betreffend den Einwendungsausschluss bei der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 II ZPO gebietet kein anderes Ergebnis. Hiernach ist zwar für den Ausschluss der Geltendmachung von gesetzlichen Gestaltungsrechten nach § 767 II ZPO nicht auf den Zeitpunkt ihrer Ausübung, sondern auf den Zeitpunkt ihres Entstehens und der Befugnis zu ihrer Ausübung abzustellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 08.05.2014 – IX ZR 118/12, BGHZ 201, 121 Rn. 17 [zur Aufrechnung]; Urt. v. 16.11.2005 – VIII ZR 218/04, NJW-RR 2006, 229 Rn. 14 [zur Kündigung]; jeweils m. w. Nachw.). Aus dieser Rechtsprechung lässt sich jedoch für die hier infrage stehende Problematik, ob ein erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübtes Gestaltungsrecht bei der Entscheidung des Berufungsgerichts zu berücksichtigen ist, nichts ableiten. Zum einen unterfällt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Geltendmachung eines solchen Rechts, wie ausgeführt, von vornherein bereits nicht dem Anwendungsbereich der prozessrechtlichen Präklusionsvorschrift in § 531 II ZPO. Zum anderen unterscheiden sich die Regelungsbereiche der Präklusionsvorschriften des § 531 II ZPO einerseits und des § 767 II ZPO andererseits bereits grundlegend dadurch, dass sich ein Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen ein bereits rechtskräftiges Urteil wendet, während § 531 ZPO die Zulassung von Angriffs- und Verteidigungsvorbringen innerhalb des erst auf Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung gerichteten Verfahrens betrifft.
[30] cc) Ob in besonderen Ausnahmefällen (etwa unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs) etwas anderes gelten kann, bedarf keiner Entscheidung, da hier jegliche Anhaltspunkte für eine derartige Konstellation fehlen.
[31] b) Demgegenüber ist das streitige Vorbringen des Beklagten zum Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Widerrufs nach §§ 312b, 312g, 355 f. BGB – betreffend sein Handeln als Verbraucher sowie Ort und Zeitpunkt des Vertragsschlusses – in der Berufungsinstanz unter den Voraussetzungen des § 531 II 1 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen.
[32] aa) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruhte. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine Nachlässigkeit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO vor, wenn die Partei gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat, aufgrund derer sie zu konzentrierter Verfahrensführung gehalten ist und insbesondere Vorbringen nicht aus prozesstaktischen Erwägungen bis zur zweiten Instanz zurückhalten darf (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 166/11, NJW-RR 2012, 341 Rn. 17; Beschl. v. 10.06.2010 – Xa ZR 110/09, NJW-RR 2011, 211 Rn. 28; Beschl. v. 30.10.2013 – VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85 Rn. 9; außerdem BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 24.01.2005 – 1 BvR 2653/03, NJW 2005, 1768, 1769; jeweils m. w. Nachw.). Jede Partei hat schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist (BGH, Urt. v. 19.03.2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 303; Urt. v. 18.10.2005 – VI ZR 270/04, NJW 2006, 152 Rn. 15; jeweils m. w. Nachw.).
[33] bb) Eine Nachlässigkeit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht, wenn eine Partei – wie hier – zulässigerweise (s. dazu bereits unter II 2 a) erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung von einem Gestaltungsrecht Gebrauch macht und dementsprechend auch erstmals in der Berufungsinstanz zu den (weiteren) tatbestandlichen Voraussetzungen des betreffenden Gestaltungsrechts vorträgt.
[34] Zwar mag die Annahme des Berufungsgerichts zutreffen, dem Beklagten sei – die Richtigkeit seines neuen Vortrags unterstellt – bereits in erster Instanz bekannt gewesen, dass der Vertrag nicht in den Geschäftsräumen der Klägerin geschlossen und er nicht auf ein vermeintlich bestehendes Widerrufsrecht hingewiesen worden war. Aber genauso wie eine Nachlässigkeit stets zu verneinen ist, soweit das infrage stehende neue Angriffs- und Verteidigungsmittel erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung entstanden ist (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 101; BGH, Beschl. v. 17.05.2011 – X ZR 77/10, NJW-RR 2012, 110 Rn. 12 m. w. Nachw.), kann es einer Partei auch nicht als Verstoß gegen ihre Prozessförderungspflicht angelastet werden, dass sie in erster Instanz zu einem bis dahin noch gar nicht ausgeübten Gestaltungsrecht nicht näher vorgetragen hat (vgl. BGH, Urt. v. 06.10.2005 – VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 [unter 2 b cc]).
[35] c) Zur Beurteilung der Frage, ob der Beklagte seine auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht wirksam widerrufen hat, fehlen aber ebenfalls weitere Feststellungen, die das Berufungsgericht – vor dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung allerdings folgerichtig – bislang noch nicht getroffen hat.
[36] III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 I ZPO). Die Sache ist, da sie aus den ausgeführten Gründen nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I 1 ZPO).