Archiv: September 2017
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Die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) ist zwar ein erheblicher Rechtsmangel, der den Käufer grundsätzlich zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666). Ein wirksamer Rücktritt setzt indes voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Beseitigung dieses Mangels gesetzt hat oder eine Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich war.
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Die Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) begründet keinen Anscheinsbeweis dafür, dass das Fahrzeug i. S. des § 935 I BGB abhandengekommen und nicht etwa unterschlagen oder betrügerisch erlangt worden ist.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.09.2017 – 4 U 80/17
(vorangehend: LG Offenburg, Urteil vom 05.04.2017 – 6 O 102/16)
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Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist (im Anschluss an BGH, Urt. v. 06.10.1981 – X ZR 57/80, BGHZ 82, 13 = NJW 1982, 940; Beschl. v. 29.10.1987 – III ZR 54/87, BGHR ZPO § 141 Würdigung 1).
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Der Tatrichter kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann (im Anschluss an BGH, Urt. v. 07.02.2006 – VI ZR 20/05, NJW-RR 2006, 672; Urt. v. 25.03.1992 – IV ZR 54/91, NJW-RR 1992, 920; Urt. v. 24.04.1991 – IV ZR 172/90, NJW-RR 1991, 983).
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Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO gegebenenfalls selbst durchführen.
BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZR 48/17
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Zwei Ansprüche beruhen auf „demselben Grund“ i. S. von § 213 BGB, wenn sie aus demselben, durch das Anspruchsziel geprägten Lebenssachverhalt abgeleitet sind, der die Grundlage für das Entstehen der beiden Ansprüche darstellt; der Anspruchsgrund muss „im Kern“ identisch sein. Hieran fehlt es im Verhältnis zwischen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen einerseits und Ansprüchen aus einer daneben abgeschlossenen (Haltbarkeits-)Garantie andererseits (Fortführung von Senat, Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 180/14, BGHZ 205, 151).
BGH, Urteil vom 27.09.2017 – VIII ZR 99/16
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Der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen – möglicherweise – anhaftet, ist i. S. des § 323 V 2 BGB geringfügig und rechtfertigt deshalb keinen Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag. Denn das Fahrzeug kann mit geringem Kosten- und Zeitaufwand technisch so überarbeitet werden, dass darin keine unzulässigen Abschalteinrichtungen i. S. von Art. 5 II, 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mehr zum Einsatz kommen. Diese Überarbeitung durch die Installation eines Softwareupdates und (hier) den Einbau eines Strömungsgleichrichters wirkt sich auf das Fahrzeug nicht negativ aus, insbesondere nicht auf seinen Kraftstoffverbrauch, seine CO2-Emissionen oder die Motorleistung.
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Die Beurteilung der Frage, ob die in der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache liegende Pflichtverletzung des Verkäufers i. S. von § 323 V 2 BGB unerheblich ist und deshalb einen Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag nicht rechtfertigt, erfordert eine umfassende Interessenabwa?gung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Dabei ist zugunsten es Verkäufers eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – möglicherweise mangelhaften – Fahrzeugs zu berücksichtigen, dass der Käufer das Fahrzeug auch schon vor einer technischen Überarbeitung uneingeschränkt nutzen kann. Ein nicht unerheblicher Stellenwert muss außerdem dem Gesichtspunkt zukommen, dass die vielen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge nur sukzessive nachgebessert werden können und ein Käufer deshalb möglicherweise länger darauf warten muss, dass sein Fahrzeug überarbeitet wird.
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Der Käufer muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ein Mangel, auf den er Rechte stützt, bei Übergabe der Kaufsache (§ 434 I 1 BGB i. V. mit § 446 Satz 1 BGB) vorlag und trotz Nachbesserungsversuchen des Verkäufers weiter vorhanden ist. Ebenso trägt der Käufer – und nicht der Verkäufer – die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Mangel nicht geringfügig ist und deshalb ein Rücktritt des Käufers nicht an § 323 V 2 BGB scheitert.
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Ein Kfz-Vertragshändler muss sich das Wissen des Fahrzeugherstellers nicht zurechnen lassen, da der Hersteller nicht Gehilfe des Händlers bei der Erfüllung von dessen Verkäuferpflichten ist. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – möglicherweise mangelhaften – Fahrzeugs kann deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, er habe dem – mit dem Fahrzeughersteller nicht identischen – Verkäufer keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, weil ihn der Fahrzeughersteller arglistig getäuscht habe.
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Eine Frist von 14 Tagen zur Lieferung eines mangelfreien Neuwagens ist nicht angemessen i. S. von § 323 I BGB, sondern unangemessen kurz. Zwar wird durch das Setzen einer zu knapp bemessene Frist in der Regel eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. Das gilt aber ausnahmsweise dann nicht, wenn der Käufer die Frist nur zum Schein gesetzt hat. Davon kann auszugehen sein, wenn der Käufer eines angeblich mangelhaften Neuwagens dem Verkäufer eine offensichtlich viel zu kurze Frist zur Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) setzt, um so – missbräuchlich – die Voraussetzungen für einen offenbar von vornherein beabsichtigten Rücktritt vom Kaufvertrag zu schaffen.
OLG Koblenz, Beschluss vom 27.09.2017 – 2 U 4/17
(nachfolgend: OLG Koblenz, Beschluss vom 09.10.2017 – 2 U 4/17)
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Ein Nachbesserungsverlangen eines Kfz-Käufers darf sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Mängelbeseitigung beschränken. Es muss vielmehr auch die Bereitschaft des Käufers erkennen lassen, dem Verkäufer das Fahrzeug am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen, damit der Verkäufer es untersuchen und beurteilen kann, ob er überhaupt zur Nachbesserung verpflichtet ist. Daran fehlt es, wenn der Käufer den Verkäufer lediglich darauf hinweist, dass er – der Verkäufer – die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen „wie Transport-, Arbeits- und Materialkosten“ zu tragen habe.
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Für die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung gilt mangels einer eigenständigen kaufrechtlichen Regelung die allgemeine Vorschrift des § 269 I, II BGB. Danach ist der Erfüllungsort der Nacherfüllung dort anzusiedeln, wo der Verkäufer bei Abschluss des Kaufvertrages seinen Wohn- oder Geschäftssitz hatte, falls sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien oder aus der Natur des Schuldverhältnisses nichts anderes ergibt.
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Indem ein Kfz-Verkäufer auf ein Nachbesserungsverlangen, das nicht die Bereitschaft des Käufers erkennen lässt, dem Verkäufer das Fahrzeug am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen, nicht reagiert, verweigert er eine Nacherfüllung nicht i. S. von § 281 II 1 Fall 1 BGB oder § 323 II Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig. Denn der Verkäufer muss sich auf ein Nachbesserungsverlangen des Käufers nicht einlassen, bevor dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer Untersuchung des Fahrzeugs gegeben hat.
AG Minden, Urteil vom 27.09.2017 – 20 C 234/16
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Der Verkäufer kann im Hinblick auf die in § 434 I 3 BGB getroffene gesetzgeberische Wertung grundsätzlich seine Haftung nicht nur für das Fehlen einer üblichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), sondern auch für das Fehlen von Eigenschaften ausschließen, deren Vorhandensein der Käufer nach den vom Verkäufer abgegebenen öffentlichen Äußerungen berechtigterweise erwarten kann (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 14).
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Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 24.02.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 [256 f.]; Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 Rn. 6 f.; EuGH, Urt. v. 09.11.2016 – C-149/15, NJW 2017, 874 Rn. 32; Urt. v. 03.09.2015 – C-110/14, ZIP 2015, 1882 Rn. 16 ff., insb. Rn. 21). Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss, an. In bestimmten Fällen kann es allerdings auch ausreichen, dass dem Käufer vor oder bei Vertragsschluss der Eindruck vermittelt wird, er erwerbe die Kaufsache von einem Unternehmer (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 09.11.2016 – C-149/15, NJW 2017, 874 Rn. 34–45).
BGH, Urteil vom 27.09.2017 – VIII ZR 271/16
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Ein (vermeintlicher) Kaufinteressent, der mit einem zum Verkauf stehenden Fahrzeug eine Probefahrt unternimmt, ist in der Regel auch dann lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB) des Verkäufers, wenn dieser – wie üblich – an der Probefahrt nicht teilnimmt. Deshalb kommt das Fahrzeug dem Verkäufer i. S. von § 935 I 1 BGB abhanden, wenn der Kaufinteressent es ohne den Willen des Verkäufers einem Dritten überlässt, sodass ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an dem Fahrzeug durch den Dritten ausgeschlossen ist.
LG Berlin, Urteil vom 26.09.2017 – 36 O 273/16
(nachfolgend: KG, Beschluss vom 04.10.2018 – 26 U 159/17)
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Eine beabsichtigte Klage, mit der der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (z. B. gestützt auf § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB) erreichen will, dass ihm die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises leisten muss, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. des § 114 I 1 ZPO.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.09.2017 – I-4 U 87/17
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Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen und deshalb möglicherweise mangelhaften VW Tiguan der ersten Generation (VW Tiguan I) hat weder einen Anspruch auf Ersatzlieferung eines VW Tiguan I, noch kann er mit Erfolg die Ersatzlieferung eines Neuwagens der zweiten Generation (VW Tiguan II) verlangen. Denn infolge des Generationswechsels ist die Lieferung eines fabrikneuen VW Tiguan I ohne eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software i. S. des § 275 I BGB unmöglich, und zur Lieferung eines – nicht gleichartigen und gleichwertigen – VW Tiguan II ist der Verkäufer nicht verpflichtet.
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Wird die Berufung gemäß § 522 II ZPO durch Beschluss zurückgewiesen und verliert dadurch gemäß § 524 IV ZPO die (unselbstständige) Anschlussberufung ihre Wirkung, so fallen die Kosten des Berufungsverfahrens beiden Parteien im Verhältnis der Werte von Berufung und Anschlussberufung zur Last.
OLG Bamberg, Beschluss vom 20.09.2017 – 6 U 5/17
(vorangehend: OLG Bamberg, Beschluss vom 02.08.2017 – 6 U 5/17)
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Wer – wie hier die AutoScout24 GmbH – im Internet eine Verkaufsplattform für Kraftfahrzeuge betreibt, verletzt nicht die ihn möglicherweise treffende Nebenpflicht, Nutzer vor betrügerisch handelnden Anbietern zu warnen, wenn er online einen „Ratgeber“ zur Verfügung stellt, in dem deutlich auf bestehende Betrugsrisiken und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung (keine Zahlung ohne vorherige Besichtigung des Fahrzeugs, grundsätzlich nur Barzahlung, besondere Vorsicht bei Abwicklung von Geschäften über eine Spedition oder Reederei) hingewiesen wird.
AG München, Urteil vom 15.09.2017 – 132 C 5588/17
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