Nach einem Rücktritt des Käufers von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag sind die wechselseitigen Rückgewährpflichten – entgegen der herrschenden Meinung – nicht stets einheitlich an dem Ort zu erfüllen, an dem sich die zurückzugewährende Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
LG Tübingen, Urteil vom 17.09.2015 – 5 O 68/15
(nachfolgend: OLG Stuttgart, Urteil vom 13.01.2016 – 9 U 183/15)
Sachverhalt: Die im Bezirk des LG Tübingen ansässige Klägerin verlangt von dem Beklagten, der im Bezirk des LG Potsdam ansässig ist, die Erstattung des für einen gebrauchten Pkw gezahlten Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Außerdem begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.568,25 €.
Die Parteien schlossen am 10.01.2015 einen schriftlichen Kaufvertrag über den Gebrauchtwagen, wobei sie sich auf einen Kaufpreis von 4.800 € einigten. Gegen Zahlung dieses Betrages wurde der Klägerin das Fahrzeug noch am selben Tag übergeben.
Mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2015 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten geltend. Sie behauptet, der erworbene Pkw habe einen nicht unerheblichen Unfallschaden und weise in mehrfacher Hinsicht nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf. Die Klägerin meint, für ihre Klage sei nach § 29 ZPO das LG Tübingen örtlich zuständig, da der Kaufvertrag einheitlich dort rückabzuwickeln sei, wo sich das Fahrzeug vertragsgemäß befinde.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Die Klage ist unzulässig.
I. Das LG Tübingen ist örtlich nicht zuständig. Weder aus §§ 12, 13 ZPO (1) noch aus § 29 I ZPO (2) folgt ein Gerichtsstand beim LG Tübingen. Nach §§ 12, 13, 29 ZPO ist vielmehr das LG Potsdam örtlich zuständig, da der Beklagte in dessen Bezirk seinen Sitz hat.
1. Aus §§ 12, 13 ZPO folgt keine örtliche Zuständigkeit des LG Tübingen, sondern eine solche des LG Potsdam, da der Beklagte in dessen Bezirk seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
2. Die örtliche Zuständigkeit des LG Tübingen ergibt sich auch nicht aus § 29 I ZPO, § 269 I BGB.
Nach § 29 I ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung, vorliegend somit die geltend gemachte Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises, zu erfüllen ist (a). Dies richtet sich nach § 269 I BGB primär danach, ob die Parteien einen Ort für die Leistung bestimmt haben, andernfalls danach, ob sich ein bestimmter Leistungsort aus der Natur des Schuldverhältnisses entnehmen lässt und zuletzt danach, wo der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
Die Parteien haben weder einen bestimmten Ort für die Rückzahlung des Kaufpreises bestimmt (b), noch ergibt sich ein solcher – entgegen der herrschenden Meinung – aus einer ergänzenden Vertragsauslegung oder aus der Natur des Schuldverhältnisses (c), sodass im vorliegenden Fall der Erfüllungsort am Wohnsitz des Schuldners und damit im Bezirk des LG Potsdam liegt.
a) Der Leistungsort i. S. von § 269 I BGB ist für die jeweils konkret geschuldete Leistung zu bestimmen. Sind mehrere Verpflichtungen durch Vertrag miteinander verbunden, so ist für jede Verpflichtung der Leistungsort gesondert zu bestimmen (vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 Rn. 13; Urt. vom 04.03.2004 – IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932; MünchKomm-ZPO/Patzina, 4. Aufl. [2013], § 29 Rn. 24; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. [2015], § 29 Rn. 6; Soergel/Forster, BGB, 13. Aufl. [2014], § 269 Rn. 9).
b) Ausdrücklich haben die Parteien keinen Ort für die Rückzahlung des Kaufpreises im Falle eines Rücktritts vereinbart. Weder aus dem schriftlichen Kaufvertrag noch aus den bekannten Vertragsumständen, das heißt dem Vertragsabschluss und der Übergabe des Fahrzeuges am Sitz des Beklagten, ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien über den Erfüllungsort einer möglichen Rückabwicklung im Fall des Rücktritts eine Regelung getroffen haben oder dies wollten.
c) Ein solcher gemeinsamer Erfüllungsort für die Rückabwicklung eines beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrages ergibt sich auch – entgegen der herrschenden Meinung – weder aus einer ergänzenden Vertragsauslegung noch aus der Natur des Schuldverhältnisses.
aa) Bei einem beiderseits erfüllten Kaufvertrag wird für die bei einem Rücktritt entstehenden wechselseitigen Verpflichtungen von vielen Stimmen in der Rechtsprechung (vgl. RG, Urt. v. 16.06.1903 – II 543/02, RGZ 55, 105 [112 f.]; BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104; BayObLG, Beschl. v. 09.01.2004 – 1 Z AR 140/03, MDR 2004, 646; OLG Schleswig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, SchlHA 2013, 108; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.04.2013 – 8 SA 9/13, ZfS 2013, 568; OLG Bamberg, Urt. v. 18.08.2010 – 8 U 51/10, ZGS 2011, 140; OLG München, Urt. v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13, MDR 2014, 450; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.03.2014 – 5 Sa 7/14, MDR 2014, 1047) und auch in der Literatur (vgl. Smid/Hartmann, a. a. O., § 29 Rn. 47; MünchKomm-ZPO/Patzina, a. a. O., § 29 Rn. 62 – „Kaufvertrag“; Soergel/Forster, a. a. O., § 269 Rn. 30; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 29 Rn. 21; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. [2014], § 29 Rn. 25 – „Kaufvertrag“) ein einheitlicher Erfüllungsort an dem Ort angenommen, an dem sich die zurückzugewährende Sache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
(1) Diese als herrschende Meinung anzusehenden Stimmen gehen im Kern auf eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1903 (vgl. RG, Urt. v. 16.06.1903 – II 543/02, RGZ 55, 105 [112 f.]) zurück. Das Reichsgericht hatte damals bei der Wandlung eines beiderseits erfüllten Kaufvertrags einen einheitlichen Erfüllungsort an dem Ort angenommen, an dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet und dies über § 269 I BGB mit der Natur des Schuldverhältnisses begründet. Denn aus § 467 Satz 2 BGB a.F. ergebe sich, dass die Durchführung der Wandlung nicht mit Kosten für den Käufer verbunden sein soll … Da dem Käufer im Fall eines Rücktransports zum Verkäufer anfallende Transportkosten aber nicht unter die „Vertragskosten“ des § 467 Satz 2 BGB a.F. fallen (vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 23.10.1998 – 2 U 89/98, NJW-RR 1999, 1576 [1577]), sei der Käufer durch die Schaffung eines einheitlichen Erfüllungsortes für die Rückabwicklung zu schützen.
(2) Der BGH hat diese Ansicht des Reichsgerichts in seiner Dachziegel-Entscheidung (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104) übernommen. In diesem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Käufer nach Wandlung auch die Kosten für das Abdecken verkaufter mangelhafter Ziegel vom Verkäufer verlangt. Der BGH hat diese Kosten als Verzugsschaden zugesprochen mit der Begründung, der Verkäufer sei aufgrund des bereits vom Reichsgericht angenommen einheitlichen Erfüllungsortes verpflichtet, die mangelhaften Ziegel beim Käufer abzuholen. Da dieser sich mit dieser Abholpflicht in Verzug befunden habe, stehe dem Käufer ein Schadensersatzanspruch aus Verzug in Gestalt der Transportkosten zu. Zudem hat der BGH diese Risikoverteilung auch als gerecht angesehen, weil der Verkäufer den Mangel, der zur Wandlung geführt habe, auch zu vertreten habe. Dieses Argument wurde unter anderem vom OLG Schleswig (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, SchlHA 2013, 108) übernommen.
(3) In neueren OLG-Entscheidungen wird zudem über eine ergänzende Vertragsauslegung ein einheitlicher Erfüllungsort angenommen.
(a) Das OLG Schleswig-Holstein (vgl. z. B. OLG Schleswig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, SchlHA 2013, 108) führt dazu an, dass für einen einheitlichen Erfüllungsort auch ein praktisches Bedürfnis der Parteien bestehe, da ein Rechtsstreit kostengünstiger am Belegenheitsort ausgetragen werden könne, sodass ein einheitlicher Erfüllungsort für die Rückabwicklung der Interessenlage beider Parteien entspreche.
(b) Das OLG München (vgl. OLG München, Urt. v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13, MDR 2014, 450) folgert einen solchen mutmaßlichen Willen der Parteien aus den vom Reichsgericht und BGH in den oben zitierten Entscheidungen dargestellten Erwägungen, dass Käufer im Fall des Rücktritts (der Wandlung) möglichst so gestellt werden müsse, als ob er den Vertrag nicht geschlossen hätte.
bb) Dem halten einige Land- und Amtsgerichte (vgl. AG Hechingen, Urt. v. 02.02.2012 – 2 C 463/11, juris Rn. 16 ff.; LG Stralsund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11, BB 2011, 2690; LG Krefeld, Beschl. v. 27.07.1977 – 2 O 262/77, MDR 1977, 1018 [1019]) und in der Literatur (vgl. Stöber, NJW 2006, 2661) entgegen, dass die Voraussetzungen für einen nur ausnahmsweise anzunehmenden gemeinsamen Erfüllungsort für die Rückabwicklung nicht bestünden.
cc) Dieser Mindermeinung schließt sich der Referatsrichter an, da die von der herrschenden Meinung angeführten Erwägungen nicht überzeugen, einen einheitlichen Erfüllungsort über § 269 I BGB aus der Natur des Schuldverhältnisses (1–3) oder im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (4) zu begründen.
(1) Der Ansatz des Reichsgerichts, mit Blick auf § 467 Satz 2 BGB a.F. aus der Natur des Schuldverhältnisses für die Wandlung einen einheitlichen Erfüllungsort zu schaffen, war bereits nicht zwingend und steht im Gegensatz zur allgemeinen Ansicht, dass auch bei synallagmatisch verknüpften Leistungspflichten der Erfüllungsort jeweils gesondert für die jeweilige Leistungspflicht zu bestimmen ist (siehe oben unter 2 a). Zudem ist diese Vorschrift mit der Schuldrechtsreform weggefallen, sodass der Ansatz des Reichsgerichts bereits aus diesem Grund nicht mehr herangezogen werden kann. Denn der Gesetzgeber hat auf eine vergleichbare oder gar weitergehende den Käufer begünstigende Vorschrift beim Rücktritt sogar ganz verzichtet. Dass dies bewusst erfolgt war, folgt daraus, dass er mit § 439 II BGB (wohl aufgrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) lediglich für die Nacherfüllung eine den Käufer begünstigende Regelung geschaffen hat und im Übrigen, so auch im Fall des Rücktritts, der Käufer Transportkosten nur unter den Voraussetzungen des Schadensersatzes nach §§ 284, 280 I BGB verlangen kann.
(2) Dem vom BGH in seiner Dachziegel-Entscheidung – ebenfalls noch unter der Geltung von § 467 Satz 2 BGB a.F. – angeführten Argument, dass ein solcher gemeinsamer Erfüllungsort den Verkäufer auch nicht unangemessen benachteilige, da dieser den Rücktritt aufgrund der Mangelhaftigkeit der Kaufsache verursacht habe, kann zumindest kein erhebliches Gewicht zukommen.
(a) Denn für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit kommt es allein auf den schlüssigen Klagevortrag an, sodass sich auch bei einer tatsächlich mangelfreien Kaufsache der Verkäufer vor einem auswärtigen Gericht verteidigen müsste, wenn dies der klagende Käufer lediglich behauptet.
(b) Der Verweis des OLG Schleswig (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, SchlHA 2013, 108), dass dies die Konsequenz aus der für den Zivilprozess geltenden Lehre von den sogenannten doppelrelevanten Tatsachen sei, nötigt erst recht dazu – auch im materiellen Recht –, einen einheitlichen Erfüllungsort nur unter besonderen Umständen anzunehmen.
(c) Die Rechtsprechung übt bei der Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes allgemein auch Zurückhaltung. Sie nimmt einen solchen neben der gegenständlichen Problematik – soweit bekannt – auch nur noch beim Bauvertrag und beim klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens an. Der BGH hat insbesondere für den Anwaltsvertrag seine Rechtsprechung geändert und lehnt seit 2003 einen einheitlichen Erfüllungsort am Sitz der Kanzlei ab (vgl. BGH, Beschl. v. 11. 11.2003 – X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20; BGH, Urt. v. 04.03.2004 – IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932).
(3) Um … einen gemeinsamen Erfüllungsort aus der Natur des Schuldverhältnisses heraus zu begründen, müssen über das bloße Synalagma hinausgehende Umstände festgestellt werden können, die wie beim Ladengeschäft oder beim Bauvertrag einen einheitlichen Erfüllungsort rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 11. 11.2003 – X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20). Anerkanntermaßen von Gewicht sind insoweit die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 30 m. w. Nachw.).
(a) Solche gewichtigen Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Nach Vorstehendem (1 und 2) verbleibt vielmehr allein noch die Praktikabilitätserwägung, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung an dem Ort, an dem sich die Kaufsache befindet, im Fall einer Beweisaufnahme kostengünstiger durchgeführt werden könne. Dies allein ist zu schwach, um von dem allgemein anerkannten Grundsatz, den Erfüllungsort für jede einzelne Leistungspflicht gesondert zu bestimmen (s. oben unter 2 a), abzuweichen.
(b) Die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten als solche ist nicht geeignet, einen gemeinsamen Erfüllungsort zu begründen. Dies steht allgemein außer Streit. Zudem hängt es bei der Rückabwicklung vom Zufall ab, ob ein solches Austauschsynallagma bei Klageerhebung überhaupt (noch) besteht. Denn für die Fälle, in denen nur noch die Kaufpreisrückzahlung offensteht, ist ebenfalls allgemein anerkannt, dass dann der Erfüllungsort für die Kaufpreisrückzahlung am Sitz des Verkäufers liegt.
(c) Zudem hat der BGH in seiner Entscheidung zum Erfüllungsort der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers sogar ausgeführt, dass nicht jeder Nachteil des Käufers dazu führt, den Erfüllungsort am Belegenheitsort der Sache anzusiedeln (vgl. BGH, Urt. V. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 52).
(4) Auch für eine ergänzende Vertragsauslegung, über die namentlich das OLG München einen gemeinsamen Erfüllungsort begründen will, besteht kein Raum. Denn hierfür müsste der Vertrag an einer „planwidrigen Unvollständigkeit“ leiden, die durch die Heranziehung des dispositiven Rechts nicht sachgerecht geschlossen werden kann.
(a) Das OLG München (vgl. OLG München, Urt. v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13, MDR 2014, 450) ist unter Bezugnahme auf die Dachziegel-Entscheidung des BGH auch unter der Geltung des neuen Schuldrechts der Ansicht, der Käufer müsse im Fall des Rücktritts möglichst so gestellt werden, als ob er den Vertrag nicht geschlossen hätte. Es entspreche daher dem mutmaßlichen Willen der Parteien, den Ort der vertragsmäßigen Belegenheit der Kaufsache als einheitlichen Erfüllungsort nicht nur für die Rückgabeverpflichtung des Käufers, sondern auch für die Erfüllung der Verpflichtung des Verkäufers, den Kaufpreis zurückzuzahlen, anzusehen.
(b) Hierbei überschreitet das OLG München die Grenzen der ergänzenden Vertragsauslegung. Selbst wenn man insoweit von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Vertrages ausginge, die sich auch erst durch nach Vertragsschluss eintretende Umstände, wie vorliegend den Rücktritt, ergeben kann (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl. [2015], § 157 Rn. 3 m. w. Nachw.), kann diese Unvollständigkeit durch die Heranziehung des dispositiven Rechtes, das insoweit Vorrang hat (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 157 Rn. 4 m. w. Nachw.), sachgerecht geschlossen werden. Denn nach dem Gesetz muss der Käufer im Fall des Rücktritts, wenn er seinen Kaufpreis wiederhaben will, den Kaufgegenstand zum Verkäufer bringen. Dass ihm dabei unter Umständen Transportkosten entstehen, die er nur unter den Voraussetzungen des Schadensersatzes vom Verkäufer erstattet bekommen kann, begründet bereits keine durch das dispositive Recht nicht geschlossene Lücke. Denn der Gesetzgeber hat bei der Schuldrechtsreform beim Rücktritt auf eine § 467 Satz 2 BGB a.F. vergleichbare Regelung verzichtet und mit § 325 BGB n.F. klargestellt, dass Schadensersatz neben dem Rücktritt verlangt werden kann. Dass somit der Käufer beim Rücktritt seine Transportkosten nicht verschuldensunabhängig, sondern nur nach §§ 284, 280 I BGB unter den Voraussetzungen des Schadensersatzes verlangen kann, stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar. Dies folgt auch daraus, dass der Gesetzgeber mit § 439 II BGB nur für die Nacherfüllung eine über den Schadenersatz hinausgehende Regelung zugunsten des Käufers getroffen hat, nicht aber beim Rücktritt. Diese Entscheidung des dispositiven Gesetzgebers ist zu respektieren und geht der ergänzenden Vertragsauslegung vor, zumal Anhaltspunkte für ein mutmaßliches Einverständnis des Verkäufers mit einem entsprechenden einheitlichen Erfüllungsort für die Rückabwicklung nicht ersichtlich sind.
(5) Darauf, ob ein einheitlicher Erfüllungsort für die Rückabwicklung an dem Ort, den dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet, einer am europäischen Zivilverfahrensrecht orientierten harmonischen Auslegung des § 29 I ZPO entspräche (dazu Staudinger/Artz, NJW 2011, 3125), worauf auch das OLG München hinweist (vgl. OLG München, Urt. v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13, MDR 2014, 450.), kommt es hier nicht an, da kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
(6) Im Ergebnis liegt somit für den den Schwerpunkt der Klage bildenden Kaufpreisrückzahlungsanspruch der Erfüllungsort nach § 269 I BGB am Sitz des Beklagten und damit im Bezirk des LG Potsdam …
Hinweis: Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil aufgehoben und die Sache an das LG Tübingen zurückverwiesen. Im Berufungsurteil des OLG Stuttgart vom 13.01.2016 – 9 U 183/15 – heißt es unter anderem:
„1. Das LG Tübingen ist gemäß § 29 I ZPO örtlich zuständig.
Gemäß § 29 I ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Vorschrift verweist auf die Regelung des materiellen Rechts. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein anderer Ort von den Parteien bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Rechtsverhältnisses, zu entnehmen ist (§ 269 I BGB). Bei gegenseitigen Verträgen besteht danach im allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser muss grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden (BGH, Urt. v. 04.03.2004 – IX ZR 101/03, BGHR ZPO § 29 I Gerichtsstand). Auch bei gegenseitigen Verträgen richtet sich der Leistungsort für die wechselseitigen Leistungen jeweils nach den Wohnsitzen der Vertragsparteien; er ist daher nicht notwendig einheitlich (BGH, Beschl. v. 05.12.1985 – I ARZ 737/85, NJW 1986, 935; Urt. v. 09.03.1995 – IX ZR 134/94, NJW 1995, 1546). Danach hat die Leistung vorbehaltlich gesetzlicher Sondervorschriften in der Regel an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz, bei juristischen Personen den Sitz hatte. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt wird, dass die Vertragsparteien einen anderen Leistungsort bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen ergeben (BGH, Urt. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, NJW 2004, 54 [55]; Urt. v. 24.01.2007 – XII ZR 168/04, juris Rn. 11 = BGHR ZPO § 29 I Beherbergungsvertrag 1). Die einmal gegebene Zuständigkeit des Prozessgerichts wird gemäß § 261 III Nr. 2 ZPO durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (perpetuatio fori; BGH, Urt. v. 26.04.2001 – IX ZR 53/00, juris Rn. 10).
a) Zwar haben die Parteien keinen Leistungsort bestimmt, jedoch liegen hier Umstände vor, nach denen es sachgerecht und der Interessenlage der Parteien angemessen erscheint, einen einheitlichen Erfüllungsort dort anzunehmen, wo sich das streitgegenständliche Fahrzeug vertragsgemäß befindet. Dies ist hier bei der Klägerin im Landgerichtsbezirk Tübingen.
b) Damit folgt der Senat der herrschenden Meinung. Danach ist einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Rückgewährsansprüche nach Rücktritt vom Kaufvertrag, jedenfalls nach beiderseitiger Vertragserfüllung, der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, NJW 1983, 1479 [1480] – Dachziegelfall; Urt. v. 20.11.1961 – VIII ZR 167/60, MDR 1962, 399 [400]; OLG München, Urt. v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13, juris Rn. 14; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.04.2013 – 8 SA 9/13, BeckRS 2013, 17459; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.07.2013 – 22 W 19/13, juris Rn. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. [2016], § 29 Rn. 25 – „Kaufvertrag“; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. [2016], § 269 Rn. 16; MünchKomm-ZPO/Patzina, 4. Aufl [2013], § 29 Rn. 62; Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. [2015], § 29 Rn. 28; a. A. Stöber, NJW 2006, 2661; LG Stralsund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11, BeckRS 2011, 25552). Der Schwerpunkt der Rückabwicklung des Vertrages liegt wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Leistung an einem bestimmten Ort. Deshalb ist er als Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 24. Januar 2007 – XII ZR 168/04, BGHR ZPO § 29 I Beherbergungsvertrag 1 m. w. Nachw.). Das gilt jedenfalls dann, wenn ein mit dem Rückgabeanspruch des Verkäufers nach § 346 I BGB korrespondierender Rücknahmeanspruch des Käufers besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 14.01.2009 – VIII ZR 70/08, BGHReport 2009, 485 Rn. 21). Dann hat der Verkäufer bei der Rücknahme der Kaufsache seine nach § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllende Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises an diesem Ort zu erfüllen.
Dem Käufer steht hier ein Anspruch auf Rücknahme, dem Verkäufer ein solcher auf Rückgewähr zu, das folgt aus § 346 I BGB (vgl. BGH, Beschl. v. 14.01.2009 – VIII ZR 70/08, BGHReport 2009, 485 Rn. 21). Der Rücktrittsgrund, nämlich das Vorliegen eines Sachmangels, rührt aus dem Risikobereich des Verkäufers her (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, NJW 1983, 1479 [1480] – Dachziegelfall). Er hat die mangelhafte Sache geliefert und nicht nacherfüllt. Der Käufer soll im Rahmen der Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB daher möglichst so gestellt werden, als ob er den Vertrag nicht geschlossen hätte (OLG Schleswig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, juris Rn. 32; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.07.2013 – 22 W 19/13, juris Rn. 13). Sind nach dem Rücktritt die ausgetauschten Leistungen Zug um Zug rückabzuwickeln, dann entspricht es dem mutmaßlichen Willen der Parteien, den Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache als einheitlichen Leistungsort nicht nur für die Rücknahmeverpflichtung, sondern auch für den Kaufpreisrückgewähranspruch anzusehen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2015 – 28 U 91/15, juris Rn. 22).
aa) Den vereinzelt in der Literatur und Rechtsprechung aufgekommenen Stimmen, wonach ein einheitlicher Erfüllungsort bei einem kaufvertraglichen Rückgewährschuldverhältnis nicht angenommen werden könne (Stöber, NJW 2006, 2661; AG Bergisch Gladbach, Urt. v. 21.05.2008 – 62 C 267/07; LG Stralsund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11, BeckRS 2011, 25552), ist zwar zuzugeben, dass der BGH in seiner von der herrschenden Meinung herangezogenen Dachziegelfall-Entscheidung (Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, NJW 1983, 1479) nicht über die materielle Frage des Erfüllungsortes für die Rückzahlungspflicht oder über die prozessuale Frage des Gerichtsstands für Rückgewährklagen zu entscheiden hatte. Dennoch stützt diese Entscheidung die herrschende Meinung. Denn der BGH führt die herrschende Meinung an, wonach einheitlicher Erfüllungsort für den Wandelungsvollzug der sogenannte Austauschort, das heißt der Ort, an dem sich die Sache zu Zeit der Wandelung vertragsgemäß befindet, ist, und verweist hierbei ausdrücklich auf eine frühere Senatsentscheidung (BGH, Urt. v. 20.11.1961 – VIII ZR 167/60, MDR 1962, 399 [400] …), in der er selbst von einem einheitlichen Gerichtstand auch für die Kaufpreisrückzahlungsklage ausgegangen ist.
bb) Die unter Geltung des alten Schuldrechts bestehende Rechtslage wird im Rahmen des heute geltenden Schuldrechts fortgeführt. Bei der Wandlung und dem gesetzlichem Rücktritt handelt es sich um das vergleichbare Rechtsinstitut zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.06.2013 – 13 U 53/13, NJOZ 2014, 530; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.07.2013 – 22 W 19/13, juris Rn. 14). Die Rückabwicklung hat heute wie unter Geltung des alten Rechts Zug um Zug zu erfolgen. Das folgt aus der Bestimmung des § 348 BGB, die durch die Schuldrechtsmodernisierung keine Änderung erfahren hat. § 348 BGB war über § 467 BGB a.F. i. V. mit § 346 BGB a.F. … und ist über §§ 437 Nr. 2, 323, 346 BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 anzuwenden. An der Bestimmung des Erfüllungsorts hat das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 nichts geändert (BGH, Urt. v. 08.01.2008 – X ZR 97/05, juris Rn. 13).
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 13.04.2011 (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, juris Rn. 29). Das Gegenteil ist der Fall. In der vorgenannten Entscheidung wird ausgeführt, dass sich die zum Erfüllungsort der Rückgewährsansprüche nach erfolgtem Rücktritt gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 346 BGB, der vielfach an dem Ort angesiedelt sei, an dem sich die Sache vertragsgemäß befinde, entwickelten Grundsätze nicht auf die Nacherfüllung nach § 439 BGB übertragen lassen (so auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.06.2013 – 13 U 53/13, NJOZ 2014, 530). Hierin liegt keine Abkehr von den für den Rücktritt entwickelten Grundsätzen. Sie sind nach Auffassung des für das Kaufrecht zuständigen Senats des BGH lediglich nicht auf die Nacherfüllung übertragbar.
dd) Aus der Entscheidung des BGH vom 11.11.2003 (BGH, Urt. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, NJW 2004, 54), in der er unter Änderung seiner früheren Rechtsprechung den Erfüllungsort von Gebührenforderungen eines Rechtsanwalts nicht am Kanzleisitz sondern am Wohnsitz des Beklagten sieht, folgt nicht, dass der BGH für kaufrechtliche Rückgewährschuldverhältnisse keinen einheitlichen Erfüllungsort mehr annimmt. Die Fallgestaltungen sind schon nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der X. Zivilsenat für den Anwaltsvertrag einen einheitlichen Erfüllungsort abgelehnt, jedoch auch ausgeführt, dass sich aus den Umständen des Einzelfalls ein einheitlicher Erfüllungsort ergeben kann. Diese liegen hier, wie bereits ausgeführt, vor …“