Bei einem zwei Jahre und vier Monate nach der Erstzulassung erworbenen Gebrauchtwagen begründet der Umstand, dass zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeugs eine Standzeit von 19½ Monaten verstrichen ist, jedenfalls dann keinen Sachmangel, wenn das Datum der Erstzulassung nur mit der Einschränkung „lt. Fahrzeugbrief“ in den Kaufvertrag aufgenommen wurde, das Fahrzeug in der Vergangenheit als Mietwagen genutzt wurde und es bei Abschluss des Kaufvertrages bereits eine Laufleistung von 38.616 km aufwies.
OLG Braunschweig, Urteil vom 23.07.2015 – 9 U 2/15
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15)
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten für 33.430 € einen Gebrauchtwagen (Audi A4 Avant TDI). Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob dieses Fahrzeug mangelhaft ist, weil zwischen seiner Herstellung und der Erstzulassung 19½ Monate verstrichen sind, und ob etwaige Gewährleistungsansprüche des Klägers verjährt sind.
Das Landgerich (LG Göttingen, Urt. v. 27.11.2014 – 4 O 214/13) hat der auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne die Rückzahlung des gesamten Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung an sich verlangen, obwohl der Pkw der B-Bank zur Sicherung eines Darlehens übereignet worden sei. Denn die Gewährleistungsrechte aus dem mit dem Darlehensvertrag verbundenen Kaufvertrag seien nicht an die B-Bank abgetreten worden. Der Kläger sei auch wirksam von dem mit der Beklagten geschlossen Kaufvertrag zurückgetreten. Denn der Pkw sei bei Übergabe mangelhaft gewesen, da er nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufgewiesen habe. Es gehöre zur vereinbarten Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB, dass das Baujahr des Fahrzeugs nicht mehr als zwölf Monate von dem im Vertrag angegebenen Jahr der Erstzulassung abweiche. Dies gelte auch beim Kauf eines Gebrauchtwagens. Die Rechtsprechung des BGH zu Neu- und Jahreswagen, wonach eine Standdauer von über zwölf Monaten einen wertmindernden Faktor darstelle, sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Eine Abweichung von 19 Monaten zwischen dem Datum der Herstellung und dem Datum der Erstzulassung entspreche nicht dem, was der Kläger habe erwarten müssen. Der Kläger habe ein zwei Jahre und vier Monate altes Fahrzeug erwerben wollen, also einen verhältnismäßig „jungen“ Gebrauchtwagen von beachtlichem Wert. Hinzu komme, dass während dieser Standzeit ein „Modellwechsel“ stattgefunden habe, sodass der Kläger zudem ein Modell erworben habe, dass im Zeitpunkt der Erstzulassung nicht mehr gebaut worden sei. Auch dieser Modellwechsel stelle einen wertbildenden Faktor von wesentlicher Bedeutung dar. Das Rücktrittsrecht des Klägers sei nicht verjährt. Der Kläger habe den Rücktritt mit Schreiben vom 23.01.2013 und vom 05.02.2013 rechtzeitig und hinreichend deutlich erklärt.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Auf die vom Landgericht zutreffend verneinte Verjährung kommt es nicht an. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf gewährleistungsrechtliche Rückabwicklung des Gebrauchtwagenkaufs nicht zu. Es fehlt am erforderlichen Gewährleistungsgrund eines Mangels i. S. von §§ 434, 437 BGB.
Im Einzelnen:
1. Die Klage ist nicht bereits unzulässig; insbesondere ist der Kläger prozessführungsbefugt. Der Kläger könnte grundsätzlich die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises an sich verlangen. Es liegt insoweit kein Fall einer gewillkürten Prozessstandschaft vor.
Bei dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag und dem Darlehensvertrag mit der B-Bank handelt es sich um ein verbundenes Geschäft i. S. des § 358 III BGB. Tritt der Verbraucher bei einem derartigen Geschäft aufgrund der Mangelhaftigkeit der Kaufsache vom Kaufvertrag zurück, so kann er von dem Verkäufer die gesamte Darlehensvaluta herausverlangen (OLG Köln, Urt. v. 25.03.2014 – 3 U 185/13; OLG Koblenz, Urt. v. 18.12.2008 – 6 U 564/08; MünchKomm-BGB/Habersack, 6. Aufl. [2012], § 359 Rn. 71; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. [2015], § 359 Rn. 8).
Der Kläger bedarf daher lediglich für eine Rückübereignung des Fahrzeugs an die Beklagte der Zustimmung der B-Bank gemäß § 185 BGB (vgl. MünchKomm-BGB/Habersack, a. a. O., § 359 Rn. 71). Mit der dem Kläger erteilten „Prozeßstandschaftsvollmacht“ hat die B-Bank diesen analog § 185 I BGB konkludent ermächtigt, im Rahmen der beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung die Rückübereignung des Fahrzeugs anzubieten. Ausweislich des Schreibens der B-Bank sollte dem Kläger durch Erteilung der Vollmacht die gewünschte Aktivlegitimation verschafft werden.
Es bestünde auch – falls ein Gewährleistungsanspruch gegeben gewesen wäre – ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse des Klägers, die Rückübereignung des Fahrzeugs anzubieten. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen sind gemäß § 348 Satz 1 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Da gemäß §§ 348 Satz 2, 322 I BGB eine Klage auf Rückgewähr des Kaufpreises im Falle eines Rücktritts zu einer Zug-um-Zug-Verteilung führt, musste der Kläger, um einer teilweisen Klageabweisung zu entgehen, die Rückübereignung des Fahrzeugs im Rahmen seiner Klage anbieten.
2. Die Klage ist indes nicht begründet.
Dem Kläger steht bereits kein Anspruch auf Rückgewähr des an die Beklagte geleisteten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des gekauften Fahrzeugs gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 I, 326 V, 346 I, 348 Satz 1 BGB zu. Das Fahrzeug war im Zeitpunkt des Gefahrübergangs sachmangelfrei.
a) Dass das verkaufte Fahrzeug zwischen seiner Herstellung und seiner Erstzulassung 19½ Monate stand, stellt keinen Sachmangel gemäß § 434 I 1 BGB dar.
In der verbindlichen Bestellung vom 27.06.2012 ist lediglich das Erstzulassungsdatum des Fahrzeugs, der 18.02.2010, angegeben. Unstreitig wurde das Fahrzeug am 01.07.2008 hergestellt. Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen sind zwischen den Parteien keine weiteren Absprachen über das Alter des Fahrzeugs getroffen worden.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB kann zwar auch konkludent oder stillschweigend zustande kommen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl. [2015], § 434 Rn. 17).
Nach der Rechtsprechung des BGH beinhaltet der Verkauf eines Fahrzeugs als „fabrikneu“ oder als „Jahreswagen“ die vereinbarte Beschaffenheit, dass das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung nicht länger als zwölf Monate gestanden hat (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02 [zu § 459 BGB a.F.]: keine „Fabrikneuheit“ bei einer Standzeit von mehr als zwölf Monaten zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrags; Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05: vereinbarte Beschaffenheit, dass beim Verkauf als „Jahreswagen“ zwischen der Herstellung und der Erstzulassung nicht mehr als zwölf Monate liegen). Diese starre Grenze kann auf einen Gebrauchtwagenkauf nicht übertragen werden. Ob im Einzelfall eine längere Standzeit einen Mangel begründet, ist jeweils im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2009 – VIII ZR 34/08; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04).
Die zu einer mangelbegründenden Standzeit bei Gebrauchtfahrzeugen ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen lassen sich aufgrund der jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte nicht verallgemeinern (Gewährleistungsanspruch bejaht: OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008 – 1 U 231/07: Herstellung 31 Monate vor Erstzulassung, 10 km Laufleistung und zwei Monate seit Erstzulassung bei Verkauf an Kläger, Sachmangel bejaht; OLG Celle, Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05: Herstellung 23 Monate vor Erstzulassung, 10 km Laufleistung und neun Monate seit Erstzulassung bei Verkauf an Kläger als „Vorführwagen“, Sachmangel bejaht; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04: Herstellung 5½ Jahre vor Erstzulassung, dort indes arglistiges Verschwiegen; OLG Oldenburg, Urt. v. 28.10.2005 – 6 U 155/05: Herstellung 2½ Jahre vor Erstzulassung, wobei im konkreten Fall eine arglistige Täuschung bejaht und die Mangelhaftigkeit nicht explizit angesprochen worden ist; OLG Nürnberg, Urt. v. 21.03.2005 – 8 U 2366/04: Herstellung 13 Monate vor Erstzulassung, 600 km Laufleistung und elf Monate seit Erstzulassung bei Verkauf, dort aber unzutreffendes Modelljahr als Beschaffenheit vereinbart; Gewährleistungsanspruch und Sachmangel verneint: OLG Schleswig, Urt. v. 25.11.2008 – 3 U 39/07: Herstellung 14 Monate vor Erstzulassung, Erstveräußerung als „Lagerfahrzeugmodell“; OLG Braunschweig, Urt. v. 07.07.2005 – 2 U 128/04: Herstellung 27 Monate vor Erstzulassung, Verkauf als „Lagerfahrzeug“; KG, Beschl. v. 13.01.2011 – 8 U 97/10: Herstellung 14½ Monate vor Erstzulassung, Laufleistung 35.240 km bei Kauf durch dortigen Kläger).
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Lagerdauer eines Fahrzeugs nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung des Fahrzeugs von wesentlicher Bedeutung (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02 Rn. 12). Da jedes Fahrzeug einem Alterungsprozess unterliegt, der mit Verlassen des Werkes einsetzt, verschlechtert sich grundsätzlich der Zustand eines Fahrzeugs durch Zeitablauf (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02 Rn. 12). Daran ändert sich denklogisch auch nichts, wenn es sich im Einzelfall nicht um einen als Neu- oder Jahreswagen verkauften Pkw handelt. Die Frage, ob der beschriebene Vorgang auch dann eine Bedeutung für den Käufer haben kann oder mit einer als üblich erwarteten Beschaffenheit verknüpft ist, ist davon zu trennen. Die abstrakt-technische Ausgangsüberlegung wird nicht tangiert. Diese tritt aber umso mehr in den Hintergrund, je länger ein Fahrzeug, das vor Erstzulassung gestanden hat, nach Erstzulassung benutzt wird. Nicht nur – hier nicht geltend gemachte – tatsächliche Standschäden, sondern erst recht auch dahinter zurückbleibende Veränderungen werden von üblicher wie tatsächlicher Gebrauchsabnutzung überlagert.
Eine Standzeit von über zwölf Monaten stellt bei einem vom Kraftfahrzeughändler als „Jahreswagen“ verkauften Gebrauchtwagen gerade deshalb einen Sachmangel dar, weil es dem Käufer bei einem solchen Kauf ersichtlich darauf ankommt, einen „jungen“ Gebrauchtwagen zu erwerben, der sich von einem Neuwagen lediglich durch seine einjährige Nutzung im Straßenverkehr unterscheidet (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05 Rn. 11). Dementsprechend – so die höchstrichterliche Rechtsprechung – würde es den schutzwürdigen Interessen des Käufers zuwiderlaufen, „die vertraglich geschuldete Beschaffenheit eines Jahreswagens im Hinblick auf die höchstzulässige Standzeit vor der Erstzulassung anders zu beurteilen als die Lagerdauer eines Neufahrzeugs bis zu dessen Verkauf“ (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05 Rn. 11).
Diese Grundsätze sind im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig:
Für den Käufer eines Kraftfahrzeuges ist in der Regel zwar nicht (nur) das Datum der Erstzulassung, sondern auch das Alter von Interesse (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 28.10.2005 – 6 U 155/05, dort zwar „Vorführwagen“, was aber für die genannte allgemeine Überlegung keine Rolle spielte). Bei Gebrauchtwagenkäufen ist aber regelmäßig für Kaufentscheidungen das Fahrzeuggesamtalter nur ein Kriterium mittlerer Bedeutung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 2602).
aa) Die nicht wesentliche Abweichung des Herstellungsdatums vom Erstzulassungsdatum kann eine vereinbarte Beschaffenheit des Fahrzeugs darstellen. Die Voraussetzungen liegen dafür hier jedoch nicht vor.
Zwar kann der Käufer eines Kraftfahrzeuges mangels näherer Angaben nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass das Fahrzeug sofort nach der Herstellung zum Straßenverkehr zugelassen worden ist. Ein Käufer auch eines Gebrauchtwagens darf aber darauf vertrauen, dass zwischen Herstellung und Erstzulassung ein relativ überschaubarer Zeitraum liegt. Wenn die Vertragsparteien das Datum der Erstzulassung in den Kaufvertrag aufnehmen, so kann im Einzelfall darin die konkludente Vereinbarung liegen, dass das Datum der Herstellung jedenfalls davon nicht mehrere Jahre bzw. nicht wesentlich vom Jahr der Erstzulassung abweicht (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04). Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung ist aber nicht anzunehmen, wenn es sich bei der Erstzulassungsangabe um eine bloße Wissenserklärung handelt und ein Bindungswille, für eine Beschaffenheit einzustehen, erkennbar fehlt.
Im vorliegenden Fall steht einem Bindungswillen, für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums und für eine Beschaffenheit der vorgenannten Art bezüglich des Herstellungszeitpunkts einzustehen, entgegen, dass die Aufnahme des Erstzulassungsdatums in den Vertrag mit der Einschränkung „lt. Fahrzeugbrief“ erfolgt ist. Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung ist daher fernliegend (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008 – 1 U 231/07; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 2636).
bb) Es ist auch nicht von einem Mangel gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB wegen der Abweichung von der üblichen Beschaffenheit auszugehen.
(1) Im Inland produzierte Pkw (hier: Audi A4 Avant 2.0 TDI), die – wie hier – nicht in den Export gehen, werden zwar überwiegend innerhalb von zwölf Monaten nach der Produktion zum öffentlichen Verkehr (erst-)zugelassen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008 – 1 U 231/07). Das ist der normale Lauf der Dinge, wie er auch sich in der „Zwölfmonatsrechtsprechung“ des BGH für Neu- und Jahreswagen sowie im Einzelfall für Vorführwagen niedergeschlagen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008 – 1 U 231/07 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160; Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 2604 m. w. Nachw.). Das bedarf als Bestandteil der allgemeinen Lebenserfahrung nicht des Beweises durch Sachverständigengutachten. Der Umstand für sich allein rechtfertigt es aber nicht, die „Zwölfmonatsrechtsprechung“ auf jeden Gebrauchtwagenkauf anzuwenden, weil er für die Erwartungen an die übliche Beschaffenheit von Gebrauchtwagen nicht allein prägend ist.
(2) Der Kläger hat von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen erworben, der zuvor nur auf die den Vertrag vermittelnde Autohaus H-GmbH zugelassen war. Die vorangegangene Zulassung auf nur einen Halter besagt über das Gesamtalter eines Fahrzeugs ab seiner Herstellung jedoch nichts.
(3) Einziger Anhaltspunkt des Klägers für das Alter des Fahrzeugs war das in der verbindlichen Bestellung „lt. Fahrzeugbrief“ angegebene – und unstreitig zutreffende – Datum der Erstzulassung, welche im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zwei Jahre und vier Monate zurücklag. Bei dem verkauften Fahrzeug handelte es sich damit schon nicht mehr um ein relativ junges Gebrauchtfahrzeug, selbst wenn das Fahrzeug unmittelbar nach Herstellung erstzugelassen worden wäre.
(a) Eine Orientierung bei der Einstufung bietet die für die Abschreibung von Anlagegütern für Pkw (inkl. Pkw-Kombi) geltende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von sechs Jahren (Nr. 4.2.1 der AfA-Tabelle des Bundesministeriums für Finanzen …). Von diesem gewöhnlichen Zeitraum wäre unter Zugrundelegung von zwei Jahren und vier Monaten schon mehr als ein Drittel verstrichen gewesen (39 %).
(b) Die bekannte Zulassungsdauer bis zum streitgegenständlichen Kaufzeitpunkt betrug deutlich über ein Jahr, sodass weder die Jahreswagenentscheidung des BGH (Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05) noch die im Einzelfall ergangene Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 16.06.2008 – 1 U 231/07) und des OLG Celle (Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05) mangels Vergleichbarkeit herangezogen werden kann (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 2647 und Fn. 249). Denn alle genannten Entscheidungen stellen gerade auf die im Einzelfall entsprechend erwartbare „Jugend“ des Pkw ab, der BGH wegen der Bezeichnung als „Jahreswagen“ (Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05 Rn. 11), das OLG Düsseldorf wegen der dort geringen Laufleistung von 10 km und der Zeit seit Erstzulassung von nur zwei Monaten (Urt. v. 16.06.2008 – 1 U 231/07, juris Rn. 29) das OLG Celle wegen der ebenfalls nur geringen Laufleistung von 10 km sowie wegen der Bezeichnung als „Vorführwagen“ (Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05, juris Rn. 16). Arglist (vgl. oben OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04, und OLG Oldenburg, Urt. v. 28.10.2005 – 6 U 155/05) bzw. eine unzutreffende Modelljahrbeschaffenheitsvereinbarung (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 21.03.2005 – 8 U 2366/04, juris Rn. 19) liegen hier nicht vor.
(c) Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages mit 38.616 km bereits eine Laufleistung auf, die ihrerseits eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs indiziert und daher im Vergleich zu einer etwaigen Standzeit, die sich ja nicht mehr verändern konnte, zunehmend an Bedeutung gewonnen hat.
(d) Der Umstand, dass der Pkw ausweislich der Vereinbarung im schriftlichen Kaufvertrag als „Euromobilfahrzeug genutzt“, das heißt als Mietwagen bei dem Mietwagenunternehmen Euromobil Autovermietung GmbH im Einsatz gewesen ist, spricht ebenfalls dagegen, dass der Kläger eine bestimmte „Standzeitnichtüberschreitung“ zwischen Herstellung und Erstzulassung und damit ein bestimmtes Höchstalter als üblich erwarten durfte.
Für Mietwagenunternehmen ist erkennbar weniger das Alter eines Wagens seit Herstellung, sondern vorrangig von Bedeutung, dass es noch nicht erstzugelassen ist. Die insbesondere für den das Kraftfahrzeug gewerblich nutzenden Autovermieter erhebliche Frage des Reparaturkostenunterhalts als Amortisationsfaktor hängt maßgeblich auch von der Dauer der Herstellergarantie ab. Deren Beginn knüpft an das Erstzulassungsdatum, nicht an das Datum der Herstellung an (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 2614). Da beim Wiederverkauf mit weitgehender Verbreitung die Mietwagennutzug abgefragt wird, welche sodann wahrheitsgemäß anzugeben ist und die im Markt regelmäßig zu erheblichen Wertreduzierung führt (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3186–3190), fällt demgegenüber eine vor Erstzulassung seit Herstellung nicht besonders deutlich über ein Jahr hinausgehende Standzeit vergleichsweise so wenig ins Gewicht, dass ein Mietwagenzweitkäufer nicht damit rechnen kann, das Mietwagenunternehmen lege als Ersterwerber besonderen Wert darauf, dass seine Fahrzeuge vor Erstzulassung und Erstbenutzung nicht deutlich über ein Jahr alt sind. Ein Mietwagenunternehmen wird ohnehin erkennbar weniger Bedenken haben, zur Vergrößerung seiner Rentabilität günstig noch nie zugelassen gewesene „Haldenfahrzeuge“ einzukaufen.
In der Gesamtbetrachtung kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger als übliche Beschaffenheit annehmen durfte, dass bei dem von ihm erworbenen Gebrauchtwagen zwischen Herstellung und Erstzulassung weniger als 19½ Monate vergangen sind.
Ob es der Beklagten als Kraftfahrzeughändlerin eher als dem Kläger möglich gewesen wäre, das tatsächliche Alter des Fahrzeugs festzustellen, hat auf die vorgenannten Umstände keinen Einfluss und damit für die Frage der üblichen Beschaffenheit der konkreten Kaufsache keine Bedeutung.
Ein annähernd vergleichbarer Sachverhalt liegt dem Beschluss des Kammergerichts vom 13.01.2011 – 8 U 97/10 – zugrunde, in dem das Gericht bei einer 14½-monatigen Standzeit vor Erstzulassung bei Erwerb als Gebrauchtwagen nach drei Jahren und fünf Monaten Nutzung nach Erstzulassung mit einer Laufleistung von 35.240 km einen Sachmangel verneint hat (KG, Beschl. v. 13.01.2011 – 8 U 97/10, juris Rn. 7). Dass vorliegend die Standzeit fünf Monate länger, die Zeit seit Erstzulassung elf Monate kürzer ist, ändert nichts an den oben genannten entscheidenden Kriterien, die den Rahmen dafür ergeben, was der Käufer eines über zwei Jahre – zudem als Mietwagen – seit Erstzulassung im Gebrauch befindlichen Pkw an maximaler Standzeit vor Erstzulassung erwarten kann, wenn – wie hier – keine Standschäden vorgetragen oder sonst ersichtlich sind.
b) Es stellt ferner keinen Sachmangel dar, dass das Fahrzeug nicht aus dem Modelljahr 2010 stammt.
aa) Unstreitig wurde zwischen den Parteien über die Modellreihe keine ausdrückliche Absprache getroffen.
bb) Ein Mangel käme daher nur in Betracht, wenn sich aus dem Kaufvertrag konkludent eine vereinbarte Beschaffenheit dahin gehend ergäbe, dass das Fahrzeug dem Modelljahrgang 2010 angehört (§ 434 I 1 BGB) oder das Fahrzeug dadurch, dass es im Aussehen dem bis Sommer 2009 produzierten Modell des Audi A4 (B8) entsprochen hat, nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
(1) Um einen Sachmangel annehmen zu können, müsste in der Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag zugleich die Erklärung enthalten sein, das gebrauchte Fahrzeug habe zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung dem damals aktuellen Modell entsprochen. Ein derart weitgehender Erklärungswert ist der Angabe des Erstzulassungsdatums jedoch nicht zu entnehmen.
(2) Nach der Rechtsprechung des BGH darf ein Neuwagen nicht mehr als „fabrikneu“ verkauft werden, wenn das betreffende Modell zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr unverändert hergestellt wird (BGH, Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 243/02; Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02). Ob dies auch im Fall eines Modellwechsels vor Erstzulassung beim Verkauf eines Jahreswagens gilt, hat der BGH ausdrücklich offengelassen (Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05 Rn. 10); entsprechend zu Gebrauchtwagen gibt es soweit ersichtlich keine höchstrichterlichen Entscheidungen.
Eine Übertragung der höchstrichterlichen Grundsätze, die für Neuwagen und für zwischen ihrer Herstellung und Erstzulassung etwa eingetretene Modellwechsel gelten, auf den Gebrauchtwagenkauf kommt nicht in Betracht.
Im Gegensatz zu einem Käufer eines Neuwagens kommt es dem Käufer eines Gebrauchtwagens regelmäßig nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Modellreihe oder zum einem bestimmten Modelljahr an. Der im Vergleich zu einem Jahreswagen deutlich erhöhte Preis eines Neuwagens wird von den Käufern unter anderem aufgrund der Aktualität des Modells gezahlt, wohingegen bei einem Gebrauchtwagenkauf andere Faktoren wie Alter, Laufleistung und Zustand im Vordergrund stehen. Sofern es einem Gebrauchtwagenkäufer ausdrücklich auf eine bestimmte Modellreihe ankommt, müsste er dies gegenüber dem Verkäufer zum Ausdruck bringen und entsprechende Nachfragen stellen.
Unabhängig davon erfolgte das eigentliche „Facelift“ des streitgegenständlichen Pkw-Typs Audi A4, Modell B8, erst im im November 2011 begonnenen Modelljahr 2012 (vgl. …), welches der Kläger bei einem Audi A4 Avant mit der Erstzulassung vom 18.02.2010 ohnehin nicht erwarten durfte. Ein echter Modellwechsel vom streitgegenständlichen Model Audi A4, Modell B8, Bauzeit 2007–2015, zum Audi A4, Modell B9, Bauzeit ab 2015, ist überdies nicht für vor Mitte bzw. Herbst 2015 angekündigt (vgl. …).
Wiederum unabhängig davon macht der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr einen wirklichen Modellwechsel oder ein „Facelift“ geltend. Vielmehr ist in der Berufungserwiderung nur noch von „zumindest optischer Veränderung des Erscheinungsbildes zur Modellvariante 2010“ ab Sommer 2009 die Rede, die für einen „Fachmann“ erkennbar sei. Unterstellt man das als zutreffend, so hätte, würde die „Zwölfmonatsrechtsprechung“ Anwendung finden, der Kläger ohnehin nicht erwarten können und dürfen, dass das von ihm erworbene und im Februar 2010 erstzugelassene Fahrzeug nicht geringfügig anders aussieht als solche Audi A4 (B8), die im Februar 2010 hergestellt wurden. Er hätte auch in diesem Fall damit rechnen müssen, ein Fahrzeug erworben zu haben, das bis zu zwölf Monate zuvor hergestellt wurde und daher die „zumindest optischen“, für einen „Fachmann“ wahrnehmbaren „Veränderungen“ im Sommer 2009 noch nicht erfahren haben musste.
c) Es sind auch keine zureichenden Anhaltspunkte für ein arglistiges Verschweigen der Beklagten ersichtlich. Nach dem Vorstehenden musste die Beklagte nicht ungefragt auf den Zeitraum zwischen Herstellung und Erstzulassung hinweisen, auch nicht auf etwaige „optische Veränderungen“.
3. Da dem Kläger der geltend gemachte Hauptanspruch aus Gewährleistung nicht zusteht (s. oben), kann die Feststellung des Annahmeverzugs sowie die Zuerkennung der Nebenforderungen ebenfalls keinen Bestand haben.
Der Anspruch des Klägers auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,81 € besteht aber auch davon unabhängig nicht. Der Anspruch wäre gegebenenfalls gemäß § 86 I VVG auf die Rechtsschutzversicherung des Klägers übergegangen. Der Kläger hat trotz des Hinweises des Landgerichts vom 31.07.2013 nicht vorgetragen, von der Rechtsschutzversicherung zum Forderungseinzug an sich selbst ermächtigt worden zu sein. Er hat lediglich vorgetragen, die Forderung in Prozessstandschaft geltend zu machen. Die Ermächtigung zur Prozessführung beinhaltet aber nicht zugleich die Ermächtigung, die Leistung an sich verlangen zu dürfen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 48/03).
III. … Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 II Nr. 1 ZPO liegen vor.
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Sie wirft eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschl. v. 27.03.2003 – V ZR 291/02).
Es fehlt bislang an einer höchstrichterlichen Entscheidung dazu, ob eine – und gegebenenfalls welche – Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung bei Gebrauchtwagen, die nicht als Jahres- oder Vorführwagen verkauft werden, die auch keine ungewöhnlich niedrige Gesamtlaufleistung (wie Neu-, Jahres- oder Vorführwagen) und keine Standschäden aufweisen, eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit im Sinne eines Sachmangels gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB begründet (vgl. BGH, Urt. v. 15.09.2010 – VIII ZR 61/09 Rn. 21: zulässige Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung beim Gebrauchtwagenkauf ausdrücklich offenlassend).
Hinweis: Die Revsion des Klägers hatte keinen Erfolg (s. BGH, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15).