Für die Frage, ob ein verkaufter älterer Gebrauchtwagen wegen einer dem Verkauf vorausgegangenen längeren Standzeit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln ist, ist – anders als bei der Standzeit eines Jahreswagens bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung – grundsätzlich nicht auf die Standzeit als solche abzustellen, sondern darauf, ob bei dem Fahrzeug keine Mängel vorliegen, die auf die Standzeit zurückzuführen sind und die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit üblicherweise nicht aufweisen.

BGH, Urteil vom 10.03.2009 – VIII ZR 34/08

Sachverhalt: Der Kläger begehrt als Verkäufer Schadensersatz, nachdem der Beklagte den Rücktritt von einem Gebrauchtwagenkauf erklärt hat.

Der Beklagte kaufte am 14.09.2006 vom Kläger einen Chevrolet Van zum Preis von 13.900 €. Das Fahrzeug war am 10.03.1996 erstzugelassen worden. Die Kfz-Zulassungsstelle verweigerte dem Beklagten die (erneute) Zulassung, weil das Fahrzeug in den letzten 19 Monaten vor der beantragten Wiederzulassung stillgelegt war. Nach Einholung des für die Zulassung erforderlichen Gutachtens stellte der Kläger das Fahrzeug am 27.09.2006 wieder bereit und forderte den Beklagten auf, es bis zum 06.10.2006 abzuholen. Mit Schreiben vom 29.09.2006 erklärte der Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er berief sich auf das Vorliegen eines Fixgeschäfts und focht den Vertrag wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen an. Nach nochmaliger vergeblicher Fristsetzung erklärte der Kläger am 06.11.2006 seinerseits den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er verkaufte den Van sodann zu einem Preis von 12.400 € an einen Dritten.

Mit der Klage fordert der Kläger die Differenz zwischen dem mit dem Beklagten vereinbarten und dem beim Verkauf erzielten Preis (1.500 €) sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (755,80 €). Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Aus den Gründen: [6]    I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:

[7]    Dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 281 I BGB zu. Die Standzeit und Stilllegungsdauer von 19 Monaten stelle auch bei einem Gebrauchtwagen einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar. Eine derart lange Standzeit berge die Gefahr technischer Standschäden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Fahrzeug während der Standzeit im September 2005 dem TÜV zur Durchführung der Hauptuntersuchung vorgeführt worden sei. Die Beseitigung des Sachmangels sei unmöglich, sodass der Beklagte ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag habe zurücktreten können.

[8]    II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gemäß §§ 280 I und III, 281 I BGB nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lag bei dem verkauften Fahrzeug kein Sachmangel i. S. des § 434 I BGB vor, sodass der Beklagte nicht gemäß §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB vom Vertrag zurücktreten konnte.

[9]    1. Ein zum Rücktritt berechtigender Sachmangel kann im Streitfall nur in der Standzeit von 19 Monaten liegen. Sonstige Fahrzeugmängel sind weder festgestellt noch vom Beklagten behauptet worden. Die zunächst fehlende Zulassungsfähigkeit ist vom Kläger durch Einholung des erforderlichen Gutachtens spätestens am 27.09.2006 beseitigt worden.

[10]   Hinsichtlich der Standzeit kommt nur ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB liegt insoweit nicht vor; die Sollbeschaffenheit ergibt sich auch nicht aus der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB). In diesem Punkt unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, der dem Senatsurteil vom 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 – zugrunde lag. Dort sollte das verkaufte Fahrzeug die vereinbarte Beschaffenheit eines „Jahreswagens“ aufweisen. Der Senat hat dazu ausgeführt, dass die Vereinbarung der Beschaffenheit eines Gebrauchtfahrzeugs als „Jahreswagen“ gemäß § 434 I 1 BGB regelmäßig zum Inhalt hat, dass es sich bei dem verkauften Fahrzeug um einen „jungen“ Gebrauchtwagen aus erster Hand handelt, der sich hinsichtlich seines Alters von einem Neufahrzeug im Wesentlichen lediglich durch die einjährige Nutzung seit der Erstzulassung unterscheidet, mithin bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung keine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist.

[11]   2. Gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

[12]   a) Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (Senat, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Tz. 18 m. w. Nachw.). Da technische Mängel des Fahrzeugs vom Beklagten nicht behauptet werden und auch sonst nicht ersichtlich sind, ist diese Voraussetzung erfüllt.

[13]   b) Das Fahrzeug wies auch die Beschaffenheit auf, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen. Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung (Senat, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Tz. 19 m. w. Nachw.).

[14]   aa) Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich keine Aussage dahin treffen, dass eine Standzeit und Stilllegungsdauer von 19 Monaten bei einem Gebrauchtfahrzeug eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der Käufer nicht erwarten musste. Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, welche Standzeit üblich ist und ab welcher Zeitspanne diese Grenze überschritten wird, ist schon deshalb nicht möglich, weil die Standzeit eines Gebrauchtwagens stark von der jeweiligen Marktlage abhängt. Aber selbst wenn feststünde, dass ein beträchtlicher Teil von Gebrauchtwagen, die hinsichtlich Fahrzeugtyp, Alter und Laufleistung mit dem verkauften Fahrzeug vergleichbar sind, ohne längere Standzeiten verkauft wird, führte eine solche, rein statistische Betrachtung nicht weiter. Jedenfalls kommt eine Orientierung an Durchschnittswerten nicht in Betracht, denn diese schließen nicht aus, dass es dennoch eine nicht unerhebliche Anzahl vergleichbarer Fahrzeuge gibt, die eine ähnlich lange Standzeit wie das verkaufte Fahrzeug aufweisen.

[15]   Außerdem lässt sich allein auf statistischer Grundlage keine Aussage dazu treffen, welche Käufererwartung hinsichtlich der Standzeit objektiv berechtigt ist (vgl. Senat, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Tz. 21 m. w. Nachw.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Standzeit des Fahrzeugs für den Gebrauchtwagenkäufer nicht als solche, sondern allein im Hinblick auf mögliche standzeitbedingte Schäden (vgl. dazu AG Rottweil, DAR 1999, 369 [370]; OLG Düsseldorf, DAR 2003, 318; ferner Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 2141) von Interesse ist. Ob, an welchen Teilen, in welchem Umfang und nach welcher Standzeit sich derartige Mängel einstellen, hängt indessen von vielen Faktoren, insbesondere davon ab, unter welchen Bedingungen und mit welchen Vorsorgemaßnahmen ein stillgelegtes Fahrzeug abgestellt wird. Geschieht dies unter ungünstigen Bedingungen und/oder ohne fachmännische Vorbereitung, können schon nach kurzer Standzeit Korrosions- und andere Schäden auftreten. Umgekehrt kann bei fachmännischem Vorgehen der Zustand eines auch längere Zeit stillgelegten Fahrzeugs besser sein als der gleichaltriger Fahrzeuge ohne Standzeit.

[16]   bb) Deshalb ist hinsichtlich der Standzeit eines älteren Gebrauchtwagens (nicht eines Jahreswagens) bei der Prüfung, ob das Fahrzeug i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln ist, grundsätzlich nicht auf die Standzeit als solche abzustellen, sondern darauf, ob bei dem Fahrzeug keine Mängel vorliegen, die auf die Standzeit zurückzuführen sind, und die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit üblicherweise nicht aufweisen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Standzeitbedingte Mängel sind vom Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

[17]   III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben …

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