1. Ob ein Gebrauchtwagen wegen einer Standzeit vor der Erstzulassung i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft ist, muss – sofern es sich nicht um einen Jahreswagen handelt – im Einzelfall bestimmt werden, wobei neben dem Alter des Fahrzeugs insbesondere die Dauer der Zulassung zum Straßenverkehr zu berücksichtigen ist.
  2. Bei einem gebrauchten BMW-Cabriolet, das bereits seit rund zwei Jahre und acht Monate zum Straßenverkehr zugelassen ist und eine Laufleistung von 19.500 km aufweist, ist eine Standzeit von 14 Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung kein Mangel.

OLG Schleswig, Urteil vom 25.11.2008 – 3 U 39/07

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagten – die Beklagte zu 2. als Komplementärin der Beklagten zu 1. – auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Gebrauchtwagen in Anspruch, nachdem er seinen Rücktritt von diesem Vertrag erklärt hat. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das erworbene Fahrzeug sei mangelhaft, weil im Kaufvertrag als Datum der Erstzulassung der 25.03.2003 genannt sei, das Fahrzeug aber bereits am 08.01.2002 hergestellt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass ein Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB nicht vorliege. Zwar gehöre auch bei einem Gebrauchtwagen zur vereinbarten Beschaffenheit, dass er nicht sehr viel früher hergestellt worden sei, als das Datum der Erstzulassung vermuten lasse. Nähmen die Vertragsparteien das Datum der Erstzulassung in den Kaufvertrag auf, liege darin die konkludente Vereinbarung, dass das Datum der Herstellung jedenfalls nicht mehrere Jahre von dem der Erstzulassung abweiche. Hier seien zwischen der Herstellung und dem Abschluss des Kaufvertrages mit dem Erstkäufer etwa 13 Monate vergangen und lägen zwischen Herstellung und Erstzulassung weniger als 15 Monate. Bei diesem Zeitraum könne bei einem Gebrauchtwagen noch nicht von einem Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung gesprochen werden.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen …

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nach Rücktritt vom Kaufvertrag nicht zu.

Ein Rücktritt nach § 437 Nr. 2 BGB setzt einen Sachmangel bei Gefahrübergang i. S. des § 434 I BGB voraus. Daran bereits fehlt es hier. Der verkaufte PKW ist nicht deshalb mangelhaft, weil in dem Kaufvertrag ein Erstzulassungsdatum vom 25.03.2003 – als solches richtig – angegeben, das Fahrzeug tatsächlich aber bereits 14½ Monate zuvor, nämlich am 08.01.2002 hergestellt worden war.

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat in dem grundlegenden Urteil vom 15.10.2003 (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 [zu § 459 BGB a.F.]) entschieden, im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler liege in der Regel die konkludente Zusicherung, dass das Fahrzeug fabrikneu sei … Ein unbenutztes Kraftfahrzeug sei regelmäßig „fabrikneu“, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut werde, es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweise, und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen würden. In diesem Urteil ist mithin – ausdrücklich zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung – der Zeitraum von zwölf Monaten als maximale Standzeit festgelegt worden, bis zu deren Ablauf ein Kraftfahrzeug im Regelfall noch als fabrikneu angesehen werden kann. Dabei hat der BGH zugrunde gelegt, dass die Lagerdauer nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs von wesentlicher Bedeutung sei, weil jedes Kraftfahrzeug einem Alterungsprozess unterliege und es sich allein durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxydation und anderen physikalischen Veränderungen verschlechtere. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermöge diesen Prozess nur zu verlangsamen, nicht aber zu verhindern. Im Regelfall sei deshalb davon auszugehen, dass eine Lagerzeit von mehr als zwölf Monaten die Fabrikneuheit eines Neuwagens beseitige.

Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um einen Neuwagenverkauf, sondern um den Verkauf eines Gebrauchtwagens, bei dem allerdings ausdrücklich das Datum der Erstzulassung in die Auftragsbestätigung aufgenommen worden ist.

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 26.05.2004 (OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04, NJW 2004, 2456, bereits zum neuen Recht) unter Rückgriff auf die genannte BGH-Rechtsprechung zum Verkauf von Neufahrzeugen entschieden, auch bei Gebrauchtwagen dürfe der Käufer erwarten, dass das Baujahr nicht wesentlich vom Jahr der Erstzulassung abweiche. Es könne dabei dahingestellt bleiben, welche zeitliche Differenz insoweit gerade noch zulässig wäre. Der im fraglichen Fall bestehende Unterschied von fünf Jahren und sechs Monate liege jedenfalls nicht mehr im Rahmen dessen, womit ein Käufer redlicherweise rechnen müsse. Das OLG Karlsruhe hat mithin bei einem Gebrauchtwagenverkauf einerseits zwar das wesentliche Auseinanderfallen von Erstzulassung und Produktionsdatum als Sachmangel angesehen, andererseits die für den Verkauf als Neuwagen und die darin liegende konkludente Beschaffenheitsvereinbarung als „fabrikneu“ geltende starre Grenze von zwölf Monaten nicht etwa unverändert auf den Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen unter Angabe des Erstzulassungsdatums übertragen.

Diesem Weg ist auch das OLG Celle in seinem Urteil vom 13.07.2006 (OLG Celle, Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05, OLGR 2006, 670) gefolgt. Dort ging es um den Verkauf eines Pkw ausdrücklich als Gebrauchtwagen, wobei das Fahrzeug allerdings einen Stand von nur 10 km aufwies. Jedenfalls aus der dort erteilten Rechnung vom 08.11.2004 ergab sich ein Erstzulassungsdatum vom 29.01.2004, wobei der Käufer aber nicht wusste, dass das Fahrzeug tatsächlich bereits im Februar 2002 gebaut worden war, also fast zwei Jahre vor der Erstzulassung. Das OLG Celle hat das wesentliche Auseinanderfallen von Erstzulassung und Produktionsdatum als Sachmangel angesehen, wobei dies „jedenfalls bei vermeintlich neuwertigen Fahrzeugen wie im vorliegendem Fall“ gelten solle (OLG Celle, Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05, juris Rn. 24). Auch hier findet sich keine unveränderte Übertragung der Rechtsprechung zur Standzeit beim Neuwagenverkauf in dem Sinne, dass bei einer zwölf Monte überschreitenden Abweichung des im Gebrauchtwagenkaufvertrag angegebenen Erstzulassungsdatums von dem tatsächlichen Herstellungsdatum in jedem Fall ein Sachmangel anzunehmen wäre.

Ähnlich hat auch das OLG Braunschweig entschieden (OLG Braunschweig, Urt. v. 07.07.2005 – 2 U 128/04, NJW-RR 2005, 1508). In jenem Rechtsstreit ging es um den Verkauf eines Fahrzeugs, das im Kaufvertrag vom 15.01.2004 als „Lagerfahrzeug, Modelljahr 02“ bezeichnet worden war. Das OLG Braunschweig hat in Abgrenzung zu der bereits zitierten BGH-Entscheidung betreffend ein Neufahrzeug (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160) ausgeführt, es handele sich in jenem Fall „nicht, wie der Verkauf von Neuwagen, um ein Standardgeschäft“, weshalb es „keine allgemeinen Regeln“ gebe, der Vertrag vielmehr „nach den Umständen des Einzelfalles auszulegen“ sei.

Als „Standardgeschäft“ kann dagegen der Verkauf eines Fahrzeugs als „Jahreswagen“ bezeichnet werden, weil der Käufer bei einer derart vereinbarten Beschaffenheit des Kaufgegenstandes bestimmte standardisierte Erwartungen gerade an diesen Begriff knüpft. Der BGH hat dementsprechend mit Urteil vom 07.06.2006 (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694) in dem Verkauf eines Fahrzeugs als „Jahreswagen“ eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 I 1 BGB n.F. gesehen. Eine solche Vereinbarung habe jedenfalls auch ohne ausdrückliche weitere Vereinbarungen den Inhalt, dass das verkaufte Fahrzeug bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung keine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweise. Aus der Sicht eines verständigen Käufers habe – so der BGH – die an das Alter des Fahrzeugs anknüpfende Kennzeichnung eines Gebrauchtfahrzeugs als „Jahreswagen“ den Zweck, das Fahrzeug einerseits von fabrikneuen Neufahrzeugen und andererseits von älteren Gebrauchtwagen, denen nach der Verkehrsanschauung regelmäßig eine geringere Wertschätzung zukomme, abzugrenzen. Der Käufer eines Jahreswagens erwarte, einen jungen Gebrauchtwagen aus erster Hand zu erwerben, der sich hinsichtlich seines Alters von einem Neufahrzeug im Wesentlichen lediglich durch die einjährige Nutzung im Straßenverkehr seit der Erstzulassung unterscheide. Deshalb würde es den schutzwürdigen Interessen des Käufers nicht gerecht, die vertraglich geschuldete Beschaffenheit eines Jahreswagens im Hinblick auf die höchstzulässige Standzeit vor der Erstzulassung anders zu beurteilen, als die Lagerdauer eines Neufahrzeugs bei dessen Verkauf.

In dieser Entscheidung hat der BGH (Rn. 11) deutlich zu erkennen gegeben, dass zwischen dem Verkauf eines „Jahreswagens“ und dem Verkauf von sonstigen, älteren Gebrauchtwagen – auch im Hinblick auf die Frage der Standzeit vor dem Erstverkauf – ein Unterschied zu machen ist. Der zentrale Unterschied liegt darin, dass in dem Verkauf als „Neufahrzeug“ oder als „fabrikneu“, aber auch in dem Verkauf als „Jahreswagen“ eine Beschaffenheitsvereinbarung zu sehen ist, die auch umfasst, dass das Fahrzeug vor dem Erstverkauf nicht länger als zwölf Monate seit der Herstellung gestanden hat.

An einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung mit Bezug auch auf die Standzeit fehlt es aber bei dem Verkauf von sonstigen Gebrauchtwagen, die die zeitliche Grenze eines Jahreswagens überschritten haben. Insbesondere ist der Begriff des „jungen Gebrauchtwagen“ – der hier ausdrücklich im Kaufvertrag ohnehin nicht auftaucht – nicht ausreichend im Hinblick auf die berechtigten Erwartungen der Käufer standardisiert.

Bei einer längeren Nutzung des Fahrzeugs vor dem Weiterverkauf als Gebrauchtfahrzeug tritt die Bedeutung eines etwaigen Wertverlustes durch eine Standzeit vor dem Erstverkauf insgesamt zurück gegenüber anderen Kriterien, wie insbesondere dem tatsächlichen Erhaltungszustand und der Kilometerleistung.

Bei einem Gebrauchtwagenverkauf mit Angabe der Erstzulassung ist – wenn es sich denn nicht um einen Jahreswagen, sondern um ein älteres Fahrzeug handelt – weiter zu bedenken, dass der Käufer nicht wissen kann, unter welchen kaufvertraglichen Abmachungen das Fahrzeug vor der Erstzulassung veräußert worden ist. Kann er anders als beim Jahresfahrzeug gerade nicht erwarten, dass sich der Wagen von einem Neufahrzeug allein durch die einjährige Benutzung im Straßenverkehr unterscheidet, muss er mit der Möglichkeit rechnen, dass das fragliche Fahrzeug vor der Erstzulassung nicht als gewöhnliches Neufahrzeug verkauft worden ist, sondern etwa ausdrücklich als Lagerfahrzeug. Der Verkauf von Lagerfahrzeugen ist auch gegenwärtig nach Kenntnis des Senats nicht ungewöhnlich, dies gilt erst recht – wie die Entscheidung des OLG Braunschweig zeigt – für die jüngere Vergangenheit. Auch im vorliegenden Fall ist die Erstveräußerung des BMW-Cabrio gemäß Kaufvertrag vom 14.02.2003 mit dem Hinweis „Lagerfahrzeugmodell 2002“ erfolgt.

Liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. § 434 I 1 BGB nicht vor, muss geprüft werden, ob das Fahrzeug wegen der Standzeit einen Sachmangel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufweist. Das wäre der Fall, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet und nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Ob eine wesentliche Abweichung zwischen Herstellungsdatum und Erstzulassung vorliegt, die sich als Mangel darstellt, muss mithin bei Gebrauchtwagen mit einer Zulassungsdauer oberhalb des Jahreswagens im Einzelfall unter Berücksichtigung des Fahrzeugalters, insbesondere der Dauer seiner Zulassung im Verkehr, bestimmt werden. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des BGH im „Jahreswagen-Urteil“. Hätte der BGH nämlich die Meinung vertreten wollen, dass bei einem Kaufvertrag über ein Gebrauchtfahrzeug stets ein Mangel vorliegt, wenn das Fahrzeug eine anfängliche Standzeit von mehr als zwölf Monaten gegenüber dem angegebenen Erstzulassungsdatum aufweist, wäre die Bezugnahme auf die Besonderheiten des Verkaufs eines Fahrzeugs als Jahreswagen und dessen ausführliche Erörterung ersichtlich überflüssig gewesen. Der BGH hat aber diese Besonderheiten in ausdrücklicher Abgrenzung zu einem älteren Gebrauchtwagen gerade hervorgehoben und ausgeführt, Letzterem komme nach der Verkehrsanschauung regelmäßig eine geringere Wertschätzung zu als einem Jahreswagen.

Im vorliegenden Fall musste der Kläger als Käufer im November 2005 angesichts des Erstzulassungsdatums von März 2003 davon ausgehen, dass er ein Fahrzeug erwarb, das jedenfalls rund zwei Jahre und acht Monate im Straßenverkehr zugelassen war. Das Cabrio wies seinerzeit eine Laufleistung von rund 19.500 km auf. Geht man von der Rechtsprechung des BGH aus, muss beim Kauf eines Neufahrzeugs eine Standzeit zwischen Herstellungsdatum und Datum des Kaufvertrages von bis zu 12 Monaten hingenommen werden. Das Datum des Kaufvertrages wird oft zeitlich etwas vor der Erstzulassung liegen. Ist aber schon bei einem Neufahrzeug mit bis zu zwölf Monaten Standzeit durchaus zu rechnen, erscheint es bei einem bereits zwei Jahre und acht Monate zugelassenen Fahrzeug für die Wertschätzung unerheblich, wenn es tatsächlich gut einen Monat länger (bzw. gerechnet bis zur Erstzulassung rund 2½ Monate) gestanden hat. Ein Sachmangel liegt hier mithin nicht vor …

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