1. Ein Zwischenverkäufer kann nachvertraglich dazu verpflichtet sein, die ihm gegen „seinen“ Verkäufer zustehenden (Gewährleistungs-)Ansprüche an den Letztkäufer abzutreten, wenn der Letztverkäufer den Zwischenverkäufer nicht in die Haftung nehmen kann.
  2. Teilt ein Kfz-Vertragshändler (Erstverkäufer) beim Verkauf eines Gebrauchtwagens an einen gewerblichen Kfz-Händler (Zweitkäufer) diesem nicht mit, das der Kaufvertrag mit dem Erstkäufer rückabgewickelt wurde, nachdem sich das Fahrzeug acht Mal in der Werkstatt befunden hatte, kann dem Drittkäufer des Fahrzeugs ein Schadenersatzanspruch (§ 826 BGB) gegenüber dem Erstverkäufer zustehen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.05.2011 – 12 U 152/09

Sachverhalt: Die Beklagte zu 1. schloss mit dem Kläger am 22.07.2006 einen Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen. Das Fahrzeug hatte sie am 22.06.2006 von der Beklagten zu 2., einer Vertragshändlerin, gebraucht mit einer Gesamtfahrleistung von 53.000 km gekauft.

Der Kaufvertrag vom 22.06.2006 enthält zu Mängeln folgende Angaben: „Zahl, Umfang und Art von Mängeln und Unfallschäden lt. Vorbesitzer: Nein. Dem Verkäufer sind auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt: Nein.“ Die Reparaturhistorie des Fahrzeugs hat die Beklagte zu 2. der Beklagten zu 1. nicht ausgehändigt.

Erstkäuferin des Fahrzeugs war die A-GmbH, auf die das Fahrzeug am 04.06.2004 zugelassen worden war. Deren Kaufvertrag mit der Beklagten zu 2. wurde am 29.04.2006 nach acht Werkstattterminen wegen Mängeln rückabgewickelt.

Im Oktober 2007 ließ der Kläger unter Beteiligung beider Beklagten ein Beweissicherungsgutachten über einen behaupteten Mangel der Fahrzeugelektronik, der zu Fehlfunktionen an anderen elektrischen Fahrzeugteilen führe, einholen. Im vorliegenden Verfahren hat er zuletzt von der Beklagten zu 1. die Abtretung aller Ansprüche aus dem Vertrag vom 22.06.2006 und von der Beklagten zu 2. die Zahlung von 22.321 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gefordert. Der Kilometerstand des Fahrzeugs zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung betrug 109.275.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.09.2009 überwiegend stattgegeben. Die Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2. hätten ihre Grundlage in § 826 BGB. Der Abtretungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1. beruhe auf Treu und Glauben und folge aus nachvertraglichen Treuepflichten.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Beklagte zu 1. als auch die Beklagte zu 2. mit dem Ziel der Klageabweisung Berufung eingelegt. Das Rechtsmittel der Beklagten zu 1. hatte Erfolg, während die Berufung der Beklagten zu 2. erfolglos war.

Aus den Gründen: II. … A. Das Landgericht ist der Auffassung, eine Pflicht der Beklagten zu 1. zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen folge aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen nachvertraglicher Treupflicht. Die Weigerung der Beklagten zu 1., ihr gegenüber der Beklagten zu 2. aus arglistiger Täuschung zustehende Ansprüche abzutreten, vereitele den Vertragszweck/Leistungserfolg aus dem Kaufvertrag vom 22.07.2006. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

Die Voraussetzungen eines mit Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnisses (§ 242 BGB), wenn der Zweitkäufer etwaige Gewährleistungsansprüche gegen seinen Erstverkäufer nicht abtritt, liegen hier nicht vor.

1. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. waren die gesetzlichen Gewährleistungsrechte nicht abbedungen. Die in den Kaufvertrag vom 22.07.2006 einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen … sehen eine einjährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche vor, beginnend mit der Ablieferung des Kaufgegenstands, und regeln die Abwicklung der Mängelbeseitigung. Als Sondervereinbarung weist der Vertrag zudem eine zwölfmonatige Gebrauchtwagengarantie aus. Diese galt ab 24.07.2006 für zwölf Monate. Garantiefähige Schäden waren über den verkaufenden Händler, hier also die Beklagte zu 1., abzuwickeln. Das allgemeine Mängelrisiko war danach nicht auf den Kläger als Käufer verlagert, die Beklagte zu 1. sollte nicht abschließend wegen etwaiger Mängel entlastet werden. Eine planwidrige Regelungslücke bestand nicht, weil der Kläger wegen der innerhalb der Gewährleistungs- wie auch der Garantiefrist aufgetretenen Mängel die Beklagte zu 1. in Anspruch nehmen konnte. Dass er dies nicht getan hat und stattdessen jeweils eine Drittwerkstatt aufsuchte, war seine individuelle Entscheidung.

Die Auffassung des Landgerichts berücksichtigt nicht das berechtigte Interesse der Beklagten zu 1. als Verkäuferin, über eine Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber ihrem Vertragspartner, der Beklagten zu 2., selbst zu entscheiden und nicht in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. einbezogen zu werden. Dahin geht auch die Argumentation der Beklagten zu 1., dass sie von Rechtstreitigkeiten verschont sein will, da sie eine Fortsetzung des Geschäftsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. nicht ausschließt. Die Interessen der (Zweit-)Verkäuferin (Beklagte zu 1.) und des Klägers als (Zweit-)Käufer stimmen hier nicht überein. Eine treuwidrige Vereitelung oder Beeinträchtigung des Vertragszwecks oder Leistungserfolgs aufgrund der verweigerten Zession ist nicht gegeben. Der Kläger hat seine Rechtsstellung selbst beeinträchtigt, indem er während der Gewährleistungs- und Garantiefrist die Beklagte zu 1. wegen der Mängel nicht in Anspruch nahm.

2. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Kaufvertrag vom 22.06.2006 lassen darüber hinaus den Rückschluss zu, dass der Wille beider Beklagten bestand, eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2. auf Grund einer Zession auszuschließen … Die bestehenden Gewährleistungsansprüche und Garantieansprüche des Klägers aus seinem Vertragsverhältnis zur Beklagten zu 1. berührte dies nicht. Ob die zwischen den Beklagten einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Abtretung von Gewährleistungsansprüchen des Zwischenverkäufers auch gegenüber dem Kläger wirksam ausschließen, bedarf keiner Entscheidung, da eine Rechtspflicht der Beklagten zu 1. zur Abtretung nicht besteht.

Eine nachvertragliche Pflicht zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen des Zwischenverkäufers wird in der Rechtssprechung (BGH, Urt. v. 13.02.2004 – V ZR 225/02, NJW 2004, 1873; Urt. v. 20.12.1996 – V ZR 259/95, NJW 1997, 652) nur dann bejaht, wenn der Letztkäufer sein Recht nicht bei seinem Verkäufer hätte suchen können. Dies war hier – wie ausgeführt – aber möglich. Der BGH bejaht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine vertragliche Verpflichtung zur Zession eventueller Gewährleistungsansprüche des Zweitverkäufers gegen den Erstverkäufer an den Zweitkäufer nur dann, wenn es sich um ein zusätzliches Risiko handelt, das zu regeln die Parteien nicht bedacht haben. Eine planwidrige Unvollständigkeit des Kaufvertrages vom 22.07.2006, die diesen Vertrag wegen des Fehlens der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen lückenhaft erscheinen ließe, scheidet aus. Der Klägereinwand, diese Rechtsprechung betreffe nur das bis 31.12.2002 geltende Kaufrecht … führt im vorliegenden Fall zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Voraussetzungen des § 285 BGB liegen nicht vor, da im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. die Sachmängelhaftung nicht ausgeschlossen war.

B. Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegenüber der Beklagten zu 2. zuerkannt.

Die Beklagte zu 2. hat dem Kläger durch das Verschweigen der für einen Zweitkäufer nicht erkennbaren Mangelhistorie des Fahrzeugs und des Umstands, dass es sich um ein Wandlungsfahrzeug handelte, zumindest bedingt vorsätzlich und in sittenwidriger Weise einen Vermögensschaden zugefügt.

1. Die objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung liegt in der Täuschung über die Mängelhistorie und die vollzogene Wandlung. Bis zum Kaufvertrag vom 22.06.2006 verzeichnet die Reparaturhistorie des Fahrzeugs elf Werkstatttermine, acht davon bis zur Wandlung des Erstkäufers (12.04.2005, 05.05.2005, 11.05.2005, 31.05.2005, 10.08.2005, 28.11.2005, 23.02.2006 und 29.04.2006). Von der Wandlung am 29.04.2006 bis zum Weiterverkauf an die Beklagte zu 1. am 22.06.2006 sind drei weitere Werkstatttermine aufgeführt, und zwar am 02.05.2006, 05.05.2006 und 31.5.2006. Die Beklagte zu 2. informierte ihre Zweitkäuferin (Beklagte zu 1.) nicht über diese Reparaturhistorie und auch nicht über die erfolgreiche Wandlung des Erstkäufers. Darüber hinaus verneint der Kaufvertrag wahrheitswidrig das Auftreten von Sachmängeln und die Kenntnis der Beklagten zu 2. von diesen Mängeln. Informiert war die Beklagte zu 1. nur zu zwei Reparaturen vom 17.11.2004 und 08.11.2004, die in der Historie nicht angegeben sind und unstreitig in keinem Zusammenhang mit der Fahrzeugelektrik standen.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH besteht bei Vertragsverhandlungen für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern der Vertragspartner die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann (BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 126 m. w. Nachw.). Bei instandgesetzten Unfallschäden wird eine solche Aufklärungspflicht regelmäßig bejaht (OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.06.2000 – 4 U 733/99-241, OLGR 2000, 525). Im vorliegenden Fall ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1. als Händlerin gegenüber einem Privatkäufer durch eigene Sachkunde erweiterte Erkenntnismöglichkeiten hat. Entgegen einem Vertragshändler hatte die Beklagte zu 1. jedoch nicht die Möglichkeit, ohne Weiteres an die Reparaturhistorie zu gelangen. Anhaltspunkte, an der Redlichkeit der Angaben der Beklagten zu 2. bei Vertragsschluss zu zweifeln, bestanden nicht. Hinzu kommt, dass es sich bei dem gerügten Mangel der Elektronik um einen solchen handelte, den auch die Beklagte zu 1. als Händlerin trotz Fachkenntnis und Prüfung nicht erkennen musste, da die Mangelsymptome in der Vergangenheit zwar immer wieder, aber eben nicht immer auftraten. Dass es sich um ein Wandlungsfahrzeug handelte, war für die Beklagte zu 1. ebenfalls nicht erkennbar. Die Angaben in dem Kaufvertrag vom 22.06.2006 waren objektiv falsch. Die Beklagte zu 2. konnte wegen der sich durchziehenden Symptomatik der Fehler der Fahrzeugelektronik, die wiederholt die Funktion der Schiebetüren betrafen, beim Zweitverkauf an die Beklagte zu 1. nicht von einem mangelfreien Fahrzeug ausgehen. In dem kurzen Zeitraum zwischen Wandlung und Weiterverkauf an die Beklagte zu 1. (29.04.2006–22.06.2006) sind in der Reparaturhistorie auszugsweise folgende Mängel der Schiebetüren bzw. der Elektronik angegeben:

02.05.2006: Schiebetüren links und rechts geprüft, Update Steuergerät durchgeführt;
05.05.2006: Schiebetür links fährt von selbst wieder auf, elektrische Schiebetür rechts ohne Funktion, erhöhter Verschleiß, erhöhter Verbrauch;
31.05.2006: Beides Schiebetüren starke Klappergeräusche, erhöhter Verschleiß, erhöhter Verbrauch.

Der Senat ist von dem Fortbestand eines seit Erstzulassung bestandenen Mangels überzeugt. Dies folgt insbesondere aus den Ergebnissen der sachverständigen Begutachtung und der Reparaturhistorie.

Die Reparaturhistorie zeigt bruchlos bis zur Rückgabe des Wagens durch den Erstkäufer wie auch zeitnah nach dem Erwerb durch den Kläger durchgängig Störungen in der Funktionsweise der seitlichen Schiebetüren und der damit verbundenen Steuer- und Regelungstechnik.

Auch wenn der Sachverständige aus wirtschaftlichen Gründen keine abschließenden Feststellungen traf, hat er Fehler der Elektrik und konkret der Schiebetüren festgestellt, die bereits kurz nach der Erstzulassung auftraten und zu weiteren Reparaturversuchen am 05./11.05.2005, 31.05.2005, 10.08.2005, 28.11.2005, 23.02.2006 Anlass gaben. Unmittelbar nach der Wandlung vom 29.04.2006, und zwar am 02.05.2006, setzten sich die Probleme an den Türen fort. In der vom Kläger aufgesuchten Werkstatt zeigten sich erneut die Symptome an den Schiebetüren und/oder der Elektrik, und zwar am 26.09.2006, 24.10.2006, 27.10.2006 und 13.09.2007. Der Sachverständige hat dies mit überzeugender Begründung als eine Chronologie von Maßnahmen bezeichnet, die sich wie ein roter Faden durch den Lebenslauf des Fahrzeugs hindurchzogen und immer wieder die seitlichen Schiebetüren und die Steuerungs- und Regelungstechnik betrafen. Aus technischer Sicht bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen den Schiebetüren, deren Sensorik und einer damit einhergehenden Belastung der Fahrzeugelektronik, welche bei ruhendem Fahrzeug zu einem mehr oder minder starken Entladen der Batterie führen könne. Dieser Entladevorgang könne dann in Folge zu unterschiedlichen Fehlern in der elektrischen Anlage und auch zum Verlust der Startfähigkeit führen …

2. Die Beklagte zu 2. handelte mit Schädigungsvorsatz, der sich auch auf den Schaden erstreckte. Die Beklagte zu 2. musste bei Verkauf an einen gewerblichen Fahrzeughändler eine Weiterveräußerung des Gebrauchtwagens ernsthaft in Betracht ziehen und hat diese, einschließlich der damit verbundenen Vermögensnachteile beim Kläger als Dritterwerber, billigend in Kauf genommen (BGH, Urt. v. 15.09.1999 – I ZR 98/97, NJW-RR 2000, 393; OLG Braunschweig, Urt. v. 13.04.2006 – 8 U 29/05, NJW 2007, 609 m. w. Nachw.). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1. bei der Beklagten zu 2. die Vorstellung erweckte, den Wagen privat nutzen und nicht weiterverkaufen zu wollen, fehlen.

Die Kausalität ist nicht durch die (nicht genutzte) Möglichkeit des Klägers unterbrochen worden, gegenüber der Beklagten zu 1. Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, da es lediglich zu einer Schadensverlagerung kam. Die Beklagte zu 1. hätte bei fortlaufenden Mängelrügen des Klägers ihrerseits wegen des arglistigen Verschweigens der Wandlung und der Reparaturhistorie Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2. geltend machen können.

3. Wegen der begehrten Rückabwicklung ist zugunsten der Beklagten zu 2. ein Freistellungsanspruch aus § 346 I BGB auf Nutzungswertersatz zu berücksichtigten …

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