1. Die für eine Inspektion aufgewendeten Kosten sind einem Kfz-Käufer nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 347 II BGB als notwendige Verwendungen zu ersetzen. Daran ändert nichts, dass es sich bei Inspektionskosten um gewöhnliche Erhaltungskosten handelt.
  2. Nach einem wirksamen Rücktritt des Käufers von einem Kfz-Kaufvertrag hat der Verkäufer nicht nur den Kaufpreis zurückzugewähren, sondern muss er auch die aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen herausgeben bzw. deren Wert ersetzen. In welcher Höhe der Verkäufer durch Verwendung des Kaufpreises Zinserträge erzielt oder Schuldzinsen erspart hat, muss er dem Käufer auf verlangen mitteilen. Ein entsprechender Auskunftsanspruch des Käufers ergibt sich aus § 242 BGB.
  3. Bei einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse ist eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu erwarten.

LG Leipzig, Teilurteil vom 10.01.2011 – 08 O 1214/09

Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags.

Mit Kaufvertrag vom 20.07.2006 erwarb die Klägerin von der Beklagten einen Pkw Mercedes-Benz E 200 zum Preis von 45.647,40 €. Das Fahrzeug sollte ihr im Dezember 2006 mit einem Kilometerstand von ca. 10.000 übergeben werden. Bis zur Übergabe nutzte die Beklagte das Fahrzeug als Vorführwagen. Auch die Klägerin nutzte das Fahrzeug zeitweise und legte bis zur Übergabe 2.347 km zurück. Als ihr das Fahrzeug schließlich übergeben wurde, betrug der Kilometerstand 4.600.

Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte über ein Darlehen. Die Klägerin leistete eine Anzahlung von 13.000 € sowie bis Juni 2008 19 monatliche Raten in Höhe von jeweils 245,40 €.

Nachdem die Klägerin gegenüber der Beklagten Klappergeräusche im Innenraum des Fahrzeugs beanstandet hatte, begutachtete die Beklagte den Pkw am 13.03.2008. Anschließend teilte sie der Klägerin mit, die Geräusche seien typspezifisch, und die für die weitere Suche nach der Ursache entstehenden Kosten würden nicht übernommen.

Daraufhin forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte am 2008 – erfolglos – zur Mängelbeseitigung auf und erklärten mit Schreiben vom 21.04.2008 den Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag.

Am 24.06.2008 erklärte sich der Verkaufsleiter der Beklagten grundsätzlich zur Rückabwicklung dieses Vertrages bereit. Deshalb fand am 03.08.2008 eine Besprechung in den Räumen der Beklagten statt, an der auch ein Prozessbevollmächtigter der Beklagten teilnahm. Die Beklagte legte anschließend ihren Standpunkt schriftlich dar und zahlte am 08.08.2008 an die Klägerin 7.410,28 €. Außerdem erstattete sie der Klägerin die geleisteten Raten in Höhe von insgesamt 4.662,60 €.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe für die Beseitigung eines beim Parken ohne ihr Verschulden entstandenen Schadens 574,27 € bezahlt, und meint, die Beklagte müsse ihr auch diese Kosten sowie die Kosten für eine Inspektion (165,03 €) erstatten. Außerdem ist die Klägerin der Auffassung, hinsichtlich der von ihr zu leistenden Nutzungsentschädigung seien nur die ab einer Laufleistung von 10.000 km zurückgelegten Kilometer zu berücksichtigen, weil vertraglich vereinbart worden sei, dass das Fahrzeug eine Laufleistung von 10.000 km aufweise.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 3.537,42 € nebst Zinsen zahlen,

2. ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Nutzungen sie aus der am 14.12.2006 erhaltenen Anzahlung von 13.000 € gezogen hat,

3. die Richtigkeit ihrer Auskunft (Antrag zu 2) an Eides statt zu versichern,

4. an ihren Rechtsschutzversicherer 3.328,19 € zu zahlen.

Das LG Leipzig hat die Beklagte mit Teilurteil vom 10.01.2011 verurteilt, an die Klägerin 1.866,48 € nebst Zinsen und an den Rechtsschutzversicherer der Klägerin 3.159,21 € zu zahlen sowie der Klägerin die begehrte Auskunft zu erteilen.

Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig. Bei den Klageanträgen zu 2 und zu 3 handelt es sich um eine nach § 254 ZPO zulässige Stufenklage. Da gegenwärtig nur die erste Stufe zur Entscheidung reif ist, ist gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu erlassen.

II. 1. Der Klageantrag zu 1 ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen abzüglich des zu leistenden Wertersatzes für die Nutzung des Fahrzeugs sowie auf Ersatz notwendiger Verwendungen gemäß §§ 346, 347 BGB in Höhe von 1.866,48 €.

a) Gemäß § 346 I BGB hat die Beklagte die empfangene Leistung in Höhe von 13.000 € (Anzahlung) und 4.662,60 € (Ratenzahlung) zurückzugewähren.

b) Gemäß § 346 II Nr. 1 BGB hat die Klägerin für die nach Übergabe des Fahrzeugs zurückgelegten Kilometer eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.451,64 € zu zahlen.

Bei Verträgen mit einer Gegenleistung ist diese grundsätzlich der Wertermittlung zugrunde zu legen. Abzustellen ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Leistungsaustauschs. Nutzungen beweglicher Sachen können im Wege der zeitanteiligen linearen Wertminderung ermittelt werden. Für die Höhe der Nutzungen von Kraftfahrzeugen wird dabei auf die gefahrenen Kilometer abgestellt (s. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 346 Rn. 10).

Bei Gebrauchtfahrzeugen lautet die Formel für die Berechnung der Gebrauchsvorteile

$$\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{voraussichtliche Restlaufleistung}}}$$

(Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 465).

Von der Übergabe des Fahrzeugs im Dezember 2006 an hat die Klägerin 23.932 km zurückgelegt. Der Kilometerstand von 28.532 bei Rückgabe ist unstreitig. Die Klägerin hat den von der Beklagten vorgetragenen Kilometerstand von 4.600 bei Übergabe des Fahrzeugs im Dezember 2006 nicht substanziiert bestritten.

Der Differenzbetrag ist der Berechnung der Nutzungsentschädigung zugrunde zu legen. Die von der Klägerin vor Übergabe gefahrenen Kilometer sind nicht zu berücksichtigen, da auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Leistungsaustausches abzustellen ist. Nach dem Vertrag war das Fahrzeug mit bis zu 10.000 gefahrenen Kilometern zu übergeben. Von wem das Fahrzeug bis zur Übergabe genutzt wurde, ist für die Berechnung der Nutzungsentschädigung nicht relevant.

Bei einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km ergibt sich folgende Nutzungsentschädigung:

$${\frac{\text{45.647,40 €}\times\text{23.932 km}}{\text{250.000 km − 4.600 km}}} = 4.451,61 €$$

Die Gesamtlaufleistung von 250.000 km ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen S. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es für den betreffenden Fahrzeugtyp keine wissenschaftlichen Studien, Langzeituntersuchungen oder Statistiken gibt. Es ist deshalb auf statistische Mittelwerte abzustellen, von denen in gewissen Verteilungen Abweichungen nach oben und unten auftreten. Der Sachverständige ist von der üblichen Fahrzeugklassifizierung ausgegangen und hat das Fahrzeug als ein Fahrzeug der sogenannten oberen Mittelklasse eingeordnet, sodass eine Einstufung zwischen die Klassen 2 und 3 in die zu erwartende Gesamtfahrleistung zwischen 200.000 km und 250.000 km erfolgt. Des Weiteren hat er die Laufleistungskategorien für die Fahrzeugtypen der sogenannten Schwacke-Liste herangezogen. Dabei ist das Klägerfahrzeug in die Laufleistungskategorie 5.3 einzustufen. Das bedeutet eine durchschnittliche Laufleistung von 1.950 km pro Monat in den ersten zwölf Monaten ab Erstzulassung (Kategorie 5) und eine durchschnittliche Laufleistung von 1.300 km pro Monat ab dem 36. Monat ab Erstzulassungsdatum (Kategorie 3). Die Tabelle zeigt für diese Laufleistungskategorie für zwölf Jahre eine Laufleistung von 200.200 km. Dieser Wert wurde auf die Grenznutzungsdauer von 15 Jahren hochgerechnet, sodass sich gerundet eine Laufleistung von 250.000 km ergibt.

Im Ergänzungsgutachten hat sich der Sachverständige mit den Einwendungen beider Parteien auseinandergesetzt und überzeugend ausgeführt, dass weitere Recherchen abgesehen von dem erforderlichen Aufwand und den begrenzten Möglichkeiten auch nicht zielführend wären. Maßgeblich ist die Zeitdauer, in der ein solches Fahrzeug wirtschaftlich genutzt werden kann. Insoweit sind eventuell längere Nutzungszeiten im Ausland nicht maßgeblich, da die landesspezifischen Verhältnisse zu anderen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen führen (Lohngefüge, Ersatzteillage, Wartungsmaßnahmen, technische Überwachung).

Auch generell spricht die Tatsache, dass eine gewisse Anzahl von Fahrzeugen höhere Laufleistungen aufweisen, nicht gegen das Ergebnis des Gutachtens, da es nicht auf die technisch maximal mögliche Laufleistung, sondern auf die mittlere Laufleistung innerhalb eines wirtschaftlichen Nutzungszeitraums ankommt …

c) Die Beklagte hat gemäß § 346 II Nr. 3 BGB Anspruch auf Wertersatz in Höhe der Instandsetzungskosten von 290 €. Aus dem von der Beklagten … vorgelegten DEKRA-Zustandsbericht vom 07.07.2008 ergibt sich, dass die Beseitigung der Gebrauchsspuren (Kratzer und Delle) Kosten in Höhe von 290 € verursacht. Der Gebrauch durch die Klägerin führte somit zu einer Verschlechterung des Fahrzeugs. Verschlechterung ist jede nachteilige Veränderung der Substanz der zurückzugewährenden Sache. Die Instandsetzungskosten sind auch nicht Folge der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme, sondern der Wertminderung, die durch den weiteren Gebrauch des Fahrzeuges eintrat, und somit durch die Klägerin zu ersetzen (s. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 346 Rn. 9).

Die Klägerin als Rücktrittsberechtigte hat sich auf einen Ausschlusstatbestand des § 346 III BGB nicht berufen.

d) Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Inspektion in Höhe von 165,03 € gemäß § 347 II BGB. Als Aufwendungen, die der Erhaltung des Fahrzeuges dienen, sind sie als notwendige Verwendungen zu ersetzen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 994 I 2 BGB, der dem Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten für die Zeit, für die dem Besitzer auch die Nutzungen verbleiben, entgegensteht. Der Rechtsgedanke des § 994 I 2 BGB ist für den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht heranzuziehen, da der Rückgewährschuldner die Nutzungen herauszugeben hat (OLG Hamm, Urt. v. 10.02.2005 – 28 U 147/04, NJW-RR 2005, 1220 [1222]).

e) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von 574,27 € nach § 347 II BGB als notwendige Verwendungen, da die Klägerin jedenfalls nicht bewiesen hat, dass sie diese Kosten aufgewendet hat …

Somit ergibt sich folgende Berechnung:

(a) 17.662,60 €
(b) 4.451,64 €
(c) 290,00 €
(d) 165,03 €
  13.085,99

Die Beklagte hat an die Klägerin 12.072,88 € gezahlt. Gemäß Schreiben vom 04.08.2008 sind darin 853,37 € Zinsen aus dem Betrag von 13.000 € für die Zeit von 599 Tagen ab dem 14.12.2006 enthalten. Somit verbleiben 11.219,51 € als Zahlung auf die Hauptforderung. Im Ergebnis hat die Beklagte der Klägerin noch 1.866,48 € zu erstatten zuzüglich der beantragten Prozesszinsen gemäß § 291 BGB.

2. Der Auskunftsanspruch ist begründet.

Neben der Rückzahlung des Kaufpreises sind der Klägerin auch die daraus gezogenen Nutzungen herauszugeben. Aus § 242 BGB ergibt sich eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Dabei handelt es sich um einen Rechtsgrundsatz, der zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist (siehe Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 260 Rn. 4, 5). Die für die Auskunftspflicht erforderliche Sonderverbindung zwischen den Parteien ist das Abwicklungsverhältnis nach Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die Beklagte hat 4 % Zinsen aus der gesamten Anzahlung von 13.000 € erstattet. Aus der erteilten Auskunft ergibt sich jedoch nicht, dass sie keine höheren Nutzungen gezogen hat. Es ergibt sich nur, dass sie den Betrag auf ein Konto eingezahlt hat, dass sie den Betrag jederzeit an die Klägerin hätte erstatten können, und dass die Bank auf dieses Konto die mitgeteilten Zinssätze gewährt hat. Die Auskunft besagt jedoch nicht, dass die Zinsen für den maßgeblichen Betrag gewährt wurden. Die Beklagte hat weder den Kontostand noch die Art des Kontos mitgeteilt. Es kann sich somit auch um ein Kontokorrentkonto gehandelt haben.

Nach der erteilten Auskunft wäre es möglich, dass das Konto zeitweise oder über den ganzen Zeitraum im Soll geführt wurde. Dann aber hätte die Beklagte Schuldzinsen wohl in einer über 4 % hinausgehenden Höhe erspart.

Über den Antrag auf eidesstattliche Versicherung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zu entscheiden.

3. Die Beklagte hat die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen. Die Beklagte befand sich mit der Mängelbeseitigung in Verzug …

Die berechnete 1,8-fache Geschäftsgebühr ist von der Beklagten jedoch nicht in voller Höhe zu ersetzen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Solche Umstände sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann die Klägerin zur Begründung nicht die Tatsache anführen, dass es zu Besprechungen gekommen ist, da hierfür zusätzlich eine Terminsgebühr berechnet wird. Unter Berücksichtigung einer dem Rechtsanwalt zustehenden Toleranzgrenze von ca. 20 % ist die Geschäftsgebühr auf eine 1,6-fache Gebühr aufzurunden. Sie beträgt somit 1.673,60 € netto.

Hinzu kommt eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG, da der Klägervertreter bereits einen Klageauftrag erhalten hatte, als es noch zu Besprechungen kam (siehe BGH, NJW-RR 2007, 720) …

Die zu erstattenden Kosten berechnen sich wie folgt:

1,6 Geschäftsgebühr 1.673,60 €
1,2 Terminsgebühr 1.255,20 €
Auslagenpauschale 20,00 €
  2.948,80 €
19 % Umsatzsteuer 560,27 €
Gesamtbetrag 3.509,07 EUR

Hiervon ist die festsetzungsfähige Terminsgebühr in Abzug zu bringen … Zu erstatten sind somit 3.159,21 € …

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