- Ein verständiger Durchschnittskäufer darf davon ausgehen, dass ein Mittelklassewagen (hier: Renault Laguna) trotz eines Alters von rund sieben Jahren und einer Laufleistung von etwa 84.000 km nicht auf den ersten 1.000–2.000 km wegen eines gravierenden Defekts am Automatikgetriebe gebrauchsuntauglich wird.
- Ein gebrauchtes Kraftfahrzeug ist nicht allein deshalb frei von Sachmängeln, weil es einen Defekt hat, der auch anderen Fahrzeugen desselben Typs als „Serienfehler“ anhaftet.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.2006 – I-1 U 38/06
Sachverhalt: Der Kläger verlangt als Verbraucher von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrags.
Gemäß verbindlicher Bestellung vom 11.08.2004 kaufte der Kläger von der Beklagten einen gebrauchten Renault Laguna Grandtour zum Preis von 5.500 €. Die Rubrik „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers“ blieb unausgefüllt. Als Stand des Kilometerzählers ist „84.000“ eingetragen.
Unter dem 16.09.2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, nach einer Fahrleistung von nur knapp 1.200 km seit Übernahme (13.08.2004) sei das Fahrzeug nicht mehr fahrtauglich. Wahrscheinlich sei der Defekt im Bereich des Getriebes zu suchen. Die anschließende Untersuchung des Automatikgetriebes durch die Beklagte bestätigte diese Vermutung. Die Beklagte erklärte sich zu einer Reparatur gegen Zahlung eines Eigenanteils von 1.250 € bereit. Der Kläger ging auf diesen Vorschlag nicht ein, sondern ließ die Beklagte durch seine Anwälte auffordern, bis zum 05.10.2004 die Bereitschaft zu erklären, das Fahrzeug kostenlos instandzusetzen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.10.2004 machte die Beklagte geltend, bei Übergabe des Fahrzeugs sei das Getriebe in Ordnung gewesen. Eine kostenlose Instandsetzung werde deshalb abgelehnt.
Daraufhin leitete der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren ein, und das Gericht beauftragte den Sachverständigen L mit der Erstattung eines Gutachtens. Nach dessen Vorlage wurde die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 23.03.2005 erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises aufgefordert. Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil uneingeschränkt stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen: Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger ist zum Rücktritt vom Kauf berechtigt (§§ 437 Nr. 2, 440, 323 I BGB).
Zwar geht aus der Akte nicht hervor, dass er erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung – hier: Nachbesserung – gesetzt hat. Dem Anwaltsschreiben vom 28.09.2004 ist lediglich zu entnehmen, dass die Beklagte innerhalb der gesetzten Frist … ihre Bereitschaft erklären sollte, das Fahrzeug kostenlos nachzubessern. Ob dies als Fristsetzung i. S. des § 323 I BGB genügt, kann dahingestellt bleiben. Denn durch die ernsthafte und endgültige Verweigerung einer kostenlosen Nachbesserung in Verbindung mit dem nachhaltigen Leugnen eines Sachmangels ist eine Fristsetzung jedenfalls entbehrlich geworden (§ 323 II Nr. 1 BGB).
Mit dem Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe sachmangelhaft gewesen ist (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
1. In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat von Folgendem aus:
a) Der Kläger hat das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von entweder 84.000 oder 84.700 übernommen. Im Zeitpunkt der Übergabe war das Automatikgetriebe funktionstauglich. Nach einer Fahrstrecke von mindestens ca. 1.200 km und höchstens 1.900 km war der Wagen nicht mehr fahrbereit. Denn nach Einlegen des Wahlhebels (Position „D“) ließ er sich nicht ordnungsgemäß fortbewegen, während das Rückwärtsfahren funktionierte, wenn auch mit verminderter Schubkraft.
b) Ursächlich für die Funktionsstörung war ein Werkstofffehler an einem Bauteil der hydraulischen Kupplung. Das eigentliche Getriebe war frei von Beschädigungen. Fahr- oder Bedienungsfehler scheiden als Störungsursache ebenso aus wie Wartungsfehler. Wie der Sachverständige L ermittelt hat, war die Zylinderführung im Kolben 1 stark eingelaufen bzw. riefig. Es handele sich um eine „deutliche übermäßige Abnutzung im Wandler“. Die Folge davon sei eine unzulängliche Abdichtung, was wiederum dazu führe, dass der Öldruck in diesem Kolbenbereich nicht ausreichend aufgebaut werde.
c) Den Anfang der Ursachenkette hat der Sachverständige, wie er auf Nachfrage des Senats erläutert hat, als „technischen Werkstofffehler“ bezeichnet. Hinzugefügt hat er, dass es kein Einzelfall sei. Vielmehr handele es sich um ein herstellerseits durchaus bekanntes „Problem“, von dem bestimmte Fahrzeugtypen der Marke Renault mit Getrieben der Bezeichnung AD 4, AD 8 und AR 4 allgemein betroffen seien. Zur Erläuterung hat er auf die Anlage J zu seinem Gutachten (Liste der betroffenen Fahrzeuge) verwiesen. Hiernach zählt der vom Kläger gekaufte Laguna Grandtour zum Kreis der betroffenen Fahrzeuge.
d) Wie hoch die Gesamtzahl von Fahrzeugen dieses Typs mit Automatikgetriebe ist, konnte der Sachverständige nicht mitteilen. Auch die Menge der im Jahr 1996, dem mutmaßlichen Produktionsjahr, vom Band gelaufenen Fahrzeuge vom Typ Laguna Grandtour mit Automatikgetriebe war für den Sachverständigen nicht schätzbar. Außerstande sah er sich auch zur Beantwortung der Frage, nach welcher Fahrstrecke sich der besagte Werkstofffehler störend bemerkbar mache. In Kilometern sei das nicht zu beziffern. Das Gleiche, was hier beim Kilometerstand von rund 86.000 eingetreten sei, habe auch früher ebenso wie später eintreten können.
e) Sicher ist sich der Sachverständige L darin gewesen, dass im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger bereits die „Anlage zum Schaden“ bestanden habe. Begründet hat er das damit, dass der von ihm festgestellte „markante Verschleiß“ sich nicht nach nur 1.000 km einstelle. Nichts anderes gilt nach Meinung des Senats für eine Fahrstrecke von maximal 1.900 km.
f) Was die Kosten der Instandsetzung angeht, so hat der Sachverständige, wie bereits in seinem schriftlichen Gutachten näher dargestellt, zwischen bestimmten Varianten der Schadenbeseitigung unterschieden. Hiernach wäre die preiswerteste Lösung mit einem Kostenaufwand von rund 2.000 € verbunden gewesen.
g) Die im Beweisbeschluss des AG Wesel … aufgeworfene Frage „Ist der vorhandene Getriebeschaden bei einem Fahrzeug des obigen Typs angesichts eines Alters von sieben Jahren und einer Laufleistung von 84.000 km ungewöhnlich, oder handelt es sich um normalen (natürlichen) Verschleiß?“ hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten folgendermaßen beantwortet: Der vorgefundene Getriebeschaden bzw. Kupplungsschaden sei bei einem Fahrzeug des obigen Typs angesichts eines Alters von sieben Jahren und einer Laufleistung von 85.000 km technisch als ungewöhnlich anzusehen. Ein natürlicher bzw. normaler Verschleiß trete bei einer solchen Laufleistung gewöhnlich nicht auf.
Diese Einschätzungen des Sachverständigen hat der Senat hinterfragt, zumal durch die … Bezugnahme auf den „obigen Typ“ ersichtlich nicht klar geworden ist, ob ausschließlich der in der Beweisfrage Nr. 1 genannte Pkw der Marke Renault, Typ Laguna, allein gemeint war, oder ob sich die Frage – weitergehend – auch auf solche Fahrzeuge erstreckt, die vom Typ her mit einem Renault Laguna vergleichbar sind. Wörtlich genommen bezieht sich die Beweisfrage ausschließlich auf Fahrzeuge des Typs Renault Laguna mit entsprechendem Alter und Fahrleistung.
Der Sachverständige L hat die Frage erkennbar in einem weitergehenden Sinne verstanden. Deutlich wird das in seinem schriftlichen Gutachten daran, dass er auf die Fertigungsgüte moderner Pkw allgemein abgestellt hat. Gemessen daran, so ist sein schriftliches Gutachten zu verstehen, sei der vorgefundene Getriebe- bzw. Kupplungsschaden bei einem Alter von sieben Jahren und einer Laufleistung von 85.000 km technisch ungewöhnlich. Im Rahmen seiner Anhörung hat der Sachverständige L diese fabrikatsübergreifende Sichtweise bestätigt. Zum Vergleich herangezogen habe er Autos, die der Kategorie nach mit dem Typ Renault Laguna vergleichbar seien, das heißt Mittelklassewagen wie etwa VW Passat und Opel Astra. Daran gemessen sei der konkrete Getriebedefekt ungewöhnlich. Normalerweise hielten Automatikgetriebe vergleichbarer Autos mindestens 150.000 km.
2. Auf dem Boden dieser im Wesentlichen unangegriffenen Feststellungen liegt ein Sachmangel vor.
a) Allerdings weicht die tatsächliche Beschaffenheit, so wie der Senat sie unter Nr. 1 festgestellt hat, nicht von der vereinbarten Beschaffenheit ab. Weder ausdrücklich noch stillschweigend haben die Parteien eine Vereinbarung getroffen, die Grundlage für die Annahme eines Sachmangels i. S. des § 434 I 1 BGB sein könnte.
aa) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass in der Kaufvertragsurkunde der Stand des Kilometerzählers mit „84.000“ angegeben ist. Wie der Senat durch Urteil vom 08.05.2006 – I-1 U 132/05 – entschieden hat, ist zwar mit der Erklärung „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers“ zumindest eine Beschaffenheitsangabe des Inhalts verbunden, dass der Erhaltungszustand des Fahrzeugs und insbesondere des Motors nicht wesentlich stärker verschlissen sei, als die mitgeteilte Laufleistung erwarten lasse. Diese Aussage ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zum einen hat die Beklagte, aus welchen Gründen auch immer, keine Angabe über die Gesamtfahrleistung gemacht, jedenfalls nicht in der Kaufvertragsurkunde. Die entsprechende Rubrik ist freigeblieben. Vermerkt ist lediglich der Stand des Kilometerzählers, und dies möglicherweise auch nur pauschal (Rundung). Hinzu kommt, dass es im Streitfall um einen „Verschleißschaden“ an der Kupplung eines Automatikgetriebes geht. Den Hinweis in dem Bestellschein auf den gegenwärtigen Kilometerstand so weit auszulegen, dass auch der Verschleißzustand der Kupplung des Automatikgetriebes erfasst ist, hält der Senat für bedenklich. Letztlich kann diese Frage dahingestellt bleiben. Denn es steht nicht fest, welcher Verschleißzustand des fraglichen Bauteils bei einem Fahrzeug vom Typ Laguna mit einer Kilometerlaufleistung von 84.000 zu erwarten ist. Der Sachverständige L hat sich in dieser Frage, bei der es um einen internen Vergleich unter Ausklammerung von Fremdfabrikaten geht, nicht festlegen können.
bb) Die im Bestellschein mit „Ja“ angekreuzte Zusage „Das Fahrzeug ist fahrbereit“ vermag die Feststellung eines Sachmangels im subjektiven Sinne gleichfalls nicht zu begründen. Nach der Rechtsprechung des BGH zum früheren Kaufrecht übernahm der Verkäufer mit der Erklärung „Fahrzeug ist fahrbereit“ die Gewähr dafür, dass der Wagen nicht mit verkehrsgefährdenden Mängeln behaftet ist, aufgrund derer er bei einer Hauptuntersuchung als verkehrsunsicher eingestuft werden müsste (BGH, Urt. v. 21.04.1993 – VIII ZR 113/92, BGHZ 122, 256 = NJW 1993, 1854). Um den „Mindestsicherheitsstandard“ eines Gebrauchtfahrzeugs mithilfe der Zusicherung „fahrbereit“ näher zu bestimmen, hat der BGH auf die Mängelgruppen der sogenannten TÜV-Richtlinie verwiesen. Das Getriebe ist dort ebenso wie der Motor nicht aufgeführt. Dementsprechend hat die Rechtsprechung zum ehemaligen Kaufrecht davon abgesehen, Haftungsfolgen an die Zusage „Fahrzeug ist fahrbereit“ zu knüpfen, wenn ein Gebrauchtfahrzeug infolge eines Getriebedefektes nicht mehr fahrtauglich war (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1340, 1341).
b) Eine Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit kann auch nicht damit begründet werden, das Fahrzeug des Klägers sei für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung ungeeignet gewesen (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB). Bei der vertraglich vorausgesetzten Verwendung geht es um etwas anderes als um die gewöhnliche Verwendung eines Kraftfahrzeuges als Verkehrs- und Transportmittel. Gemeint ist eine nicht abgesprochene, nach dem Vertrag jedoch faktisch vorausgesetzte und für den Verkäufer erkennbare Verwendung außerhalb der gewöhnlichen Verwendung. Letztere spielt erst im Zusammenhang mit dem Sachmangelbegriff nach Maßgabe des § 434 I 2 Nr. 2 BGB eine Rolle. Feststellungen, die eine Vertragswidrigkeit i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB begründen, hat der Senat nicht treffen können.
c) Sachmangelhaft ist das Fahrzeug des Klägers indessen i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Hiernach ist die gekaufte Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Auch wenn das Landgericht auf diese Kriterien nicht näher eingegangen ist, hat es im Ergebnis Mangelhaftigkeit in diesem objektiven Sinne bejaht. Dem schließt sich der Senat an. Die Einwendungen der Berufung greifen nicht durch.
aa) Im Kern geht es der Berufung darum, den Maßstab für die Mangelhaftigkeit unter Ausschluss von Konkurrenzprodukten allein nach dem Stand der (Getriebe-)Technik von Fahrzeugen der Marke Renault, Typ Laguna, zu bestimmen. Habe dieser Typ eine sogenannte „konstruktive Schwäche“ , müsse der Käufer das einschließlich der Folgen als gewissermaßen „normal“ und damit als Normalbeschaffenheit hinnehmen.
bb) Dieser Sichtweise kann der Senat aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen. Sie ist zu eng. Auch ein gebrauchtes Kraftfahrzeug ist nicht allein deshalb frei von einem Sachmangel, weil es einen Defekt hat, der auch anderen Fahrzeugen derselben Marke desselben Typs als sogenannter Serienfehler anhaftet.
(1) Ob der vom Sachverständigen L ermittelte und von ihm so bezeichnete „Werkstofffehler“ als Konstruktions- oder als Fabrikationsfehler einzuordnen ist, oder ob Beschreibungen wie „konstruktive Schwäche“ oder „produktspezifische Eigentümlichkeit“ den konkreten Fall treffen, mag auf sich beruhen. Diese der kaufrechtlichen Sachmangelhaftung ohnehin fremden Kategorien haben allenfalls eine ordnende, Fallgruppen bildende Funktion. Abgesehen davon sind die Übergänge fließend. Gemeinsam ist all diesen Beschreibungen, dass sie nicht Einzelfälle, sondern „Serienfehler“ („Systemfehler“) kennzeichnen. Was sie darüber hinaus verbindet, ist der Umstand, dass sie dem Käufer in der Regel nicht bekannt sind und ihm vernünftigerweise auch nicht bekannt sein müssen.
Ob eine materialbedingte Unzulänglichkeit, wie sie hier vorliegt, einen Sachmangel nach den objektiven Kriterien des § 434 I 2 Nr. 2 BGB darstellt, ist auch eine Frage des richtigen Vergleichsmaßstabs. Das Gesetz bringt das durch die Formulierung „bei Sachen der gleichen Art“ zum Ausdruck. Im Fall eines Gebrauchtwagenkaufs, wie hier, sind Sachen der gleichen Art nicht neue oder gar fabrikneue Kraftfahrzeuge, sondern gleichfalls gebrauchte Kraftfahrzeuge. Bei dieser ersten Differenzierung, die auch dem Gesetzgeber vor Augen gestanden hat (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 214), kann indes nicht haltgemacht werden. Um den richtigen Vergleichsmaßstab zu gewinnen, sind weitere Eingrenzungen erforderlich. Das leuchtet ohne Weiteres ein, soweit es um die Merkmale „Alter“ und „Laufleistung“ geht. Die Vergleichsgruppe ist aus solchen Fahrzeugen zu bilden, die nach Alter und Laufleistung in etwa dem Kaufobjekt entsprechen. Das sieht die Berufung nicht anders. Begrenzt sehen möchte sie die Vergleichsgruppe in einem weiteren Punkt: Einbezogen werden sollen nur Fahrzeuge des gleichen Typs derselben Marke (Fabrikat bzw. Hersteller).
(2) Im Ausgangspunkt ist dagegen – schon aus praktischen Gründen der Sachverhaltsaufklärung – nichts einzuwenden (siehe auch OLG Koblenz, Urt. v. 26.06.2003 – 5 U 62/03, NJW-RR 2003, 1380). In bestimmten Fallkonstellationen kann der von der Berufung befürwortete fabrikatsbezogene Internvergleich jedoch kein endgültiges und letztlich maßgebliches Bild vermitteln. Davon geht auch die Berufung aus, soweit es um den Fall eines Konstruktionsfehlers oder eines ähnlichen Serienfehlers geht. Dass in solchen Fällen der Blick auch auf Konkurrenzprodukte gerichtet werden muss, entspricht der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, jedenfalls für den Kauf neuer Kraftfahrzeuge unter der Geltung des früheren Kaufrechts (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., 9. Aufl., Rn. 241).
So hat das OLG Köln im Zusammenhang mit der seinerzeit geltenden Neuwagen-Gewährleistungsklausel ausgeführt, dass ein Automatikgetriebe hinsichtlich seiner Funktionstüchtigkeit dem Stand der Technik entsprechen müsse, den Automatikgetriebe vergleichbarer Mittelklassewagen im Zeitpunkt des Kaufs aufgewiesen haben (DAR 1986, 320). Der Annahme, die Gewährleistung des Verkäufers sei auf den technischen Stand seiner Produkte am Auslieferungstag beschränkt, ist das OLG Köln ausdrücklich entgegengetreten. In einer solchen Auslegung sei die Gewährleistungsklausel unwirksam. Denn sie würde eine unzulässige Einschränkung des Fehlerbegriffs bedeuten, weil der jeweilige technische Stand des beklagten Verkäufers (damals zugleich Hersteller) der Maßstab dafür wäre, ob sein Produkt mit einem Fehler behaftet sei oder nicht.
Der BGH hat eine ähnliche Klausel, die auf den Stand der Technik „für vergleichbare Fahrzeuge des Typs des Kaufgegenstands“ abstellt, als unwirksame Abweichung vom Gesetz behandelt (Urt. v. 27.09.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292). Bei der im Klauselkontrollverfahren maßgebenden kundenfeindlichsten Auslegung bestehe Anlass zu zweifeln, nach welchem Maßstab sich die Fehlerfreiheit im Streitfall richte. Wie der Vergleichsmaßstab zu bilden ist, wenn Fahrzeuge einer bestimmten Modellreihe den gleichen Konstruktions- oder Herstellungsfehler aufweisen, kann der Senat dieser Entscheidung des BGH nicht entnehmen. Mit der obergerichtlichen Judikatur, der in diesem Punkt durch die Neubestimmung des Sachmangelbegriffs im Rahmen der Schuldrechtsreform nicht der Boden entzogen ist, ist ein Vergleich mit anderen, typgleichen Fahrzeugen oder sonst vergleichbaren Fahrzeugen unter Berücksichtigung des jeweiligen allgemeinen Standes der Technik vorzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.06.2005 – I-3 U 12/04, NJW 2005, 2235; OLG Koblenz, Urt. v. 26.06.2003 – 5 U 62/03, NJW-RR 2003, 1380).
(3) Diese überzeugend begründete Rechtsprechung zum Kauf neuer Kraftfahrzeuge, häufig ein Fall des Gattungskaufs mit objektiver Standardbestimmung auch nach § 243 I BGB, hält der Senat für übertragbar auf den Kauf gebrauchter Kraftfahrzeuge, in der Regel ein Fall des Stückkaufs. Auch bei diesem Typ von Kaufvertrag sind Produkte von Wettbewerbern bei der Festlegung des objektiven Qualitätsstandards i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB einzubeziehen, wenn es – wie im Streitfall – um ein Phänomen geht, das nicht nur dem konkreten Kaufobjekt, sondern einer Vielzahl von Fahrzeugen eines bestimmten Typs ein- und desselben Herstellers anhaftet. Andernfalls würde der Anspruch des Käufers auf Lieferung marktüblicher durchschnittlicher Qualität unzulässig verkürzt.
Schon der Wortlaut des Gesetzes („Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist“), legt einen weiten, herstellerübergreifenden Vergleich nahe. Mit „üblich“ ist nicht gemeint, was bei einem bestimmten Hersteller üblich oder normal ist. Die Üblichkeit ist vielmehr auch an dem faktischen Niveau zu messen, das vergleichbare Waren anderer Hersteller erreicht haben und das inzwischen die Markterwartung prägt (so Schimmel/Buhlmann, Fehlerquellen im Umgang mit dem neuen Schuldrecht, S. 113; vgl. auch Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 434 Rn. 59, 64). In der Tat wird der Erwartungshorizont eines durchschnittlichen, verständigen Gebrauchtfahrzeugkäufers nicht nur durch das von ihm ausgesuchte Produkt, sondern auch durch damit im Wettbewerb stehende Produkte geprägt. Ohne konkrete Absprachen bestimmt sich die Käufererwartung nach der „Darbietung“ des Fahrzeugs durch Verkäufer und Hersteller („öffentliche Äußerungen“), nach dem Herkunftsland/Herstellerland mit seinem technischen Standard und auch nach dem Zeitpunkt der Produktion. Letzterer Aspekt ist insbesondere beim Kauf von älteren Fahrzeugen von Bedeutung. Die Erwartung wesentlich beeinflussend ist ferner der Ruf von Marke und Typ/Modell nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Hier spielen nicht nur die allgemeinen Printmedien, sondern auch Motorzeitschriften wie die „ADAC-Motorwelt“ und die jährlich erscheinenden TÜV-Reports eine bedeutsame Rolle.
(4) Der so definierten Käufererwartung entsprach das Fahrzeug des Klägers nicht. Berechtigterweise kann und darf ein verständiger Durchschnittskäufer davon ausgehen, dass ein Mittelklassewagen vom Typ Renault Laguna trotz seines Alters von rund sieben Jahren und einer Laufleistung von etwa 84.000 km nicht auf den ersten 1.000 km bis 2.000 km wegen eines gravierenden Defekts am Automatikgetriebe gebrauchsuntauglich wird. Dass ein zur Weiterbenutzung gekauftes Kraftfahrzeug auch bestimmungsgemäß benutzt werden kann und nicht wegen schwerwiegender Mängel nicht mehr fahrbereit ist, entspricht der Normalerwartung eines jeden Gebrauchtfahrzeugkäufers. Wer als Verbraucher und technischer Laie von einem professionellen Kfz-Händler kauft, hegt diese Erwartung in besonderem Maße.
Allerdings muss ein Gebrauchtfahrzeugkäufer mangels gegenteiliger Vereinbarung mit normalem (natürlichem) Verschleiß grundsätzlich rechnen, weshalb solche Fälle nicht von der Sachmangelhaftung erfasst werden (so jetzt auch BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 = MDR 2006, 510). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Es mag sich zwar mit den Worten des Sachverständigen L zum einen „Verschleißschaden“ handeln. Immerhin zeigt der Druckkolben E1 einen erhöhten Abrieb, wovon sich der Senat überzeugt hat. Man kann das als „Verschleiß“ bezeichnen. Normaler, also üblicher Verschleiß ist es aber nicht. Denn der erhöhte Abrieb steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Konstruktions- bzw. Werkstofffehler aus der Sphäre des Herstellers. Allein das „Weiterfressen“ der materialbedingten Unzulänglichkeit ist laufleistungsbedingt. Abgesehen davon hat der Sachverständige L mitgeteilt, bei einer Laufleistung von 85.000 km trete ein natürlicher bzw. normaler Verschleiß gewöhnlich nicht auf.
(5) Die beklagte Kfz-Händlerin kann sich auch nicht auf die Rechtsprechung berufen, wonach „konstruktionsbedingte Besonderheiten und Eigentümlichkeiten“ eines bestimmten Fahrzeugtyps unter Umständen nicht die Qualität eines Sachmangels im rechtlichen Sinn haben. Denn diese Aussage hat das OLG Koblenz (Urt. v. 26.06.2003 – 5 U 62/03, NJW-RR 2003, 1380) zum einen für einen Fall getroffen, der nach dem früheren Kaufrecht zu beurteilen war. Zum anderen ist ein Werkstofffehler, wie ihn der Sachverständige L festgestellt hat, etwas anderes als eine „konstruktionsbedingte Besonderheit oder Eigentümlichkeit“. Derartige Defizite können im Übrigen auch dann unter den Sachmangelbegriff i. S. des Auffangtatbestandes in § 434 I 2 Nr. 2 BGB fallen, wenn die Gebrauchstauglichkeit und/oder Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt ist (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 22.06.2005 – 1 U 567/04 – 167).
(6) Um Verkäufer gebrauchter Kraftfahrzeuge, auch gewerbsmäßige, nicht für überzogene Qualitätserwartungen der Kundschaft haften zu lassen, ist allerdings sorgfältig darauf zu achten, dass der grundsätzlich globale, fabrikatsübergreifende Vergleich nicht zu breit angelegt wird. So kann beispielsweise von einem sogenannten Exoten, der für den nordamerikanischen Markt gebaut worden ist, nicht ohne Weiteres das Maß an Zuverlässigkeit und Haltbarkeit erwartet werden wie von einem nach der Bauart ähnlichen Fahrzeug, das für den europäischen Markt bestimmt ist.
Im konkreten Fall hat der Senat die Beschaffenheit des Automatikgetriebes des streitgegenständlichen Renault Laguna gemessen an Automatikgetrieben in Mittelklassewagen, die andere Hersteller für den europäischen Markt gebaut haben. Nach der nachvollziehbar begründeten Einschätzung des Sachverständigen L sind solche Fahrzeuge, auch aus der Zeit 1996/1997, mit Automatikgetrieben ausgerüstet, die im Durchschnitt mindestens 150.000 km halten. In diese Richtung durfte auch die Erwartung des Klägers gehen. Dafür, dass das Getriebe bereits nach einer Fahrleistung zwischen 1.000 km und 2.000 km funktionsuntauglich wird und nur mit einem erheblichen Kostenaufwand (mindestens 2.000 €) wieder fahrbereit gemacht werden konnte, hatte er bei verständiger Sicht der Dinge keine konkreten Anhaltspunkte. Selbst dem Sachverständigen L war bis zur Befassung mit dem Streitfall ein ähnlicher Fall nicht bekannt. Hätten beide Parteien vor Vertragsschluss Kenntnis von dem „Getriebeproblem“ gehabt, wäre der Vertrag nicht oder jedenfalls mit anderem Inhalt zustande gekommen.
(7) Gegen die Annahme eines haftungsbegründenden Sachmangels kann die Beklagte nicht einwenden, im Zeitpunkt der Übergabe sei das Fahrzeug fahrtauglich gewesen. Richtig ist zwar, dass es auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, hier der Auslieferung am 13.08.2004, ankommt. Bezogen auf diesen Zeitpunkt lag jedoch die Ursache für den späteren Getriebeausfall bereits vor. Ihrerseits stellt sie eine vertragswidrige Beschaffenheit dar. Abgesehen davon genügt eine Schadenanfälligkeit, verstanden als konkrete Gefahr des Eintritts eines erheblichen Schadens. Nichts anderes besagt der Gedanke, wonach der Mangel schon „im Keim“ bzw. „in der Anlage“ vorhanden gewesen sein muss (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2005 – VIII ZR 173/05; OLG Frankfurt, Urt. v. 04.03.2005 – 24 U 198/04, DAR 2005, 339). So liegen die Dinge hier.
Auf Seite 10 seines Gutachtens hat der Sachverständige L nämlich ausgeführt, dass die Anlage zum späteren Getriebeausfall bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestanden habe. Allerdings hat er bei dieser Einschätzung auf eine Laufleistung von nur 1.000 km abgestellt. Aber selbst wenn der Kläger bis zum Auftreten des Defekts in der ersten Septemberhälfte 2004 knapp die doppelte Fahrstrecke zurückgelegt haben sollte, ändert sich im Ergebnis nichts.
(8) Eine unerhebliche Pflichtverletzung, die den Rücktritt ausschließt (§ 323 V 2 BGB), liegt unzweifelhaft nicht vor.
3. Die Rechtsfolge des nach alledem wirksamen Rücktritts hat das Landgericht unangefochten festgestellt …