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Entgegen § 476 II BGB n.F. (= § 475 II BGB a.F.) ist es bei einem Verbrauchsgüterkauf über eine gebrauchte Sache – hier: einen Gebrauchtwagen – unzulässig, die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der Kaufsache (§ 438 I Nr. 3, II BGB) auf ein Jahr abzukürzen. Denn Art. 7 I Unterabs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, dessen Umsetzung § 476 II BGB n.F. dient, verleiht den Mitgliedsstaaten keine Befugnis zu bestimmen, dass die Parteien eines Verbrauchsgüterkaufs die Dauer der in Art. 5 I 2 der Richtlinie genannten Verjährungsfrist begrenzen dürfen (vgl. EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 Rn. 32 ff. – Ferenschild). Die vertragliche Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungsfrist ist deshalb bei einem Verbrauchsgüterkauf über eine gebrauchte Sache trotz der Regelung in § 476 II BGB n.F. unwirksam.
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Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 19 m. w. Nachw.). Deshalb sind der Ausfall von Verschleißteilen und eine größere Reparaturanfälligkeit grundsätzlich kein Sachmangel, wenn sie in einem normalen Verhältnis zur Laufleistung des Fahrzeugs stehen. Ein Sachmangel liegt aber insbesondere dann vor, wenn das Fahrzeug insgesamt oder bauteilbezogen einen übermäßigen Verschleiß aufweist, der mit der konkreten Fahrzeugtechnik in Zusammenhang steht (im Anschluss an OLG Brandenburg, Urt. v. 01.03.2019 – 4 U 30/18, MDR 2019, 665 f. m. w. Nachw.).
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Zum Unterschied zwischen einem Anspruch auf Schadensersatz „statt der Leistung“ (§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB) und einem Anspruch auf Schadensersatz „neben der Leistung“ (§ 437 Nr. 3, 280 I BGB) beim Kaufvertrag.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.07.2019 – 16 U 112/18
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Ein mit einer mangelhaften Kaufsache belieferter Käufer hat gegen den Verkäufer jedenfalls dann einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, §§ 280 I, III, 281 BGB) in Höhe der Kosten, die er voraussichtlich für die Beseitigung des Mangels aufwenden muss, wenn hinreichend sicher ist, dass der Käufer den mangelhaften Zustand nicht akzeptieren, sondern die eingebaute mangelhafte Kaufsache entfernen und durch eine mangelfreie ersetzen wird. Auf eine solche Konstellation ist die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Besteller, der ein mangelhaftes Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen darf (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1; Urt. v. 06.12.2018 – VII ZR 71/15, NJW-RR 2019, 406), nicht übertragbar.
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.07.2019 – 6 O 7787/18
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Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens hat gegen die Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeugs keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) wenn er das Fahrzeug erst erworben hat, nachdem die Volkswagen AG die Öffentlichkeit bereits darüber unterrichtet hatte, dass in bestimmten Fahrzeugen eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software zum Einsatz komme und welche Maßnahmen sie in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ergreifen werde, um diese Software – eine unzulässige Abschalteinrichtung – zu entfernen.
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Bei der Beurteilung, ob die Volkswagen AG dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat, ist in zeitlicher Hinsicht auf den Abschluss des Kaufvertrags, also auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abzustellen. Jedenfalls bei Gebrauchtwagenkäufen, die ab Herbst 2015 getätigt wurden, beruht der Schaden – Abschluss des Kaufvertrags – indes nicht mehr auf einem i. S. von § 826 BGB verwerflichen Verhalten der Volkswagen AG. Denn diese hatte bereits zuvor öffentlich bekannt gegeben, dass bestimmte – vom VW-Abgasskandal betroffene – Dieselfahrzeuge wegen „Unregelmäßigkeiten“ nachgebessert werden müssten. Damit hat es die Fahrzeugherstellerin jedem einzelnen potenziellen Käufer eines Gebrauchtwagens überlassen, selbst zu entscheiden, ob er trotz des VW-Abgasskandals Vertrauen in ihre Dieselfahrzeuge hat oder ob er lieber Abstand vom Kauf eines solchen Fahrzeugs nimmt.
OLG Celle, Beschluss vom 01.07.2019 – 7 U 33/19
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Der Geschädigte, dessen noch fabrikneuer Pkw bei einem Unfall erheblich beschädigt worden ist, kann den ihm entstandenen Schaden auf Neuwagenbasis abrechnen, sobald er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug verbindlich bestellt hat. Er muss sich jedoch schadensmindernd einen Rabatt anrechnen lassen, den der Hersteller des Ersatzfahrzeugs schwerbehinderten Menschen generell gewährt.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 03.06.2019 – 29 U 203/18
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 14.07.2020 – VI ZR 268/19)
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Für eine Klage, mit der der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG als Fahrzeugherstellerin gestützt auf § 826 BGB und/oder § 823 II BGB i. V. § 263 StGB auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, ist gemäß § 32 ZPO (auch) das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die behauptete unerlaubte Handlung begangen worden ist. Begehungsort der unerlaubten Handlung ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort; eine Zuständigkeit ist deshalb wahlweise dort gegeben, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, oder dort, wo in das Vermögen des Fahzeugkäufers als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde.
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Erfolgsort i. S. von § 32 ZPO nicht per se der Wohnsitz des geschädigten Fahrzeugkäufers, in dessen Vermögen eingegriffen wurde. Vielmehr ist in den Fällen, in denen der Käufer das vom VW-Abgasskandal betroffene Fahrzeug bar bezahlt hat, auf den Ort abzustellen, an dem dem Käufer das Fahrzeug gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben wurde. Erfolgsort i. S. von § 32 ZPO ist in diesen Fällen regelmäßig der Sitz des Verkäufers.
OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2019 – 32 SA 29/19
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Für die Beurteilung, ob das Verhalten eines Bieters auf der Internetplattform eBay, der an einer Vielzahl von Auktionen teilgenommen hat, als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, können abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als „Abbruchjäger“ zulassen, nicht aufgestellt werden. Es hängt vielmehr von einer dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände ab, ob die jeweils vorliegenden Indizien einen solchen Schluss tragen.
BGH, Urteil vom 22.05.2019 – VIII ZR 182/17
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Einem Käufer ist es jedenfalls dann nicht verwehrt, von seinem ursprünglichen Nachbesserungsverlangen Abstand zu nehmen und gestützt auf § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB die Lieferung einer mangelfreien Sache zu verlangen, wenn der Verkäufer die zunächst verlangte Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) nicht zuwege gebracht hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 42 ff.).
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Die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines Neuwagens ist nicht schon deshalb i. S. von § 275 I BGB unmöglich, weil ein Modellwechsel stattgefunden hat. Vielmehr ist der Verkäufer gemäß § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB (lediglich) verpflichtet, dem Käufer anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige Sache zu liefern, und das kann grundsätzlich auch ein Neufahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion sein (vgl. BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 24 ff.). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Käufer ausdrücklich die Ersatzlieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion verlangt und damit dokumentiert, dass (auch) aus seiner Sicht die vom Verkäufer geschuldete Leistung austauschbar ist.
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Macht ein Käufer seinen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1, § 439 I BGB) klageweise geltend, dann ist der Verkäufer in der Regel nicht daran gehindert, sich erst im Rechtsstreit darauf zu berufen, dass die von dem Käufer gewählte Art der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei (§ 439 III BGB a.F. = § 439 IV BGB n.F.). Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer vorprozessual lediglich Mängel der Kaufsache in Abrede gestellt und aus diesem Grund die Nacherfüllung verweigert hatte, also vorprozessual von unverhältnismäßigen Kosten keine Rede war (im Anschluss an BGH, Urt. v. 16.10.2013 – VIII ZR 273/12, NJW 2014, 213 Rn. 17).
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Verlangt der Käufer wegen eines Mangels gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 BGB Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist bei der Beurteilung, ob die in der Lieferung der mangelhaften Kaufsache liegende Pflichtverletzung des Verkäufers i. S. von § 281 I 3 BGB unerheblich und der Schadensersatzanspruch deshalb ausgeschlossen ist, auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadensersatzverlangens abzustellen (vgl. zum Rücktritt BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 29). War zu diesem Zeitpunkt die Ursache des aufgetretenen Mangelsymptoms noch nicht bekannt und deshalb nicht absehbar, ob und gegebenenfalls mit welchem Aufwand der Mangel beseitigt werden kann, ist eine Geringfügigkeit regelmäßig zu verneinen (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9).
OLG Hamm, Urteil vom 09.05.2019 – 28 U 109/17
(nachfolgend: BGH, Beschluss vom 25.08.2020 – VIII ZR 140/19)
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Für eine Klage, mit der der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG als Fahrzeugherstellerin gestützt auf § 826 BGB und/oder § 823 II BGB i. V. § 263 StGB auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, ist gemäß § 32 ZPO (auch) das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die behauptete unerlaubte Handlung begangen worden ist. Begehungsort der unerlaubten Handlung ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort; eine Zuständigkeit ist deshalb wahlweise dort gegeben, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, oder dort, wo in das Vermögen des Fahrzeugkäufers als ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde.
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Bei einem (behaupteten) Vermögensschaden aus unerlaubter Handlung ist der Erfolgsort i. S. von § 32 ZPO nicht per se der Wohnsitz des Geschädigten, in dessen Vermögen eingegriffen wurde. Es wurde aber dort in das Vermögen des Fahrzeugkäufers als geschütztes Rechtsgut eingegriffen, wo dem Käufer das Fahrzeug gegen Barzahlung des Kaufpreises übergeben wurde, das heißt am Sitz des Verkäufers.
OLG Hamm, Beschluss vom 09.05.2019 – 32 SA 21/19
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Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 I BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten (Fortführung von BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201 Rn. 58; Urt. v. 16.02.2017 – VII ZR 242/13, BauR 2017, 1061 = NZBau 2017, 555 Rn. 23).
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Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280 I, III, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen.
BGH, Urteil vom 07.02.2019 – VII ZR 63/18
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- Eine zivilrechtliche Klage, mit der Schadensersatz begehrt wird, ist zwar nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur. Sie betrifft aber i. S. von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO n.F. einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag und keine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F.), wenn das beanstandete Verhalten als Verstoß gegen vertragliche Pflichten angesehen werden kann. Das ist der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das Verhalten, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, rechtmäßig oder widerrechtlich ist (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12, ECLI:EU:C:2014:148 = NJW 2014, 1648 Rn. 23 ff. – Brogsitter). Daher ist für eine Klage, mit der ein Kfz-Käufer gestützt auf § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB Schadensersatz verlangt, weil ihm der Verkäufer unter anderem verschwiegen habe, dass das Fahrzeug ein Unfallwagen sei, der Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. nicht gegeben.
- Einem Kfz-Käufer ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, Rechte wegen eines Mangels geltend zu machen, wenn er das – mangelhafte – Fahrzeug trotz der Erkenntnis, dass es nicht die nach § 434 I BGB geschuldete Beschaffenheit hat, ohne Vorbehalt annimmt (im Anschluss an Senat, Urt. v. 04.08.2004 – 7 U 18/04, OLGR 2004, 506; Urt. v. 25.02.2009 – 7 U 137/08, n. v.; Hinweisbeschl. v. 06.07.2016 – 7 U 47/16, n. v.).
OLG Celle, Urteil vom 06.02.2019 – 7 U 102/18
(nachfolgend: BGH, Beschluss vom 13.10.2020 – VI ZR 63/19)
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