Ein Käufer, der zwar nicht schon bei Abschluss des Kaufvertrags, aber bei der Übergabe der Kaufsache von einem (möglichen) Mangel erfährt, verhält sich treuwidrig i. S. von § 242 BGB, wenn er die (möglicherweise) mangelhafte Sache annimmt und später wegen des Mangels den Rücktritt vom Kaufvertrag oder die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt (Wertung des § 464 BGB a.F.).

OLG Celle, Urteil vom 04.08.2004 – 7 U 18/04

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags in Anspruch.

Der Beklagte bot im Juli 2002 einen gebrauchten Pkw (Honda CRX VTi del Sol) auf der Internetplattform eBay zum Kauf an. In der Beschreibung des Fahrzeugs waren zahlreiche Sonderausstattungen, unter anderem Veränderungen der Fahrzeugtechnik, genannt.

Die Betreiberin der Internetplattform eBay verwendet gegenüber Teilnehmern an einer Auktion folgende Vertragsbedingungen, die mit der Auktionsteilnahme anerkannt werden:

§ 9 Vertragsschluss

1. Indem ein Mitglied als Anbieter zwecks Durchführung einer Online-Auktion einen Artikel auf die eBay-Website einstellt, gibt es ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter eine Frist, binnen derer das Angebot durch ein Gebot angenommen werden kann (Laufzeit der Online-Auktion). Das Angebot richtet sich an den Bieter, der während der Laufzeit der Online-Auktion das höchste Gebot abgibt und etwaige zusätzlich festgelegte Bedingungen im Angebot (z. B. bestimmte Bewertungskriterien) erfüllt.

2. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe des Gebots an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Laufzeit der Online-Auktion ein höheres Gebot abgibt. Maßgeblich für die Messung der Laufzeit der Online-Auktion ist die offizielle eBay-Zeit. …

3. Mit dem Ende der von dem Anbieter bestimmten Laufzeit der Online-Auktion oder im Falle der vorzeitigen Beendigung durch den Anbieter kommt zwischen dem Anbieter und dem das höchste Gebot abgebenden Bieter ein Vertrag über den Erwerb des von dem Anbieter in die eBay-Website eingestellten Artikels zustande.

4. …

5. Für den Fall, dass die Vertragsabwicklung zwischen dem Anbieter und dem Mitglied nicht gelingt, behält sich eBay vor, dem Anbieter auch die E-Mail-Adresse des Bieters mit dem nach Ablauf der Online-Auktion zweithöchsten Gebot mitzuteilen, damit der Anbieter mit diesem in Vertragsverhandlungen eingetreten kann.“

Auf das Angebot des Beklagten wurde der Ehemann E der Klägerin aufmerksam, weil er ein Fahrzeug für seine Tochter suchte. Da E über den technischen Zustand des Pkw unsicher war, erkundigte er sich telefonisch bei dem Beklagten, ob das Fahrzeug trotz der technischen Sonderausrüstungen für eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zugelassen werden könne. Was der Beklagte auf diese Frage antwortete, ist streitig.

Im Anschluss an die Telefongespräche des E mit dem Beklagten gab die Klägerin bei eBay ein Gebot von 9.950 € ab. Dieses Gebot blieb das höchste, und E vereinbarte mit dem Beklagten, dass dieser das Fahrzeug nach Hannover bringt.

Am 22.07.2002 suchte der Beklagte den E in der Wohnung der Klägerin in Hannover auf. E und der Beklagte setzten unter Verwendung eines entsprechendes Formulars einen „Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Fahrzeugs“ auf, den E unterschrieb. Als Verkäufer ist in der Vertragsurkunde der Beklagte genannt. In der Ausfertigung des Kaufvertrags, die bei dem Beklagten verblieb, enthält die Rubrik „Käufer“ keine Eintragungen. In dem Vertragsexemplar, das E an sich nahm, ist die Klägerin als Käuferin des Pkw genannt. Ob die entsprechenden Eintragungen bereits vorhanden waren, als der Beklagte seine Unterschrift leistete, steht zwischen den Parteien in Streit.

Die Klägerin behauptet, der streitgegenständliche Pkw entspreche wegen verschiedener nicht abgenommener technischer Sonderausstattungen nicht den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Sie meint, zwischen ihr und dem Beklagten sei dadurch ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, dass ihr eBay-Gebot das höchste gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 07.05.2003 hat die Klägerin die Anfechtung ihrer auf diesen Vertrag gerichteten Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I Fall 1 BGB) erklärt.

Der Beklagte meint, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da er den Kaufvertrag nicht mit der Klägerin, sondern mit E geschlossen habe. Diesen – so behauptet der Beklagte – habe er vollständig und zutreffend über den Zustand des Fahrzeugs unterrichtet und insbesondere darauf hingewiesen, dass einige der Sonderausstattungen noch der Eintragung in die Fahrzeugpapiere bedürften.

Das Landgericht (LG Hannover, Urt. v. 07.01.2004 – 12 O 229/03) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises allenfalls dem Ehemann der Klägerin und nicht dieser selbst zustehen könne. Entsprechendes gelte für einen Anspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB). Denn jedenfalls sei nicht die Klägerin geschädigt – sie mache nicht einmal geltend, dass das Fahrzeug mit ihren Mitteln bezahlt worden sei –, sondern allenfalls ihr Ehemann.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin … ist nicht berechtigt, vom Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises von 9.950 € … Zug um Zug gegen Rückgabe des gebrauchten Pkw Honda CRX VTi del Sol zu verlangen.

Dabei mag im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Klägerin Käuferin des Fahrzeugs geworden ist und ob der Kaufvertrag bereits durch das Höchstgebot zustande gekommen ist, das beim Onlineauktionshaus eBay unter ihrem Pseudonym … abgegebenen wurde (wobei ein Vertragsschluss bereits bei der Gelegenheit nicht nach § 156 BGB erfolgt wäre, weil in einer Onlineauktion keine Versteigerung im Sinne dieser Vorschrift zu sehen ist; dazu BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129 = NJW 2002, 363). Wäre nämlich zu ihren Gunsten von all dem auszugehen, dann hätte sie den Kaufvertrag gleichwohl nicht durch die … erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beseitigt, sodass sie den Beklagten nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) auf Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch nehmen könnte. Weiter wäre sie nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrage berechtigt gewesen, weshalb sich ihr Zahlungsbegehren auch nicht aus den §§ 323, 346 ff. BGB rechtfertigen würde.

Keiner Klärung bedarf ferner die Frage, ob eine Arglist des Beklagten darin zu sehen ist, dass er auf seiner – Anfang Juli 2002 in die eBay-Website eingestellte – Angebotsseite nicht darauf hingewiesen hat, dass einige seiner Umbauten am Fahrzeug … nicht in den Fahrzeugpapieren eingetragen sind. Denn darauf hat er den Ehemann der Klägerin später am 22.07.2002 auf dem Flughafen L. hingewiesen, als das Kaufvertragsverhältnis um einen Gewährleistungsausschluss erweitert und das Fahrzeug übergeben wurde, wovon nach der Beweisaufnahme vor dem Senat auszugehen ist.

Im Rahmen der Vertragsergänzung vom 22.07.2002 ist für den Beklagten noch Zeit gewesen, eine etwaige Arglist – durch die beim Onlineauktionshaus eBay geschaltete Angebotsseite ohne einen Hinweis auf nicht eingetragene Umbauten – durch Aufklärung auszuräumen. In jedem Fall hat der Ehemann der Klägerin bei der Übergabe des Fahrzeugs gesagt bekommen, dass vorgenommene Umbauten noch in den Fahrzeugbrief eingetragen werden müssten und dass es dabei Probleme geben könnte. E ist danach bewusst das Risiko eingegangen, dass einige Umbauten nicht abgenommen werden könnten, als er das Fahrzeug ohne Vorbehalt übernommen hat, was sich die Klägerin, für die er damals gehandelt hätte, wenn sie Vertragspartnerin des Beklagten geworden wäre, zurechnen lassen müsste. Als Folge wäre es der Klägerin zumindest aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt, sich auf eine dem Beklagten wegen des fehlenden Hinweises in seiner Angebotsseite auf nicht eingetragene Umbauten möglicherweise vorzuwerfende Arglist zur Zeit der Abgabe des Höchstgebotes zu berufen, nachdem sich das von ihrem Ehemann eingegangene Risiko verwirklicht und der TÜV Nord die Abnahme der Auspuffanlage nach § 21 StVZO am 04.09.2002 verweigert hat (dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 124 Rn. 1; zur Treuwidrigkeit des Rücktritts bei Kenntnis im Zeitpunkt der Übergabe: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 1544).

Die Zeugin P hat bekundet, sie habe den Beklagten zur Übergabe des Fahrzeugs auf dem Flughafen L. an den Ehemann der Klägerin begleitet. Dort hätten sie über die Umbauten gesprochen und auch über die Auspuffanlage sowie den VTEC-Controller, die nicht in den Papieren eingetragen gewesen seien. Der Beklagte habe in dem Zusammenhang erklärt, dass er bislang keine Schwierigkeiten mit dem TÜV gehabt habe, und angemerkt, dass es aber bei manchem TÜV Probleme geben könnte. Die ausgebauten Originalteile habe er zu Hause; sie könnten gegebenenfalls wieder eingebaut werden.

Auch wenn die Zeugin als Freundin des Beklagten keine neutrale Stellung hat, sind ihre Angaben der Entscheidung zugrunde zu legen. Mit ihnen stimmt nämlich überein, dass der Pkw mit den Umbauten am 04.07.2002 – als die eBay-Auktion lief – dem TÜV in Offenburg vorgestellt und mit dem Ergebnis „ohne erkennbare Mängel“ nach §§ 12 II, 21 StVZO begutachtet wurde. Der TÜV hat dem Beklagten im Gutachten zur Erlangung der Betriebserlaubnis vom 04.07.2002 bescheinigt, dass die Tieferlegung des Fahrzeugs den Vorschriften entspreche.

Mit der Schilderung der Zeugin P insoweit durchaus im Einklang stehend hat der Zeuge E angegeben, der Beklagte habe damals auf dem Flughafen L. die TÜV-Bescheinigung übergeben, dabei gesagt, dass noch etwas eingetragen werden müsste, und bemerkt, dass er beim TÜV keine Probleme gehabt hätte. Jedoch müssten die amerikanischen Leuchten ausgebaut werden. Die Originalleuchten lägen im Kofferraum.

Eine verständige Würdigung dieser Bekundungen unter Berücksichtigung der TÜV-Begutachtung vom 03.07.2002 ergibt, dass man bei der Fahrzeugübergabe auf dem Flughafen L. über die nicht eingetragenen Umbauten gesprochen hat und dass dabei bemerkt wurde, es könnte bei der Eintragung Schwierigkeiten mit dem TÜV geben, bei deren Auftreten allerdings die Möglichkeit bestände, die vorhandenen Originalteile wieder in das Fahrzeug einzubauen. Wenn der Ehemann der Klägerin in Kenntnis dessen den Pkw entgegennimmt und sich das von ihm eingegangene Risiko später verwirklicht, weil der aufgesuchte TÜV Nord die Eintragung der Auspuffanlage und des VTEC-Controllers verweigert, dann verhält sich die Klägerin widersprüchlich und entgegen Treu und Glauben, wenn sie sich vom Kaufvertrag durch Anfechtung oder Rücktritt lösen will, weil diese Umbauten nicht eintragungsfähig sind.

Die Klägerin ist auch nicht an den Beklagten herangetreten, um sich von ihm oder seiner Freundin, einer Kraftfahrzeugmechanikerin, die noch vorhandenen Originalteile einbauen zu lassen. …

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