1. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens hat gegen die Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeugs keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) wenn er das Fahrzeug erst erworben hat, nachdem die Volkswagen AG die Öffentlichkeit bereits darüber unterrichtet hatte, dass in bestimmten Fahrzeugen eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software zum Einsatz komme und welche Maßnahmen sie in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ergreifen werde, um diese Software – eine unzulässige Abschalteinrichtung – zu entfernen.
  2. Bei der Beurteilung, ob die Volkswagen AG dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat, ist in zeitlicher Hinsicht auf den Abschluss des Kaufvertrags, also auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abzustellen. Jedenfalls bei Gebrauchtwagenkäufen, die ab Herbst 2015 getätigt wurden, beruht der Schaden – Abschluss des Kaufvertrags – indes nicht mehr auf einem i. S. von § 826 BGB verwerflichen Verhalten der Volkswagen AG. Denn diese hatte bereits zuvor öffentlich bekannt gegeben, dass bestimmte – vom VW-Abgasskandal betroffene – Dieselfahrzeuge wegen „Unregelmäßigkeiten“ nachgebessert werden müssten. Damit hat es die Fahrzeugherstellerin jedem einzelnen potenziellen Käufer eines Gebrauchtwagens überlassen, selbst zu entscheiden, ob er trotz des VW-Abgasskandals Vertrauen in ihre Dieselfahrzeuge hat oder ob er lieber Abstand vom Kauf eines solchen Fahrzeugs nimmt.

OLG Celle, Beschluss vom 01.07.2019 – 7 U 33/19

Sachverhalt: Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17.02.2016 von einem BMW-Vertragshändler einen gebrauchten VW Golf Plus 2.0 TDI zum Preis von 18.600 €. Dieses am 28.03.2013 erstzugelassene Fahrzeug hatte ausweislich des Kaufvertrags einen Vorbesitzer. Es ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen.

Der Pkw hat ein vom Kraftfahrt-Bundesamt am 20.06.2016 freigegebenes Softwareupdate erhalten.

Unter Hinweis auf VW-Abgasskandal forderte der Kläger die beklagte Volkswagen AG mit Anwaltsschreiben vom 03.04.2017 auf, ihm den um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreis Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu ersetzen. Da die Beklagte dem nicht nachkam, hat der Kläger sie klageweise auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er hat geltend gemacht, dass er den VW Golf Plus nicht erworben hätte, wenn er vom Einsatz der den Abgasausstoß manipulierenden Software gewusst hätte; ihm sei es maßgeblich darauf angekommen, ein umweltfreundliches Fahrzeug zu erwerben.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.12.2018 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Kläger die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustünden. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner – zulässigen – Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er macht unter anderem geltend, dass das installierte Softwareupdate negative Folgen für das Fahrzeug habe.

Nachdem er zunächst einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, hat der 7. Zivilsenat des OLG Celle darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein dürfte.

Aus den Gründen: II. … Zudem hat die Berufung nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheint nicht geboten:

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten keine Ansprüche aus § 826 BGB zu.

a) Nach allgemeiner Ansicht (auch der des Senats, s. Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16) haben Käufer von Fahrzeugen mit Dieselmotoren vom Typ EA189 (Euro 5), die aufgrund der bei ihnen verbauten Abschaltvorrichtung vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffen sind, eine mit einem Sachmangel behaftete Kaufsache erworben. Denn diese Fahrzeuge sind mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet worden, mit deren Hilfe die Stickoxid(NOX)-Werte im Prüfstand manipuliert worden sind, das heißt bessere Werte im Unterschied zum normalen Fahrbetrieb vorgetäuscht worden sind, um so die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOX-Grenzwerte einzuhalten. Die in diesen Fahrzeugen eingesetzte Abgassoftware hat die Prüfsituation erkannt und im Prüfstand in den NOX-optimierenden Modus 1 geschaltet, während sie sich im normalen Fahrbetrieb im Modus 0 mit eingeschränkter Abgasrückführung befunden hat, wodurch die NOX-Emissionen erheblich höher ausgefallen sind. Bei dieser von der Beklagten eingesetzten „Umschaltlogik“ handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. des Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, was zur Folge hat, dass die betroffenen Fahrzeuge sachmangelbehaftet i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB sind. Denn Fahrzeugen mit einem Dieselmotor vom Typ EA189, die vom Hersteller mit einer unzulässigen Umschaltvorrichtung versehen sind, die günstigere Emissionswerte im Prüfstandbetrieb vorspiegelt, fehlt die Eignung für ihre gewöhnliche Verwendung, weil der (ungestörte) Betrieb der Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr wegen der Gefahr des Einschreitens der zuständigen Behörden nicht gewährleistet ist. Aufgrund der unzulässigen Abschaltvorrichtung sind die Fahrzeuge „nicht vorschriftsmäßig“ i. S. des § 5 I FZV mit der Folge, dass ihnen die Gefahr einer Betriebsuntersagung oder -beschränkung durch die Zulassungsbehörde anhaftet. Insoweit wird auf die Ausführungen des BGH in seinem Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 5–23 – verwiesen.

b) Nicht geklärt ist in der Rechtsprechung die Frage, ob ein vom VW-Abgasskandal betroffener Fahrzeugkäufer die Beklagte als Herstellerin des Dieselmotors vom Typ EA189 (Euro 5) wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann.

Nach einer Auffassung, die vom OLG Braunschweig (Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris), aber auch in der Instanzrechtsprechung des OLG-Bezirks Celle (etwa LG Bückeburg, Urt. v. 03.05.2018 – 1 O 88/17; Urt. v. 10.01.2019 – 1 O 98/18; LG Verden, Urt. v. 20.06.2018 – 8 O 311/18; Urt. v. 25.10.2018 – 5 O 317/17; LG Hannover, Urt. v. 26.09.2018 – 17 O 46/18; Urt. v. 05.11.2018 – 19 O 201/17) vertreten wird, wird ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB verneint, weil der Schaden des Käufers, der ein sachmangelbehaftetes Fahrzeug erworben habe, nicht in den Schutzbereich der von der Beklagten verletzten EG-Normen falle, da diese keinen Individualschutz zugunsten der einzelnen Fahrzeugkäufer gewähren würden. Darüber hinaus sei das Verhalten der Beklagten auch nicht sittenwidrig, denn sie sei mangels Bestehens einer Offenbarungspflicht nicht verpflichtet gewesen, potenzielle Käufer der Fahrzeuge auf die Umschaltvorrichtung hinzuweisen, weil es hierbei nicht um einen wertbestimmenden Faktor gehe (OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 188; ebenso etwa LG Hannover, Urt. v. 05.11.2018 – 19 O 201/17; LG Verden, Urt. v. 20.06.2018 – 8 O 311/17; Urt. v. 25.10.2018 – 5 O 317/17; LG Hannover, Urt. v. 26.09.2018 – 17 O 46/18).

Nach der gegenläufigen Auffassung, die unter anderem vom OLG Karlsruhe (Beschl. v. 05.03.2019 – 13 U 142/18, juris) und vom OLG Köln (Beschl. v. 03.01.2019 – 18 U 70/18; Beschl. v. 01.03.2019 – 16 U 146/18), aber auch in der Instanzrechtsprechung im hiesigen Bezirk (etwa LG Hildesheim, Urt. v. 18.12.2018 – 3 O 66/18; Urt. v. 18.12.2018 – 3 O 97/18; Urt. v. 12.12.2018 – 2 O 360/17; LG Lüneburg, Urt. v. 28.09.2018 – 9 O 52/18; Urt. v. 30.10.2018 – 9 O 94/18; LG Stade, Urt. v. 09.01.2019 – 5 O 95/18; Urt. v. 20.02.2019 – 5 O 137/18) vertreten wird, kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegenüber der Beklagten in Betracht. Dies wird damit begründet, dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen der Dieselmotoren vom Typ EA189 unter bewusster Verwendung der unzulässigen Abschaltvorrichtung den Käufern der betroffenen Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt habe. Denn mit der Herstellung und dem Inverkehrbringen der in Rede stehenden Motoren sei konkludent die Erklärung des Herstellers verbunden, dass der Einsatz der Fahrzeuge mit den verbauten Dieselmotoren im Straßenverkehr entsprechend ihrem Verwendungszweck uneingeschränkt zulässig sei, was wegen der vorhandenen gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung nicht der Fall sei. Diese damit einhergehende Täuschung der Käufer derartiger Fahrzeuge sei unter den gegebenen Umständen (Profitstreben unter bewusster Täuschung von Behörden, Kunden und Händlern) als sittenwidrig einzustufen, wobei der bei den Käufern entstandene Schaden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das mangelbehaftete Fahrzeug zu sehen sei, auch unter den Schutzzweck der Norm falle. Denn die Käufer seien über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand, nämlich über die uneingeschränkte, nicht bedrohte Verwendung des Fahrzeugs im Straßenverkehr, in sittenwidriger Weise getäuscht worden, wodurch unmittelbar in ihren Rechtskreisen eingegriffen worden sei (vgl. im Einzelnen OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019 – 13 U 142/18, juris Rn. 5–41).

c) Aber auch bei Zugrundelegung der zuletzt genannten Auffassung, der der Senat nach vorläufiger Prüfung grundsätzlich zuneigt, lässt sich vorliegend ein sittenwidriges schädigendes Verhalten der Beklagten in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags am 17.02.2016 nicht (mehr) ausmachen.

Nach § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen lassen sich hier nicht feststellen.

Da in dem von dem Kläger im Februar 2016 erworbenen Gebrauchtwagen, dem Pkw VW Golf Plus 2.0 TDI, von der Beklagten als Herstellerin eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert worden ist und das Fahrzeug bei Übergabe deshalb mit einem Sachmangel behaftet gewesen ist, ist bei dem Kläger zwar vordergründig ein Schaden eingetreten, der auf das Verhalten der Beklagten als Herstellerin des mangelbehafteten Fahrzeugs zurückgeht. Ein mit dem Kauf des Fahrzeugs eingetretener Schaden des Klägers ist seitens der Beklagten aber nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt worden.

Ein Verhalten ist objektiv sittenwidrig, wenn es nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 826 Rn. 4 m. w. Nachw.). Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder gegen das Gesetz verstößt, ist hierfür nicht ausreichend; hinzutreten muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem mit der Handlung verfolgten Zweck, dem zur Durchsetzung verwendeten Mittel, der dabei gezeigten Gesinnung oder den entstandenen Folgen ergeben kann (Palandt/Sprau, a. a. O., § 826 Rn. 4 m. w. Nachw.).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Verhaltens des Anspruchsgegners als sittenwidrig ist der Zeitpunkt der Schadensherbeiführung, das heißt hier der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags (vgl. BGH, Urt. v. 04.06.2013 – VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 13; ferner Förster, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 826 Rn. 23). Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 17.02.2016 stellt sich das Verhalten der Beklagten nicht (mehr) als sittenwidrig dar.

Als die Beklagte im Jahr 2013 das streitgegenständliche Fahrzeug, den VW Golf Plus 2.0 TDI, mit dem mangelbehafteten Motor zum Zwecke des Verkaufs über einen Vertragshändler in den Verkehr brachte, hat sie zum einen zwar (bei Zugrundelegung der obigen zweitgenannten Auffassung) in sittenwidriger Weise den Neuwagenkäufer geschädigt, an den das sachmangelbehaftete Neufahrzeug ausgeliefert wurde. Indem die Beklagte mittels Aufrechterhaltung ihrer mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs abgegebenen konkludenten Erklärung, dass das Fahrzeug uneingeschränkt im Straßenverkehr eingesetzt werden könne, durch fortwährendes Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung in den Dieselmotoren des Typs EA189 an ihrem danach als sittenwidrig einzustufenden Verhalten festgehalten hat, wurde anschließend auch nachteilig auf die Vermögenslage ahnungsloser Zweit- und Dritterwerber des sachmangelbehafteten Fahrzeugs eingewirkt. Im Herbst 2015 ist die Beklagte allerdings in die Öffentlichkeit getreten und hat bekannt gegeben, dass die von ihr hergestellten Dieselmotoren des Typs EA189 wegen Unregelmäßigkeiten nachgebessert werden müssen.

Wie allgemein bekannt ist, hatte der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten Dr. Winterkorn auf einer Pressekonferenz am 22.09.2015 mitgeteilt, dass es bei den in ihren Fahrzeugen verbauten Dieselmotoren des Typs EA189 zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Zugleich hatte die Beklagte am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben, mit der sie die Öffentlichkeit darüber informierte, dass sie „die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Dieselmotoren mit Hochdruck“ vorantreibt. In dieser Mitteilung heißt es unter anderem weiter:

„Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrt-Bundesamt.“ (Anlage B 11).

Entsprechend der in dieser Mitteilung enthaltenen Ankündigung, die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend zu informieren (s. Anlage B 11), hatte die Beklagte, wie dem Senat aus zahlreichen anhängigen Verfahren bekannt ist, in den Folgemonaten Pressemitteilungen herausgegeben. So hatte die Beklagte, nachdem ihr durch Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14.10.2015 aufgegeben worden war tätig zu werden, in ihrer Pressemitteilung vom 15.10.2015 mitgeteilt, dass von ihr die schnelle Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamtes begrüßt werde, den in der vergangenen Woche vorgelegten Zeit- und Maßnahmeplan durch einen Rückruf umzusetzen, und dass mit Hochdruck die im Maßnahmeplan festgelegten technischen Lösungen mit dem Ziel erarbeitet würden, ab Januar 2016 mit der Nachbesserung der Fahrzeuge zu beginnen. In ihrer Pressemitteilung vom 25.11.2015 hatte die Beklagte sodann mitgeteilt, dass die Aufarbeitung und Lösung der Diesel-Thematik voranschreite und dass nach der Umsetzung der technischen Maßnahmen die Fahrzeuge die jeweils gültigen Abgasnormen erfüllen würden; ferner, dass es das Ziel sei, ab Januar 2016 die ersten Fahrzeuge im Rahmen eines Rückrufs auf den erforderlichen technischen Stand zu bringen. In ihrer weiteren Pressemitteilung vom 16.12.2015 hatte die Beklagte darüber informiert, dass sie dem Kraftfahrt-Bundesamt die konkreten technischen Maßnahmen für die betroffenen EA189-Motoren vorgestellt habe und dass das Kraftfahrt-Bundesamt nach intensiven Prüfungen alle Maßnahmen vollumfänglich bestätigt habe; zugleich wurde mitgeteilt, dass die betroffenen Fahrzeughalter angeschrieben und über die weiteren Schritte informiert würden.

Indem die Beklagte sonach ihr vorangegangenes gesetzwidriges Tun nach Aufdecken des Abgasskandals um die Dieselmotoren vom Typ EA189 nicht vertuscht, sondern sich mit der Aufarbeitung der Problematik befasst hat, worüber sie die Öffentlichkeit informiert hat, kann ihr jedenfalls in Bezug auf potenzielle Gebrauchtwagenkäufer ab Herbst 2015 kein verwerfliches Verhalten angelastet werden. Die Beklagte hatte im Herbst 2015 letztlich den Fehler bei der Abgasrückführung ihrer Dieselmotoren EA189 eingeräumt und seine Beseitigung in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt angekündigt. Mit dieser Vorgehensweise hat die Beklagte den schädigenden Zustand, die Vertuschung der Abgasmanipulation in der Öffentlichkeit, nicht mehr aufrechterhalten. Die Gründe, die ihr Verhalten bis Herbst 2015 als sittenwidrig erscheinen ließen (Täuschung potenzieller Kunden durch Vorspiegelung einer nicht gefährdeten Nutzbarkeit ihrer Fahrzeuge im Straßenverkehr unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in das Kraftfahrt-Bundesamt mit dem Ziel der Kostensenkung und Gewinnmaximierung) sind damit weggefallen.

Nachdem die Beklagte die Öffentlichkeit über die vorgenommene Manipulation an den Dieselmotoren EA189 informiert hatte, setzte auch eine umfangreiche Medienberichterstattung über die sogenannte VW-Abgasaffäre ein. In den Printmedien, in Funk und im Fernsehen wird seit Herbst 2015 ausführlich und laufend über Vorgänge betreffend den sogenannten VW-Abgasskandal berichtet, über den allgemein auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Im Rahmen dieser Diskussion ist zwar auch infrage gestellt worden, ob die von der Beklagten erarbeitete Nachbesserungsmaßnahme dahin gehend, mittels des Aufspielens eines Softwareupdates die installierte unzulässige Abschaltvorrichtung zu beseitigen, überhaupt eine geeignete Mängelbeseitigungsmaßnahme ist. In diesem Zusammenhang wird vorgebracht, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Update der Motorsteuerungssoftware für das Fahrzeug nicht folgenlos sein werde, wobei eine Erhöhung der Emissionswerte und des Kraftstoffverbrauchs, eine Einschränkung der Motorleistung und das Auftreten von vorzeitigen Verschleißerscheinungen angesprochen werden. Zudem wird den betroffenen Fahrzeugen allgemein nachgesagt, dass sie mit einem nicht behebbaren Makel behaftet seien, was sich nachteilig auf ihren Wert auswirke.

Ob diese gegen das Update vorgebrachten Einwände berechtigt sind, kann hier allerdings dahinstehen. Denn diese Gesichtspunkte können nicht dazu führen, das Verhalten der Beklagten ab Herbst 2015 weiterhin als verwerflich i. S. des § 826 BGB einzustufen. Die Beklagte hat die Abgasthematik öffentlich gemacht und dabei der (zuvor getäuschten) Allgemeinheit bekannt gegeben, dass die Dieselfahrzeuge, weil sie nicht uneingeschränkt in Ordnung sind, nachgebessert werden müssen; zugleich hat sie die Allgemeinheit darüber informiert, welche Maßnahmen sie in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zur Behebung des Mangels vornehmen wird. Damit hat die Beklagte es jedem einzelnen potenziellen Gebrauchtwagenkäufer überlassen, selbst darüber zu entscheiden, ob er ungeachtet des „Dieselgates“ Vertrauen in ihre Dieselfahrzeuge hat oder ob er wegen möglicherweise offengebliebener Fragen Abstand von dem Kauf ihrer Fahrzeuge nimmt.

Damit erweist sich der Einwand des Klägers in seiner Berufungsbegründung, wonach ihm negative Folgewirkungen des Mangels sowie die vermeintliche Ungeeignetheit des Softwareupdates bei Vertragsabschluss nicht bekannt gewesen seien, als unbeachtlich, nachdem sich die Beklagte öffentlich zu dem Abgasskandal erklärt hatte und die negative Berichterstattung hierüber unmittelbar nach Aufdecken des Dieselskandals im Herbst 2015 einsetzte. Dass es der Kläger unterlassen hatte, sich anlässlich des Kaufs des Dieselfahrzeugs mit der Thematik zu befassen, geht jedenfalls nicht auf ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zurück. Die Beklagte hat kundgetan, auf welche Weise der Mangel in Form der manipulierten Software in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt beseitigt werden soll, was den für die jeweiligen Fahrzeugtypen ergangenen Freigabebestätigungen des Kraftfahrt-Bundesamtes entspricht. So hat das Kraftfahrt-Bundesamt in seinen Freigabebestätigungen jeweils festgehalten, dass die Überprüfungen ergeben haben, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde, dass die offengelegten vorhandenen Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft wurden, dass die Grenzwerte eingehalten werden, dass die vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt werden und dass die bisherige Motorleistung unverändert bleibt. Damit geht sogleich der weitere Einwand des Klägers fehl, wonach sich sein Fahrzeug auch nach dem Softwareupdate nicht in einem zulassungsfähigen Zustand befinde, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Maßnahme ausdrücklich freigegeben hat.

Nach alledem lässt sich zulasten der Beklagten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Käufer, die, wie der Kläger, ab 2016 einen Gebrauchtwagen mit dem in Rede stehenden Dieselmotor vom Typ EA189 (Euro 5) erworben haben, nicht (mehr) feststellen.

2. Dem Kläger kommen gegenüber der Beklagten auch keine Schadensersatzansprüche aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB zu.

Wie aus den obigen Ausführungen folgt, kann, bezogen auf den Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Februar 2016, eine (fortbestehende) Täuschungshandlung der Beklagten in Bezug auf die verbaut gewesene unzulässige Abschaltvorrichtung nicht festgestellt werden, nachdem sie sich ab Herbst 2015 zu der Abgasmanipulation an ihren Dieselmotoren vom Typ EA189 öffentlich bekannt hat.

Darauf, dass der Kläger, wie von ihm behauptet wird, bei Abschluss des Kaufvertrags im Februar 2016 keine Kenntnis davon hatte, dass in dem Dieselmotor des von ihm erworbenen Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut war, die mittels eines Softwareupdates zu beseitigen ist, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Denn die von ihm behauptete Unkenntnis geht nicht auf eine bis in das Jahr 2016 fortdauernde Täuschungshandlung der Beklagten zurück, sondern beruht darauf, dass sich der Kläger nicht mit dem öffentlich breit diskutierten „Dieselskandal“ befasst hatte. Die bis zum Herbst 2015 fortgewirkte Täuschungshandlung der Beklagten dahin gehend, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß die EG-Typgenehmigung erhalten habe und diesbezüglich keine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 I FZV drohe, hat durch die anschließende Offenlegung und Aufarbeitung des Dieselskandals durch die Beklagte ihr Ende gefunden, sodass diese nicht mehr kausal für eine Fehlvorstellung des Klägers, dass mit dem von ihm gekauften Wagen alles in Ordnung sei, werden konnte.

Soweit der Kläger erstinstanzlich vorgebracht hat, dass es ihm bei Abschluss des Kaufvertrags darauf angekommen sei, ein besonders umweltfreundliches Fahrzeug zu erwerben, muss die Beklagte dies nicht gegen sich gelten lassen, nachdem sie an dem Vertragsabschluss nicht beteiligt war und jedenfalls den objektiven Teil des von ihr verursachten Abgasskandals öffentlich eingeräumt hatte und, wie gerichtsbekannt, auch die einzelnen betroffenen Fahrzeughalter zusätzlich angeschrieben und informiert hatte.

Entgegen dem Einwand des Klägers in seiner Berufungsbegründung liegt auch in Bezug auf das Softwareupdate keine Täuschungshandlung der Beklagten i. S. des § 263 StGB vor. Der Kläger kann deshalb nicht damit gehört werden, dass das Update zur Mängelbeseitigung ungeeignet sei.

Eine Täuschungshandlung i. S. des § 263 StGB erfordert, weil sie einen subjektiven Einschlag hat, eine bewusst unwahre Erklärung (Lüge). Wer eine objektiv unrichtige Erklärung im guten Glauben abgibt, begeht schon objektiv keine Täuschungshandlung (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1963 – 1 StR 533/62, BGHSt 18, 235, 237 = juris Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 6). Vorliegend lässt sich mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht feststellen, dass die Beklagte, als sie sich etwa in ihrer Pressemitteilung vom 16.12.2015 dahin gehend erklärte, dass nach Umsetzung der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten Maßnahmen mit den Dieselfahrzeugen Typ EA189 in Bezug auf die Einhaltung der Abgasnorm, des Verbrauchs und der Motorleistung alles in Ordnung sei, also die Gefahr einer Stilllegung nicht drohe, das Bewusstsein hatte, eine (hier unterstellt) unrichtige Erklärung abzugeben. Dem stehen der in der Erklärung enthaltene Verweis auf die Einschätzung des Kraftfahrt-Bundesamtes und die anschließend ergangenen Freigabebestätigungen des Kraftfahrt-Bundesamtes entgegen.

Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie mangels Aufklärung über das Softwareupdate durch Unterlassen getäuscht habe. Denn auch bei einer Täuschung durch Unterlassen gehört ein subjektiver Einschlag zum objektiven Tatbestand, das heißt, der Betroffene muss die Nichtaufklärung als Täuschung und dabei zum Zwecke der Erhaltung des Irrtums wollen. Dies lässt sich vorliegend nicht feststellen. Indem die Beklagte entsprechend ihrer oben genannten Pressemitteilung davon ausgeht, dass das mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmte Update gemäß dessen Bestätigung den Vorschriften entspricht, sind seitens der Beklagten keine aufklärungsbedürftigen Tatsachen gegeben. Hinzu kommt, dass über die Wirksamkeit eines Softwareupdates frühzeitig öffentlich diskutiert worden ist und dass schon deshalb dem Festhalten der Beklagten am Update unter Verweis auf das Kraftfahrt-Bundesamt nicht der Charakter einer Täuschungshandlung zukommen kann.

Festzuhalten ist mithin, dass mangels Vorliegens einer der Beklagten im Februar 2016 vorwerfbaren Täuschungshandlung bereits der objektive Tatbestand des § 263 StGB nicht gegeben ist, sodass das auf § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB gestützte Schadensersatzbegehren des Klägers ins Leere gehen muss.

3. Der Kläger kann ferner seinen Schadensersatzanspruch nicht auf § 823 II BGB i. V. mit Verstößen gegen § 6 I, 27 I EG-FGV stützen, weil diese Vorschriften keine Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB sind. Der Einwand des Klägers, wonach die Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug gegen geltendes Recht verstoße, muss deshalb ins Leere gehen.

Ein Schutzgesetz i. S. des § 823 II BGB liegt nur dann vor, wenn die entsprechende Norm wenigstens auch die Interessen des Einzelnen gezielt schützen soll. Deshalb ist es nicht ausreichend, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex erreicht wird; der Individualschutz muss gerade im Aufgabenbereich der jeweiligen Norm liegen (vgl. Palandt/Sprau, a. a. O., § 823 Rn. 58).

Vor diesem Hintergrund kommt den §§ 6 I, 27 I EG-FGV keine individualschützende Wirkung zu. Diese Vorschriften verfolgen die Umsetzung der europarechtlichen Richtlinie 2007/46/EG, deren Ziel die Vollendung des europäischen Binnenmarktes ist. Dagegen bezwecken diese Richtlinie und damit einhergehend §§ 6 I, 27 I EG-FGV nicht die Wahrung von Individualinteressen wie das Vermögensinteresse von Erwerbern von Kraftfahrzeugen (vgl. im Einzelnen OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 145 ff.). Demzufolge kann dahinstehen, ob vorliegend überhaupt ein Verstoß gegen §§ 6 I, 27 I EG-FGV gegeben ist, nachdem die für das Fahrzeug ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung auf eine EG-Typgenehmigung zurückgeht (s. hierzu OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 107 ff.).

4. Dem Kläger kommt schließlich gegenüber der Beklagten mangels Bestehens eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses kein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 311 III, 241 II BGB zu.

Nach allgemeiner Ansicht kann zwar ausnahmsweise die Haftung eines Dritten in Betracht kommen, wenn er am Vertragsschluss ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse hat oder wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat und hierdurch den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst hat (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 311 Rn. 60 m. w. Nachw.). Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte, die an dem Abschluss des Kaufvertrages über das Gebrauchtfahrzeug zwischen dem Kläger und einem BMW-Vertragshändler nicht beteiligt war, hieran ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte bzw. ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hatte. Das Ausstellen der Übereinstimmungserklärung ist hierfür nicht ausreichend, weil dieser Bescheinigung lediglich öffentlich-rechtliche Wirkungen zukommt (s. hierzu OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 97 ff.).

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