Der Ver­käu­fer, der vor­pro­zes­su­al nur das Vor­han­den­sein von Män­geln be­strei­tet und aus die­sem Grund die Nach­er­fül­lung ins­ge­samt ver­wei­gert, ist in der Re­gel nicht dar­an ge­hin­dert sich auf die Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Kos­ten der vom Käu­fer ge­wähl­ten Art der Nach­er­fül­lung erst im Rechts­streit über den Nach­er­fül­lungs­an­spruch zu be­ru­fen.

BGH, Ur­teil vom 16.10.2013 – VI­II ZR 273/12

Sach­ver­halt: Der Klä­ger schloss am 08.08.2009 mit der L-GmbH ei­nen Lea­sing­ver­trag über ei­nen als Ge­schäfts­fahr­zeug ge­nutz­ten Neu­wa­gen. Das Fahr­zeug wur­de am 06.10.2009 aus­ge­lie­fert. Der Klä­ger be­gehrt aus ab­ge­tre­te­nem Recht der Lea­sing­ge­be­rin un­ter Be­ru­fung auf ver­schie­de­ne Män­gel des Fahr­zeugs Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge nach Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klä­gers hat das Ober­lan­des­ge­richt der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils er­strebt, hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: [4]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[5]    Dem Klä­ger ste­he aus ab­ge­tre­te­nem Recht der Lea­sing­ge­sell­schaft ge­mäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB ein An­spruch auf Nach­er­fül­lung in Form der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che zu. Die er­gän­zen­de Be­weis­auf­nah­me durch den Se­nat ha­be er­ge­ben, dass das Fahr­zeug des Klä­gers zu­min­dest ei­nen we­sent­li­chen, die Ver­kehrs­si­cher­heit be­rüh­ren­den Man­gel auf­wei­se. Die Zeu­gin K ha­be die Be­haup­tung des Klä­gers be­stä­tigt, dass die bei­den Au­ßen­spie­gel, die beim Ab­stel­len des Fahr­zeugs – mög­li­cher­wei­se auch erst beim Ab­sper­ren – selbst­tä­tig an­klapp­ten, beim Star­ten des Mo­tors je­doch wie­der aus­klap­pen müss­ten, die­se Funk­ti­on nicht zu­ver­läs­sig aus­führ­ten. Auf das Vor­lie­gen wei­te­rer Fahr­zeug­män­gel kom­me es da­her nicht an.

[6]    Der An­spruch aus § 439 I BGB set­ze kei­ne Frist­set­zung vor­aus. Da die Be­klag­te die Be­he­bung des Man­gels hin­sicht­lich der Funk­ti­on der Au­ßen­spie­gel ver­wei­gert ha­be, die mög­li­cher­wei­se mit ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­gen Kos­ten durch Aus­tausch ei­nes elek­tro­ni­schen Bau­tei­les hät­te er­reicht wer­den kön­nen, kön­ne sie sich nun nicht ge­mäß § 439 III 1 BGB dar­auf be­ru­fen, ge­ra­de die vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te Art der Nach­er­fül­lung sei für sie mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten ver­bun­den.

[7]    II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung in ei­nem ent­schei­den­den Punkt nicht stand. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ver­kannt, dass die Be­klag­te nicht ge­hin­dert ist, die Ein­re­de aus § 439 III BGB ge­gen­über dem vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung zu er­he­ben.

[8]    1. Rechts­feh­ler­frei hat das Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stellt, dass die Au­ßen­spie­gel des Fahr­zeugs ih­re Funk­ti­on, beim Star­ten des Mo­tors wie­der aus­zu­klap­pen, nicht zu­ver­läs­sig aus­füh­ren und das Fahr­zeug da­mit ei­nen we­sent­li­chen, die Ver­kehrs­si­cher­heit be­rüh­ren­den Man­gel auf­weist. Die ge­gen die­se Tat­sa­chen­fest­stel­lung von der Re­vi­si­on er­ho­be­nen Ver­fah­rens­rügen grei­fen nicht durch; von ei­ner nä­he­ren Be­grün­dung wird ge­mäß § 564 Satz 1 ZPO ab­ge­se­hen.

[9]    2. Auch die Tat­sa­chen­fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Be­klag­te die Man­gel­be­sei­ti­gung ins­ge­samt und da­mit auch hin­sicht­lich der Au­ßen­spie­gel ver­wei­gert hat, ist nicht zu be­an­stan­den. Die Re­vi­si­on hält dem ent­ge­gen, die Be­klag­te dür­fe die Man­gel­be­sei­ti­gung ver­wei­gern, bis der Klä­ger das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels be­wie­sen ha­be. Das trifft nicht zu.

[10]   Wenn der Ver­käu­fer ei­nen Man­gel wei­ter­hin be­strei­tet, nach­dem er Ge­le­gen­heit zur Über­prü­fung des Man­gels er­hal­ten hat, so ge­schieht dies auf ei­ge­nes Ri­si­ko. So war es hier. Der Klä­ger hat­te im Sep­tem­ber 2010, al­so noch vor Kla­ge­er­he­bung, un­ter an­de­rem auch das zeit­wei­se Nicht­funk­tio­nie­ren der Au­ßen­spie­gel be­an­stan­det. Im Schrei­ben des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers vom 05.10.2010 wur­de das noch­mals wie­der­holt. Dar­auf er­wi­der­te die Be­klag­te mit E-Mail vom 08.10.2010, dass das Fahr­zeug kei­ne Män­gel auf­wei­se be­zie­hungs­wei­se der Klä­ger die Män­gel nicht ha­be vor­füh­ren kön­nen. Eben­so hät­ten die Be­an­stan­dun­gen des Klä­gers den Her­ren der A-AG nicht vor­ge­führt wer­den kön­nen; das Fahr­zeug ent­spre­che dem Stand der Tech­nik. So­dann heißt es: „Wir wer­den das Fahr­zeug da­her auch nicht mehr über­prü­fen.“ Das ist ei­ne hin­rei­chend deut­li­che Ver­wei­ge­rung der Man­gel­be­sei­ti­gung (auch) hin­sicht­lich der Funk­ti­ons­wei­se der Au­ßen­spie­gel.

[11]   3. Die Re­vi­si­on be­an­stan­det aber mit Recht, dass das Be­ru­fungs­ge­richt es der Be­klag­ten ver­sagt hat, sich ge­gen­über dem vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) auf das Ver­wei­ge­rungs­recht aus § 439 III BGB zu be­ru­fen.

[12]   a) Nach § 439 III BGB kann der Ver­käu­fer die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung un­be­scha­det des § 275 II und III BGB ver­wei­gern, wenn sie mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten ver­bun­den ist. Nach dem re­vi­si­ons­recht­lich zu­grun­de zu le­gen­den Sach­vor­trag der Be­klag­ten wä­re die Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs für die Be­klag­te im Ver­gleich zur Man­gel­be­sei­ti­gung mit un­ver­hält­nis­mä­ßig ho­hen Kos­ten ver­bun­den. Auch das Be­ru­fungs­ge­richt geht da­von aus, dass die Funk­ti­on der Au­ßen­spie­gel mög­li­cher­wei­se mit ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­gen Kos­ten durch Aus­tausch ei­nes elek­tro­ni­schen Bau­tei­les hät­te er­reicht wer­den kön­nen.

[13]   b) Bei die­ser Sach­la­ge ist der Be­klag­ten die Be­ru­fung auf das Ver­wei­ge­rungs­recht aus § 439 III BGB ge­gen­über dem vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht des­halb ver­wehrt, weil die Be­klag­te ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung ins­ge­samt und da­mit auch hin­sicht­lich der Au­ßen­spie­gel ver­wei­gert hat.

[14]   Ver­wei­gert der Ver­käu­fer die Nach­er­fül­lung zu Un­recht mit der Be­grün­dung, dass kei­ne Män­gel vor­han­den sei­en, so ste­hen dem Käu­fer die se­kun­dä­ren Käu­fer­rech­te aus § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB zu. Der Käu­fer kann aber auch – wie hier – den An­spruch auf Nach­er­fül­lung aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB kla­ge­wei­se gel­tend ma­chen mit der Fol­ge, dass dem Ver­käu­fer un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 439 III BGB das Recht zu­steht, ge­ra­de die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten zu ver­wei­gern. Die Be­klag­te ist des­halb aus Rechts­grün­den nicht dar­an ge­hin­dert, sich ge­gen­über dem gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung dar­auf zu be­ru­fen, dass die Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs für sie im Ver­gleich zur Be­sei­ti­gung der vor­han­de­nen Män­gel mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten ver­bun­den wä­re. Die vom Be­ru­fungs­ge­richt ver­tre­te­ne Ein­schrän­kung die­ses Rechts kann aus der ge­setz­li­chen Re­ge­lung nicht her­ge­lei­tet wer­den.

[15]   c) Die Be­ru­fung auf das Ver­wei­ge­rungs­recht aus § 439 III BGB ist ent­ge­gen der in der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung ver­tre­te­nen Auf­fas­sung des Klä­gers auch nicht „ver­fris­tet“.

[16]   Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob sich der Ver­käu­fer auf die Ein­re­de aus § 439 III BGB dann nicht mehr be­ru­fen kann, wenn der Käu­fer be­reits wirk­sam vom Ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist (so OLG Cel­le, Urt. v. 28.06.2006 – 7 U 235/05, NJW-RR 2007, 353 f.; vgl. da­zu Lo­renz, NJW 2007, 1 [5 f.]). Ein sol­cher Fall liegt hier nicht vor. Der Klä­ger ist nicht vom Ver­trag zu­rück­ge­tre­ten, son­dern be­gehrt wei­ter­hin Nach­er­fül­lung in Form der Er­satz­lie­fe­rung.

[17]   So­weit der Klä­ger meint, der Ver­käu­fer sei be­reits dann mit der Ein­re­de der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit aus­ge­schlos­sen, wenn er sie nicht vor Ab­lauf der ihm ge­setz­ten Frist zur Nach­er­fül­lung er­ho­ben ha­be (eben­so Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 72. Aufl., § 439 Rn. 14 un­ter Be­zug­nah­me auf OLG Cel­le, NJW-RR 2007, 353 f.), kann dem nicht ge­folgt wer­den. Der An­spruch des Käu­fers auf Nach­er­fül­lung ist nicht von ei­ner Frist­set­zung des Käu­fers ge­gen­über dem Ver­käu­fer ab­hän­gig. Eben­so we­nig schreibt § 439 III BGB vor, dass der Ver­käu­fer sich nur dann auf die Ein­re­de be­ru­fen kann, wenn er die­se in­ner­halb ei­ner vom Käu­fer ge­setz­ten Frist zur Nach­er­fül­lung er­hebt. Der Ver­käu­fer ist des­halb in der Re­gel nicht dar­an ge­hin­dert, sich auf die Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Kos­ten der vom Käu­fer ge­wähl­ten Art der Nach­er­fül­lung erst im Rechts­streit über den Nach­er­fül­lungs­an­spruch zu be­ru­fen, auch wenn er vor­pro­zes­su­al nur das Vor­han­den­sein von Män­geln be­strit­ten und aus die­sem Grund die Nach­er­fül­lung ver­wei­gert hat­te. In­so­weit gilt nichts an­de­res als für die Ver­jäh­rungs­ein­re­de, die eben­falls auch dann noch im Rechts­streit gel­tend ge­macht wer­den kann, wenn vor­pro­zes­su­al der An­spruch ins­ge­samt be­strit­ten wor­den war.

[18]   d) Die von der Be­klag­ten im Rechts­streit er­ho­be­ne Ein­re­de aus § 439 III BGB ist auch nicht aus dem Grund un­be­acht­lich, dass die Be­klag­te die be­haup­te­te Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit, wie der Klä­ger in der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung meint, nicht sub­stan­zi­iert hät­te.

[19]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Ein­re­de nicht als un­sub­stan­zi­iert an­ge­se­hen; auch der Klä­ger hat dies in den Vor­in­stan­zen nicht gel­tend ge­macht. Viel­mehr hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Ein­re­de – zu Un­recht – aus ma­te­ri­ell-recht­li­chen Grün­den für un­be­acht­lich ge­hal­ten. Es hat da­her die Vor­aus­set­zun­gen des § 439 III BGB nicht ab­schlie­ßend ge­prüft, son­dern nur für mög­lich ge­hal­ten, dass die Funk­ti­on der Au­ßen­spie­gel mit ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­gen Kos­ten durch Aus­tausch ei­nes elek­tro­ni­schen Bau­tei­les hät­te er­reicht wer­den kön­nen.

[20]   III. Da die Re­vi­si­on Er­folg hat, ist das Be­ru­fungs­ur­teil auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die nicht ent­schei­dungs­rei­fe Sa­che ist an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I und III ZPO).

[21]   Das Be­ru­fungs­ge­richt wird die pro­zes­sua­len und ma­te­ri­ell-recht­li­chen Fol­gen zu be­rück­sich­ti­gen ha­ben, die sich aus der im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ein­ge­tre­te­nen Be­en­di­gung des Lea­sing­ver­trags für den Kla­ge­an­spruch er­ge­ben, so­weit die­ser nicht von den Par­tei­en über­ein­stim­mend für er­le­digt er­klärt wor­den ist.

[22]   Er­gän­zend weist der Se­nat auf Fol­gen­des hin: Da das Be­ru­fungs­ge­richt – von sei­nem Stand­punkt aus fol­ge­rich­tig – nicht ab­schlie­ßend ge­prüft hat, ob hin­sicht­lich des fest­ge­stell­ten Man­gels der Au­ßen­spie­gel die Vor­aus­set­zun­gen des § 439 III BGB ge­gen­über dem An­spruch auf Er­satz­lie­fe­rung vor­lie­gen, wird es dies nach­zu­ho­len und hier­zu – ge­ge­be­nen­falls nach er­gän­zen­dem Sach­vor­trag der Par­tei­en – die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen zu tref­fen ha­ben. Wenn die Ein­re­de aus § 439 III BGB in­so­weit be­grün­det sein soll­te, wird zu prü­fen sein, ob wei­te­re Män­gel vor­lie­gen und der Kla­ge auf Er­satz­lie­fe­rung – un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ein­re­de aus § 439 III BGB – zum Er­folg ver­hel­fen.

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