- Ein Kaufvertrag über eine bewegliche Sache ist aufgrund eines Rücktritts, eines Widerrufs, einer Anfechtung oder dergleichen einheitlich dort rückabzuwickeln, wo sich die Kaufsache im Zeitpunkt der Rücktritts- beziehungsweise Anfechtungserklärung, der Einigung über eine Rückabwicklung oder Ähnliches vertragsgemäß befindet (sog. Austauschort). Dieser gemeinsame Erfüllungsort, an dem (auch) die Kaufsache zurückzugewähren ist, begründet im Regelfall die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk der Käufer seinen Wohnsitz hat.
- § 29 I ZPO ist auch dann einschlägig, wenn der Verkäufer sich (lediglich) „aus Kulanz“ bereit erklärt, die angeblich mangelhafte Kaufsache zurückzunehmen. Denn darauf, aus welchem Grund der Kaufvertrag rückabgewickelt wird, kommt es für die Anwendung des § 29 I ZPO nicht an. Ebenso ist für die Anwendung des § 29 I ZPO unerheblich, ob der Verkäufer den Kaufgegenstand schon zurückerhalten hat.
- Hält das angegangene Gericht § 29 I ZPO allein deshalb nicht für einschlägig, weil der Käufer nicht (mangelbedingt) vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, sondern dieser einvernehmlich – seitens des Verkäufers aus „Kulanz“ – habe rückabgewickelt werden sollen, so ist diese Begründung derart unzureichend, dass ein Verweisungsbeschluss objektiv willkürlich und deshalb entgegen § 281 II 4 ZPO nicht bindend ist. Denn das angegangene Gericht hätte sich zumindest mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob § 29 I ZPO auch bei einer einvernehmlichen Rückabwicklung eines Kaufvertrags Anwendung findet.
OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2022 – 2 AR 28/22
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- Der Verkäufer kann jederzeit und auch stillschweigend auf die Rechtsfolgen aus § 377 II, III HGB – beziehungsweise auf den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge – verzichten. Hierfür müssen jedoch eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die der Käufer als (endgültige) Aufgabe des Rechts – hier: des Verspätungseinwands – durch den Verkäufer verstehen darf (im Anschluss an Senat, Urt. v. 19.06.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633, 2634; Urt. v. 25.11.1998 – VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259, 1260; Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20 Rn. 69 f.).
- Solche eindeutigen Anhaltspunkte lassen sich grundsätzlich noch nicht ohne Weiteres einem Schreiben des Fahrzeugverkäufers entnehmen, mit dem der Fahrzeugkäufer über die Bereitstellung eines Softwareupdates durch den Fahrzeughersteller unterrichtet, um die Vereinbarung eines Termins zum Aufspielen des Updates in der Werkstatt des Fahrzeugverkäufers gebeten und auf die Übernahme der Kosten der Maßnahme durch den Hersteller sowie die Möglichkeit einer für den Fahrzeugkäufer kostenlosen Überlassung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer der Maßnahme hingewiesen wird.
BGH, Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 383/20
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Zur Verletzung des Anspruchs der Partei auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 I GG im Zusammenhang mit Vortrag über die Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung (hier: gänzlich unberücksichtigt gebliebener Vortrag des Käufers zu einer weiteren im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines „Thermofensters“ und zu einem unabhängig von einer Nachbesserung dem Fahrzeug anhaftenden merkantilen Minderwert wegen Betroffenheit vom sogenannten Abgasskandal).
BGH, Beschluss vom 05.10.2022 – VIII ZR 88/21
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Ein nicht behebbarer Mangel, mit dem der Käufer dauerhaft leben muss, ist zwar grundsätzlich nicht geringfügig i. S. von § 323 V 2 BGB. Beeinträchtigt der Mangel nicht die Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache, sondern führt er lediglich zu einem Minderwert, kommt eine Geringfügigkeit aber gleichwohl in Betracht, nämlich dann, wenn die Mangelbetroffenheit des Käufers hinreichend ausgeglichen werden kann, indem der Käufer den Kaufpreis mindert oder „kleinen“ Schadensersatz verlangt.
LG Hagen, Urteil vom 27.07.2022 – 21 O 37/19
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- Art. 2 II lit. d der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge fällt, nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn es, obwohl es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt und daher im Straßenverkehr verwendet werden kann, mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, deren Verwendung nach Art. 5 II dieser Verordnung verboten ist.
- Art. 5 II lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung, die insbesondere die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 °C liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, dass nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art. 5 II lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen.
- Art. 3 VI der Richtlinie 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die darin besteht, dass ein Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, deren Verwendung nach Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verboten ist, nicht als „geringfügig“ eingestuft werden kann, selbst wenn der Verbraucher – falls er von der Existenz und dem Betrieb dieser Einrichtung Kenntnis gehabt hätte – dieses Fahrzeug dennoch gekauft hätte.
EuGH (Große Kammer), Urteil vom 14.07.2022 – C-145/20 (DS/Porsche Inter Auto GmbH & Co. KG, Volkswagen AG)
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Eine Berufungsbegründung muss geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung infrage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (im Anschluss an BGH, Urt. v. 23.06.2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11; Urt. v. 14.03.2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; Urt. v. 07.01.2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschl. v. 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9; Beschl. v. 15.03.2022 – VIII ZB 43/21, juris Rn. 13).
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Hat ein Rechtsmittelführer einen – erstinstanzlich zu seinem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen und ist dieser damit nicht zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt worden, kann das rechtliche Gehör (Art. 103 I GG) des Rechtsmittelgegners verletzt sein, wenn das Berufungsgericht, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), dennoch in der Sache – zum Nachteil des Rechtsmittelgegners – über diesen Streitgegenstand entscheidet.
BGH, Beschluss vom 05.07.2022 – VIII ZR 137/21
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Der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20).
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Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen; zu einer Überprüfung des Fahrzeugs kann er vielmehr nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein (im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14 m. w. Nachw.). Solche Umstände liegen vor, wenn ein Gebrauchtwagenhändler beim Ankauf eines Fahrzeugs unspezifisch über einen „reparierten Frontschaden“ informiert wird, bezüglich dessen Reparaturrechnungen nicht vorgelegt werden können, und wenn bei einer bloßen fachmännischen Sichtprüfung Nachlackierungen an der Front, an der Seite und am Heck des Fahrzeugs sowie Glassplitter und Blutspritzer im Fahrzeuginneren erkennbar sind.
OLG Naumburg, Urteil vom 30.05.2022 – 2 U 195/19
(vorangehend: BGH, Beschluss vom 08.09.2021 – VIII ZR 258/20)
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- Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung voraus (im Anschluss an Senat, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 13 ff.; Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 21, 27; Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 37).
- Erfordert die Nacherfüllung hiernach eine Verbringung der Kaufsache an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort und fallen beim Käufer hierfür Transportkosten an, kann er im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten verlangen (jetzt: § 475 IV BGB; im Anschluss an Senat, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 37; Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 29).
- Ein solcher Anspruch auf Zahlung eines (abrechenbaren) Transportkostenvorschusses steht dem Verbraucher grundsätzlich nicht zu, wenn der Verkäufer zu einer für den Verbraucher unentgeltlichen Abholung der Kaufsache und deren Verbringung zum Erfüllungsort bereit ist.
BGH, Urteil vom 30.03.2022 – VIII ZR 109/20
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Zur Verjährung von kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen in einem sogenannten Dieselfall.
BGH, Urteil vom 24.03.2022 – III ZR 263/20
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Zur Frage der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Erklärung des Rücktritts von einem Kaufvertrag bezüglich eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (im Anschluss an Senat, Urt. v. 29.09.2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 21 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Beschl. v. 29.09.2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 33; Beschl. v. 14.12.2021 – VIII ZR 386/20 Rn. 32, zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Urteil vom 26.01.2022 – VIII ZR 140/20
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