Im Ge­braucht­wa­gen­han­del macht es für die Kauf­ent­schei­dung ei­nes po­ten­zi­el­len Käu­fers ei­nen be­trächt­li­chen Un­ter­schied, ob ein Fahr­zeug ei­nen oder drei Vor­be­sit­zer hat­te. Des­halb ist zu ver­lan­gen, dass die An­ga­ben im Kauf­ver­trag mit de­nen im Kfz-Brief (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II) ob­jek­tiv über­ein­stim­men. Tun sie das nicht, weil das Fahr­zeug nicht – wie im Ver­trag an­ge­ge­ben – ei­nen, son­dern drei Vor­be­sit­zer hat­te, liegt ein Sach­man­gel vor (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

OLG Naum­burg, Ur­teil vom 14.08.2012 – 1 U 35/12
(vor­her­ge­hend: LG Des­sau-Roß­lau, Ur­teil vom 24.02.2012 – 2 O 126/09)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen ge­brauch­ten Pkw. Im Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem: „Zahl der Vor­be­sit­zer laut Fahr­zeug­brief/Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II: 2“.

Aus der zur Ge­richts­ak­te ge­reich­ten Ko­pie der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II er­gibt sich als Hal­ter na­ment­lich ge­nannt nur der Zeu­ge B. Es ist aber un­strei­tig, dass es wei­te­re Vor­be­sit­zer ge­ge­ben hat. In der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II heißt es am An­fang ne­ben dem Da­tum der Erst­zu­las­sung: „An­zahl der Vor­hal­ter: 2“.

Nach­dem sich der Vor­trag des Klä­gers zu of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Vor­schä­den an dem Pkw nach dem vom LG Des­sau-Roß­lau ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten nicht be­stä­tigt hat­te, und nach­dem der Zeu­ge B bei sei­ner Ver­neh­mung die Be­haup­tung des Klä­gers, dass das Fahr­zeug als Miet­wa­gen ge­nutzt wor­den sei, eben­falls nicht be­stä­tigt hat­te, stützt der Klä­ger die Kla­ge­for­de­rung nun­mehr al­lein auf die Be­haup­tung, dass der Be­klag­te ihn nicht über sämt­li­che Vor­be­sit­zer des Fahr­zeugs auf­ge­klärt ha­be. In­so­weit ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig, dass der Zeu­ge B das Fahr­zeug an das Au­to­haus S in H. ver­äu­ßert hat. Da an dem Fahr­zeug ein Scha­den am Tur­bo­la­der vor­lag, wur­de das Fahr­zeug von dort an C – eben­falls in H. – wei­ter­ge­reicht. C re­pa­rier­te den Scha­den am Tur­bo­la­der und ver­kauf­te das Fahr­zeug schließ­lich mit schrift­li­chem Kauf­ver­trag vom 15.01.2008 an den Be­klag­ten. Un­strei­tig wur­de (auch) C nicht in den Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen. Wei­ter un­strei­tig hat der Be­klag­te den Klä­ger über die­sen Vor­ei­gen­tü­mer bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht auf­ge­klärt. Der Klä­ger sieht dar­in un­ter Hin­weis auf das BGH-Ur­teil vom 16.12.2009 – VI­II ZR 38/09, NJW 2010, 858 – ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung, die ihn zur Rück­ab­wick­lung des Ver­trags be­rech­tig­te.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge eben­falls un­ter Hin­weis auf das vor­ge­nann­te Ur­teil des BGH über­wie­gend statt­ge­ge­ben.

Ge­gen die­ses Ur­teil wen­det sich die Be­ru­fung des Be­klag­ten, mit der er sei­nen erst­in­stanz­li­chen Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter­ver­folgt. Der Klä­ger ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und macht im We­ge der An­schluss­be­ru­fung vom Land­ge­richt ab­ge­wie­se­ne Re­pa­ra­tur- und War­tungs­kos­ten in Hö­he von 1.801,05 € so­wie wei­te­re vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 213,53 € gel­tend.

Bei­de Recht­mit­tel blie­ben oh­ne Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Be­ru­fung des Be­klag­ten

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat kei­nen Er­folg.

Zwar liegt ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers in der An­ga­be im Kauf­ver­trag „Zahl der Hal­ter ge­mäß Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II: 1“ grund­sätz­lich kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. von § 434 I 1 BGB. Die von der An­schluss­be­ru­fung zi­tier­te Recht­spre­chung ist über­holt, nach­dem der BGH (Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, VersR 2008, 828; Beschl. v. 02.11.2010 – VI­II ZR 287/09, DAR 2011, 520) sei­ne bis­he­ri­ge Recht­spre­chung zu die­sem Punkt aus­drück­lich auf­ge­ge­ben hat. Dies be­deu­tet aber nur, dass die Fra­ge, ob ein Sach­man­gel vor­lie­gen kann, jetzt wei­ter an­hand von § 434 I 2 BGB zu prü­fen ist (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, VersR 2008, 828). Vor­lie­gend kommt ins­be­son­de­re § 434 I 2 Nr. 2 BGB in Be­tracht. Zum Be­reich der Eig­nung zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung ge­hört bei ei­nem Ge­braucht­fahr­zeug grund­sätz­lich auch die An­zahl der Vor­be­sit­zer (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 71. Aufl., § 434 Rn. 29). Nach der vom Land­ge­richt her­an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung des BGH (Urt. v. 16.12.2009 – VI­II ZR 38/09, NJW 2010, 858; Vor­in­stanz: Se­nat, Urt. v. 15.01.2009 – 1 U 50/08) gilt hin­sicht­lich von An­ga­ben über Vor­be­sit­zer:

„Wie das Be­ru­fungs­ge­richt rich­tig ge­se­hen hat, liegt ein sol­cher für den Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens we­sent­li­cher Um­stand vor, wenn der Ver­käu­fer das Fahr­zeug selbst – wie hier – kurz zu­vor von ei­nem ‚flie­gen­den Zwi­schen­händ­ler‘ er­wor­ben hat. In ei­nem sol­chen Fall ist der Ver­käu­fer zur Auf­klä­rung ver­pflich­tet …, denn oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis geht der Käu­fer da­von aus, dass der Ver­trags­part­ner das Fahr­zeug von dem­je­ni­gen über­nom­men hat, der als letz­ter Hal­ter im Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen ist. Hat der Ver­käu­fer kur­ze Zeit vor dem Wei­ter­ver­kauf selbst von ei­ner Per­son un­be­kann­ter Iden­ti­tät er­wor­ben (Her­vor­he­bung durch den Se­nat), liegt der Ver­dacht na­he, dass es wäh­rend der Be­sitz­zeit des un­be­kann­ten Vor­ei­gen­tü­mers zu Ma­ni­pu­la­tio­nen am Ki­lo­me­ter­zäh­ler oder ei­ner sons­ti­gen un­sach­ge­mä­ßen Be­hand­lung des Fahr­zeugs ge­kom­men ist.“

Zwar kann an die­ser Stel­le of­fen­blei­ben, ob die­se Recht­spre­chung auch dann ein­schlä­gig wä­re, wenn es le­dig­lich um die Iden­ti­tät der C ge­hen wür­de. Die Be­ru­fung ver­kürzt aber das Pro­blem, wenn sie nur auf die­ses Un­ter­neh­men ab­stellt. Zwar mag die C nicht un­be­kann­ter Iden­ti­tät und auch greif­bar (Se­nat, Urt. v. 15.01.2009 – 1 U 50/08) sein. Nur: Die An­ga­be in dem Kauf­ver­trag, dass die An­zahl der Hal­ter laut Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II „1“ be­tra­ge, ist ob­jek­tiv falsch, weil sich aus (der Ko­pie) der Ur­kun­de selbst er­gibt, dass es be­reits im Zeit­punkt ih­rer Aus­stel­lung ne­ben dem Zeu­gen B we­nigs­ten zwei wei­te­re Hal­ter ge­ge­ben hat, die na­ment­lich nicht be­kannt sind. Im Ge­braucht­wa­gen­han­del macht es für die Kauf­ent­schei­dung des Käu­fers ei­nen be­trächt­li­chen Un­ter­schied, ob das Fahr­zeug ei­nen oder drei Vor­be­sit­zer hat­te. Die An­ga­be in dem Kauf­ver­trag muss­te mit den An­ga­ben in der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II je­den­falls ob­jek­tiv über­ein­stim­men. Da sie dies nicht tut, lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen von § 434 I 2 Nr. 2 BGB nicht vor mit der Fol­ge, dass der Klä­ger mit dem An­walts­schrei­ben vom 09.02.2009 wirk­sam ge­mäß § 437 Nr. 2 BGB vom Ver­trag zu­rück­tre­ten konn­te. Da der Ver­trag da­mit rück­ab­zu­wi­ckeln ist, ist die Be­ru­fung des Be­klag­ten zu­rück­zu­wei­sen.

2. An­schluss­be­ru­fung des Klä­gers

Auch die An­schluss­be­ru­fung des Klä­gers ist un­be­grün­det. Der Klä­ger hat kei­nen An­spruch auf Aus­gleich der Rech­nung vom 22.12.2011.

Die An­schluss­be­ru­fung ver­kennt, dass § 347 II BGB nicht an­wend­bar ist. Im Zeit­punkt der Ar­bei­ten war der Rechts­streit über den Rück­ge­währan­spruch be­reits rechts­hän­gig. Ab Rechts­hän­gig­keit wird der An­spruch aus § 347 II BGB ge­mäß § 292 II BGB durch die all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten über der Ei­gen­tü­mer-Be­sit­zer-Ver­hält­nis ver­drängt (Stau­din­ger/Kai­ser, BGB, Neu­be­arb. 2012, § 347 Rn. 2). Ein An­spruch auf Er­satz not­wen­di­ger Ver­wen­dun­gen be­steht da­her nur un­ter den zu­sätz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen von § 994 II BGB. Ob es sich da­bei um ei­ne voll­stän­di­ge oder nur par­ti­el­le Rechts­grund­ver­wei­sung auf die Vor­schrif­ten über die Ge­schäfts­füh­rung oh­ne Auf­trag han­delt (Stau­din­ger/Gurs­ky, BGB, Neu­be­arb. 2006, § 994 Rn. 23, 24), kann im Er­geb­nis da­hin­ste­hen. Da nicht er­sicht­lich ist, dass der Be­klag­te die Auf­wen­dun­gen ge­neh­migt hät­te, kommt ein Er­satz nur gem. § 684 Satz 1 BGB in Be­tracht (MünchKomm-BGB/Bal­dus, 5. Aufl., § 994 Rn. 20; da­zu auch BGH, Urt. v. 20.06.1975 – V ZR 206/74, NJW 1975, 1553 [1556]). Der Rech­nung kann in­des nicht hin­rei­chend ent­nom­men wer­den, dass es sich um wert­er­hal­ten­de Auf­wen­dun­gen han­delt, die beim Be­klag­ten spä­ter un­aus­weich­lich eben­falls an­ge­fal­len wä­ren. Da­von kann schon des­halb kei­ne Re­de sein, weil der Be­klag­ten selbst pro­fes­sio­nell im Ge­brauch­wa­gen­ge­schäft tä­tig ist. Dass es sich um wert­stei­gern­de Auf­wen­dun­gen han­del­te, be­haup­tet der Klä­ger selbst nicht ein­mal.

Kommt ein hö­he­rer Zahl­be­trag nicht in Be­tracht, kann sich auch der Ge­gen­stands­wert für die Be­mes­sung der vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walt­kos­ten nicht er­hö­hen. Die An­schluss­be­ru­fung ist da­her eben­falls in vol­lem Um­fang zu­rück­zu­wei­sen. …

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