1. Der Käufer gibt dem Verkäufer bereits dann Gelegenheit zur Nachbesserung, wenn er ihm die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt. Ob der Verkäufer Nachbesserungsarbeiten durchführt oder sich auf bloße Diagnosemaßnahmen – hier: das Auslesen eines Fehlercodes – beschränkt, ist unerheblich.
  2. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer im Sinne von § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers und diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/2014, NJW 2015, 1669 Rn. 22). Als gegen die Zuverlässigkeit des Verkäufers sprechender Umstand kann gewertet werden, dass der Verkäufer die Gelegenheit zur Nachbesserung der Kaufsache lediglich zur Vornahme von Diagnosemaßnahmen – hier: das Auslesen eines Fehlercodes – genutzt hat, ohne Nachbesserungsarbeiten durchzuführen. Unabhängig davon ist die Unzumutbarkeit auch dann gegeben, wenn der Mangel unmittelbare Gefahren für Leib und Leben mit sich bringt, etwa durch einen plötzlichen Ausfall des Motors auf der Autobahn.
  3. Der Verkäufer muss sich einen von einem Dritten unternommenen erfolglosen Nachbesserungsversuch zurechnen lassen, wenn vertraglich geregelt ist, dass der Käufer Mängelbeseitigungsansprüche auch bei Dritten geltend machen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504 Rn.12 ff.), oder wenn sich die Kaufvertragsparteien ausdrücklich darauf geeinigt haben, dass ein Dritter einen Nachbesserungsversuch unternimmt.

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.11.2025 – 10 U 70/24

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger wirksam von einem am 28.07.2020 mit der beklagten Kraftfahrzeughändlerin geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten ist. Der Kaufpreis für das Fahrzeug, einen Kia XCeed, betrug 33.430 €. Der Pkw wurde dem Kläger am 03.08.2020 übergeben.

Mitte September 2020 reagierte das Fahrzeug nicht mehr auf die Betätigung des Gaspedals und ließ sich nicht erneut starten. In der Werkstatt, in die das Fahrzeug geschleppt wurde, wurde der Fehlercode P019100 ausgelesen, der auf ein Probleme mit dem Kraftstoffverteilsystem beziehungsweise dem -drucksensor hinwies. Am 24.11.2021 wurde das Fahrzeug wegen dieses Problems erneut abgeschleppt. Nachdem es in die Werkstatt der Beklagten gebracht worden war, wurde auch dort der Fehlercode P019100 ausgelesen.

Im Juni 2021 erklärte der Kläger nach einem erneuten Ausfall des Fahrzeugs den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte wies diesen Rücktritt zurück.

Im Juli 2021 bot der Kläger an, einen weiteren Nachbesserungsversuch zuzulassen, sofern dieser in einer neutralen Kia-Vertragswerkstatt durchgeführt werde. Damit erklärte sich die Beklagte einverstanden.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen Mangel aufweise, aufgrund dessen der Motor mehrfach während der Fahrt ausgegangen sei, unter anderem auch auf der Autobahn. Der Pkw habe abrupt an Geschwindigkeit verloren und sich nicht mehr starten lassen. Dadurch seien nachfolgende Fahrzeuge zu einer Gefahrenbremsung gezwungen gewesen. Nur der schnellen Reaktion der anderen Fahrer sei es zu verdanken, dass es nicht zu einem gefährlichen Unfall gekommen sei.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dass ein etwaiger Mangel des Fahrzeugs bei Gefahrübergang noch nicht vorhanden gewesen sei. Sie habe nicht mindestens zwei Nachbesserungsversuche unternehmen können, da der Pkw im September 2020 nicht zu ihr, sondern in eine fremde Werkstatt geschleppt worden sei. Zwar sei das Fahrzeug im Februar 2021 zu ihr verbracht worden, doch habe sie über das Auslesen des Fehlercodes hinaus keine Nachbesserungsarbeiten an dem Pkw vorgenommen. Zudem habe der Kläger ihr vor seinem Rücktritt keine Frist zur Nachbesserung gesetzt. Unabhängig davon sei der Rücktritt gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, denn der Mangel sei geringfügig, weil er durch ein Softwareupdate kostengünstig behoben werden könne.

Das Landgericht hat Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben und die Beklagte zur Zahlung von 32.365,59 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sowie zum Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug ist. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.064,41 €, da er wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten sei. Das Fahrzeug weise unstreitig einen Mangel auf, von dem gemäß § 477 I 1 BGB zu vermuten sei, dass er bereits bei Gefahrübergang vorgelegen habe. Es sei der Beklagten nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Eine Frist zur Nachbesserung habe der Kläger der Beklagten gemäß § 475d I Nr. 2 BGB nicht setzen müssen, da sich trotz der von der Beklagten versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeige. Bei einem Verbrauchsgüterkaufvertrag, wie er hier vorliege, gehe § 475b I Nr. 2 BGB dem § 440 Satz 2 BGB vor. Die Warenkaufrichtlinie, die unter anderem durch § 475b BGB in deutsches Recht umgesetzt worden sei, gehe davon aus, dass nach einem Versuch der Nacherfüllung das Vertrauen des Verbrauchers so stark erschüttert sein könne, dass er dem Unternehmer keinen weiteren Nachbesserungsversuch einräumen müsse. Dies sei vorliegend der Fall, denn der Kläger sei mit seinem Fahrzeug aufgrund des Mangels einer erheblichen Gefahr ausgesetzt gewesen. Durch das plötzliche Ausfallen des Motors habe die Gefahr eines Auffahrunfalls und somit die Gefährdung von Leib und Leben bestanden. Es sei dem Kläger deshalb nicht zuzumuten gewesen, der Beklagten erneut die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte nach ihrem Vortrag keine Maßnahmen zur Mangelbeseitigung vorgenommen habe. Der Rücktritt des Klägers scheitere auch nicht an § 323 V 2 BGB. Denn das Softwareupdate, mit dem der Mangel kostengünstig beseitigt werden könne, habe im Juni 2021 unstreitig noch nicht zur Verfügung gestanden.

Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, das Landgericht habe fehlerhaft festgestellt, dass der Kläger wirksam von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückgetreten sei. Sie habe nicht zweimal die Möglichkeit zur Nachbesserung gehabt, weil das Fahrzeug am 17.09.2020 nicht bei ihr zur Nachbesserung gewesen sei.  Ein Nachbesserungsversuch allein genüge nicht. Eine Fristsetzung zur Nachbesserung sei auch nicht entbehrlich gewesen.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Rückzahlung des Kaufpreises für das streitgegenständliche Fahrzeug abzüglich einer Nutzungsentschädigung an den Kläger gemäß §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1 BGB, § 434 I BGB a.F., § 323 BGB verurteilt, denn der Kläger ist wirksam von dem Kaufvertrag über das Fahrzeug vom 28.07.2020 zurückgetreten.

1. Das Fahrzeug war unstreitig mit einem Mangel im Sinne des § 434 I BGB a.F. behaftet, der dazu führte, dass der Motor des Fahrzeugs während der Fahrt ausfällt und sich das Fahrzeug nicht wieder starten lässt, wie durch den in verschiedenen Werkstätten – auch der der Klägerin – ausgelesenen Fehlercode P019100 belegt wird. Dies hat die Beklagte mit der Berufung auch nicht mehr infrage gestellt.

2. Die Beklagte hatte Gelegenheit zur Nachbesserung, als das Fahrzeug am 24.02.2021 nach einem weiteren Ausfall des Motors in ihre Werkstatt geschleppt und sie zur Nachbesserung aufgefordert wurde. Es ist ausreichend, dass sie Gelegenheit zur Nachbesserung hatte, darauf, ob sie einen Nachbesserungsversuch vorgenommen hat, oder – wie sie selbst vorgetragen hat – über das Auslesen des Fehlercodes hinaus nichts getan hat, kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 26.08.2020 – VIII ZR 351/19, BGHZ 227, 15 Rn. 27).

3. Das Landgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass eine Fristsetzung zur Nachbesserung vorliegend entbehrlich war. Zwar lässt sich dies nicht auf § 475d BGB stützen, da diese Norm auf den am 28.07.2020 abgeschlossenen Kaufvertrag nicht anwendbar ist. § 475d BGB wurde mit Gesetz vom 25.06.20211Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags, BGBl. 2021 I S. 2133. eingefügt und gilt (nur) für Verträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen worden sind.

a) Ein weiterer Nachbesserungsversuch durch die Beklagte war jedoch für den Kläger gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder andere Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/2014, NJW 2015, 1669 Rn. 22). Bei seiner Abwägung hat das Landgericht zu Recht den Umstand berücksichtigt, dass es gegen die Zuverlässigkeit der Beklagten spricht, dass sie im Februar 2021 nach eigenem Vortrag über das Auslesen des Fehlercodes hinaus keinen Nachbesserungsversuch vorgenommen hat, als sich das Fahrzeug bei ihr in der Werkstatt befunden hat.

b) Zum anderen war dem Kläger im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Auswirkungen des Mangels eine weitere Mangelbeseitigung durch die Beklagte unzumutbar, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Daran, dass der durch den Fehlercode P019100 bezeichnete Mangel des Kraftstoffverteilsystems zum Ausfall des Motors während der Fahrt, unter anderem auf der Autobahn, geführt hat, hat der Senat keinen Zweifel. Der im Termin vom 23.10.2025 gemäß § 141 I ZPO persönlich angehörte Kläger zeigte sich wahrnehmbar emotional angegriffen, als er bei seiner Schilderung des ersten Motorausfalls den Beinahe-Unfall auf der Autobahn … erneut durchlebte. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein Ausfall des Motors während der Fahrt nicht harmlos, zumal es nicht überall Standstreifen gibt und häufig ein Auslaufen des Fahrzeugs im dichten Verkehr nicht möglich ist.

c) Darüber hinaus war eine Fristsetzung gemäß § 440 Satz 1 Fall 2 BGB schon deshalb entbehrlich, weil die Nacherfüllung durch Nachbesserung des Fahrzeugs fehlgeschlagen ist. Gemäß § 440 Satz 2 BGB gilt die Nachbesserung in der Regel nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. So liegt der Fall hier, denn eine besondere Komplexität oder ungewöhnlich widrige Umstände hat die Beklagte vorliegend nicht geltend gemacht.

Es kann vorliegend offenbleiben, ob das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Ausfall des Motors im September 2020 in die Werkstatt der Beklagten in O. geschleppt worden ist, wie der Kläger behauptet. Nach seinem Vortrag ist das Fahrzeug, nachdem es auf der Autobahn … liegen geblieben ist, zunächst zur Kia-Werkstatt in X. geschleppt worden. Von da aus habe es zur Beklagte geschleppt werden sollen, wie sich auch aus dem Auftrag für die Firma F vom 16.09.2020 ergibt. Dies ist jedenfalls nicht direkt erfolgt, möglicherweise im Hinblick auf die Garantiebedingungen, die ein Verbringen zur nächstgelegenen Vertragswerkstatt vorsehen. Aus der vom Kläger vorgelegten Mitteilung der Kia-Kundenbetreuung vom 22.05.2024 ist zwar eine Garantiereparatur vom 21.09.2020 („Hochdruckpumpe erneuert“) ersichtlich, nicht jedoch, in welcher Werkstatt diese durchgeführt wurde. Der Erhebung des vom Kläger angebotenen Beweises durch Vernehmung des Werkstattmeisters der Beklagten in O. bedarf es allerdings nicht, denn auch so liegen zwei erfolglose Nachbesserungsversuche vor.

Unstreitig ist das Fahrzeug am 24.02.2021 in die Werkstatt der Beklagten geschleppt worden, damit dort der ausgelesenen Fehler P019100 behoben wird. Damit hatte die Beklagte Gelegenheit zur Nachbesserung, egal ob sie diese genutzt hat oder nicht. Jedenfalls war der Mangel danach nicht (endgültig) beseitigt, denn im Juni 2021 kam es zu einem erneuten Ausfall des Motors, wieder wurde der Fehlercode P019100 festgestellt.

Einen weiteren Reparaturversuch in der Kia-Vertragswerkstatt in K. muss sich die Beklagte als eigenen Nachbesserungsversuch zurechnen lassen. § 440 Satz 2 BGB sieht nicht vor, dass der Verkäufer zwingend eigene Nachbesserungsversuche vornehmen muss. Sieht eine vertragliche Regelung wie zum Beispiel Garantiebedingungen oder eine ausdrückliche Einigung vor, dass anstelle des Verkäufers eine andere Werkstatt die Nachbesserung vornehmen soll, muss sich der Verkäufer den fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch zurechnen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504 Rn.12 ff.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.03.2006 – 19 U 156/05, juris Rn. 15, 18). So liegt der Fall hier. Der Kläger hatte sich im Juli 2021 bereit erklärt, einen weiteren Nachbesserungsversuch unter der Bedingung zuzulassen, dass dieser in einer neutralen, dritten Kia-Vertragswerkstatt stattfindet. Damit hat sich die Beklagte im anwaltlichen Schriftsatz vom 12.08.2021 einverstanden erklärt. Den weiteren Reparaturversuch in K., der sich im Hinblick darauf, dass das Fahrzeug im März 2022 erneut während der Fahrt ausfiel, als erfolglos herausstellte, muss die Beklagte sich deshalb als zweiten erfolglosen Nachbesserungsversuch zurechnen lassen.

4. Der Kläger hat gemäß § 349 BGB den Rücktritt gegenüber der Beklagten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.06.2021 wirksam erklärt. Er ist durch das Angebot eines weiteren Nachbesserungsversuches vom 21.07.2021 von dem Rücktritt auch nicht abgerückt, denn er hat in dem vorgenannten Schreiben, mit dem er sich mit einem erneuten Nachbesserungsversuch einverstanden erklärt hat, darauf hingewiesen, dass er an dem Rücktritt festhält. Überdies hat er mit Schriftsatz vom 09.03.2022 abermals den Rücktritt erklärt.

5. Das Landgericht hat ebenfalls zutreffend festgestellt, dass der Rücktritt nicht gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen ist. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen.

III. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision nach § 543 II 1 ZPO ist nicht veranlasst. Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

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