- Ein Kaufinteressent, der mit einem von einem Kfz-Händler zum Kauf angebotenen Fahrzeug eine Probefahrt unternimmt, ist lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB) des Händlers, wenn dieser sein Verlustrisiko und sein Vertrauen in den Kaufinteressenten durch nach außen sichtbare Weisungen und Einflussmöglichkeiten in einer Weise abgesichert hat, dass er jederzeit über die Frage des Ob und Wie der Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft alleinverbindlich entscheiden und seine Weisungen gegen den Willen des Kaufinteressenten durchsetzen kann, und wenn er einem Eigentumsverlust ausreichend wirksame Hindernisse entgegengesetzt hat. So liegt es, wenn der Händler sowohl den Personalausweis als auch den Führerschein des Kaufinteressenten fotokopiert, dessen ständige telefonische Erreichbarkeit sicherstellt und dem Kaufinteressenten ein mit roten Kennzeichen versehenes Fahrzeug nebst einer Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) für eine lediglich einstündige Probefahrt überlässt.
- Überlässt ein Kfz-Händler einem als Besitzdiener (§ 855 BGB) anzusehenden vermeintlichen Kaufinteressenten ein Fahrzeug für eine Probefahrt und gibt der vermeintliche Kaufinteressent das Fahrzeug nicht zurück, so kommt es dem Händler i. S. von § 935 I BGB abhanden. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an dem Fahrzeug ist deshalb ausgeschlossen.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.12.2018 – 15 U 84/18
Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte gutläubig Eigentümerin eines Kraftfahrzeugs geworden ist.
Dieses Fahrzeug, ein Mercedes-Benz V 220 d mit einem Wert von 52.900 €, stand ursprünglich im Eigentum der Klägerin, die als Mercedes-Benz-Vertragspartnerin ein Autohaus betreibt und den Kleintransporter als Vorführwagen nutzte. Am 26.08.2017 erschien bei der Klägerin ein vermeintlicher Kaufinteressent K, der eine Probefahrt mit dem Mercedes-Benz V 220 d unternehmen wollte und der Klägerin hochwertige Fälschungen eines italienischen Personalausweises, eines italienischen Führerscheins und einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt vorlegte. Die Klägerin kopierte diese Dokumente und schloss mit K einen schriftlichen „Fahrzeug-Benutzungsvertrag“. Darin war unter anderem vermerkt, dass K das Fahrzeug am 26.08.2017 um 12.30 Uhr zurückzugeben habe. Außerdem notierte die Klägerin eine „funktionierende“ Mobilfunknummer, die allerdings nicht K, sondern einem unbekannten Dritten zugeteilt worden war. Für die unbegleitete Probefahrt überließ die Klägerin dem K den mit roten Kennzeichen versehenen Mercedes-Benz V 220 d, einen Fahrzeugschlüssel, das Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein). Nachdem K gegen 11.30 Uhr vom Betriebsgelände der Klägerin gefahren war, teilte er der Klägerin gegen 12:20 Uhr telefonisch mit, dass sich seine Rückkehr etwas verzögern werde. Gegen 13:00 Uhr versuchte die Klägerin mehrfach vergeblich, K ihrerseits telefonisch zu erreichen. Schließlich meldete sie der Polizei den Verlust des Fahrzeugs.
Anfang September 2017 wurde der Mercedes-Benz V 220 d von einem privaten Anbieter auf der Internetplattform „mobile.de“ zum Kauf angeboten. Dort wurde die Beklagte auf das Fahrzeug aufmerksam. Sie vereinbarte mit dem ihr unbekannten Verkäufer, der mit ausländischem Akzent sprach, telefonisch, sich mit ihm am 15.09.2017 am Hauptbahnhof in S. zu treffen, um das Fahrzeug für 46.500 € zu erwerben.
Nachdem die Beklagte in Begleitung ihres Ehemanns und ihrer Tochter am 15.09.2017 in S. angelangt war, dirigierte sie eine unbekannte Person telefonisch zu einem Treffpunkt am Hauptbahnhof. Dort erschien eine männliche Person, die sich unter Vorlage einer ausweisähnlichen Plastikkarte als V aus O. (Deutschland) ausgab. Eine Person mit diesen Daten ist den deutschen Melde- und Ausländerbehörden nicht bekannt. V legte hochwertige Fälschungen einer Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II (Fahrzeugbrief) mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer des Mercedes-Benz V 220 d, eine Prüfbescheinigung bezüglich der im Fahrzeug vorhandenen Flüssiggasanlage sowie ein Serviceheft vor. Die Zulassungsbescheinigung war unter Verwendung eines originalen, am 24./25.11.2015 entwendeten Blankoformulars angefertigt worden. Die Beklagte, die die Fälschung nicht erkannte, schloss mit V unter Verwendung eines ADAC-Vertragsformulars einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug. Auf Wunsch des V wurde in diesem Vertrag anstelle des in Wirklichkeit vereinbarten Kaufpreises (46.500 €) lediglich ein Kaufpreis von 43.500 € vermerkt; dies – so gab V an – sei „besser für seine Arbeit“. Die Beklagte zahlte den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis in bar an V und erhielt im Gegenzug das Fahrzeug, die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sowie einen zum Fahrzeug passenden und einen weiteren, nicht dazu passenden – gestohlenen – Schlüssel.
In der Folgezeit lehnte die Zuständige Behörde die Zulassung des Mercedes-Benz V 220 d auf die Beklagte unter Hinweis darauf ab, dass das Fahrzeug als gestohlen gemeldet worden sei. Die Beklagte verlangte deshalb von der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 29.09.2017, in dem die Eigentumsverhältnisse aus Sicht der Beklagten dargestellt wurden, unter Fristsetzung die Herausgabe der für das Fahrzeug ausgegebenen (echten) Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sowie des zweiten Originalschlüssels. Die Klägerin lehnte eine Herausgabe ab und forderte die Beklagte ihrerseits mit anwaltlichem Schreiben vom 11.10.2017 unter Fristsetzung zur Herausgabe des Mercedes-Benz V 220 d auf.
Die Klägerin meint, sie habe das Eigentum an dem Fahrzeug behalten, weil K bei der Probefahrt ihr Besitzdiener (§ 855 BGB) gewesen sei und die Unterschlagung des Fahrzeugs durch K rechtlich dazu führe, dass ihr – der Klägerin – das Fahrzeug abhandengekommen sei. Angesichts der nicht für die Redlichkeit des V sprechenden ungewöhnlichen Umstände (Treffen am Hauptbahnhof, Person des V, lückenhafter schriftlicher Kaufvertrag mit Angabe eines nicht vereinbarten Kaufpreises) sei die Beklagte im Übrigen nicht i. S. von § 932 I 1, II BGB gutgläubig gewesen.
Das Landgericht hat die auf Herausgabe des Mercedes-Benz V 220 d und den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage mit Versäumnisurteil vom 12.03.2018 abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es festgestellt, dass die Beklagte Eigentümerin des Fahrzeugs sei, und die Klägerin verurteilt, der Beklagten die originale Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sowie den zweiten Fahrzeugschlüssel herauszugeben. Gegen das Versäumnisurteil hat die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt.
Das Landgericht hat das Versäumnisurteil mit Urteil vom 25.04.2018 aufrechterhalten. Es hat ausgeführt, der geltend gemachte Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) stehe der Klägerin nicht zu, weil sie nicht Eigentümerin des Mercedes-Benz V 220 d sei. Vielmehr habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Beklagte gutgläubig das Eigentum an dem Fahrzeug erworben habe. Dieses sei der Klägerin nicht i. S. von § 935 I BGB abhandengekommen, weil K bei der Probefahrt nicht Besitzdiener der Klägerin gewesen sei. Es fehle an einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis; zudem habe die Klägerin während der Probefahrt nicht jederzeit auf das Fahrzeug zugreifen können, weil K die Probefahrt unbegleitet unternommen habe und kein GPS-Ortungssystem zum Einsatz gekommen sei. Es sei einem Kfz-Händler indes zumutbar, ein solches System einzusetzen oder Probefahrten zu begleiten. Sowohl die Beklagte als auch ihr Ehemann und ihre 15-jährige Tochter – so das Landgericht – hätten jeweils glaubhafte Aussagen gemacht, die die Annahme eines guten Glaubens aufseiten der Beklagten rechtfertigten und dazu passten, dass V der Beklagten eine qualitativ hochwertig gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt habe. Diese Fälschung habe die Beklagte nicht – auch nicht mit Rücksicht auf die übrigen Umstände (Straßenverkauf) – zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen. Es sei daher nicht festzustellen, dass die Beklagte mindestens infolge grober Fahrlässigkeit verkannt habe, dass V nicht Eigentümer des Mercedes-Benz V 220 d gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als der vereinbarte Kaufpreis (46.500 €) nicht in einem auffälligen Missverhältnis zum – unstreitigen – Wert des Fahrzeugs (52.900 €) gestanden habe. Insgesamt müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte Opfer organisierter Kriminalität geworden sei.
Die Berufung hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Berufung ist begründet, weil die mit dem angefochtenen Urteil erfolgte Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils, mit dem das Landgericht das Herausgabebegehren der Klägerin abgelehnt und auf die Widerklage das Eigentum der Beklagten an dem herausverlangten Pkw festgestellt hat, an einem Rechtsfehler leidet, auf dem das Urteil auch beruht (§ 513 I ZPO). Das ergangene Versäumnisurteil war aufzuheben (§ 343 Satz 2 ZPO).
Die Klägerin kann als Eigentümerin des Mercedes und des dazugehörigen Originalfahrzeugschlüssels deren Herausgabe von der Beklagten nach § 985 BGB verlangen, weil diese nicht nach § 932 I 1, II BGB kraft gutgläubigen Erwerbs von dem unbekannten Verkäufer am Bahnhof in S. am 15.09.2017 Eigentümerin geworden ist und ihr auch sonst kein Recht zum Besitz zusteht (§ 986 I 1 BGB).
Zwar begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht aufgrund seiner sorgfältigen Feststellungen zu den Umständen des dinglichen Erwerbs an diesem Tag – die der Senat gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat – trotz einer nicht unerheblichen Anzahl von Auffälligkeiten bei dem Kauf zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beklagten sei nicht bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen, dass der Mercedes nicht dem unbekannten Veräußerer gehörte (§ 932 II BGB). Maßgeblich hierfür ist die Verwendung einer den mutmaßlichen Verkäufer mit seinem Namen ausweisenden Fälschung einer Zulassungsbescheinigung Teil II unter Verwendung des Originals einer in einer Straßenverkehrsbehörde gestohlenen Urkunde. Die Feststellungen tragen den von der Rechtsprechung insbesondere zu den Prüfungspflichten bei gefälschten Zulassungsbescheinigungen herausgearbeiteten Anforderungen umfassend Rechnung (vgl. u. a. OLG Braunschweig, Urt. v. 10.11.2016 – 9 U 50/16, juris Rn. 15 f.; Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10, juris Rn. 36 ff.; LG Kleve, Urt. v. 12.01.2018 – 3 O 257/17, juris Rn. 24).
Ein gutgläubiger Erwerb trat aber entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts deshalb nicht zulasten der Klägerin ein, weil ihr der Mercedes abhandengekommen ist (§ 935 I BGB).
Zu Recht geht das Landgericht dabei im Ausgangspunkt davon aus, dass die Frage, ob bei einer Probefahrt der eine Besitzkehr ausübende Kaufinteressent Besitzdiener des Autoverkäufers ist, uneinheitlich beurteilt und von der Rechtsprechung bislang noch nicht abschließend geklärt ist. Das Landgericht hat deshalb Anlass dafür erblickt, die Voraussetzungen einer Besitzdienerschaft i. S. von § 855 BGB restriktiv zu interpretieren und zudem um eine fallbezogene Folgenbetrachtung und Interessengewichtung zu ergänzen. Es hat sich dabei allerdings nicht ausreichend an dem Sinn und Zweck der §§ 932, 935 BGB und der Wertung der Bestimmung des § 856 II BGB orientiert, die eine vorübergehende Verhinderung bei der unmittelbaren Sachherrschaft für unschädlich erklärt.
Eine Sache ist dem Eigentümer abhandengekommen, wenn er oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz unfreiwillig – nicht notwendigerweise gegen seinen Willen – verliert (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 = NJW 2014, 1524 Rn. 22; Palandt/Herrler, BGB, 77. Aufl. [2018], § 935 Rn. 3). Dem unmittelbaren Besitz als tatsächliche Gewalt über eine Sache (§ 854 I BGB) gleichgestellt ist – den Bedürfnissen arbeitsteiliger Abläufe des Wirtschaftslebens Rechnung tragend – die Ausübung der tatsächlichen Gewalt durch jemanden, der dies für einen anderen in dessen Haushalt, Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis tut, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Dann ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt Besitzdiener und nur der andere Besitzer (§ 855 BGB). Dessen nicht vorhandene räumlich-faktische Machtbeziehung wird durch eine rechtlich bewirkte Zuweisung der Sachherrschaft des Besitzdieners an den Besitzherrn – genauso wie bei dem mittelbaren Besitz nach § 868 BGB – ersetzt. Unterschlägt der Besitzdiener die Sache, kommt sie deshalb dem Besitzherrn abhanden (MünchKomm-BGB/Joost, 7. Aufl. [2017], § 855 Rn. 18).
Uneinigkeit besteht bei der auch eine Probefahrt kennzeichnenden Abtrennung der tatsächlichen Sachherrschaft von der übergeordneten Sachberechtigung angesichts des engen Wortlauts und der inneren Systematik des § 855 BGB, die das Erfordernis eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses nahelegen, darüber, ob ein Kaufinteressent im Rahmen einer Probefahrt Besitzdiener ist und deshalb bei einer Besitzkehr durch ihn die Sache dem Eigentümer abhandenkommen kann.
Teilweise wird mit diesen Argumenten bei einer Probefahrt eine Besitzdienerschaft abgelehnt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.03.1992 – 1 U 70/91, juris Rn. 6). Dieser Auffassung hat sich auch das Landgericht angeschlossen. Von einer anderen Meinung werden die bei einer Probefahrt nur eingeschränkt erfüllten Voraussetzungen des § 855 BGB indes für unbefriedigend gehalten und – auf anderer Ebene – ein Abhandenkommen bereits deshalb angenommen, weil die Aushändigung des Pkw an den Kaufinteressenten lediglich eine Besitzlockerung sei (MünchKomm-BGB/Oechsler, 7. Aufl. [2017], § 935 Rn. 11; MünchKomm-BGB/Joost, a. a. O., § 854 Rn. 7). Die eine Besitzdienerschaft bei einer Probefahrt bejahende Auffassung (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, juris Rn. 3; Urt. v. 19.11.1999 – 3 U 93/99, OLGR 2000, 263; Erman/A. Lorenz, BGB, 15. Aufl. [2017], § 855 Rn. 13; BeckOK-BGB/Fritzsche, 48. Edition [2018], § 855 Rn. 13, 16; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. [2011], § 9 Rn. 13) entnimmt der Bestimmung des § 855 BGB nicht die zwingende Notwendigkeit des Vorliegens eines Abhängigkeits- oder eines sozialen Über- oder Unterordnungsverhältnisses zwischen Besitzer und Besitzdiener, sondern hält eine Beziehung für ausreichend, welche den Besitzer zur jederzeitigen Weisung bzw. zum Eingreifen berechtigt (i. E. ebenso gegen eine einschränkende Anwendung des § 855 BGB Palandt/Herrler, a. a. O., § 935 Rn. 8 m. w. Nachw.). Eine damit im Wesentlichen übereinstimmende Meinung möchte danach unterscheiden, ob der Besitzdiener nach außen klar vom Besitzmittler unterschieden werden kann (Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2017, Rn. 14).
Der BGH hat unter ausdrücklicher Ablehnung sowohl einer analogen Anwendung des § 855 BGB als auch einer bloßen Lockerung des unmittelbaren Besitzes bisher offengelassen, ob stets ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis zu fordern ist (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, juris Rn. 13 f., 20; Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 = NJW 2014, 1524 Rn. 15) oder – wofür beide Entscheidungen eingeschränkte Hinweise bieten – letztlich entscheidend auf die Qualität der Weisungsbefugnis und Einwirkungsmöglichkeiten abzustellen ist. Die Annahme einer Besitzdienerstellung lässt sich nach Auffassung des BGH allenfalls damit rechtfertigen, dass der Kaufinteressent zuvor in keinem besitzrechtlichen Verhältnis zum Verkäufer steht und die Probefahrt sowohl hinsichtlich der Frage, ob sie überhaupt stattfindet, als auch in ihrer konkreten Ausgestaltung einzig von dem Willen des Händlers abhängig ist (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, juris Rn. 15). In jedem Fall sei erforderlich, dass der Eigentümer die Einhaltung seiner Weisungen im Nichtbefolgungsfall aufgrund eines Direktionsrechts oder vergleichbarer Befugnisse unmittelbar selbst durchsetzen könne (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, juris Rn. 13) und sich nicht seiner Einflussmöglichkeiten begebe (Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 = NJW 2014, 1524 Rn. 15). Für eine solche Interpretation wird vom BGH die vergleichbare Abwägung bei einem Gefälligkeitsverhältnis und der dort höher zu bewertenden Kontinuitätsinteressen des Erlaubenden aus Anlass der von dem Nutzer zu erwartenden Loyalität gegenüber den Weisungen des Erlaubenden erwogen (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, juris Rn. 15).
Weil eine einstündige unbegleitete Probefahrt unzweifelhaft keine bloße Lockerung des unmittelbaren Besitzes mehr ist, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits rechtlich darauf an, ob entweder § 855 BGB überhaupt im Rahmen des Gutglaubenserwerbs nach § 935 BGB für die Beurteilung des Abhandenkommens herangezogen werden darf und — wenn dies der Fall ist — zwingend das Vorliegen eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses die Eigenschaft des Besitzdieners prägt. Denn vorliegend bestand jedenfalls ein solches soziales Verhältnis in einem engeren Verständnis zwischen der Klägerin und K nicht.
Der Senat hält es für richtig, die Rechtsfigur des Besitzdieners nach § 855 BGB als gesetzlichen Besitztypus auch im Rahmen des Gutglaubenserwerbes grundsätzlich anzuerkennen, dabei aber vornehmlich auf das nach außen ausgedrückte Maß der Ausprägung des Direktionsrechts abzustellen und die ihm zugrunde liegenden Über- und Unterordnungsverhältnisse nicht nur auf solche im Rahmen sozialer Verhältnisse zu beschränken (ebenso i. E. OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, juris Rn. 3; ebenfalls kritisch MünchKomm-BGB/Joost, a. a. O., § 855 Rn. 5 unter Hinweis auf eine begriffliche Unschärfe der Bezeichnungen „sozial“ und „Abhängigkeitsverhältnis“). Letzteres trägt der Vielfalt von arbeitsteiligen Sachberechtigungen im Kontext von Rechtsscheinerwerben nicht ausreichend Rechnung und verkennt, dass § 855 BGB mit seinem Abstellen auf soziale Verhältnisse auf den hier interessierenden Schutzzweck des § 935 I BGB nicht passt, sondern stattdessen allein den Anwendungsbereich des Besitzschutzes (z. B. § 861 BGB) eingrenzt, der auf das hinter dem Besitz stehende Recht zielt (MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 935 Rn. 10). Umgekehrt steht das Abstellen darauf, inwieweit der Berechtigte nach außen erkennbar sein Loyalitätsrisiko durch Vernachlässigung eines von sichtbaren durchsetzungsfähigen Zugriffsmöglichkeiten geprägten Machtverhältnisses vernachlässigt hat, im Einklang mit dem von den §§ 932, 935 BGB verfolgten Sinn und Zweck. Ihr Rechtsscheinerwerb verfolgt eine Sanktionierung der Risikoentscheidung des Alteigentümers einerseits und ausreichende Publizität bei dem Veräußerer andererseits. Wer seinen Besitz unachtsam absichert und dadurch den bei dem Verkäufer entstehenden Rechtsschein zurechenbar veranlasst, soll sein Eigentum verlieren, wenn der Erwerber durch ausreichende Sorgfalt schutzwürdig ist (MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 932 Rn. 3 f., 7). Die Bestimmung des § 855 BGB kann deshalb lediglich im Kontext seiner ursprünglichen Bestimmung der Klärung des Besitzschutzes zwischen Besitzherr und Besitzdiener eine nach ihrem Sinn und Zweck einschränkende, am Wortlaut orientierte Auslegung erfahren. Die Vorschrift ist umgekehrt als Hilfsvorschrift im Rahmen einer Anwendung des § 935 BGB mit einem Schwerpunkt auf der Ausprägung der durch Weisungen erzeugten Machtbeziehung zu lesen. Das entspricht der Parallele zu § 854 BGB, auf dessen – gerade nach der Verkehrsanschauung beurteilte – unmittelbare Sachherrschaft das Abhandenkommen nach § 935 BGB ebenfalls abstellt. Die dabei genauso wie auf Veräußererseite an die Publizität anknüpfende Erkennbarkeit meint eine solche, bei der die Machtbeziehung für Personen, die darauf achten, gegeben ist (MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 854 Rn. 13). Entscheidend berücksichtigt eine solche Auslegung dabei die Wertung der nach ihrer systematischen Stellung hinter § 855 BGB auch für den Besitzdiener geltenden Bestimmung des § 856 II BGB, wonach durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt der Besitz nicht beendigt wird. Entsprechend hat die Rechtsprechung selbst bei sehr weiter räumlicher Entfernung die nötige Einwirkungsmöglichkeit bei § 855 BGB bejaht (BGH, Urt. v. 07.07.1971 – VIII ZR 228/69, WM 1971, 1268 bei einem jahrelang in Südafrika befindlichen Angestellten eines in Deutschland ansässigen Unternehmens; MünchKomm-BGB/Joost, a. a. O., § 854 Rn. 11).
Auf diese Weise verlagert sich die Prüfung auch nicht in die Bewertung der Art des schuldrechtlichen Geschäfts, die das Landgericht zum zentralen Argument für die Ablehnung des § 855 BGB genommen hat. Denn die Feststellung, ob es sich um eine Miete, eine Leihe, ein Gefälligkeitsverhältnis oder eben um ein Kaufanbahnungsverhältnis handelt, sagt über die für die Wertung des Gutglaubenserwerbes entscheidende Frage der Gestaltung der Risikoentscheidung durch den Eigentümer wenig aus. Entscheidender ist, inwieweit der Eigentümer die bei einem sozialen Verhältnis typischerweise ausgeprägte Möglichkeit der Gewissheit über die Identität und Integrität seines Besitzdieners durch vergleichbare Vergewisserung und vergleichbaren Einfluss bei einem zeitlich kürzeren Weisungsverhältnis ersetzt hat. Ein Abstellen auf diese Ausprägung der Machtbeziehung schafft zudem einen Anschluss an die § 935 BGB stets unterfallenden Fälle des Trickdiebstahls, in denen der Dieb eine Gewahrsamslockerung durch Täuschung bewirkt. Dieses täuschungsbedingte Erlangen einer weisungsgebundenen unmittelbaren Sachherrschaft liegt damit wertungsmäßig auf einer Ebene.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist nach Auffassung des Senats als rechtlicher Maßstab für die Annahme einer Besitzdienerschaft nach § 855 BGB im Anwendungsbereich des § 935 BGB zu fordern, dass der Besitzherr sein Verlustrisiko und Vertrauen in den Besitzerwerber durch nach außen sichtbare Weisungen und Einflussmöglichkeiten in einer Weise abgesichert hat, dass er jederzeit über die Frage des Ob und Wie der Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft alleinverbindlich entscheiden und seine Weisungen gegen den Willen des anderen durchsetzen kann und einem Eigentumsverlust gegenüber ausreichend wirksame Hindernisse bereitet hat.
Bei der Beurteilung der Wirksamkeit dieser Weisungen ist dabei auf den in der Rechtsordnung regelmäßig zugrunde gelegten Fall einer redlichen Sachverhaltsgestaltung und auf übliche Gefahren, nicht aber grundsätzlich auf den – gar professionell organisierten – Missbrauchsfall oder darauf abzustellen, ob der Zugriff jederzeit gelingen kann. Denn sonst gäbe es relevante Rechtsscheinsachverhalte und die Gewahrsamslockerung nach § 856 II BGB nicht. Ebenfalls kommt es bei § 855 BGB lediglich auf die objektive Herrschaftssphäre an und nicht auf eine subjektive Willensrichtung im Sinne eines vorhandenen besonderen Besitzdienerwillens (Erman/A. Lorenz, a. a. O., § 855 Rn. 5).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Klägerin sowohl gegenüber K als auch gegenüber dem Rechtsverkehr in ausreichender Weise durch Weisungen und andere Vorkehrungen dokumentiert, dass jener bei der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über den Mercedes jederzeit und ausschließlich von dem Willen der Klägerin abhängig war. Die Klägerin hat sowohl den von K vorgelegten Personalausweis, den Führerschein und sogar die Meldebescheinigung … geprüft und fotokopiert. Dass es sich dabei um qualitativ sehr hochwertige Fälschungen aus dem Bereich organisierter Kriminalität handelt, kann der Klägerin nicht als leichtfertiges Eingehen eines Loyalitätsrisikos angelastet werden, weil die Fälschungen als solche kaum erkennbar waren.
Wie ausgeprägt die Abhängigkeit des K von den Weisungen der Klägerin ausgestaltet war, zeigt sich daran, dass diesem lediglich für eine kurze Zeit von einer Stunde das Fahrzeug überlassen wurde (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, juris Rn. 20: die kurze Dauer einer Probefahrt spreche bereits für sich genommen in der Regel gegen eine Übertragung des unmittelbaren Besitzes) und die ständige Erreichbarkeit durch dessen notierte und funktionsfähige Mobilfunknummer vereinbart wurde. Auf diese Weise konnte die Klägerin jederzeit einen Abbruch oder eine Veränderung der Probefahrt anordnen.
Dass sich K entsprechend den engen Weisungen der Klägerin selbst verpflichtet sah, dokumentiert der Umstand, dass er ihr – notwendigerweise zu Täuschungszwecken – eine Verspätung telefonisch angekündigte, um von der Klägerin veranlasste polizeiliche Maßnahmen herauszuzögern.
In besonderer Weise drückt sich die Ausgestaltung eines Schutzes vor einem durch Besitzkehr ermöglichten Eigentumsverlust aber darin aus, dass K neben einem Schlüssel lediglich eine Fotokopie einer Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) – anstelle des vorhandenen Originals – ausgehändigt wurde und – entscheidend – für jeden Dritten erkennbar eine Fahrt mit roten Kennzeichen sichtbar war. Nach der Verkehrsanschauung ist im Unterschied zu einem Kurzzeitkennzeichen (§ 19 FZV) derjenige, der mit einem roten Kennzeichen (§ 16 FZV, auch „Händlerkennzeichen“) und der bloßen Fotokopie einer Zulassungsbescheinigung unterwegs ist, regelmäßig im Rahmen einer Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt mit kurzzeitiger und eingeschränkter Berechtigung im Straßenverkehr unterwegs. Das unterscheidet den Fall grundlegend von demjenigen, der der Entscheidung des BGH in seinem Urteil vom 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 = NJW 2014, 1524 Rn. 15 – unter Verneinung einer Besitzdienerschaft im Rahmen einer Probefahrt zugrunde lag. Dort hatte der Autohändler dem Kaufinteressierten nicht nur das Fahrzeug mit dem Schlüssel, sondern neben dem Fahrzeugschein sogar den Fahrzeugbrief übergeben und sich deshalb nach Auffassung des BGH seiner für die Annahme des § 855 BGB entscheidenden Einflussmöglichkeiten begeben. Umgekehrt stellt sich die von K erworbene Sachherrschaft mit roten Kennzeichen und bloßer Kopie der Zulassungsbescheinigung bei einer gebotenen faktischen Betrachtungsweise nicht als Ausdruck einer weitgehenden rechtlichen Befugnis dar (vgl. BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, juris Rn. 22).
Anders als das Landgericht meint, lassen sich auch gerade aus dem für die Probefahrt verwendeten Formular keine Hinweise auf eine andere Beurteilung entnehmen. Dieses diente nach Auffassung des Senats neben der notwendigen straßenverkehrszulassungsrechtlichen Legitimation mittels Einträgen im Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft – dessen Verwendung zwischen den Parteien im zweiten Rechtszug unstreitig geworden ist – und durch die Kennzeichnung als „Probefahrt“ anstelle eines Mietvertrags erkennbar der Dokumentation der Personalien des Kaufinteressenten und der Vereinbarung einer Selbstbeteiligung bei Schäden. Gegen einen Rechtsbindungswillen im Sinne eines – einer eingeschränkten Machtbeziehung als mittelbarer Besitz zuzuordnenden – Mietvertrags oder einer Leihe sprechen zudem die sehr kurze Nutzungsdauer und der allgemeine Umstand, dass die Benutzungsberechtigung im Rahmen einer Probefahrt ganz überwiegend als Teil der Vertragsanbahnung eines Kaufs mit unterschiedlich starken Rechtspositionen der Beteiligten in Bezug auf die Sachberechtigung angesehen wird (h. M.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. [2018], § 598 Rn. 5 m. w. Nachw.; vgl. auch OLG Bremen, Urt. v. 14.09.2005 – 1 U 50/05, juris Rn.27; OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, juris Rn. 3; Jox, NZV, 1990, 53 ff.)
Die Klägerin hatte mit der gewissenhaften Feststellung der Personalien und dem Einbehalt sämtlicher Zulassungsbescheinigungen das nach der Verkehrsanschauung üblicherweise Erforderliche getan. Das gilt selbst mit Rücksicht auf den Wert des Fahrzeugs von circa 52.900 €, weil das Fehlen der – nicht einfach zu fälschenden – Zulassungsbescheinigung einer Weiterveräußerung erhebliche Hindernisse entgegenstellt. Die von dem Landgericht als gebotene Einflussmaßnahme erblickte Händlerbegleitung würde jeden Fall der Probefahrt rechtlich zum unmittelbaren Besitz des Händlers nach § 854 BGB oder zur Besitzdienerschaft des Begleiters machen. Zudem findet eine solche Pflicht weder nach der Verkehrsanschauung noch nach dem Gesetz eine Grundlage. § 16 FZV verzichtet bei Probefahrten mit roten Kennzeichen weiterhin auf eine Händlerbegleitung. Eine – insbesondere verdeckte – GPS-Positionsüberwachung (sog. GPS-Tracker) genügt nicht der notwendigen Erkennbarkeit der Weisungsunterworfenheit nach außen (vgl. zu dieser auch bei § 855 BGB geltenden Publizitätsfunktion BeckOK-BGB/Fritzsche, a. a. O., § 855 Rn. 13) und verschiebt – ohne dass sich der Senat mit den vielfältigen Einzelheiten und Unzulänglichkeiten dieser Überwachungstechnik sowie dem damit jeweils verbundenen Gesichtspunkt des Datenschutzes näher befassen muss – den sich an objektiven Kriterien des Rechtsverkehrs und nicht an professionellen Missbrauchsfällen orientierenden Besitzschutz in einen kaum eingrenzbaren Bereich technischer Absicherung des Rechtslebens und vermischt dabei mögliche Anforderungen von Diebstahlsversicherungen bei Händlerprobefahrten mit dem Besitzschutz. Dieser stellt in sinnvoller Bemessung auf eine potenzielle und nicht faktisch stets erfolgreiche Einflussmöglichkeit ab (MünchKomm-BGB/Joost, a. a. O., § 856 Rn. 12). Dieses Ergebnis entspricht der Fallgruppe gestohlener Sachen nach § 935 BGB, bei denen es an einem Abhandenkommen selbst dann nichts ändert, wenn eine hochwertige Sache von dem unmittelbaren Besitzer leichtfertig dem Zugriff Dritter preisgegeben wird.
Ebenfalls scheidet vor diesem Hintergrund eine den Anwendungsbereich der §§ 932, 935, 855 BGB einschränkende Interpretation durch eine Folgenbetrachtung aus, wie sie das Landgericht indes im Ergebnis vorgenommen hat. Es hat argumentiert, die Klägerin sei aufgrund der erwähnten besseren Sicherungsmöglichkeiten weniger schützenswert als die gutgläubige Beklagte als Erwerberin. Abgesehen davon, dass eine derartige Aufnahme von Gesichtspunkten des Mitverschuldens (§ 254 BGB) dem Verzicht des Gesetzgebers auf Verschuldenselemente aufseiten des Alteigentümers widerspricht und ein Verschulden nach § 932 II BGB lediglich dem Erwerber zuordnet (MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 932 Rn. 7), eignet sich der Gutglaubenserwerb auch nicht für eine präventive Steuerung bei bestimmten – gegebenenfalls versicherungsrechtlich oder volkswirtschaftlich besonders relevanten – Fallgruppen (MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 932 Rn. 30). Es kann deshalb aus dem Gesetz nicht der Grundsatz abgeleitet werden, die Erwerber von Kraftfahrzeugen von Angehörigen organisierter Kriminalität genössen den Vorzug vor den – von derselben Tätergruppe genauso geschädigten – Eigentümern.
Unabhängig davon erblickt der Senat aber auch im konkret zu entscheidenden Fall keine größere Schutzwürdigkeit der Beklagten gegenüber der Klägerin. Die Beklagte muss sich nach den Feststellungen des Landgerichts den Vorwurf der Fahrlässigkeit an der Grenze zu grober Fahrlässigkeit gefallen lassen, weil sie sich auf einen im Internet unter auffälligen Preisverhältnissen mit einem anonymen Verkäufer begonnenen Verkauf am Hauptbahnhof in S. eingelassen hat. Die Gründe des preiswerten Verkaufs erläuterte die Person nur eingeschränkt glaubwürdig mit dem angeblichen Großvater, der sich versehentlich ein Campingmobil bestellt habe, das nun weg müsse. Besonderen Anlass für Argwohn musste die Beklagte aus dem Umstand entnehmen, dass sie bei einem Barkauf von immerhin 46.500 € lediglich einen Teilbetrag von 43.500 € im Kaufvertrag vermerkte und damit 3.000 € ohne Quittung zahlte – weil „dies besser für die Arbeit“ des V sei, der im Widerspruch dazu aber eigentlich nicht beruflich, sondern für seinen Großvater verkaufte. Auch erkannte die Beklagte, dass der Tachostand nicht mit der Anzeige im Internetportal übereinstimmte. Gemessen an diesem Sachverhalt erscheint – ohne dass es rechtlich darauf ankäme – ein gegenüber der Klägerin eingeschränkterer Schutz nicht unbillig.
Der mit der Klage weiterhin verfolgte Anspruch auf die Bezahlung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs mit der Herausgabe des Fahrzeugs spätestens seit Ablauf der im Schreiben des Klägervertreters vom 11.10.2017 gesetzten Frist gerechtfertigt (§§ 280 I, II, 286 I 1, II Nr. 3 BGB). Die Klägerin hat die fällige Rechnung bezahlt (§ 10 RVG). Zur Begründung des Verzugs bedurfte es einer Mahnung gemäß § 286 II Nr. 3 BGB nicht, weil die Beklagte bereits mit ihrem Schreiben vom 29.09.2017 zu erkennen gab, dass sie die Herausgabe des Fahrzeugs ernsthaft und endgültig verweigern würde. Die auf die zutreffend berechnete Gebühr nebst Pauschale entfallenden Zinsen seit Rechtshängigkeit des Antrags hat die Beklagte gemäß § 286 I 1, II Nr. 3, § 288 I BGB aus dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs zu erstatten.
Die Widerklage ist im Umfang der begehrten Feststellung des Eigentum der Beklagten bereits unzulässig, weil ihrem Rechtschutzanliegen gegenüber dem viel weiter reichenden Leistungsantrag der Klägerin das notwendige Feststellungsinteresse fehlt (§ 256 I ZPO). Hinsichtlich des auf die beiden Zulassungsbescheinigungen und den weiteren Schlüssel gerichteten Herausgabeverlangens ist sie zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Beklagte nicht Eigentümerin des Mercedes geworden ist. …
Hinweis: Mit Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19 – hat der V. Zivilsenat des BGH das Urteil des Landgerichts im Wesentlichen wiederhergestellt.