Dadurch, dass der potenzielle Kfz-Verkäufer einem Kaufinteressenten eine Probefahrt ermöglicht, wird kein Leihvertrag i. S. des § 598 BGB begründet. Auch deshalb ist der potenzielle Käufer, der mit dem ihn interessierenden Fahrzeug eine Probefahrt unternimmt, nicht Besitzmittler, sondern lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB) des Verkäufers.

LG Köln, Urteil vom 13.12.2004 – 20 O 290/04
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 18.04.2005 – 19 U 10/05)

Sachverhalt: Der Kläger fand bei seiner Suche nach einem neuen Pkw für den Privatgebrauch bei „mobile.de“ ein Verkaufsangebot für einen Pkw VW T4 Multivan, der 23.500 € kosten sollte. Als „Anbieter“ waren lediglich eine Kölner Postleitzahl und eine Mobiltelefonnummer vermerkt. Unter dieser Nummer meldete sich eine Person, die sich als R bezeichnete. Mit ihr einigte sich der Kläger nach mehreren Telefonaten über den Kauf des Fahrzeugs zu einem Preis von 23.000 €. Die Übergabe des Fahrzeugs sollte am 14.11.2003 in einem Hotel in L. stattfinden.

Dort traf sich der Kläger zum vereinbarten Zeitpunkt mit dem Verkäufer, der sich als E vorstellte. Der Verkäufer legte dem Kläger ein teilweise bereits ausgefülltes Vertragsformular von „mobile.de“ vor, welches der Kläger unterschrieb, nachdem er sich den Fahrzeugbrief angesehen hatte. Der Name des Eigentümers im Fahrzeugbrief lautete E.

Der Kläger erhielt von dem Verkäufer den Fahrzeugbrief sowie einen Fahrzeugschlüssel. Der zweite Schlüssel war nach den Angaben des Verkäufers bei einem Umzug verlorengegangen. Der Verkäufer wollte ihn suchen und dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt übersenden. Bis dahin sollte der Kläger, der dem Verkäufer schließlich 22.900 € übergab, einen Teil des Kaufpreises (100 €) einbehalten.

Am 17.11.2003 wurde das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen und am 10.12.2003 von der Polizei bei dem Kläger beschlagnahmt. Es stellte sich heraus, dass ein Herr D das Fahrzeug am 05.11.2003 unter Vorlage eines gefälschten vorläufigen Personalausweises von einem Verkäufer des Autohauses A für eine Probefahrt mit roten Kennzeichen erhalten und nicht zurückgebracht hatte.

Die Beschlagnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs wurde am 13.012004 aufgehoben. Anschließend gab die Polizei das Fahrzeug an das Autohaus A zurück. Dessen Inhaber übergab es der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, weil diese ihm den – vermeintlich – entstandenen Schaden bereits vertragsgemäß ersetzt hatte.

Mit Schreiben vom 15.01.2004 forderte der Kläger das Autohaus A vergeblich zur Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf. Nachdem er von dort wegen etwaiger Rechte und Pflichten an die Beklagte verwiesen worden war, forderte der Kläger diese mit Schreiben vom 22.01.2004 und vom 11.02.2004 ebenfalls erfolglos zur Herausgabe des Fahrzeugs auf.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des im Klageantrag näher bezeichneten Fahrzeugs.

Der Kläger ist nicht Eigentümer des Fahrzeugs geworden, weil er das Fahrzeug von einem Nichtberechtigten erworben hat. Der Kläger konnte das Fahrzeug auch nicht gutgläubig erwerben. Einem solchen Erwerb steht § 935 I BGB entgegen, da das Fahrzeug dem ursprünglichen Eigentümer abhandengekommen war.

Ursprünglicher Eigentümer des Fahrzeugs war der Inhaber des Autohauses A. Der dort angestellte Verkäufer X, der lediglich Besitzdiener seines Arbeitgebers gemäß § 855 BGB war, hat dem vermeintlichen Kaufinteressenten D das Fahrzeug im Rahmen seiner Befugnisse gemäß § 56 HGB lediglich zu einer Probefahrt überlassen. Durch die Überlassung des Fahrzeugs an die Person, die sich als Herr D ausgab, wurde kein Besitzmittlungsverhältnis i. S. des § 868 BGB begründet. Ein solches setzt einen Besitzmittlungswillen des Besitzmittlers voraus, für einen anderen zu besitzen. Die als D auftretende Person hatte jedoch von vornherein nicht den Willen, das Fahrzeug zurückzubringen, wie der gefälschte Personalausweis belegt.

Es fehlt zudem an einem Rechtsverhältnis zwischen Herrn D und dem Autohaus, aufgrund dessen Herr D ein Recht zum Besitz erlangt hat. Als solches kommt auch nicht ein Leiheverhältnis in Betracht. Die Probefahrt eines Kraftfahrzeuges ist nicht Leihe, sondern gehört nach herrschender Meinung zur Vertragsanbahnung des Kaufvertrags (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 598 Rn. 5). Es handelt sich bei der Probefahrt vielmehr um Besitzdienerschaft i. S. des § 855 BGB. Der Probefahrer ist im Verhältnis zum Eigentümer des Autohauses als dem unmittelbaren Besitzer weisungsabhängig hinsichtlich Umfang und Dauer der Probefahrt. Auch vorliegend war mit Herrn D lediglich eine Probefahrt von einer Stunde vereinbart. Dass dem Probefahrer nicht die volle Sachherrschaft über das Fahrzeug übertragen werden sollte, ergibt sich darüber hinaus daraus, dass ihm, wie bei Probefahrten üblich, nicht der Originalfahrzeugschein, sondern lediglich eine Ablichtung überlassen wurde. Schließlich war an dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Rahmen der Probefahrt auch lediglich ein rotes Kennzeichen angebracht, was ebenfalls die Besitzdienerschaft belegt. Unterschlägt der Besitzdiener eine Sache, bedeutet dies für den Eigentümer ein Abhandenkommen i. S. des § 935 BGB, weil die Besitzdienerschaft ohne den Willen des Besitzherrn endet. …

Hinweis: Das OLG Köln hat mit Beschluss vom 18.04.2005 – 19 U 10/05 – darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

„Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 I Nr. 1 ZPO). … Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage.

Der Kläger hat an dem Fahrzeug kein Eigentum erworben. Ein gutgläubiger Erwerb unter den Voraussetzungen des § 935 BGB scheitert daran, dass das Fahrzeug dem Voreigentümer (Autohaus A in X.) abhandengekommen war. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts und verweist zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Durch die Überlassung des Fahrzeuges an die unter dem Namen D als Kaufinteressent aufgetretene Person ist kein Besitzmittlungsverhältnis i. S. von § 868 BGB begründet worden. Die Gestattung einer Probefahrt beinhaltet nach der vom Senat geteilten herrschenden Meinung (vgl. Jox, NZV 1990, 53 m. w. Nachw.) nicht den Abschluss eines Leihvertrages. Die Überlassung des Fahrzeugs dient in diesen Fällen ausschließlich der Kaufanbahnung. Der Händler, der im Wesentlichen das eigene wirtschaftliche Interesse verfolgt, übernimmt damit keine echte Pflicht zur Gebrauchsüberlassung. Diese im Zusammenhang mit Haftungsfragen entwickelte Rechtsprechung findet auch auf die Beurteilung der Besitzsituation Anwendung. Der potenzielle Käufer ist nicht Besitzmittler, sondern lediglich Besitzdiener des Verkäufers i. S. von § 855 BGB, denn nach der Verkehrsanschauung übt er die tatsächliche Gewalt über den Gegenstand nur nach Weisung des Besitzherrn aus. Die Vorschrift setzt nicht notwendig das Vorliegen eines Abhängigkeits- oder eines sozialen Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen Besitzherrn und Besitzdiener voraus, sondern lediglich eine Beziehung, welche den Besitzer zur jederzeitigen Weisung bzw. zum Eingreifen berechtigt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 19.11.1999 – 3 U 93/99, OLGR 2000, 263). Das Fahrzeug ist dem (vermeintlichen) Kaufinteressenten nur für einen sehr kurzen Zeitraum zur Verfügung gestellt worden. Dabei diente die Überlassung dem ausschließlichen Zweck des Kennenlernens des Fahrzeuges zur Vorbereitung der Kaufentscheidung, ohne dass zugleich ein Besitzrecht übertragen worden wäre. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht von Bedeutung, dass der Interessent bezüglich der Nutzung in begrenztem Umfang (etwa bei der Wahl der Fahrtroute) frei war. Denn eine ununterbrochene Einwirkungsmöglichkeit des Besitzherrn ist für § 855 BGB nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Fahrer aufgrund der der Gebrauchsüberlassung innewohnenden Bestimmung eigene Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich des Besitzes des Fahrzeuges nicht innehaben sollte, sondern grundsätzlich weisungsgebunden war. Ihm hätten etwa bezüglich der Fahrt Vorgaben gemacht werden können, die Fahrt als solche hätte nach dem Willen des Eigentümers jederzeit abgebrochen werden können.

War D nur Besitzdiener, stellte die anschließende Unterschlagung des Fahrzeuges durch ihn einen unfreiwilligen Besitzverlust und demzufolge i. S. des § 935 BGB ein Abhandenkommen des Fahrzeugs dar. Auf den vom Kläger hervorgehobenen Gesichtspunkt, dass der Mitarbeiter des Autohauses A diesem die faktische Verfügungsmacht zuvor freiwillig übertragen hatte, kommt es somit nicht an.“

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