1. Durch die Klausel „gekauft wie gesehen“ in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag wird die Haftung des Verkäufers für Sachmängel nicht vollständig ausgeschlossen. Der Gewährleistungsausschluss erfasst vielmehr nur Mängel, die – wie etwa Dellen, Rost oder Kratzer – für den Käufer als Laien bei einer Besichtigung des Fahrzeugs ohne sachverständige Hilfe wahrnehmbar sind.
  2. Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung eines Pkw der Mittelklasse beträgt 150.000 km (im Anschluss an OLG Koblenz, Urt. v. 16.04.2009 – 6 U 574/08).

LG Aurich, Urteil vom 24.04.2017 – 5 O 161/16
(nachfolgend: OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 02.08.2017 – 9 U 29/17OLG Oldenburg, Beschluss vom 28.08.2017 – 9 U 29/17)

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags in Anspruch.

Sie erwarb von dem Beklagten am 08.01.2015 für 5.050 € einen am 27.09.2007 erstzugelassenen Pkw mit einer Laufleistung von 104.000 km. Im schriftlichen Kaufvertrag heißt es unter anderem:

„Mit dem Fahrzeug wurde in Wiesmoor eine Probefahrt durchgeführt und für in Ordnung befunden. Das Auto wurde vor ca. 1,5 Jahren vom Vorbesitzer als unfallfrei gekauft. In unserer Zeit hatte das Fahrzeug vorne rechts einen Parkrempler erlitten, dieser wurde der örtlichen Polizei gemeldet. Der Verursacher ist bis dato unbekannt. … Es gilt der Grundsatz: gekauft wie gesehen.“

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte die Klägerin bei Übergabe des Fahrzeugs auf eine defekte Nebelleuchte hinwies. Die Klägerin erklärte sich damit einverstanden, diesen Defekt selbst zu beheben.

Anlässlich der Reparatur macht ein Bekannter die Klägerin darauf aufmerksam, dass ihr Fahrzeug einen – nur provisorisch reparierten – Unfallschaden aufweise. Die Klägerin ließ das Fahrzeug daraufhin sachverständig begutachten. Aus dem entsprechenden TÜV-Gutachten vom 17.08.2015 ergibt sich, dass das Fahrzeug einen nicht sach- und fachgerecht beseitigten Vorschaden hat. Im Wesentlichen – so das das Gutachten – seien folgende Beschädigungen festzustellen:

  • Stoßfänger vorne gebrochen
  • Blende am Nebelscheinwerfer rechts gebrochen
  • Nebelscheinwerfer gebrochen
  • Vorbau gebrochen
  • beide Kotflügel instand gesetzt und lackiert
  • Motorhaube verbogen
  • Radhaus rechts beschädigt
  • Tür vorne rechts lackiert
  • Scheinwerfer rechts gebrochen
  • Luftfilter gebrochen
  • Türscharnier rechts beschädigt
  • Motorkühler undicht
  • A-Säule rechts beschädigt (Lackschaden)
  • Vorbau verschoben

Die Schadenshöhe wird in dem TÜV-Gutachten mit circa 3.500–4.000 € beziffert; eine Nachbesserung des Fahrzeugs erfordert ausweislich des Gutachtens einen Kostenaufwand von 2.670,59 €, wobei ein merkantiler Minderwert von 500 € verbleibe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.09.2015 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Der Beklagte wurde aufgefordert, der Klägerin den Kaufpreis zu erstatten und ihr die Kosten für das TÜV-Gutachten (291,55 €) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten (571,44 €) zu ersetzen. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2015 ab.

Daraufhin erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2015 hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie forderte den Beklagten auf, ihr bis zum 07.01.2016 den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 227,50 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen und die Kosten für das TÜV-Gutachten und die vorgerichtlichen Anwaltskosten zu ersetzen.

Die Klägerin behauptet, dass der streitgegenständliche Vorschaden schon vorhanden gewesen sei, als ihr das Fahrzeug am 08.01.2015 übergeben worden sei; sie als Laie habe diesen Schaden jedoch nicht erkennen können. Deshalb, so meint die Klägerin, seien Rechte wegen dieses Vorschadens nicht durch die Vereinbarung „gekauft wie gesehen“ ausgeschlossen.

Der Beklagte behauptet demgegenüber, der in Rede stehende Vorschaden sei bei der Fahrzeugübergabe im Januar 2015 noch nicht vorhanden gewesen. Das Fahrzeug sei etwa ein halbes Jahr zuvor noch eine Hauptuntersuchung unterzogen worden, und es seien zunächst (nur) kleinere Mängel festgestellt worden:

„– Abblendlicht links Hell-Dunkel-Grenze / Lichtbild unzulässig (E)
– Feder 1. Achse links gebrochen (E)

Hinweis: Bremsscheibe 2. Achse in Kürze verschlissen“

Diese Mängel seien behoben worden, und bei der Nachuntersuchung am 22.07.2014 sei dem Fahrzeug dann eine neue Plakette zugeteilt worden. Der Pkw habe dann am 22./23.10.2014 einen „Parkplatzrempler“ erlitten, was er – der Beklagte – bei der Polizei angezeigt habe; der Täter sei nicht ermittelt worden.

Er – der Beklagte – habe einen unter dem 23.10.2014 erstellten Kostenvoranschlag eines Kfz-Meisterbetriebs eingeholt. Diesen hätte er der Klägerin, wenn sie danach gefragt hätte, hätte, auch vorgelegt. Den in dem Kostenvoranschlag mit 1.421,33 € bezifferten Schaden habe er – der Beklagte – nicht reparieren lassen; vielmehr habe sein Vollkaskoversicherer den Schaden auf der Grundlage des Kostenvoranschlags reguliert.

Die Klage hatte weitgehend Erfolg, während die Widerklage des Beklagten, der von der Klägerin den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten beanspruchte, erfolglos war.

Aus den Gründen: I. Klage

1. Rücktritt

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Fall 1, 323 BGB. Es ist der Klägerin gelungen zu beweisen, dass das Fahrzeug bei Übergabe verdeckte Mängel hatte, die nicht vom Gewährleistungsausschluss umfasst waren.

a) Kaufvertrag

Die Parteien haben am 08.01.2015 einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen.

b) Mängel bei Übergabe

Der Pkw war bei der Übergabe mangelhaft. Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. D fanden die sich bereits im außergerichtlich eingeholten Gutachten des TÜV NORD festgestellten Mängel bestätigt. In seinem schriftlichen Gutachten vom 28.09.2016 hat sich der Sachverständige Dipl.-Ing. D mit den Feststellungen des Gutachtens des TÜV Nord auseinandergesetzt und diese nachvollziehbar als zutreffend beurteilt. Es lasse sich aufzeigen, dass die im TÜV-Gutachten aufgeführten Beschädigungen auch tatsächlich vorlagen. Auch die Höhe des Schadens beurteilt der Sachverständige entsprechend. Die veranschlagten Stundensätze entsprächen auch den mittleren und ortsüblichen Stundensätzen.

Die Mängel lagen auch bereits bei Übergabe vor.

Das eingeholte Sachverständigengutachten war im Ergebnis zu der Frage des Zeitpunkts des Vorschadens unergiebig, denn es war im Nachhinein nicht mehr feststellbar, wann der reparierte Vorschaden aufgetreten und (teilweise) Instand gesetzt worden ist. Der Sachverständige Dipl.-Ing. D hat hierzu in seinem Gutachten nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass für den Zeitpunkt der Instandsetzung dann Anhaltspunkte bestehen, wenn sich an ausgetauschten Bauteilen Produktionsdaten finden lassen. Es seien zwar Prägedaten an dem Pkw gefunden worden. Diese deuten allerdings auf einen Produktionszeitraum vor Erstzulassung des Kfz hin, was wiederum auf Teile der Serienfertigung hindeute. Folglich sei der Schaden am Fahrzeug nicht durch den Austausch von Bauteilen behoben worden, sondern nur durch Lackierinstandsetzungsarbeiten an der Motorhaube und den Kotflügeln. Auch dem zum Zeitpunkt der Begutachtung immer noch beschädigten Scheinwerfer sei ein Prägedatum zu entnehmen, welches dem Zeitpunkt der Erstzulassung zuordenbar sei. Im Rahmen der Begutachtung seien stark veränderte Spaltmaße gefunden worden. Weiter seien Spachtelarbeiten nachvollziehbar. Es sei davon auszugehen, dass hier mit grobem Spachteleinsatz eine sehr unfachmännische Reparatur stattgefunden hat, so der Sachverständige, die eine zeitliche Eingrenzung jedoch aufgrund fehlender Prägedaten nicht zulässt. Die Lackierung könne hinsichtlich ihres Alters nicht näher eingegrenzt werden.

Das Gericht hat zu der Frage des Zeitpunkts des Vorliegens der Mängel die Parteien selbst angehört und die Zeugen A, G und H vernommen

Die Aussage der Zeugin A war zum Zeitpunkt des Vorliegens der Mängel letztlich unergiebig. Ihr selbst war, so erklärte sie in der Beweisaufnahme, der „Parkplatzrempler“ nicht einmal aufgefallen. Ihrem Vater sei aufgefallen, dass vorne rechts Kratzer am Pkw gewesen seien. An weitere Schäden könne sie sich nicht mehr erinnern. Auch könne sie keine Angaben dazu machen, ob oder wann ihr Vater mit dem Pkw in der Werkstatt gewesen sei. Sie hat ferner deutlich gemacht, dass sich ihr Vater um den Kauf und den Verkauf des Pkw gekümmert habe, was auch mit den Angaben des Beklagten übereinstimmt.

Auch die Angaben des Zeugen G waren zur Frage des Zeitpunkts der Mängel unergiebig, da er das Fahrzeug jedenfalls erst nach Übergabe gesehen hat, dies aber zeitlich kaum greifbar eingrenzen konnte.

Der Beklagte selbst hat aber in seiner informatorischen Anhörung erklärt, dass seiner Ansicht nach neben der Blende, die nicht richtig auf dem Nebelscheinwerfer saß, auch der Kühlergrill nach dem „Parkplatzrempler“ etwas verschoben gewesen sei. Er erklärte, dass er zudem meine, sich auch an Lackspuren zu erinnern; diesbezüglich sei er sich aber nicht ganz sicher.

Die Klägerin hat angegeben, dass ihr von dem Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrags der defekte Nebelscheinwerfer gezeigt worden sei. Auf weitere Mängel sei sie vom Beklagten nicht aufmerksam gemacht worden. Ihrem Eindruck nach sei der Wagen gut aufpoliert gewesen. Je öfter sie mit dem Wagen durch die Waschanlage gefahren sei, desto mehr Kratzer seien sichtbar geworden.

Schließlich hat der Zeuge H zunächst die Angaben der Klägerin bestätigt, dass sie vom Beklagten darauf hingewiesen worden seien, dass vorne rechts am Nebelscheinwerfer eine Blende fehle. Der Beklagte habe hierzu erklärt, dass man diese für etwa 100 € ersetzen könne und er anbiete, das noch zu übernehmen. Man habe dann erklärt, dass das nicht nötig sei. Weitere optische Mängel seien ihm zunächst nicht aufgefallen. Als das Fahrzeug aber dann bei ihnen zu Hause gewesen sei, habe er gesehen, dass die Motorhaube leicht verzogen war. Der Zeuge hat weiter erklärt, dass weder er noch seine Frau nach Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit diesem einem Unfall gehabt hätten. Wenn dies so gewesen wäre, wären sie damit doch zu ihrer Versicherung gegangen und hätten sich nicht an den Beklagten gewandt; schließlich, so der Zeuge, „hätten sie da doch gar nichts von“.

Das Gericht glaubt der Klägerin und dem Zeugen H aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung, dass diese keinen Unfall mit dem Pkw während ihrer Besitzzeit hatten, sondern der Schaden schon bei Übergabe vorlag. Dies wird bestätigt durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder des Pkw. Auf diesen ist deutlich zu erkennen, dass die Motorhaube des Pkw verzogen ist. Insbesondere nach den Angaben des Zeugen H und auch des Zeugen G zu den mit diesen in Augenschein genommen Fotos – besonders das Lichtbild Bl. 17 unten d. A. –, dass auf diesem Bild die Motorhaube geschlossen sein müsste, ist die verzogene Motorhaube deutlich zu erkennen.

Die Mängel lagen mithin bei Übergabe vor.

c) Fristsetzung

Der Beklagte hat in einem anwaltlichen Schriftsatz vom 09.09.2015 die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung war damit entbehrlich.

Die Klägerin war daher zum Rücktritt berechtigt. Erklärt hat sie den Rücktritt mit Schriftsatz vom 23.12.2015 mit Fristsetzung zum 07.01.2016. Der Beklagte befindet sich seitdem im Annahmeverzug.

d) Gewährleistungsausschluss

Die Mängelgewährleistung war auch nicht durch die Vereinbarungen der Parteien im Kaufvertrag (vollständig) ausgeschlossen.

Die Vereinbarungen der Parteien in dem Kaufvertrag vom 08.01.2015 sind gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Der Beklagte hat ausdrücklich erklärt, dass er das Fahrzeug „als unfallfrei“ gekauft hat. In seiner Anhörung hat der Beklagte auch deutlich gemacht, dass es ihm, als er das Fahrzeug selbst erworben hat, auch darauf ankam, einen unfallfreien Wagen zu kaufen, da er diesen für seine Tochter gekauft habe. Eine Beschaffenheitsvereinbarung oder eine Garantie dafür, dass das Fahrzeug beim Ankauf durch den Beklagten tatsächlich unfallfrei war, ist damit nicht getroffen worden.

Weiter heißt es im Kaufvertrag, dass das Auto „[i]n unserer Zeit einen Parkrempler … erlitten“ hat. Der Klägerin war daher auch bekannt, dass sie kein unfallfreies Fahrzeug kauft, sondern eins, welches zumindest einen „Parkrempler“ erlitten hat, wobei dahinstehen kann, ob ein „Parkplatzrempler“ als Unfall einzuordnen ist; jedenfalls war offenkundig, dass es durch den „Parkplatzrempler“ Vorschäden am Fahrzeug gibt. Durch die weiteren Informationen im Kaufvertrag („Parkrempler“ bei der Polizei angezeigt, Verursacher bis dato unbekannt) war – auch für die Klägerin – deutlich, dass über den konkreten Hergang des Unfalls nichts weiter bekannt ist.

Der dann im Kaufvertrag der Parteien aufgenommene Zusatz „Es gilt der Grundsatz: gekauft wie gesehen“ schließt die Gewährleistung hinsichtlich solcher Mängel aus, die für einen Laien bei einer Besichtigung ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen erkennbar sind (so auch BGH, Urt. v. 06.04.2016 – VIII ZR 261/14 Rn. 22).

Die defekte Blende am Nebelscheinwerfer, auf die der Beklagte die Klägerin unstreitig ausdrücklich hingewiesen hat, ist damit von diesem Gewährleistungsausschluss umfasst.

Zudem ist auch die verzogene Motorhaube durch die Besichtigungsklausel vom Gewährleistungsausschluss umfasst. Nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder des Pkw ist das Gericht davon überzeugt, dass auch für einen Laien zu erkennen ist, dass die Motorhaube des Pkw verzogen ist.

Die Überlackierungen der Kotflügel waren für den Laien aber sicherlich nicht erkennbar. Um diese festzustellen, nimmt auch ein Sachverständiger eine Messung vor, um die Dicke der Lackierung zu bestimmen. Auch die Spachtelungen können für die Klägerin als Laie nicht erkennbar gewesen sein. Der Gewährleistungsausschluss kann daher für diese Mängel nicht gelten.

Dazu tritt noch folgender Aspekt: Unstreitig hat der Beklagte nach dem „Parkplatzrempler“ einen Kostenvoranschlag über die Beschädigungen am Fahrzeug eingeholt. Dieser geht deutlich über eine gebrochene Blende am Nebelscheinwerfer und auch eine verzogene Motorhaube hinaus. In dem Kostenvoranschlag des Kfz-Meisterbetriebs R ist neben dem Zierring am Nebelscheinwerfer rechts auch erwähnt, dass weiter folgende Ersatzteile für eine Reparatur erforderlich sind:

  • Zierleiste Tür rechts
  • Windabweiser Stoßfänger vorne,
  • Grillblende
  • Verkleidung Stoßfänger vorne,
  • Schutzleiste Stoßfänger vorne,
  • Pralldämpfer vorne

Zudem sind auch Lackierungsarbeiten enthalten.

Der Kostenvoranschlag vom 23.10.2014 weist einen Rechnungsbetrag von 1.451,53 € auf. Nach dem Vortrag des Beklagten hat sich dieser diesen Betrag auch von seiner Vollkaskoversicherung erstatten lassen.

Die durchzuführenden Reparaturen gehen mithin deutlich über den Austausch einer Blende am Nebelscheinwerfer mit einem Kostenaufwand von 100–150 € sowie eine verzogene Motorhaube hinaus. Der Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, diesen Kostenvoranschlag beim Kaufvertragsabschluss zu übergeben, bzw. die Klägerin über die in diesem Kostenvoranschlag festgestellten Mängel zu informieren.

Der Beklagte hat in seiner informatorischen Anhörung erklärt, dass über den Kostenvoranschlag bei Kaufvertragsschluss mit der Klägerin nicht gesprochen worden sei. Er habe diesen zu Hause liegen gehabt. Zwischen den Parteien lag ohne die Weitergabe der Informationen, die dem Beklagten vorlagen, ein offensichtliches Informationsgefälle vor. Es wäre Pflicht des Beklagten gewesen, sein überlegenes Wissen zu offenbaren, um die Klägerin über die an dem Pkw vorhandenen Schäden zu informieren und in ihre Entscheidung zu stellen, ob sie das Fahrzeug überhaupt noch – oder zu diesem Preis – erwerben will.

Das Verhalten des Beklagten wird nur wegen der auch der Klägerin obliegenden Pflicht, sich wegen der offenkundig über eine defekte Blende an einer Nebelleuchte hinausgehenden Schäden zu erkundigen, und der Angabe eines „Parkplatzremplers“ im Kaufvertrag nicht als arglistige Täuschung gewertet.

Der Gewährleistungsausschluss greift mithin nicht hinsichtlich aller vorhandenen Mängel, sodass das Rücktrittsrecht der Klägerin nicht vollständig ausgeschlossen war.

e) Folgen

Die Klägerin hat mithin nach ausgeübtem Rücktrittsrecht einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug (§ 348 BGB) gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus dem Rückgewährschuldverhältnis gemäß § 346 I BGB. Dabei hat sie dem Beklagten auch die gezogenen Nutzungen gemäß § 347 II BGB [richtig: § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB] zu erstatten.

Der Gebrauchsvorteil bei Gebrauchtfahrzeugen errechnet sich unter Anwendung der Rechtsprechung des OLG Koblenz wie folgt:

$${\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{zurückgelegte Fahrstrecke}}{\text{voraussichtliche Gesamtfahrleistung}}}$$

(OLG Koblenz, Urt. v. 16.04.2009 – 6 U 574/08, juris Rn. 40).

Die Klägerin hat in der Klageschrift erklärt, dass der Tachostand nunmehr 110.500 km beträgt. In der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2017 hat die Klägerin erklärt, dass sie das Fahrzeug weiter nutze, aber wegen des schwebenden Verfahrens und des Rücktritts zwar nicht mehr so gerne fahre, es aber dennoch erneut einer TÜV-Prüfung unterzogen habe. Das Gericht geht daher davon aus, dass das Fahrzeug mit etwa entsprechender Laufleistung weiter genutzt wurde und schätzt daher gemäß § 287 ZPO, das zwischenzeitlich (Klagerhebung und Schluss der mündlichen Verhandlung) etwa die gleiche Laufleistung angefallen ist wie zwischen Kaufvertrag und Klagerhebung. Beide Zeiträume betragen etwa ein Jahr. Da die Klägerin in einem Jahr 6.500 km mit dem Fahrzeug gefahren ist, schätzt das Gericht die nunmehrige Laufleistung auf 13.000 km.

Bei einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 150.000 km (in Anwendung der Rechtsprechung des OLG Koblenz zu Mittelklassewagen: Urt. v. 16.04.2009 – 6 U 574/08, juris Rn. 40), einer zurückgelegten Fahrstrecke von 13.000 km und einem Bruttokaufpreis von 5.050 € ergibt sich unter Anwendung der obigen Formel ein Gebrauchsvorteil in Höhe von 437,66 €, den sich die Klägerin … anrechnen lassen muss, weswegen sich der zu erstattende Kaufpreis von 5.050 € um 437,66 € auf 4.612,34 € verringert.

Insofern war die Klage teilweise abzuweisen.

Die Klägerin hat den Rücktritt vom Kaufvertrag mit Schreiben vom 23.12.2015 mit einer Fristsetzung bis zum 07.01.2016 erklärt; der Beklagte ist mithin mit der Rückzahlung des Kaufpreises erst seit Ablauf des 07.01.2016 in Verzug, sodass Zinsen ab dem 08.01.2016 zu zahlen sind (§§ 286, 288 BGB).

2. Sachverständigengutachten

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB.

3. Rechtsanwaltskosten

Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten kann die Klägerin nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB ersetzt verlangen, da der Beklagte erst mit anwaltlichem Schreiben in Verzug gesetzt worden ist. Eine andere rechtliche Grundlage für den Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nicht ersichtlich.

Die Klage war insofern abzuweisen.

II. Widerklage

Die Widerklage war insgesamt abzuweisen. Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Ersatz seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Der Rücktritt der Klägerin war berechtigt. Eine rechtsgrundlose Inanspruchnahme lag mithin nicht vor. …

Hinweis: Mit Beschluss vom 02.08.2017 – 9 U 29/17 – hat das OLG Oldenburg darauf hingewiesen, dass beabsichtig sei, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen. In dem Hinweisbeschluss heißt es unter anderem:

„Die Berufung hat … offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw. Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei wirksam gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Fall 1, 323 BGB vom Vertrag zurückgetreten. Das verkaufte Fahrzeug habe bei Übergabe Mängel aufgewiesen, die nicht vom Gewährleistungsausschluss umfasst gewesen seien. Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen liege an dem Pkw ein erheblicher, nicht vollständig und nicht fachgerecht beseitigter Unfallschaden vor. Dieser sei schon im Zeitpunkt der Übergabe des Wagens vorhanden gewesen. Aufgrund der Aussage des Zeugen H und der Anhörung der Klägerin stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Schaden nicht in der Besitzzeit der Klägerin entstanden sei. Von den Beschädigungen seien zumindest die Überlackierung der Kotflügel für einen Laien nicht erkennbar. Um sie festzustellen, habe der Sachverständige eine Messung der Dicke der Lackierung vornehmen müssen. Gleiches gelte für die Spachtelung der Kotflügel. Da diese Mängel bei einer Besichtigung für einen Laien nicht erkennbar seien, seien sie auch nicht von dem vereinbarten Gewährleistungsausschluss erfasst. Die Formulierung ‚gekauft wie gesehen‘ schließe lediglich Ansprüche wegen erkennbarer Mängel aus.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt. Die dazu vorgebrachten Einwendungen verhelfen dem Rechtsmittel allerdings nicht zum Erfolg.

Wie das Landgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet festgestellt hat, liegt bei dem verkauften Fahrzeug neben dem vom Beklagten im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen offengelegten ‚Parkrempler‘ ein erheblicher weiterer Unfallschaden vor. Das folgt schon daraus, dass der Beklagte nach eigenem Bekunden die Folgen des ‚Parkremplers‘ nicht hat beseitigen lassen, am Fahrzeug jedoch beide Kotflügel wie auch die rechte Tür lackiert worden sind. Zudem sind an den Kotflügeln Spachtelarbeiten ausgeführt worden. Das ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus den vorgelegten Sachverständigengutachten. Dieser Unfallschaden stellt eine negative Abweichung des Ist-Zustands vom vertraglich geschuldeten Soll-Zustand des Pkw und damit einen Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.

Dass dieser Mangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war und nicht nachträglich entstanden ist, hat das Landgericht mit einer rechtsfehlerfreien Begründung aufgrund der Aussage des Zeugen H und der Anhörung der Klägerin als erwiesen angesehen. Diese Feststellungen sind für das Berufungsgericht gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO grundsätzlich bindend. Etwas anderes gilt nur, sofern konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen. Derartige Umstände zeigt die Berufung nicht auf. Sie sind auch anderweitig nicht ersichtlich.

Da der angesprochene Unfallschaden nach den Feststellungen des Sachverständigen oberflächlich beseitigt worden ist, war er für die Klägerin auch nicht erkennbar. Auch insoweit legt der Senat seiner Entscheidung die Feststellungen des Landgerichts zugrunde. Im Übrigen nimmt der Beklagte selbst für sich in Anspruch, von dieser – ersten – Beschädigung nichts gewusst zu haben, da sie nicht ersichtlich war.

Aufgrund der fehlenden Erkennbarkeit des Fehlers sind Sachmängelansprüche der Klägerin jedoch nicht durch die vertragliche Formulierung ‚gekauft wie gesehen‘ ausgeschlossen. Der hierin liegende Gewährleistungsausschluss erstreckt sich, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, lediglich auf solche Fehler der Kaufsache, die für einen Laien bei einer Besichtigung des Pkw ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen erkennbar sind (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 444 Rn. 16).

Mithin stehen der Klägerin die gesetzlichen Sachmängelansprüche zu. Dass dem Beklagten nicht der Vorwurf zu machen ist, er habe einen Mangel arglistig verschwiegen, ist für die Entscheidung nicht von Relevanz.

Entgegen der Auffassung der Berufung werden dadurch auch nicht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines privaten Pkw-Verkäufers überspannt. Dieser kann beispielsweise den von der Berufung ins Feld geführten Prüfungs- und Untersuchungspflichten begegnen, indem er einen umfassenden Haftungsausschluss für ihm nicht bekannte Mängel vereinbart.“

Die Berufung des Beklagten hat das OLG Oldenburg sodann mit Beschluss vom 28.08.2017 – 9 U 29/17 – zurückgewiesen. In diesem Beschluss hat es unter anderem ausgeführt:

„II. Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 II 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 02.08.2017 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO). Die dagegen mit Schriftsatz vom 25.08.2017 vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage.

Das vom Beklagten veräußerte Fahrzeug wies neben dem offenbarten Unfallschaden infolge des Parkremplers einen weiteren nicht vollständig und fachgerecht beseitigten Unfallschaden auf. Dies stellt einen Sachmangel des Fahrzeugs dar, der Gewährleistungsrechte der Klägerin begründet. Dem steht der vereinbarte Gewährleistungsausschluss nicht entgegen. Dieser erstreckte sich lediglich auf solche Mängel, die einer Besichtigung durch einen Laien zugänglich waren, was bei dem Vorschaden unstreitig nicht der Fall war. Folglich ist die Klägerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt.

Dieses Ergebnis überspannt nicht die Anforderungen an die Prüfungs- und Aufklärungspflichten eines privaten Autoverkäufers. Dem privaten Veräußerer eines Pkw ist in den Grenzen des § 444 BGB die Möglichkeit eröffnet, sich von einer Haftung für Sachmängel durch eine entsprechende Vereinbarung zu befreien. Das gilt namentlich für Fehler der Sache, die ihm nicht bekannt sind, weil sie ihm als Laien nicht aufgefallen sind. Entgegen der Darstellung der Berufung muss der private Verkäufer deshalb das Fahrzeug nicht stets (umfangreich) untersuchen. Schließt er allerdings – wie hier – die Gewährleistungsrechte für verborgene Mängel nicht aus, so bleibt es insoweit bei den Rechten des Käufers gemäß § 437 BGB.

Dabei knüpft die Haftung allein an die negative Abweichung der Ist- von der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit des Fahrzeugs aufgrund des beiden Parteien bei Vertragsschluss nicht bekannten Vorschadens an. Ob der Beklagte den Schaden arglistig verschwiegen oder unzulässig bagatellisiert hat, ist deshalb nicht entscheidungsrelevant. …“

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