1. Bei einem Kfz-Kaufvertrag, der kein Verbrauchsgüterkauf i. S. von § 474 I 1 BGB ist, kann es ausnahmsweise dem Verkäufer obliegen zu beweisen, dass ein Mangel des Fahrzeugs bei Gefahrübergang (§ 446 Satz 1 BGB) noch nicht vorlag. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der Mangel – hier: die unsachgemäße Reparatur eines Unfallschadens – bereits kurze Zeit nach Gefahrübergang aufgetreten oder erkannt worden ist und es sich nicht um einen Mangel handelt, der typischerweise jederzeit auftreten kann. Auch ist zu berücksichtigen, ob sich der Mangel beseitigen lässt, weil in diesem Fall angesichts des Vorrangs der Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) eine Manipulation des Käufers mit dem Ziel, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, nach der Lebenserfahrung außerordentlich fernliegt.
  2. Wird ein Gebrauchtwagen „gekauft wie gesehen“, so ist die Haftung des Verkäufers nur für solche Mängel ausgeschlossen, die bei einer Besichtigung des Fahrzeugs wahrnehmbar, insbesondere sichtbar waren. Dabei kann es darauf ankommen, ob der Käufer einen Mangel hätte wahrnehmen können, und nicht darauf, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf sein Vorliegen hätte schließen können und müssen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 06.04.2016 – VIII ZR 261/14, NJW 2016, 2495 Rn. 22 m. w. Nachw.).
  3. Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. von § 305 I 1 BGB liegen auch dann vor, wenn Vertragsbedingungen von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will (im Anschluss an BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 Rn. 10 m. w. Nachw.).
  4. Eine Prozesspartei, die ihren früheren Tatsachenvortrag in sein Gegenteil ändert, genügt nur dann ihrer prozessualen Wahrheitspflicht, wenn sie zugleich darlegt, warum sie an ihrem ursprünglichen, dem neuen Tatsachenvortrag diametral entgegenstehenden Vortrag nicht festhalten kann. Eine Änderung des Vortrags ohne erkennbaren sachlichen Grund genügt dagegen nicht.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 05.03.2018 – 2-05 O 248/16

Sachverhalt: Die Parteien streiten über Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche nach einem Autokauf.

Sämtliche rechtlich erhebliche Einzelheiten im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Pkw-Kauf – einschließlich des Abschlusses eines Kaufvertrags zwischen den Parteien – sind zwischen der Klägerin und der Beklagten streitig.

Unstreitig ist jedoch, dass die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2016 hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs zur Nacherfüllung aufforderte: „Beseitigung der Mängel des Fahrzeugs, insbesondere Herstellung der Verkehrssicherheit durch sach- und fachgerechte Instandsetzung des Unfallschadens …, und zwar bis zum 14.06.2016“. Konkret rügte die Klägerin unter dem 27.05.2016, dass bei dem Fahrzeug bei beiden Sicherheitsgurten die Gurtstraffer defekt seien und manipuliert worden seien und sich in dem Fahrzeug keine funktionsfähigen Airbags befänden, sondern durch eingebaute Widerstände dem Steuergerät das Vorhandensein von Airbags und die Funktionsfähigkeit der Gurtstraffer nur vorgespiegelt werde. Ausweislich eines Beweissicherungsgutachtens vom 13.05.2016 sei festgestellt worden, dass ein Unfallschaden nicht sach- und fachgerecht instand gesetzt worden sei und dass das Fahrzeug nicht verkehrssicher sei.

Die Beklagte wies das Nacherfüllungsverlangen der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 08.06.2016 zurück.

Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15.06.2016, sie trete von dem am 29.03.2016 zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw zurück. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte auf, das Fahrzeug Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von 5.600 € zurückzunehmen. Überdies verlangte die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 546,07 €:

Gutachtens des Ingenieurbüros I vom 20.05.2016 350,00 €
Kraftfahrzeugsteuer + 50,00 €
Prämie Kfz-Haftpflichtversicherung + 101,27 €
Umschreibung (Zulassung) des Fahrzeugs + 44,80 €
Gesamt 546,07 €

Für die Rückabwicklung des Kaufvertrags und die Zahlung des Schadensersatzes setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist bis zum 30.06.2016.

Zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags und zur Erfüllung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche durch die Beklagte kam es in der Folgezeit nicht.

Die Klägerin behauptet, sie habe den streitgegenständlichen Pkw mit schriftlichem Vertrag vom 29.03.2016 von der Beklagten für 5.600 € gekauft. Dieser Kaufvertrag, in dem die Haftung der Beklagten für Mängel ausgeschlossen worden und bezüglich des Fahrzeugs „Unfall, Frontschaden (repariert)“ festgehalten worden sei, sei vollzogen worden.

Unmittelbar nach der Übergabe habe sie – die Klägerin – festgestellt, dass sich die beiden vorderen Sicherheitsgurte schwer aufrollen ließen. Bei einer Untersuchung des Pkw in einer Kfz-Werkstatt seien erhebliche Mängel festgestellt worden. Bei beiden vorderen Sicherheitsgurten seien die Gurtstraffer defekt und manipuliert worden. In dem Fahrzeug befänden sich keine funktionsfähigen Airbags, vielmehr werde durch eingebaute Widerstände dem Steuergerät das Vorhandensein von Airbags und die Funktionsfähigkeit der Gurtstraffer nur vorgespiegelt. Eine Nachfrage beim Vorhalter des Fahrzeuges habe ergeben, dass der Pkw bei einem Verkehrsunfall, bei dem alle Airbags und Gurtstraffer ausgelöst worden seien, einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten habe und auch als Fahrzeug mit wirtschaftlichem Totalschaden veräußert worden sei. Ausweislich eines Beweissicherungsgutachtens vom 13.05.2016 sei festgestellt worden, dass die Instandsetzung des Unfallschadens nicht sach- und fachgerecht gewesen sei und dass das Fahrzeug nicht verkehrssicher sei. Die Mängel hätten bereits bei der Übergabe des Pkw an sie – die Klägerin – vorgelegen.

Im Rahmen des Verkaufsgespräches habe der Zeuge M erklärt, seine Ehefrau – die Beklagte – habe das streitgegenständliche Fahrzeug benutzt, sei jedoch wenig damit gefahren. Sie habe den Pkw in einer Tiefgarage beschädigt, weshalb der vordere Stoßfänger ausgetauscht und repariert worden sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, auf den im Kaufvertrag vom 29.03.2016 enthaltenen umfassenden Gewährleistungsausschluss könne sich die Beklagte nicht berufen, da die betreffende Klausel gegen § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB verstoße und damit unwirksam sei.

Die Beklagte hat zunächst unstreitig gestellt, dass der streitgegenständliche Kaufvertrag zwischen ihr und der Klägerin am 29.03.2016 geschlossen worden und anschließend vollzogen worden sei. Später – mit Schriftsatz vom 05.07.2017 – hat sie behauptet, nicht sie habe den streitgegenständlichen Pkw an die Klägerin veräußert, sondern das Fahrzeug sei von ihrem Ehemann M an den Schwiegersohn der Klägerin S veräußert worden. Sie, die Beklagte, stehe nur deshalb im schriftlichen Kaufvertrag, weil mehrere Kaufinteressenten angerufen hätten, die tagsüber hätten kommen wollen, und ihr Ehemann tagsüber gearbeitet habe. Mit Schriftsatz vom 24.07.2017 hat die Beklagte – abweichend – vorgetragen, sie habe über den streitgegenständlichen Pkw einen mündlichen Kaufvertrag mit S geschlossen. Dieser habe selbst den Namen seiner Schwiegermutter, der Klägerin, im Kaufvertrag eingetragen. Mit Schriftsatz vom 07.11.2017 hat die Beklagte sodann – wiederum abweichend – vorgetragen, M habe mit S einen mündlichen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen.

Im Übrigen behauptet die Beklagte, bei dem Verkaufsgespräch sei der Klägerin, ihrer Tochter und S erklärt worden, dass sie – die Beklagte – den Pkw erst am 29.02.2016, also erst vor einem Monat, gekauft habe und das Fahrzeug danach noch nicht genutzt worden sei. M habe auch erklärt, dass ihm der Verkäufer berichtet habe, dass der Pkw in einer kleinen Werkstatt in Rumänien repariert worden sei; er habe nur eine geringe Laufleistung und keinen Rahmenschaden gehabt. Auch habe M erklärt, dass der Vorbesitzer nur den linken Scheinwerfer und die Stoßstange ersetzt habe und alles andere original geblieben sei.

Das streitgegenständliche Fahrzeug sei ihr, der Beklagten, und ihrem Mann M von einem aus Rumänien stammenden, nicht im Fahrzeugbrief eingetragenen Nachbarn der Schwester des M zum Kauf angeboten und spontan am 29.02.2016 gekauft worden. Es sei mit einem Hänger nach Deutschland gebracht worden und habe dann in einer Tiefgarage gestanden. Sie, die Beklagte, und ihr Ehemann M hätten keine Kenntnis von anderen Mängeln des Pkw als denen, die im beschrieben worden seien, gehabt. Da sie, die Beklagte, mit dem Fahrzeug nicht gefahren sei, habe sie andere Mängel auch nicht feststellen können. Ob das Fahrzeug bei einem seiner Vorbesitzer einen Totalschaden erlitten habe, wisse sie nicht.

Die Klägerin und deren Begleiter – so behauptet die Beklagte weiter – hätten das Fahrzeug ausgiebig über eine Stunde lang geprüft, und der Schwiegersohn der Klägerin S habe eine Probefahrt damit unternommen.

Schließlich hat die Beklagte unter dem 05.07.2017 behauptet, S und ein Freund des S hätten die Sicherheitsgurte nach der Übergabe des Fahrzeugs manipuliert, um den Pkw ihr – der Beklagten – zurückgeben zu können. Erst nach der Manipulation sei das Fahrzeug am 13.05.2016 zu einem Gutachter gebracht worden. Deshalb gehe sie, die Beklagte, davon aus, dass das Fahrzeug dem Gutachter als verkehrsunsicher vorgestellt worden sei.

Die Klage, mit der die Klägerin unter anderem die Rückzahlung des Kaufpreises „Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw“ begehrt hat, hatte im wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Klageantrag zu 1 ist dahin gehend auszulegen, dass die Klägerin Zahlung der 5.600 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Pkw an die Beklagte verlangt, da im Falle eines wirksamen Rücktritts nach § 346 I BGB nicht lediglich die bloße „Übergabe“ des Pkw an die Beklagte geschuldet ist, sondern dessen Rückübereignung. Diese Auslegung entspricht auch dem nach dem gesamten Vorbringen erkennbaren Willen der Klägerin. Die insoweit missverständliche Formulierung ändert daran – auch unter Berücksichtigung von § 308 I ZPO – nichts.

Die Klage ist ganz überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 5.600 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw … an die Beklagte gemäß §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 346 ff. BGB, da sie wirksam von dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 zurückgetreten ist.

a) Zwischen den Parteien ist am 29.03.2016 ein schriftlicher Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw zu einem Kaufpreis von 5.600 € zustande gekommen.

Soweit die Beklagte dies, nachdem sie es zuvor ausdrücklich unstreitig gestellt hat, seit ihrem Schriftsatz vom 05.07.2017 bestreitet, ist ihr Bestreiten unerheblich (§ 138 III ZPO). Mit ihrem widersprüchlichen Vortrag zum Zustandekommen des Kaufvertrags zwischen ihr und der Klägerin verletzt die Beklagte ihre prozessuale Wahrheitspflicht gemäß § 138 I BGB.

Zwar ist es nicht von vorneherein unzulässig, einen bestimmten Tatsachenvortrag nachträglich zu ändern, selbst in sein Gegenteil. Die Verpflichtung zum vollständigen und der Wahrheit entsprechenden Tatsachenvortrag beinhaltet in diesem Fall jedoch auch darzulegen, warum an dem ursprünglichen, dem neuerlichen Vortrag diametral entgegenstehenden Tatsachenvortrag nicht mehr festgehalten werden kann. Eine Veränderung des Tatsachenvortrags ohne jeglichen erkennbaren sachlichen Grund – wie vorliegend – genügt nicht.

Nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass die Beklagte das Zustandekommen des Kaufvertrags mit der Klägerin und ihre Verkäufereigenschaft auch mit anwaltlichem vorgerichtlichen Schreiben vom 08.06.2016 ausdrücklich eingeräumt und dies mit substanziiertem Vortrag in dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 26.08.2016 noch einmal untermauert hat, geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte – soweit sie das Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen ihr und der Klägerin seit dem Schriftsatz vom 05.07.2017 wiederholt und hartnäckig bestreitet – schlichtweg lügt.

b) Der veräußerte Pkw wies auch einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB auf, da er sich nicht für die von den Parteien nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, das Benutzen des streitgegenständlichen Pkw im Straßenverkehr, eignete. Dies war deshalb nicht der Fall, weil der Pkw aufgrund einer unsachgemäßen Reparatur eines Unfallschadens nicht verkehrssicher war.

Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden, in sich widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen G in seinem Gutachten vom 16.10.2017, an dessen Sachkunde und Qualifikation zu zweifeln es keinen Anlass gibt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Überprüfung der Sicherheitsgurte und der Airbags ergeben habe, dass insoweit ein Defekt vorliege bzw. die Funktion im Bereich der Sicherheitsgurte und der Airbags eingeschränkt sei. Die Inaugenscheinnahme der Sicherheitsgurte habe als Ergebnis erbracht, dass infolge eines Schadenereignisses die Gaspatronen der Sicherheitsgurte offensichtlich ausgelöst hätten und anschließend abgetrennt worden seien; des Weiteren sei ein Widerstand in die Steckverbindung des Sicherheitsgurtes angebracht worden, um dem Steuergerät einen funktionsfähigen Sicherheitsgurt zu vermitteln. Somit könne hier keine Funktion des Sicherheitsgurtes bzw. der Gurtstraffer mehr stattfinden. Überdies habe nach Ausbau des Airbag-Gasgenerators auf der Beifahrerseite festgestellt werden können, dass hier ein zweistufiger Gasgenerator verbaut worden sei. Laut Verkabelung im Fahrzeug sei in dem Fahrzeug jedoch regulär ein einstufiger Gasgenerator verbaut. Nach Rücksprache mit dem Hersteller des Gasgenerators sei hier nicht mit einer ordnungsgemäßen Auslösung des Airbags zu rechnen bzw. von einer Fehlfunktion oder gar keiner Funktion auszugehen. Als Ergebnis könne festgehalten werden, dass das Fahrzeug über keine funktionsfähigen Gurtstraffer und keine funktionsfähigen Airbags verfüge und somit nicht verkehrssicher sei.

Zweifel an der Richtigkeit der sachverständigen Ausführungen hat die Kammer nicht. Die defekten bzw. nicht mehr ordnungsgemäß funktionierenden Sicherheitsgurte und Airbags mit der Folge, dass das Fahrzeug nicht mehr in einem verkehrssicheren Zustand ist, stellen einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB dar.

c) Der vorgenannte Sachmangel lag auch bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 Satz 1 BGB), bei Übergabe des Pkw an die Klägerin am 29.03.2016, vor.

Grundsätzlich trägt die Klägerin die Beweislast, dass der Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat (BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, BGHZ 159, 215, 217 f. = NJW 2004, 2299, 2300). Für Mängel der streitgegenständlichen Art, unsachgemäße Reparaturen der vorgenannten Art nach einem Unfallschaden, die bereits kurze Zeit nach Gefahrübergang auftreten bzw. erkannt werden und bei denen es sich gerade nicht um solche Mängel handelt, die typischerweise jederzeit nach Gefahrübergang auftreten können, kann jedoch regelmäßig vermutet werden, dass diese Mängel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Dies gilt in Konstellationen wie der vorliegenden insbesondere deshalb, weil solche Mängel gewöhnlich durch eine Reparatur behoben werden können. Eine Manipulation durch den Käufer zu dem Zweck, den geschlossenen Autokaufvertrag in Rückabwicklung zu bringen oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen zu können, ist angesichts des Vorrangs der Nacherfüllung durch den Autoverkäufer nach der allgemeinen Lebenserfahrung außerordentlich fernliegend. Entsprechend hat die Klägerin vorliegend auch nicht direkt den Rücktritt erklärt oder Schadensersatz verlangt, sondern die Beklagte zur Nacherfüllung aufgefordert. Hierdurch hat sie gezeigt, dass sie grundsätzlich an den Vertrag festhalten wollte und es ihr gerade nicht darauf ankam, lediglich den Kaufvertrag in Rückabwicklung zu bringen.

Es obliegt daher vorliegend trotz des Umstands, dass es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. von § 474 I BGB handelt, ausnahmsweise dem Verkäufer, hier der Beklagten, zu beweisen, dass der festgestellte Mangel erst nach Gefahrübergang (auf welchem Wege auch immer) entstanden ist. Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen. Sie ist insoweit beweisfällig geblieben. Einer Beweisaufnahme bedurfte es nicht, da die Beklagte für die von ihr aufgestellte Behauptung, der Gurt des Fahrzeuges sei nach der Übergabe vorsätzlich … manipuliert worden, keinen geeigneten Beweis angeboten hat. Die von der Beklagten angebotenen Beweise, namentlich die Bescheinigung über die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO vom 12.03.2016 und das Gutachten vom 13.05.2016 liefern über diese Tatsache gerade keinen Aufschluss. Zeugenbeweis … hat die Beklagte insoweit nicht angeboten.

d) Die hiernach gemäß § 439 BGB grundsätzlich bestehende Verpflichtung der Beklagten zur Nacherfüllung im Hinblick auf die defekten Gurtstraffer und Airbags entfällt auch nicht wegen des in dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 vereinbarten umfassenden „Ausschlusses jeglicher Gewährleistung im Hinblick auf sichtbare und unsichtbare Mängel, insbesondere bezüglich des Kilometerstandes, früherer Unfälle und etwa auftretender Schäden infolge früherer Unfälle“. Diese Klausel hält der AGB-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Bei der Gewährleistungsausschluss-Klausel in dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. von § 305 I 1 BGB.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 Rn. 10) liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Es handelt sich bei dem verwendeten Formular, das die Ausschlussklausel enthält, offensichtlich nach Inhalt und Gestaltung um ein für eine Vielzahl von Fällen vorformuliertes Vertragsformular. Dies ergibt sich schon daraus, dass sämtliche das Geschäft individualisierende Umstände durch den Nutzer des Formulars selbst in die dafür vorgesehenen Lücken und Felder einzutragen waren.

Die Beklagte war auch Verwenderin i. S. des § 305 I 1 BGB.

Der vollständige Ausschluss jeglicher Gewährleistung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist gemäß § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners vollumfänglich unwirksam (BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 26/14, juris Rn. 16). Es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Ein wirksamer Gewährleistungsausschluss für die hier vorliegenden Mängel ergibt sich auch nicht daraus, dass die Parteien die Klausel „gekauft wie gesehen“ in den Vertrag aufgenommen haben. Denn durch diese Klausel wird im Ergebnis nur die Gewährleistung für solche Mängel ausgeschlossen, die bei einer Besichtigung ohne Zuziehung eines Sachverständigen wahrnehmbar, insbesondere sichtbar waren (vgl. BGH, Urt. v. 06.04.2016 – VIII ZR 261/14, NJW 2016, 2495 Rn. 22). Wird in der Klausel der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen. Aufgrund von einer unsachgemäßen Reparatur entstandene Funktionseinschränkungen eines Gurtstraffers oder Airbags sind regelmäßig für den Laien bei einer Besichtigung ohne Zuziehung eines Sachverständigen nicht wahrnehmbar. Eine Heranziehung der unwirksamen umfassenden Gewährleistungsausschluss-Klausel, zur Auslegung dahingehend, dass durch die Klausel „gekauft wie gesehen“ nach dem Parteiwillen auch nicht ohne Sachverständigen wahrnehmbare Mängel von der Gewährleistung ausgeschlossen sein sollten, ist nicht zulässig, da hierin eine Umgehung des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion liegen würde.

Die Gewährleistung ist auch nicht aufgrund von Kenntnis der Klägerin oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels i. S. von § 442 I BGB ausgeschlossen. Für eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte.

e) Die Klägerin hat die Beklagte auch unter Setzung einer angemessenen Frist durch anwaltliches Schreiben vom 27.05.2016 zur (der Beklagten auch nicht unmöglichen) Nacherfüllung aufgefordert (§ 323 I BGB). Die Beklagte hat die Nacherfüllung durch anwaltliches Schreiben vom 08.06.2016 endgültig verweigert. Unter Berücksichtigung des Vorstehenden lagen die Voraussetzungen des Rücktritts von dem Kaufvertrag im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts am 15.06.2016 vor.

Das Rücktrittsrecht ist auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, da die vorliegenden Mängel nicht lediglich unerheblich sind.

f) Da der Rücktritt wirksam war, sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (§ 346 I BGB). Hiernach hat die Beklagte an die Klägerin den Kaufpreis in Höhe von 5.600 € zurückzuzahlen, die Klägerin hat den streitgegenständlichen Pkw an die Beklagte zurückzuübereignen. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien sind Zug um Zug zu erfüllen (§ 348 Satz 1 BGB). Dass die Klägerin Nutzungen i. S. von § 346 I BGB gezogen hätte, da sie den Pkw genutzt hat, ist nicht dargetan und kann auch in Anbetracht des vorliegenden Mangels nicht angenommen werden.

2. Der hinsichtlich der Hauptforderung von 5.600 € … tenorierte Zinsanspruch folgt aus §§ 280 I, II, 286 BGB, da sich die Beklagte jedenfalls seit dem 01.07.2016 in Verzug befand. Denn die Aufforderung gegenüber der Beklagten durch anwaltliches Schreiben vom 15.06.2016 den Kaufpreis in Höhe von 5.600 € Zug um Zug gegen Rücknahme des Pkw bis zum 30.06.2016 zurückzuzahlen, ist fruchtlos geblieben.

Soweit der Kläger Verzugszinsen bereits ab dem 08.06.2016 und damit ab Verweigerung der Nacherfüllung verlangt, ist die Klage unbegründet. Denn hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 5.600 € trat Verzug erst am 01.07.2016 ein. Auf den Zeitpunkt der Verweigerung der Nacherfüllung durch die Beklagte kann insoweit nicht abgestellt werden.

3. Die Klage ist unter Berücksichtigung des Vorstehenden auch hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsanspruchs … begründet, da die Klägerin der Beklagten die Rückübereignung des streitgegenständlichen Pkw durch anwaltliches Schreiben vom 15.06.2016 in einer den Annahmeverzug begründeten Art und Weise, gemäß §§ 293, 294, 298 BGB, angeboten hat.

4. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die Sachverständigenkosten in Höhe von 350 €, die entrichtete Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 50 €, die Versicherungsprämie in Höhe von 101,27 € sowie hinsichtlich der Umschreibekosten in Höhe von 44,80 €, insgesamt ein Betrag in Höhe von 546,07 €, rechtfertigt sich unter Berücksichtigung des Vorstehenden aus § 437 Nr. 3, §§ 280 I, 249 BGB, da die Beklagte an die Klägerin eine mangelhafte Sache geliefert hat. Ihr Verschulden wird gemäß § 280 I 2 BGB vermutet. Eine Entlastung ist ihr insoweit nicht gelungen. Die geltend gemachten Positionen sind kausale, ersatzfähige Schäden. Der insoweit geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB i. V. mit § 288 I 2 BGB.

5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € aus einem Gegenstandswert von 6.146,07 € gemäß § 280 I BGB. Der zugleich geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich wiederum aus § 291 BGB i. V. mit § 288 I 2 BGB. …

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