1. Durch die Wendung „gekauft wie gesehen“ wird regelmäßig nur die Haftung des Verkäufers für solche Mängel ausgeschlossen, die für den Käufer bei einer ordnungsgemäßen Besichtigung der Kaufsache ohne die Hilfe eines Sachverständigen wahrnehmbar sind.
  2. Heißt es in einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen vorformuliert, das Fahrzeug werde „unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ verkauft, so wird dieser umfassende Haftungsausschluss durch den handschriftlichen Zusatz „gekauft wie gesehen“ nicht eingeschränkt.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.09.2005 – 4 U 163/04-32

Sachverhalt: Der Kläger besichtigte am 11.02.2002 einen gebrauchten Abschleppwagen, den der Beklagte im Internet zum Kauf angeboten hatte. Anschließend kam er mit dem Zeugen H überein, dass er – der Kläger – das Fahrzeug „gekauft wie gesehen“ erwerbe, und leistete eine Anzahlung auf den Kaufpreis in Höhe von 200 €. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 1.600 € zahlte der Kläger am 21.02.2002, als er den Abschleppwagen, der zwischenzeitlich erfolgreich einer Hauptuntersuchung unterzogen worden war, zusammen mit dem Zeugen E abholte.

Mit Schreiben vom 28.02.2002 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Kaufpreises auf. Er hat behauptet, das Fahrzeug weise zahlreiche, teils die Verkehrstauglichkeit beeinträchtigende Mängel auf. Unter anderem sei die elektrische Winde defekt, obwohl der Beklagte ausdrücklich zugesichert habe, dass sie einwandfrei funktioniere. Der Abschleppwagen sei am 22.02.2002 dem TÜV vorgeführt worden, der wegen der festgestellten Mängel die Erteilung einer Prüfplakette verweigert habe.

Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz von Aufwendungen gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug bei der Übergabe Mängel aufgewiesen habe, denn Gewährleistungsansprüche des Klägers seien jedenfalls durch den zwischen den Parteien wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. A. … Dem Kläger steht … weder ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises noch auf Ausgleich der geltend gemachten Aufwendungen sowie des Standgeldes zu, da die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht erfüllt sind. Denn der Beklagte hat den ihm obliegenden Beweis dafür, dass der gekaufte Abschleppwagen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen der Gewährleistungspflicht des Verkäufers unterliegenden, zum Rücktritt berechtigenden Mangel aufwies, nicht erbracht (1). Dessen ungeachtet ist der Rücktritt jedenfalls wegen des fehlenden Nacherfüllungsverlangens unwirksam (2).

1. Der Käufer ist gemäß § 437 Nr. 2 BGB unter weiteren Voraussetzungen zum Rücktritt berechtigt, wenn die verkaufte Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.

a) Allerdings ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die Parteien in den Grenzen des § 444 BGB eine Gewährleistung für Mängel in umfassendem Sinne ausgeschlossen haben. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Parteien durch Verwendung der Formulierung „gekauft wie gesehen“ die Gewährleistungsansprüche nicht nur für alle sichtbaren Mängel, sondern für sämtliche Mängel ausgeschlossen haben. Diese Auslegung hält den Angriffen der Berufung im Ergebnis stand.

aa) Zutreffend geht das Landgericht im Ausgangspunkt seiner Überlegungen davon aus, dass der Rechtsverkehr mit der Klausel „gekauft wie gesehen“ nur solche Mängel ausschließen will, die bei einer ordnungsgemäßen Besichtigung ohne Zuziehung eines Sachverständigen wahrnehmbar sind (BGH, Urt. v. 05.04.1979 – VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204 [210]; Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., § 444 Rn. 15 f.; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 444 Rn. 4; RGRK-BGB/Mezger, 12. Aufl., § 476 Rn. 2; krit. MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl., § 444 Rn. 7; Staudinger/Honsell, BGB, 13. Aufl., § 476 Rn. 6). Es mag daher gerechtfertigt erscheinen, im Hinblick auf die Sachkunde des Klägers den Kreis derjenigen Mängel, die der Kläger ohne sachverständige Beratung an Ort und Stelle hätte wahrnehmen können, durchaus weit zu ziehen. Angewandt auf die vom Kläger gerügten Mängel spricht einiges dafür, dass ein im Umgang mit Kraftfahrzeugen erfahrener Käufer in der Situation des Klägers durchaus nicht nur die Karosserieschäden, den angeschweißten Plateauaufbau, den losen Rückspiegel, das beschädigte Gehäuse der Schlussleuchten, möglicherweise auch den Ölverlust des Motors, hätte erkennen können. In jedem Fall erscheint zweifelhaft, ob der Kläger bei einer Probefahrt den unzureichenden Druckaufbau, die ausgeschlagenen Bremslager und den Defekt des Servolenkgetriebes aufgrund seiner Sachkunde hätte bemerken müssen.

bb) Wenn jedoch die mündlich vereinbarte Abrede, wonach der Kauf „wie gesehen“ abgewickelt werden sollte, für sich betrachtet den Rückschluss auf einen umfassenden Haftungsausschluss noch nicht erlaubt und die geltend gemachten Mängel nicht alle bei Vertragsschluss leicht erkennbar waren, so kommt es darauf an, ob die Hilfserwägungen des Landgerichts zum Erklärungsgehalt der in der Vertragsurkunde enthaltenen Formulierungen das Auslegungsergebnis eines umfassenden Haftungsausschlusses bestätigen. Hierbei muss die Auslegung den gesamten Text der Vertragsurkunde einbeziehen und dem Umstand Rechnung tragen, dass in der Vertragsurkunde einerseits im Fließtext die Formulierung enthalten ist, wonach das „nachfolgend bezeichnete gebrauchte Fahrzeug unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ verkauft werde. Andererseits erscheint im weiteren Text der Urkunde unter der Zeile „besondere Vereinbarung“ erneut die Formulierung „gekauft wie gesehen“.

Zwar liegt es nicht fern, in der besonderen Vereinbarung „gekauft wie gesehen“ eine Individualabrede i. S. des § 305b BGB zu erblicken, deren isoliert betrachteter Inhalt Vorrang vor der formularmäßigen Vertragsbedingung eines umfassenden Gewährleistungsausschlusses genießt. Jedoch führt diese zergliedernde Betrachtung der Vertragserklärungen nicht zu einem interessengerechten Ergebnis. Denn die Auslegung kann nicht unbeachtet lassen, dass die umgangssprachliche Umschreibung des Gewährleistungsausschlusses in der Floskel „gekauft wie gesehen“ einen Auslegungsspielraum eröffnet. Bei wörtlichem Verständnis enthält die Formulierung „gekauft wie gesehen“ keinen unmittelbaren Bezug zur Rechtsfolge eines Gewährleistungsausschlusses. Erst recht lässt sich der Formulierung nicht entnehmen, dass der gewählte Ausdruck eine Einschränkung hinsichtlich des Gegenstands der ausgeschlossenen Gewährleistungsansprüche enthält. Das verkehrsrichtige Verständnis erschließt sich nicht unmittelbar, was beispielsweise darin deutlich wird, dass der Geschäftsverkehr die bei unbefangener Betrachtung ähnliche Klausel „wie die Sache steht und liegt“ durchaus in einem umfassenden Sinne versteht (BGH, Urt. v. 05.04.1979 – VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204 [210]; Palandt/Putzo, a. a. O., § 444 Rn. 15 f.; Faust, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 444 Rn. 4; RGRK-BGB/Mezger, a. a. O., § 476 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Westermann, a. a. O., § 444 Rn. 7; Staudinger/Honsell, a. a. O., § 476 Rn. 8).

Die besseren Argumente streiten dafür, in der präzisen Formulierung des Fließtextes, die einen umfassenden Ausschluss anordnet, gewissermaßen eine Auslegungshilfe für die Individualabrede zu sehen. Diese Betrachtungsweise ermöglicht eine widerspruchsfreie Auslegung der gesamten Vertragsurkunde in dem Sinne, dass der Klausel „gekauft wie gesehen“ im vorliegend zu beurteilenden Vertrag entgegen den im Geschäftsverkehr üblichen Gepflogenheiten der Erklärungsgehalt eines umfassenden Haftungsausschlusses beizumessen ist. Dieses Ergebnis wird auch der konkreten Vertragssituation gerecht: Der Kläger war sich darüber bewusst, ein zum Zeitpunkt des Kaufs nicht zugelassenes, mehr als 20 Jahre altes Fahrzeug zu erwerben. Das Risiko, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verborgene Mängel vorhanden waren, die beide Vertragspartner selbst bei großer Sorgfalt nicht hätten erkennen können, war außerordentlich groß. Mithin entspricht der vorliegend zu beurteilende Gebrauchtwagenkauf geradezu idealtypisch der Vertragskonstellation, in der ein vollständiger Haftungsausschluss sinnvoll erscheint. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte das Risiko eines sich innerhalb der Gewährleistungsfrist manifestierenden Mangels übernehmen wollte.

b) Zwar steht der Haftungsausschluss der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gemäß § 444 BGB nicht entgegen, soweit der Verkäufer die Garantie für die Beschaffenheit der Kaufsache übernommen hat. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte … für die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe einstehen wollte. Denn der Beklagte hat den obliegenden Beweis dafür, dass die Verkehrstauglichkeit zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht vorlag, zur Überzeugung des Senats nicht erbracht.

Das Landgericht hat den TÜV-Prüfer M am 06.06.2003 über den Zustand des Fahrzeugs anlässlich der Hauptuntersuchung vom 22.02.2002 befragt. Der Zeuge hat sich naturgemäß an den konkreten Zustand des von ihm untersuchten Fahrzeugs nicht mehr erinnert und auf seinen allgemeinen Prüfbericht Bezug genommen. Damit stehen sich im Ergebnis der Bericht der DEKRA vom 19.02.2003, der nur geringe Mängel bestätigte, und der Bericht des TÜV gegenüber. Bei dieser Beweislage ist der erforderliche sichere Nachweis für die fehlende Verkehrstauglichkeit nicht geführt.

2. Letztlich kann die Frage nach dem Inhalt des Gewährleistungsausschlusses und dem Beweis der Verkehrsuntauglichkeit sogar offenbleiben, da der Rücktritt in jedem Fall am weiteren Erfordernis des … Nacherfüllungsverlangens (§ 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 323 BGB) scheitert. Denn der Gläubiger kann gemäß § 323 I BGB erst dann wirksam vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat (zum Erfordernis der Nachfristsetzung vgl. BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348; Lorenz, NJW 2005, 1321). Dies hat der Kläger nicht vorgetragen.

Die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung liegen nicht vor: In Anbetracht der zwischen Kaufvertragsabschluss und Rücktritt liegenden kurzen Zeit von nur acht Tagen ist nicht erkennbar, dass der Beklagte vor Ausspruch des Rücktritts eine Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hätte (§ 323 II Nr. 1 BGB). Auch aus dem Prozessverhalten können keine sicheren Rückschlüsse gezogen werden, wonach ein Nacherfüllungsverlangen von vornherein aussichtslos gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348). Soweit der Kläger die Unzumutbarkeit der Nachbesserung aus dem Umstand herleiten will, dass der Beklagte ihn arglistig getäuscht habe, hat der Beklagte den ihm obliegenden Beweis für ein etwaiges kollusives Zusammenwirken des Beklagten mit dem Prüfer der DEKRA nicht geführt …

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