Im Hinblick auf die Verpflichtung des Verkäufers zur Verschaffung einer von Sach- und Rechtsmängeln freien Sache (§ 433 I 2 BGB) ist der Käufer bei behebbaren Mängeln, auch wenn sie geringfügig sind, grundsätzlich berechtigt, gemäß § 320 I BGB die Zahlung des (vollständigen) Kaufpreises und gemäß § 273 I BGB die Abnahme der gekauften Sache bis zur Beseitigung des Mangels zu verweigern, soweit sich nicht aus besonderen Umständen ergibt, dass das Zurückbehaltungsrecht in einer gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Weise ausgeübt wird.

BGH, Urteil vom 26.10.2016 – VIII ZR 211/15

Sachverhalt: Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelt, veräußerte dem Beklagten aufgrund einer Bestellung vom 15.01.2013 ein Neufahrzeug Fiat Freemont zum Preis von 21.450 €. Die Parteien vereinbarten kostenfreie Lieferung an den Wohnsitz des Beklagten.

Bei Anlieferung am 16.07.2013 wies das Fahrzeug an der Fahrertür eine Lackbeschädigung auf. Im Lieferschein der Spedition ist insoweit vermerkt: „Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von [der Klägerin] übernommen“. Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte telefonisch, dass er das Fahrzeug „zurückweise“, und teilte der Klägerin per Telefax mit:

„Leider ist die kleine Delle, wie im Lieferschein beschrieben, nicht so ganz klein. Diese verläuft über die Grundierung bis aufs Grundmaterial (Blech) spitz in ca. 2–3 mm tief hinein. […] Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes kann ich den Zahlungsauftrag nicht freigeben.“

Mit Schreiben vom 17.07.2013 machte die Klägerin geltend, es handele sich um einen „Bagatellschaden“, und bat um Überweisung des vollständigen Kaufpreises. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes vom 17.07.2013, wonach Lackierkosten in Höhe von 528,30 € entstünden.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 25.07.2013, sie werde bei Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 € übernehmen. Nachdem der Beklagte sie mit Anwaltsschreiben vom 26.07.2013 unter Fristsetzung bis zum 10.08.2013 aufgefordert hatte, den Lackschaden für ihn kostenfrei zu beheben, ließ sie das vom Beklagten bisher nicht benutzte Fahrzeug am 06.08.2013 zurückholen.

Der Beklagte verlangte mit Anwaltsschreiben vom 11.09.2013, das Fahrzeug nunmehr unverzüglich auszuliefern. Daraufhin teilte die Klägerin am 12.09.2013 mit, es stehe zur Abholung durch ihn bereit. Am 06.10.2013 lieferte die Klägerin das hinsichtlich des Lackschadens reparierte Fahrzeug aus. Daraufhin entrichtete der Beklagte den vollständigen Kaufpreis.

Die Klägerin, die unter Berufung auf ein eingeholtes Angebot vom 07.08.2013 behauptet, der Lackschaden sei mit einem Kostenaufwand von 249,90 € zu beseitigen gewesen, verlangt Verzugszinsen auf den Kaufpreis für die Zeit vom 25.07.2013 bis zum 20.10.2013 (235,65 €), Kostenerstattung für die Rückholung (167,64 € netto) und die erneute Auslieferung des Fahrzeugs (350 € brutto) sowie „Standgeld“ für die Zeit vom 08.08.2013 bis zum 15.10.2013 (621 €).

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Auch die Revision der Klägerin war erfolglos.

Aus den Gründen: [9]    I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

[10]   Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB zu. Der Beklagte habe sich weder mit der Abnahme des Fahrzeugs noch mit der Zahlung des Kaufpreises in Schuldnerverzug befunden.

[11]   Der Anspruch der Klägerin auf Abnahme des Fahrzeugs und Zahlung des Kaufpreises sei am 16.07.2013 nicht fällig geworden. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, das Fahrzeug zurückzuweisen, weil es – anders als beim Kauf eines Neuwagens konkludent vereinbart (§ 434 I 1 BGB) – nicht unbeschädigt und daher nicht fabrikneu gewesen sei. Dies gelte unabhängig davon, ob der erforderliche Reparaturaufwand mit 249,90 € oder 528,30 € zu bemessen sei.

[12]   Das „Recht des Käufers zur Zurückweisung der Kaufsache“ unterliege keiner Erheblichkeitsschwelle i. S. von § 323 V 2 BGB. Auch bei einem – wie hier – geringfügigen Mangel könne der Käufer verweigern, die ihm angebotene Ware als Erfüllung anzunehmen, denn das Angebot einer mangelhaften Leistung sei eine Teilleistung, die er gemäß § 266 BGB zurückweisen dürfe. Dies gelte auch bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers. In einem solchen Fall seien nur der Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 323 V 2 BGB) und der Anspruch auf „großen“ Schadensersatz ausgeschlossen (§ 281 I 3 BGB), nicht jedoch das hier einschlägige Zurückweisungs- und Abnahmeverweigerungsrecht des Käufers.

[13]   Dem stehe unter den Umständen des hier gegebenen Einzelfalls nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen. Der Lackschaden betreffe die vereinbarte Beschaffenheit der Fabrikneuheit. Es handele sich zudem um eine nicht ganz unerhebliche Beschädigung, selbst wenn diese – wie die Klägerin vortrage – mit einem Aufwand von nur 249,90 € zu beseitigen gewesen sei.

[14]   II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.

[15]   Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs (§§ 280 I, II, 286 I BGB) noch – bezüglich der Transportkosten und des „Standgeldes“ – des Annahmeverzugs (§ 304 BGB) zu. Der Beklagte ist mit der Zahlung des Kaufpreises nicht in Verzug geraten, denn die Klägerin hat dem Beklagten das Fahrzeug zunächst nicht frei von Sachmängeln verschafft (§ 433 I 2 BGB), und der Beklagte war deshalb gemäß § 320 I 1 BGB berechtigt, den vereinbarten Kaufpreis insgesamt bis zur mangelfreien Lieferung einzubehalten. Die Abnahme des mangelhaften Fahrzeugs (§ 433 II BGB) durfte der Beklagte gemäß § 273 I BGB ebenfalls bis zur Beseitigung des Lackschadens verweigern, weshalb er auch insoweit weder in Schuldner- noch in Annahmeverzug geraten ist.

[16]   1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Klägerin Verzugszinsen auf den Kaufpreis für den Zeitraum vom 16.07.2013 bis zum 20.10.2013 nicht zuerkannt, denn der Beklagte ist mit der Zahlung des Kaufpreises nicht in Verzug geraten. Verzug setzt gemäß § 286 I BGB voraus, dass der Schuldner auf eine fällige und durchsetzbare (also nicht mit einer Einrede behaftete) Forderung trotz Mahnung nicht leistet. Hieran fehlt es in dem gesamten streitigen Zeitraum (16.07.2013 bis 20.10.2013).

[17]   a) Bei der ersten (versuchten) Anlieferung des Fahrzeugs am 16.07.2013 bestand ein den Verzug ausschließendes Zurückbehaltungsrecht. Denn dem Beklagten stand bis zur Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs ein die gesamte Forderung erfassendes Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 I 1 BGB zu (vgl. Senat, Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn. 19 m. w. Nachw.). Nach dieser Bestimmung kann im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages jede Vertragspartei, sofern sie nicht zur Vorleistung verpflichtet ist, die ihr obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Diese Gegenleistung ist nicht am 16.07.2013, sondern erst am 06.10.2013 bewirkt worden.

[18]   aa) Nach § 433 I 2 BGB war die Klägerin verpflichtet, die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen, das heißt, sie hatte das Fahrzeug dem Beklagten in einem einwandfrei lackierten Zustand zu übergeben, der aufgrund der vereinbarten Eigenschaft als Neuwagen geschuldet war (vgl. Senat, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 10). Zahlung des vereinbarten Kaufpreises konnte die Klägerin mithin nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in einem solchen – mangelfreien – Zustand verlangen. Das am 16.07.2013 ausgelieferte Fahrzeug war jedoch – was auch die Revision nicht in Abrede stellt – aufgrund des Lackschadens an der Fahrertür mangelhaft (§ 434 I 1 BGB).

[19]   bb) Die Erfüllung des Kaufvertrags war der Klägerin weiterhin (uneingeschränkt) möglich, denn der Mangel war behebbar. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann es in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, ob auch die Eigenschaft als Neuwagen durch die nachträgliche Behebung des Lackschadens wiederhergestellt werden konnte (s. Senat, Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127 [unter II 2 b]). Jedenfalls hat der Beklagte von vornherein Beseitigung des Mangels verlangt und – wie aus seinem nachfolgend gezeigten, insoweit maßgeblichen tatsächlichen Verhalten folgt (s. BGH, Urt. v. 12.06.2013 – XII ZR 50/12, NJW-RR 2013, 1232 Rn. 38; MünchKomm-BGB/Fetzer, 7. Aufl., § 363 Rn. 3 m. w. Nachw.) – die Erfüllungstauglichkeit des am 16.10.2013 nach Schadensbeseitigung erneut angelieferten Fahrzeugs nicht infrage gestellt, sondern hat es als Erfüllung angenommen (vgl. § 363 BGB) und den vollständigen Kaufpreis gezahlt.

[20]   cc) Die von der Revision angegriffene Beurteilung des Berufungsgerichts, die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im Umfang der gesamten Kaufpreisforderung verstoße nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB; Rechtsgedanke des § 320 II BGB), ist frei von Rechtsfehlern.

[21]   (1) Zwar kann der Käufer die Zahlung des Kaufpreises gemäß § 320 I 1 BGB ausnahmsweise nicht oder nicht vollständig verweigern, wenn dies nach den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1956 – VIII ZR 61/56, DB 1957, 88 [unter 2, 3, 5]; Urt. v. 27.02.1974 – VIII ZR 206/72, WM 1974, 369 [unter III 2 a]; Urt. v. 06.05.2009 – XII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn. 14; Urt. v. 09.06.2011 – III ZR 157/10, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 11; Urt. v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 41; s. auch Senat, Urt. v. 17.06.2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn. 50 [zu § 320 II BGB]).

[22]   (2) Jedoch rügt die Revision, die sich die für sie günstige Beurteilung des Berufungsgerichts, die Pflichtverletzung der Klägerin sei als geringfügig zu erachten, zu eigen macht, ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Lackschaden behebbar und unbedeutend gewesen sei, zumal – für den Beklagten erkennbar – nur „wenige Hundert Euro“ zu seiner Beseitigung notwendig gewesen seien und die Klägerin von Anfang an angeboten habe, den Schaden zu beheben. Anders als die Revision meint, folgt aus diesen Umständen nicht, dass der Beklagte gehalten gewesen wäre, bereits am 16.07.2013 den überwiegenden Kaufpreis – mit Ausnahme eines Einbehalts für die Beseitigung des Lackschadens – zu entrichten.

[23]   (a) § 320 BGB verfolgt den doppelten Zweck, dem Gläubiger, der am Vertrag festhalten will, sowohl den Anspruch auf die Gegenleistung zu sichern als auch Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihn zu vertragsgemäßer Leistung anzuhalten (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.1991 – V ZR 229/90, BGHZ 116, 244, 249; Urt. v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 58; jeweils m. w. Nachw.). Mit diesem Zweck wäre es nicht vereinbar, eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des gesamten oder überwiegenden Teils des Kaufpreises bereits im Zeitpunkt der ersten Anlieferung des Fahrzeugs zu bejahen, obwohl dieses mangelhaft war und die Klägerin es zur Mangelbeseitigung wieder an sich nehmen musste. Dass es eines Drucks auf den Schuldner durch Einbehalt des (gesamten) Kaufpreises bedarf, wird unter den hier gegebenen Umständen besonders deutlich, weil die Klägerin mehr als zwei Monate bis zur erneuten Anlieferung des Fahrzeugs verstreichen ließ und der Beklagte es in diesem Zeitraum nicht nutzen konnte.

[24]   (b) Zudem trägt die Sichtweise der Revision maßgeblichen Umständen des Streitfalls nicht Rechnung. Unabhängig von der – aufgrund des Verstoßes gegen die vereinbarte Beschaffenheit (hier: Fabrikneuheit), die regelmäßig die Erheblichkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers indiziert (Senat, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23; Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 16; Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 14), nicht zweifelsfreien – Beurteilung des Berufungsgerichts, die Pflichtverletzung der Klägerin sei zwar „nicht ganz unerheblich“, aber gleichwohl geringfügig, ist im Rahmen der notwendigen umfassenden Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Senat, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 16 m. w. Nachw.) nicht nur auf die geringen Kosten der Nachlackierung abzustellen, die sich nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin auf 249,90 € belaufen.

[25]   Die Revision verkennt, dass die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten hat, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin nachzukommen. Denn ausweislich des Lieferscheines vom 16.07.2013 hat sie sich lediglich zu einer Übernahme der Kosten bereit erklärt. Es oblag jedoch nicht dem Beklagten, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die Klägerin hatte dies im Rahmen ihrer Erfüllungspflicht in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen. Zudem hat die Klägerin im Rahmen ihrer Erfüllungspflicht selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 € gesetzt, sodass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte.

[26]   b) Das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nach § 320 I 1 BGB endete somit (erst) mit der am 06.10.2013 erfolgten Auslieferung des (mangelfreien) Fahrzeugs. Daraufhin entrichtete der Beklagte den Kaufpreis, der am 20.10.2013 bei der Klägerin einging, ohne dass sie zuvor noch eine Mahnung ausgesprochen hätte. Daher ist der Beklagte auch in dem Zeitraum zwischen mangelfreier Lieferung und Zahlung nicht in Verzug geraten und schuldet mithin auch insoweit keine Verzugszinsen.

[27]   2. Ein Anspruch auf „Standgeld“ und auf Erstattung von Transportkosten steht der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs gemäß §§ 280 I, II, 286 I BGB mit der Abnahme des Fahrzeugs (§ 433 II BGB) noch des Annahmeverzugs (§ 304 BGB) zu.

[28]   a) Der Beklagte ist am 16.07.2013 auch mit der Pflicht zur Abnahme der Kaufsache (§ 433 II BGB) nicht in Schuldnerverzug (§ 286 I BGB) geraten. Vielmehr hat er die Abnahme mit Rücksicht auf ein ihm zustehendes Leistungsverweigerungsrecht, das sich insoweit allerdings nicht aus § 320 I 1 BGB, sondern aus § 273 I BGB ergibt, zu Recht verweigert.

[29]   aa) Ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 I 1 BGB stand dem Beklagten gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Abnahme der Kaufsache nicht zu. Denn die Pflicht des Käufers auf Abnahme der Kaufsache stellt im Allgemeinen keine Gegenleistung für die Lieferung der Kaufsache dar und steht daher nur in einem – hier nicht ersichtlichen – Ausnahmefall in einer synallagmatischen Verknüpfung zur Lieferung, wie dies für die Einrede des nichterfüllten Vertrages Voraussetzung wäre (vgl. BGH, Urt. v. 28.05.1975 – VIII ZR 6/74, WM 1975, 863 [unter I 1 a]; Urt. v. 19.05.2006 – V ZR 40/05, NJW 2006, 2773 Rn. 21; Urt. v. 17.06.2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn. 49).

[30]   bb) Jedoch war der Beklagte gemäß § 273 I BGB – im Hinblick auf die Pflicht der Klägerin zur Verschaffung einer mangelfreien Kaufsache (§ 433 I 2 BGB) – berechtigt, die Abnahme des Fahrzeugs zu verweigern, solange es ihm nicht in mangelfreiem, das heißt einwandfrei lackierten Zustand angeboten wurde. Dieses Zurückbehaltungsrecht hat der Beklagte am 16.07.2013 jedenfalls stillschweigend geltend gemacht, indem er kostenfreie Behebung des Mangels verlangt und erklärt hat, das Fahrzeug (im gegenwärtigen mangelhaften Zustand) „zurückzuweisen“.

[31]   cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine andere Beurteilung auch nicht mit Rücksicht darauf geboten, dass die Behebung des Lackschadens mit einem Kostenaufwand von „wenigen Hundert Euro“ möglich und der Schaden deshalb als „geringfügig“ anzusehen gewesen sei.

[32]   (1) Allerdings hat der Senat bisher offengelassen, unter welchen Voraussetzungen der Käufer nach der Schuldrechtsreform eine mangelhafte Sache „zurückweisen“ kann (Senat, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 15; Urt. v. vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 21 f.). Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass der Käufer bei behebbaren Mängeln, auch wenn sie geringfügig sind, grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 I BGB geltend machen kann, die Sache also nicht abnehmen muss, sondern sie bis zur Beseitigung des Mangels „zurückweisen“ kann.

[33]   Denn die Lieferung einer Sache, die entgegen § 433 I 2 BGB nicht frei von Rechts- und Sachmängeln ist, stellt eine Pflichtverletzung des Verkäufers dar (BT-Drs. 14/6040, S. 94, 209). § 433 I 2 BGB unterscheidet – anders als § 323 V 2 BGB, § 281 I 3 BGB – nicht zwischen erheblichen und unerheblichen Pflichtverletzungen des Verkäufers. Bei den vorgenannten Bestimmungen geht es darum, dass der Käufer mit dem Rücktritt vom Vertrag oder dem Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung ein Recht geltend macht, das den Bestand des Kaufvertrages insgesamt infrage stellt. Anders verhält es sich indes, wenn der Käufer – wie hier der Beklagte – am Vertrag festhält und Verschaffung einer mangelfreien Sache verlangt.

[34]   In derartigen Fällen wird dem Käufer auch in der Literatur – zu Recht – die Befugnis zugebilligt, die mit einem behebbaren Mangel behaftete Sache unter Hinweis auf eine geschuldete mangelfreie Lieferung zurückzuweisen (NK-BGB/Büdenbender, 3. Aufl., § 437 Rn. 113; Staudinger/Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 433 Rn. 132, 220; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., vor § 437 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 433 Rn. 69; BeckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2014, § 433 Rn. 40; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 4. Aufl., § 2 Rn. 131, 148; Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 74; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 340; s. auch Lorenz, NJW 2013, 1341, 1343, allerdings unter Heranziehung von § 266 BGB). Denn dadurch erhält der Käufer das erforderliche und nach der gesetzlichen Konzeption vorgesehene Druckmittel, um den Verkäufer zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages anzuhalten; der Verkäufer kann somit in aller Regel nicht verlangen, dass der Käufer die mit einem Mangel behaftete Sache zunächst annimmt, um sodann Sachmängelrechte geltend zu machen (vgl. Staudinger/Beckmann, a. a. O., § 433 Rn. 132 m. w. Nachw.).

[35]   (2) Ohne Erfolg verweist die Revision auf die werkvertragliche Regelung des § 640 I 2 BGB, wonach der Besteller die Abnahme des Werkes wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigern darf. Diese Bestimmung, die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.03.2000 (BGBl. 2000 I, S. 330) eingeführt worden ist, dient spezifisch der Verbesserung der Rechtsstellung des Werkunternehmers. Dieser sei „nach geltendem Werkvertragsrecht des BGB-Werkvertrages in einer sehr schwachen Position, weil er das Werk vollständig herstellen und der Besteller vor vollständiger Herstellung die Vergütung nicht zu zahlen“ habe. Daher wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Abnahme eines Werkes „nur wegen mehr als geringfügiger Mängel“ versagt werden kann (s. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, BT-Drs. 14/1246, S. 6).

[36]   Diese Regelung findet im Kaufrecht indes keine Entsprechung und kann – mangels einer Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage – auch nicht entsprechend angewendet werden.

[37]   dd) Allerdings darf auch das Zurückbehaltungsrecht des § 273 I BGB als besonderer Anwendungsfall des Verbots unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise ausgeübt werden (BGH, Urt. v. 11.04.1984 – VIII ZR 302/82, BGHZ 91, 73, 82 f.; Urt. v. 08.06.2004 – X ZR 173/01, NJW 2004, 3484 [unter I 1 b aa]; jeweils m. w. Nachw.). Besondere Umstände, die unter diesem Gesichtspunkt Anlass zu einer vom Berufungsgericht abweichenden Beurteilung geben könnten, liegen im Streitfall jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht vor.

[38]   b) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass der Klägerin auch aus § 304 BGB kein Anspruch auf Erstattung von Mehraufwendungen zusteht, die für zusätzliche Transportkosten und die Aufbewahrung des Fahrzeugs bis zur Neuauslieferung angefallen sind. Denn der Beklagte ist am 16.07.2013 nicht in Annahmeverzug geraten; auch die Revision macht das nicht geltend. Nach § 294 BGB muss der Schuldner dem Gläubiger die Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten. Daran fehlte es am 16.07.2013, weil die Klägerin das Fahrzeug nicht frei von Sachmängeln und damit nicht so, wie die Leistung zu bewirken war, tatsächlich angeboten hat (vgl. Staudinger/Feldmann, BGB, Neubearb. 2014, § 294 Rn. 7 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 294 Rn. 4; jeweils m. w. Nachw.). Dies war erst bei der zweiten Anlieferung am 06.10.2013 der Fall, woraufhin der Beklagte die Sache auch abgenommen hat.

[39]   c) Unabhängig davon, dass der Beklagte mit der Abnahme des Fahrzeugs weder in Schuldner- noch in Annahmeverzug geraten ist, kann die Klägerin Erstattung von Transportkosten und „Standgeld“ auch deshalb nicht verlangen, weil es sich bei diesen Aufwendungen im konkreten Fall um Erfüllungskosten handelt, die zur Verschaffung einer mangelfreien Sache notwendig waren und deshalb in jedem Fall vom Verkäufer aufgrund der gemäß § 448 I Halbsatz 1 BGB geschuldeten Bereitstellung der Kaufsache am vereinbarten Lieferort zu tragen sind (vgl. Jauernig/Berger, BGB, 16. Aufl., § 448 Rn. 2; Staudinger/Beckmann, a. a. O., § 448 Rn. 6 m. w. Nachw.).

[40]   Wenn der Beklagte – wie von der Klägerin verlangt – das Fahrzeug am 16.07.2013 abgenommen hätte, stünde zudem § 439 II BGB der Erstattung von Transportkosten und „Standgeld“ entgegen. Die Vorschrift, die die von Art. 3 III 1, IV der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geforderte Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll (Senat, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 11), bestimmt, dass der Verkäufer die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat, sofern – wie hier – ein Mangel vorliegt (Senat, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 21). Beispielhaft nennt das Gesetz unter anderem Transport- und Wegekosten, wie sie die Klägerin geltend macht. Erfordert die Nacherfüllung, dass der Verkäufer die Kaufsache wieder an sich nimmt, hat der Verkäufer auch Kosten der Aufbewahrung, wie das von der Klägerin sogenannte „Standgeld“, zu tragen, weil auch dies Teil der dem Käufer geschuldeten unentgeltlichen Herstellung des vertragsgemäßen Zustands ist.

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