Kommt es bei einem Gebrauchtwagenkauf auf Käuferseite zu einem „Rollenwechsel“, indem als Käuferin die als Einzelhändlerin tätige Lebensgefährtin des „eigentlichen“ Käufers angegeben wird, um dem Verkäufer einen vollständigen Ausschluss der Sachmängelhaftung zu ermöglichen, ist der Käufer nur dann durch die §§ 474 ff. BGB geschützt, wenn er an der Manipulation nicht mitwirkt hat.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2015 – I-3 U 30/14
Sachverhalt: Der Beklagte, der mit Gebrauchtwagen handelt, bot in einem Internetportal einen im Januar 2002 erstzugelassenen Mercedes-Benz SL 500 mit einer Laufleistung von knapp 81.000 km für 20.950 € zum Kauf an.
Der Kläger wandte sich daraufhin telefonisch an den Beklagten; der Inhalt des Telefonats ist zwischen den Parteien umstritten.
Am 14.08.2012 begab sich der Kläger zu dem Beklagten, und es kam zu einem weiteren Gespräch, dessen Inhalt ebenfalls streitig ist. Der Kläger unterzeichnete einen „Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug“, der als Käuferin die Lebensgefährtin des Klägers mit Geburtsdatum, Anschrift und Telefonnummern ausweist. Unter „Beruf/Gewerbe“ ist „Einzelhandel“ vermerkt; im Bereich der Unterschriften findet sich der Stempelaufdruck: „Verkauf an Gewerbetreibenden ohne jegliche Gewährleistung“.
Nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises wurde das Fahrzeug dem Kläger am 23.08.2012 übergeben. Am selben Tag schloss der Kläger mit dem Beklagten eine „Garantievereinbarung/Händler für Gebrauchtwagen“; Garantiegeberin war eine Gebrauchtwagen-Garantie-Gesellschaft.
Nachdem gegenüber dem Beklagten auf eine zwischen den Parteien umstrittene Weise Mängel des Fahrzeugs gerügt worden waren, antwortete der Kläger mit Schreiben vom 11.09.2012 an die Lebensgefährtin des Klägers. In dem Schreiben hieß es unter anderem:
„Sehr geehrte Frau P,
Sie sind unser Vertragspartner. Ihr Lebensgefährte hat das vorstehend genannte Fahrzeug in Ihrem Auftrag bei uns gekauft sowie in Ihrem Namen den Kaufvertrag abgeschlossen …“
In der Folgezeit ließ der Kläger an dem Pkw mehrere Reparaturen durchführen, und es kam zu einer Korrespondenz zwischen den Parteien über eine Sachmängelhaftung des Beklagten. Schließlich erklärte der Kläger mit Schreiben vom 02.11.2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei Verbraucher. Das in Rede stehende Fahrzeug habe er für sich selbst erwerben wollen; er habe den Kaufpreis gezahlt, den Pkw auf seinen Namen angemeldet und sei Eigentümer des Fahrzeugs. Im Kaufvertrag sei seine Lebensgefährtin als Käuferin genannt, weil der Beklagte nur an einen Gewerbetreibenden habe verkaufen wollen. Davon sei in dem Internetinserat und am Telefon keine Rede gewesen; erst als er, der Kläger, am 14.08.2012 bei dem Beklagten gewesen sei, sei er dazu gedrängt worden, seine Lebensgefährtin als Käuferin anzugeben. Er habe nur mitgespielt, weil er das als besonders gepflegt angepriesene Fahrzeug habe erwerben wollen.
Als er (im Einzelnen bezeichnete) Mängel an dem Fahrzeug festgestellt habe, habe er, der Kläger, sich mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt. Seine Lebensgefährtin habe zu diesem Zeitpunkt noch keinen Kontakt mit dem Beklagten gehabt. Sie habe sich erst an den Beklagten gewandt, nachdem sie dessen Schreiben vom 11.09.2012 erhalten habe.
Das Landgericht hat dieauf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Aufwendungs- und Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Kaufvertrag des Beklagten mit dem Kläger sei nicht zustande gekommen, und auch als Vertreter ohne Vertretungsmacht stünden dem Kläger die von ihm geltend gemachten Rechte nicht zu. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. … Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehen schon auf der Grundlage seines eigenen Vorbringens keine Rechte aus Sachmängelhaftung zu.
1. Der Kläger ist nicht Vertragspartner des Kaufvertrages vom 14.08.2012 geworden.
Vertragspartner eines Kaufvertrages sind diejenigen, die den Vertrag persönlich abschließen oder in deren Namen der Vertrag abgeschlossen wird (statt aller: Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. [2014], vor § 433 Rn. 3).
Hier ist in der Kaufvertragsurkunde – allein – die Lebensgefährtin des Klägers als Käuferin genannt. Wer den Kaufpreis zahlte, wer Eigentümer des Fahrzeugs wurde und auf wessen Namen es angemeldet wurde – mithin wer sein Halter war –, ist unerheblich.
Die weiteren Behauptungen des Klägers, er habe eigentlich für sich selbst erwerben wollen und sei vom Beklagten dazu gedrängt worden, im Kaufvertrag seine Lebensgefährtin auszuweisen …, könnten im hier erörterten Zusammenhang nur dann von Belang sein, wenn es sich bei dem Kaufvertrag mit der Lebensgefährtin um ein Scheingeschäft nach § 117 I BGB handeln würde und bei dem Kaufvertrag mit dem Kläger selbst um das verdeckte Rechtsgeschäft gemäß § 117 II BGB (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2012 – VIII ZR 89/12, NJW-RR 2013, 687). Jedoch trägt der Kläger selbst nicht vor, der Beklagte sei, wie von § 117 I BGB gefordert, damit einverstanden gewesen, dass die Willenserklärung, wonach Käuferin die Lebensgefährtin sei, nur zum Schein abgegeben werde. Vielmehr musste der Kläger die ihm jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannten Erklärungen des Beklagten so verstehen, dass der von diesem erstrebte Erfolg – der Ausschluss der Sachmängelhaftung – gerade die Gültigkeit des Geschäfts mit der Lebensgefährtin voraussetzte. Dass dem Kläger die maßgeblichen Zusammenhänge bewusst waren, ergibt sich – wie bereits vom Landgericht richtig gesehen – schon aus seinem erstinstanzlichen Vorbringen und wird besonders deutlich in der Ausführung der Berufungsbegründung, der Beklagte habe ihn dazu gedrängt „einen Gewährleistungsausschluss zu vereinbaren, indem der Kläger doch vielleicht jemanden kenne, der über ein Gewerbe verfüge“.
2. Dem Beklagten ist die Berufung darauf, Käuferin sei die Lebensgefährtin des Klägers, auch nicht wegen einer Umgehung der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§ 475 I 2 BGB) verwehrt.
a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vorliegt, wenn durch bestimmte Vertragsgestaltungen ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers verschleiert wird und damit die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf umgangen werden, insbesondere indem ein Agenturgeschäft nach der insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise missbräuchlich eingesetzt oder ein „Strohmann“ zwischengeschaltet wird (BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 m. w. Nachw.).
Sozusagen spiegelbildlich hierzu könnte im gegebenen Fall ein Eigengeschäft eines Verbrauchers verschleiert worden sein: Während bei den vom BGH behandelten Fällen auf Verkäuferseite ein Verbraucher vorgeschoben wird, könnte hier auf Käuferseite ein Unternehmer vorgeschoben worden sein, dies jeweils mit dem Zweck, die Kaufsache unter Ausschluss der Haftung für Mängel zu verkaufen.
Indes können nach Auffassung des Senats die beiden vorstehend beschriebenen Fallgestaltungen nicht gleichgesetzt werden und liegt bei der zweitgenannten kein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vor. Denn wird ein Unternehmer als Verkäufer tätig, ist seine Vertragsfreiheit durch das heute geltende Kaufrecht unter anderem dahin eingeschränkt, dass er an einen Verbraucher nicht unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkaufen darf. Nach wie vor steht es jedoch in seiner – positiven und negativen – Vertragsfreiheit, ein Geschäftsmodell zu betreiben, nach welchem er allein an Unternehmer verkauft und auf diese Weise seine Haftung ausschließen kann; mit anderen Worten stellt die Vermeidung eines Geschäfts mit einem Verbraucher durch einen Unternehmer als solche keine Umgehung der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf dar.
b) Nach den – vom Beklagten bestrittenen – Behauptungen des Klägers ist der Beklagte im vorliegenden Fall indes über dieses Geschäftsmodell als solches dadurch hinausgegangen, dass er ihm (dem Kläger) die Einschaltung eines Unternehmers, also bei lebensnaher Betrachtung eines Strohmannes, auf Käuferseite nahegelegt hat. Das hilft dem Kläger jedoch im Ergebnis nicht weiter. Der genannte Umstand führt nämlich nicht zu einem „Austausch“ der „formalen“ Käuferin.
Findet bei einem Kauf ein „Rollenwechsel“ auf Käuferseite statt, um die Vorschriften über Verbrauchsgüterkäufe auszuschließen, gilt, auch unter dem Gesichtspunkt des Umgehungsgeschäfts, der Grundsatz, dass nur der redliche („gutgläubige“) Käufer den Schutz der §§ 474 ff. BGB verdient, mithin dann, wenn die Manipulation vom Verkäufer ausgeht und der Käufer an ihr nicht mitwirkt (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 1993 ff.; für eine andere Sachlage als hier auch BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045).
Vorliegend ist die Einschaltung der Strohfrau nicht allein dem Beklagten zuzurechnen, sondern auch dem Kläger. Wie dieser selbst sagt, hat er „mitgespielt“, und nach seinen eigenen Darlegungen lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte in vorwerfbarer Weise auf seine Willensentschließung eingewirkt hätte. Am Tage des Vertragsschlusses wurde er vom Beklagten weder getäuscht noch durch das Inaussichtstellen eines Übels in eine Zwangslage versetzt. In seiner Entscheidung, seine Lebensgefährtin in den Vertrag einzuschalten oder nicht, blieb der Kläger frei. Der Beklagte machte sich letztlich nur die Umstände zunutze, dass der Kläger bei ihm war, das Fahrzeug sah und erhebliches Geschäftsinteresse entwickelte. Wenn der Beklagte bei dieser Lage dem Kläger eine Möglichkeit nahebrachte, nach der einerseits sein Geschäftsmodell gewahrt blieb, andererseits der Pkw trotz der persönlichen Gegebenheiten des Klägers veräußert werden konnte, überschritt dies nicht den Rahmen zulässiger Beeinflussung der Willensentschließung der Gegenseite im Rahmen von Vertragsverhandlungen.
3. Rechte aus Sachmängelhaftung hat der Kläger auch nicht deshalb, weil er – wie von ihm hilfsweise geltend gemacht – als Vertreter ohne Vertretungsmacht haften würde.
a) Dies folgt auf der Grundlage des eigenen Vortrags des Klägers bereits daraus, dass er nach seinen Behauptungen zwar im Namen seiner Lebensgefährtin den Kaufvertrag abschloss, ohne hierzu Vertretungsmacht zu haben, jedoch die danach gemäß § 177 I BGB eintretende schwebende Unwirksamkeit des Kaufvertrages bis heute nicht geendet hat.
Die Dauer des Schwebezustandes ist gesetzlich nicht begrenzt. Mit Schriftsatz vom 12.09.2013 hat der Kläger selbst hervorgehoben, eine Erklärung der Lebensgefährtin über die Genehmigung liege noch gar nicht vor. Widerrufen (§ 178 BGB) hat der Beklagte den Vertrag nicht. Eine Aufforderung nach § 177 II 1 BGB ist vom Beklagten nicht erklärt worden; dessen Schreiben vom 11.09.2012 kann nicht in diesem Sinne verstanden werden, da er sich dort uneingeschränkt und dezidiert auf den Standpunkt stellte, die Lebensgefährtin des Klägers sei die Käuferin und müsse sich entsprechend behandeln lassen, aufgetretene „Unstimmigkeiten“ habe sie intern mit dem Kläger zu klären.
Darauf, dass der Berufungsbegründung auch insoweit zu folgen sein dürfte, als eine Ausübung des Wahlrechts gemäß § 179 I BGB durch den Beklagten in schlüssiger Form nicht festgestellt werden kann, muss nicht mehr näher eingegangen werden.
b) Überdies würde dem Kläger – ohne dass es hierauf noch entscheidungstragend ankommt – bezüglich und im Umfang des Ausschlusses der Sachmängelhaftung auch nicht weiterhelfen, wenn er gemäß § 179 I BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf Erfüllung in Anspruch genommen worden wäre.
Denn zwischen einem derartigen Vertreter und dem anderen Vertragsteil entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Inhalt des vollmachtlos abgeschlossenen Vertrages; nach dem Grundgedanken des § 179 BGB soll der andere Teil nicht darunter leiden, dass ein Vertreter ohne Vertretungsmacht mit ihm einen Vertrag geschlossen hat (RGZ 120, 126; BGH, NJW 1970, 240; NJW 1971, 429).
Dies hindert allerdings nicht, im Einzelfall zu prüfen, ob das Gesetz, das dem vollmachtlosen Vertreter eine Garantiehaftung auferlegt, ihn auch an bestimmte einzelne vertragliche Abreden bindet, was von den Interessen der Beteiligten abhängt (BGH, NJW 1977, 1397). So wird im Anwendungsbereich des § 312 BGB, mithin bei Haustürgeschäften, vertreten, dass einem vollmachtlosen Vertreter auch dann die Widerrufsberechtigung zustehe, wenn das Geschäft nicht für ihn, wohl aber für den Vertretenen ein gewerbliches Geschäft wäre (Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearb. 2012, § 312 Rn. 53 m. w. Nachw.). Daraus lässt sich nach Auffassung des Senats jedoch für den hier gegebenen Fall nicht schließen, entsprechend könne sich der Kläger als Vertreter ohne Vertretungsmacht auch auf die Unwirksamkeit des Ausschlusses der Sachmängelhaftung berufen, weil der Kaufvertrag zwar für seine Lebensgefährtin, nicht aber für ihn selbst ein unternehmerisches Geschäft gewesen sei. Denn bei § 312 BGB ist es deshalb gerechtfertigt, auf die Person des Vertreters ohne Vertretungsmacht abzustellen, weil es dort für die Begründung des Widerrufsrechts maßgeblich auf die Situation bei Abgabe der Willenserklärung – die „Überrumpelung“ durch die Haustürsituation – ankommt, in der sich nur der handelnde „Vertreter“ befunden hat, und damit ist der vorliegende Fall der Unterscheidung zwischen Unternehmer und Verbraucher nicht vergleichbar.
Wäre ein Kaufvertrag zwischen der Lebensgefährtin des Klägers und dem Beklagten zustande gekommen, hätte es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf gehandelt und wäre der Haftungsausschluss wirksam gewesen. Denn unabhängig davon, ob jene den Pkw für ihre berufliche Tätigkeit benötigte und in das Betriebsvermögen übernommen hätte, wären die Voraussetzungen des § 14 I BGB jedenfalls aus den bereits vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung bezeichneten Gründen – die mit der Entscheidung BGH, NJW 2005, 1045 (Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04) in Einklang stehen – unter dem Gesichtspunkt der Vortäuschung eines gewerblichen Geschäftszwecks gegeben gewesen.
4. Dauert nach dem klägerischen Vortrag der Zustand schwebender Unwirksamkeit des Kaufvertrages, dessen tatsächliche Grundlagen dem Beklagten bekannt waren (hierzu: Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. [2014], § 812 Rn. 21 m. w. Nachw.), noch an, können ihm derzeit auch keine Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehen …
C. … Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO liegen vor. Der – nach Ansicht des Senats entscheidungserheblichen – zuvor unter B 2 behandelten Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden ein Ausschluss der Sachmängelhaftung dem Umgehungsverbot gemäß §§ 475 I 2, 474 I 1 BGB unterfällt, kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Zu ihr liegt – soweit ersichtlich – keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor; die Entscheidung BGH, NJW-RR 2013, 687 (Urt. v. 12.12.2012 – VIII ZR 89/12) musste darauf nicht eingehen. Eine Beschränkung der Zulassung kommt nicht in Betracht …