- Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs im Rahmen eines Mietvertrags führt zu einem freiwilligen Besitzverlust des Vermieters. Gibt der Mieter das Fahrzeug nicht zurück, kommt es dem Vermieter daher nicht im Sinne des § 935 I BGB abhanden.
- Der Mieter eines Kraftfahrzeugs ist nicht Besitzdiener (§ 855 BGB) des Vermieters.
- Der Besitz des Fahrzeugs allein begründet noch nicht den für den gutgläubigen Erwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht (im Anschluss an BGH, Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 29 m. w. Nachw.).
OLG Celle, Beschluss vom 28.02.2025 – 14 U 183/24
(vorangehend: LG Hannover, Urteil vom 04.09.2024 – 14 O 207/23)
Sachverhalt: Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe eines Fahrzeugs VW T6 Multivan.
Das Landgericht Hannover hat der Klage mit Urteil vom 04.09.2024 – 14 O 207/23 – stattgegeben. Der Kläger habe gegen die Beklagte gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des von ihm am 05.04.2023 erworbenen Fahrzeugs, weil er es am 05.04.2023 gutgläubig von dem nichtberechtigten Verkäufer V erworben habe (§ 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB). Ein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach § 935 I 1 BGB liege nicht vor, weil das Fahrzeug der Beklagten, die es an V vermietet hatte, nicht im Sinne dieser Vorschrift abhandengekommen sei.
Eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers im Sinne des § 932 II BGB liege nicht vor. Der Kläger habe das Fahrzeug unstreitig zu einem für ein solches Fahrzeug üblichen Preis erworben. Zwar könne die Entgegennahme eines Fahrzeugs ohne Zweitschlüssel – der hier angeblich im Besitz des urlaubsabwesenden Bruders des V war – unter Umständen ein Indiz für grobe Fahrlässigkeit sein. Der Kläger habe jedoch mit dem Einbehalt eines Teilbetrags des Kaufpreises darauf reagiert, dass er den Zweitschlüssel nicht erhalten habe. Die Höhe des Einbehalts habe er mit seiner Kenntnis der Kosten für das Kodieren eines neuen Zweitschlüssels durch den Hersteller plausibel begründet. Der Kläger sei auch nicht gehalten gewesen, sich umgehend die Kontaktdaten des Bruders des V nennen zu lassen, um die Möglichkeit der sofortigen Abholung des Schlüssels zu prüfen. Zudem habe sich der Kläger die wesentlichen Unterlagen zum Fahrzeug, insbesondere die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, aushändigen lassen. Er habe die Dokumente eingesehen und die Fahrgestellnummer abgeglichen. Anlass zu weiteren Nachforschungen habe insoweit nicht bestanden. Auch der Treffpunkt für die Übergabe des Fahrzeugs, ein Parkplatz, habe keinen Anlass für weitere Nachforschungen des Klägers geboten. Bei einem Fahrzeug als Kaufgegenstand liege es auf der Hand, dass eine Besichtigung und Probefahrt nicht in der Wohnung des Verkäufers erfolgen können. Es erscheine daher naheliegend, „die Formalitäten” direkt an dem Ort zu erledigen, an dem das Fahrzeug präsentiert werde. Es sei auch nicht ersichtlich, dass Besonderheiten des Treffpunkts – etwa seine Lage (besonders einsam bzw. abgelegen, schlecht einsehbar etc.) – den Kläger zu weiteren Nachforschungen hätten veranlassen müssen. Zudem habe V nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers einen sachlichen Grund für die Durchführung der Vertragsverhandlungen auf dem Parkplatz genannt, indem er mitgeteilt habe, dass seine Wohnung wegen des Ramadans nicht zur Verfügung stehe.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, das Landgericht habe die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Herausgabe eines vermeintlich gutgläubig erworbenen Fahrzeugs zu Unrecht angenommen.
Abweichend von der Rechtsauffassung des Landgerichts sei ein Abhandenkommen im Sinne des § 935 I BGB zu bejahen. V, der Mieter des Fahrzeugs, sei ihr – der Beklagten –Besitzdiener gewesen, weil er in einem Weisungsverhältnis zu ihr gestanden habe. Dieses Weisungsverhältnis habe äußerlich nicht erkennbar sein müssen. Zwar sei das Fahrzeug ihrem räumlichen Einflussbereich entzogen gewesen, sie hätte es aber jederzeit per GPS orten können. Ein irgendwie gearteter Wille des Besitzdieners zur Begründung des Besitzdienerverhältnisses sei nicht erforderlich. Ein Bruch der Mietbedingungen – hier die Unterschlagung und der anschließende Verkauf des Fahrzeugs – führe dazu, dass das Fahrzeug gegen ihren Willen als Berechtigte genutzt werde und es mithin abhandenkomme. In der konkreten Situation sei sie, die Beklagte, jedenfalls mittelbare Besitzerin des Fahrzeugs gewesen, denn sie habe das Fahrzeug im Rahmen des Mietvertrags zwar willentlich herausgegeben, dies jedoch unter der Bedingung, dass es gemäß den Mietbedingungen genutzt werde. Im Verstoß gegen die Mietbedingungen liege ein Abhandenkommen des Fahrzeugs.
Das Landgericht habe hinsichtlich einer Bösgläubigkeit des Klägers nicht berücksichtigt, dass bereits eine Häufung sogenannter Verdachtsmomente ausreiche, um die Pflicht auszulösen, sich der Eigentümerstellung des Verkäufers zu vergewissern. Der Kläger habe sich von V sagen lassen, dass es in Ordnung sei, die alten Kennzeichen „einfach zu entsorgen”. Ein Schlüssel habe aufgrund eines angeblichen Urlaubs des Bruders gefehlt. Zudem hätte dem Kläger spätestens bei der Besichtigung des Fahrzeugs auffallen müssen, dass es – abweichend von den Angaben im Internetinserat – kleinere Schäden aufgewiesen habe und die auf dem Foto im Inserat erkennbare Chromzierleiste gänzlich gefehlt habe. Auch die gefälschte Zulassungsbescheinigung (Teil I und Teil II) hätte einen verständigen Menschen – auch einen Laien – zu der Frage veranlassen müssen, ob das in Angriff genommene Geschäft wirklich das sei, was es vorgebe zu sein. Zwar seien die Fälschungen von höherer Qualität, dennoch hätte man erkennen können, dass verschiedene Schriftarten zum Ausfüllen der Zulassungsbescheinigung Teil II verwendet worden seien und dass Siegelung und Aussteller der Zulassungsbehörde unterschiedlich seien.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat nach nochmaliger kritischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf seinen Hinweisbeschluss vom 09.01.2025 Bezug. Der Senat hat in diesem Beschluss im Wesentlichen ausgeführt:
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 513 I ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist der Senat gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO auch an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (BGH, Urt. v. 19.04.2005 – VI ZR 175/04, VersR 2005, 945; OLG München, Urt. v. 21.06.2013 – 10 U 1206/13, juris Rn. 6). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, Urt. v. 08.06.2004 – VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254 = juris Rn. 16).
Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts veranlasst. Zutreffend hat dieses angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe des von ihm am 05.04.2023 erworbenen Mehrzweckfahrzeugs VW T6 Multivan nebst zugehöriger Fahrzeugpapiere und Schlüssel aus § 985 BGB hat. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer einer Sache von dem Besitzer der Sache die Herausgabe verlangen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Kläger Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist.
Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Kläger hat von dem nichtberechtigten Verkäufer V gutgläubig gemäß § 932 I 1, II BGB das Eigentum an dem von der Beklagten zuvor vermieteten Pkw erworben hat.
Gemäß § 932 I 1 BGB wird bei einer nach § 929 Satz 1 BGB erfolgten Veräußerung der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist.
a) Eine Veräußerung im Sinne von § 929 Satz 1 BGB ist erfolgt, da dem Beklagten am 05.04.2023 der streitgegenständliche Pkw übergeben worden ist und er sich mit dem Veräußerer darüber einig war, dass das Eigentum an dem Fahrzeug auf ihn übergehen soll.
b) Obwohl das Fahrzeug unstreitig nicht V gehörte, hat der Kläger dennoch gutgläubig Eigentum gemäß § 932 I 1, II BGB hieran erworben, da die Beklagte ohne Erfolg eine fehlende Gutgläubigkeit des Klägers einwendet.
aa) Nach § 932 II BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis vom fehlenden Eigentum des Veräußerers setzt zunächst das Bestehen einer Pflicht des Erwerbers voraus, sich Kenntnis zu verschaffen (vgl. MünchKomm-BGB/Oechsler, 9. Aufl. [2023], § 932 Rn. 41). Beweisbelastet für die Bösgläubigkeit ist derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet, hier also die Beklagte (vgl. MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 932 Rn. 70 f.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen dem Erwerber
„beim Erwerb der Sache Umstände bekannt gewesen sein, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprachen, daß der Veräußerer nicht Eigentümer bzw. nicht Verfügungsberechtigter war. Der Erwerber muß sich also in einer Lage befunden haben, in der es für ihn auch bei nur durchschnittlichem Merkvermögen und Erkenntnisvermögen nicht schwer war, zu der Erkenntnis zu gelangen, daß die veräußerte Sache dem Veräußerer nicht gehörte. Die ihm bekannten Umstände müssen somit derart gewesen sein, daß er zu dieser Erkenntnis auch ohne ein besonders sorgfältiges und pflichtbewusstes Verhalten, insbesondere auch ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegung hätte gelangen können“
(BGH, Urt. v. 23.05.1956 – IV ZR 34/56, BeckRS 1956, 31386280).
Im Falle des Erwerbs eines gebrauchten Fahrzeugs – wie hier – begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Besitz des Fahrzeugs allein noch nicht den für den Gutglaubenserwerb nach ;§ 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief beziehungsweise die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefs ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht (vgl. BGH, Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 29).
bb) Gemessen an dem Vorstehenden hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt hat.
Der Preis, zu welchem der Kläger das Fahrzeug erworben hat, war unstreitig für ein solches Fahrzeug üblich. Auch hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger sich die wesentlichen Unterlagen zum Fahrzeug, insbesondere die beiden Zulassungsbescheinigungen, aushändigen lassen, die Dokumente eingesehen und die Fahrgestellnummer abgeglichen hat. Somit bestand für den Kläger zunächst kein Anlass zu einer weiteren Nachforschung. Zudem war sowohl im Fahrzeugbrief als auch im Fahrzeugschein der Veräußerer V genannt (vgl. Anlage B1 und B2, Bl. 77 ff. d. A.).
Insbesondere bestand hier deshalb kein Anlass zu einem Misstrauen, weil es sich bei den Papieren um im Nachhinein unbefugt bearbeitete Originaldokumente handelte, deren fehlende Echtheit selbst den bei der Sicherstellung eingesetzten Polizeibeamten nicht aufgefallen ist. Soweit die Beklagte meint, die von der üblichen verwendeten Schriftart abweichende Eintragung des neuen Halters in der Zulassungsbescheinigung Teil II hätte dem Kläger ein Hinweis sein können, wie auch der Umstand, dass die Zulassungsbescheinigung Teil I vorgeblich von der Stadt S. ausgestellt, jedoch von der Stadt T. gesiegelt worden ist, kann dem nicht gefolgt werden. Die Papiere weisen diese Auffälligkeiten gerade nicht auf den ersten Blick auf (vgl. Anlage B1 und B2, Bl. 77 f. d. A.). Vielmehr wäre, um diese wahrzunehmen, eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich gewesen, die nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber gerade nicht geboten ist.
Gleiches gilt hinsichtlich der alten Kennzeichen, bezüglich derer keine Veranlassung für eine genauere Untersuchung beziehungsweise Nachforschung durch den Kläger bestand. Zutreffend hat das Landgericht auch ausgeführt, dass eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers hier auch nicht daraus folgt, dass der Kläger beziehungsweise sein Sohn unstreitig erst nach Rückkehr an den Wohnort mit dem Verkäufer Kontakt aufnahmen, um die EG-Übereinstimmungsbescheinigung zu erhalten, da es sich bei der Bescheinigung um kein für den Eigentumserwerb vorrangig wesentliches Dokument handelt und auch nicht auszuschließen ist, dass der Kläger an diese bei Vertragsabschluss schlicht nicht gedacht hat. Auch hinsichtlich des Treffpunkts für die Übergabe des streitgegenständlichen Pkw war vorliegend – wie in dem erstinstanzlichen Urteil richtig ausgeführt – nichts dafür ersichtlich, dass der Parkplatz aufgrund von Besonderheiten, etwa seiner Lage, den Kläger zu weiteren Nachforschungen hätte veranlassen müssen.
Zuzugeben ist der Beklagten jedoch, dass ein fehlender Zweitschlüssel ein Indiz für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit sein kann. Die Angabe des Veräußerers, der Zweitschlüssel befinde sich bei seinem Bruder, der zurzeit im Urlaub sei, ist aus Sicht des Senats jedoch nicht derart abwegig, dass dies eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers begründet, zumal dieser unstreitig mit dem Einbehalt eines Teilbetrags des Kaufpreises hierauf reagiert hat.
Anders als die Beklagte meint, lag hier – im Gegensatz zu dem von dem Beklagten genannten Urteil des OLG München (OLG München, Urt. v. 16.01.2019 – 20 U 1732/18, BeckRS 2019, 639) – somit gerade keine „Vielzahl kleinerer Auffälligkeiten“ vor, die ein Misstrauen begründen musste.
c) Einem gutgläubigen Erwerb des Beklagten stand auch nicht die Vorschrift des § 935 I BGB entgegen. Demnach tritt der gutgläubige Erwerb des Eigentums bei einer Veräußerung gemäß § 932 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen war. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz an ihr unfreiwillig verliert (BGH, Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 9).
Zutreffend hat das Landgericht insoweit angenommen, dass die Beklagte, indem sie das Fahrzeug vermietet hat, den unmittelbaren Besitz freiwillig aufgegeben hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Mieter des streitgegenständlichen Pkw vorliegend den unmittelbaren Besitz gemäß § 854 I BGB an diesem erworben und war nicht Besitzdiener nach § 855 BGB.
Der unmittelbare Besitz an einer Sache wird gemäß § 854 I BGB durch die tatsächliche Gewalt über die Sache erworben. Für die Besitzverhältnisse an einem Kraftfahrzeug kommt es in der Regel darauf an, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die Fahrzeugschlüssel ausübt. Die Übergabe eines Schlüssels bewirkt allerdings nur dann einen Besitzübergang, wenn der Übergeber die tatsächliche Gewalt an der Sache willentlich und erkennbar aufgegeben und der Empfänger des Schlüssels sie in gleicher Weise erlangt hat. Hieran fehlt es etwa, wenn der Schlüssel zwecks bloßer Besichtigung des Fahrzeugs übergeben wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 12). So lag der Fall hier indes nicht. Vielmehr wurden die Schlüssel dem Verkäufer im Rahmen eines Pkw-Mietvertrags übergeben.
Der Verkäufer des streitgegenständlichen Pkw war auch nicht – wie die Beklagte meint – Besitzdiener. Der Bundesgerichtshof hat in dem bereits genannten Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 – festgestellt, dass bereits ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, nicht Besitzdiener des Verkäufers ist. Er führt hierzu aus (Rn. 22 m. w. Nachw.):
„Besitzdiener ist nach § 855 BGB, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Auch für das hier nur in Betracht kommende ‚ähnliche Verhältnis‘ muss ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis begründet werden, das dem Besitzherrn zumindest faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen gegenüber dem Besitzdiener durchzusetzen. Besitzdiener ist nicht jeder, der Weisungen des Eigentümers der Sache zu befolgen hat, sondern nur derjenige, demgegenüber der Eigentümer die Einhaltung seiner Weisungen im Nichtbefolgungsfall aufgrund eines Direktionsrechts oder vergleichbarer Befugnisse unmittelbar selbst durchsetzen kann ([…]). Dies geht nicht nur in eindeutiger Weise aus dem Wortlaut der Vorschrift hervor, sondern auch aus der Gesetzgebungsgeschichte. Die von dem Gesetz genannten Fälle – Ausübung der unmittelbaren Gewalt über die Sache im Haushalt des Besitzherrn oder in dessen Erwerbsgeschäft – machen deutlich, dass das Weisungsrecht seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis finden und diesem Rechtsverhältnis das Gepräge geben muss ([…]). Die sich aus dem Gesetz ergebenden Erfordernisse der Fremdnützigkeit und der Weisungsgebundenheit stehen dabei in einer inneren Abhängigkeit und stellen die Abgrenzungskriterien zu einem Besitzmittlungsverhältnis dar ([…]). Dies kommt auch in den Protokollen zur zweiten Lesung des BGB zum Ausdruck, in denen ausgeführt ist, dass es immer eines besonderen rechtlichen Umstands bedürfe, kraft dessen der Besitz des einen auf einen anderen bezogen werde. Dieses Rechtsverhältnis sei in § 797a BGB – dem heutigen § 855 BGB – bezeichnet (Mugdan III, 505). Das Rechtsverhältnis, das eine Besitzdienerschaft begründet, braucht allgemeiner Meinung nach nicht wirksam zu sein. Entscheidend ist, dass die Parteien dieses als gültig ansehen ([…]). An einem solchen sozialen Abhängigkeitsverhältnis fehlt es zwischen einem Kaufinteressenten und dem Verkäufer (vgl. Senat, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 14 zu einer Probefahrt des Bestellers einer Fahrzeugreparatur).“
Ein auch nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis lag mit dem Mietvertrag nicht vor. Insbesondere hätte die Beklagte gegenüber dem Mieter des Pkw die Einhaltung ihrer Weisungen, die sie etwa im Rahmen ihres Mietvertrags erteilt hat, nicht unmittelbar selbst durchsetzen können. Dies hätte sie auch nicht – wie die Beklagte meint – über die Ortung des Fahrzeugs per GPS. Denn der Mieter kann – wie es der hier vorliegende Fall gerade zeigt – jederzeit das Fahrzeug wegbewegen, ohne dass die Beklagte ihre Weisungen unmittelbar durchsetzen könnte. Mithin war der Mieter des Fahrzeugs hier nicht Besitzdiener der Beklagten. Die Beklagte hat – wie oben bereits ausgeführt – stattdessen durch die Vermietung ihren Besitz an dem Fahrzeug freiwillig aufgegeben.
2. Das Landgericht hat somit zutreffend angenommen, dass die Beklagte als Besitzerin des streitgegenständlichen Pkw nach § 985 BGB verpflichtet ist, dieses mit den zugehörigen Fahrzeugpapieren an den Kläger als Eigentümer herauszugeben.
III. Die Beklagte hat auf diesen Beschluss mit Schriftsatz vom 13.02.2025 Stellung genommen. Die Stellungnahme der Beklagten führt jedoch zu keiner anderen Bewertung.
Dass das Fahrzeug bei Übergabe keine Chromzierleisten wie in dem Angebot (Anlage K3, Bl. 10 d. A.) aufwies, vermag keine grobe Fahrlässigkeit des Klägers zu begründen, insbesondere, weil diese bei dem auf dem Angebot abgebildeten Fahrzeug lediglich unten angebracht sind und dem Käufer somit in der konkreten Übergabesituation nicht ohne Weiteres sofort ins Auge hätten fallen müssen.
Sofern die Beklagte rügt, der Senat habe den Ort, an dem der Kaufvertrag geschlossen wurde – nämlich ein Parkplatz – außer Acht gelassen, trifft dies nicht zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf Seite 6 des Hinweisbeschlusses vom 09.01.2025 Bezug genommen. Hinsichtlich der EG-Übereinstimmungsbescheinigung hat der Senat ebenfalls bereits ausgeführt, dass es sich bei der Bescheinigung um kein für den Eigentumserwerb vorrangig wesentliches Dokument handelt und daher nicht auszuschließen ist, dass der Kläger an diese bei Vertragsabschluss nicht gedacht hat (vgl. Seite 5 des Hinweisbeschlusses vom 09.01.2025, Bl. 60 d. A.).
Der nunmehr mit Schriftsatz vom 13.02.2025 gehaltene Vortrag der Beklagten, sie habe „zwischenzeitlich“ festgestellt, dass das hier streitgegenständliche Fahrzeug fremdfinanziert und der Kreditgeberin, der B-Bank, sicherheitsübereignet sei, ist wegen Verspätung gemäß § 531 II Nr. 3 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte trägt bereits nicht vor, wann sie diese Feststellung konkret getroffen haben will, und sagt insbesondere nicht, warum sie diesen Vortrag nicht schon in der ersten Instanz hätte halten können. Zutreffend weist der Kläger mit Schriftsatz vom 14.02.2024 darauf hin, dass ausweislich der Anlage B1 der streitgegenständliche Pkw bereits seit 2019 finanziert worden sei. Es handelt sich also nicht um erst im Berufungsverfahren nachträglich entstandene neue Tatsachen. Zudem sind sie in der entscheidenden Frage nicht unstreitig: Zunächst führt eine Fremdfinanzierung nicht „automatisch“ zum Verlust der Passivlegitimation. Ob und inwieweit das der Fall wäre, müsste vorgetragen werden, was hier nicht erfolgt ist. Die Beklagte kann überdies nicht – wie sie meint – damit gehört werden, die Rüge der fehlenden Passivlegitimation sei nicht verspätet, weil der Vortrag zur Passivlegitimation Voraussetzung für die Schlüssigkeit der Klage sei, sodass es dem Kläger obliege, die Voraussetzungen der Passivlegitimation darzulegen. Die Passivlegitimation stand in erster Instanz nicht im Streit, sodass für den Kläger keine Veranlassung bestanden hat, hierzu Vortrag zu halten. Die Beklagte hat den Einwand fehlender Passivlegitimation erstmalig im Schriftsatz vom 13.02.2025 erhoben. Zuvor ist der Einwand nicht einmal angedeutet worden (vgl. insbesondere Klageerwiderung vom 12.01.2024, Bl. 69 ff. d. A.; Schriftsatz v. 23.01.2024, Bl. 75 f. d. A., Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 15.08.2024, Bl. 126 f. d. A.; ebenso Berufungsbegründung v. 30.10.2024, Bl. 47 ff. d. A.).
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den oben genannten Hinweisbeschluss des Senats Bezug genommen.
Da die Sache im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Senats erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, war die Berufung wie angekündigt gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO. …